OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2012 - 2 A 760/10
Fundstelle
openJur 2013, 43828
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Beseitigungsverfügung der Beklagten. Er ist Eigentümer des 14.385 m² großen Grundstücks Gemarkung H. , Flur 4, Flurstück 254. Das zu großen Teilen baumbestandene Grundstück liegt am südlichen Rand des Stadtgebiets von T. und ist im Wesentlichen von landwirtschaftlich genutzten Flächen bzw. Waldflächen umgeben. Westlich des Grundstücks verläuft die C. Straße (L 924), von der ein Weg ("F. ") in östliche Richtung abzweigt und zum Grundstück führt. Dort steht das hier im Streit stehende Gebäude, das der Kläger als Wochenendhaus nutzt und das - nach seinen Angaben - eine Grundfläche von 12,31 m x 8,80 m hat. Im Flächennutzungsplan der Beklagten ist das Grundstück als Waldfläche dargestellt.

Mit Bauschein vom 30. Juli 1968 genehmigte der Oberkreisdirektor des F1. -S. -Kreises dem damaligen Eigentümer der Liegenschaft - Herrn M. - die "Wiedererrichtung einer Jagdhütte", die ausweislich der zugehörigen Bauvorlagen eine Grundfläche von 8,05 m x 4,95 m haben sollte. Die Schlussabnahme des Bauvorhabens erfolgte im Jahre 1975. Später wurden ohne Baugenehmigung das Gebäude erweitert und weitere bauliche Anlagen auf dem Grundstück errichtet. Infolge dieser ungenehmigten Baumaßnahmen kam es zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten der Beklagten gegen die seinerzeitigen Eigentümer des Grundstücks, die Eheleute T1. , welche die Liegenschaft im Jahre 1982 erworben hatten. Von ihnen wurde - nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers - gefordert, die gesamte Bausubstanz bis auf die unter dem 30. Juli 1968 genehmigte Jagdhütte abzureißen. Wegen dieser Anordnung wandten sich die Eheleute T1. mit einer Petition an den Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen. Aktenkundig ist, dass der Präsident des Landtags den Eheleuten T1. unter dem 11. Oktober 1984 den folgenden Beschluss des Petitionsausschusses vom 2. Oktober 1984 bekannt gab:

"Im Hinblick auf die Vorgeschichte des Objektes und darauf, dass der größte Teil der früher vorhandenen Bausubstanz inzwischen beseitigt worden ist, empfiehlt der Petitionsausschuss den zuständigen Bauaufsichtsbehörden (Stadt T. und F1. -S. -Kreis), die zum Stichtag 31. August 1984 vorhandene Bausubstanz unter der Voraussetzung zu dulden, dass keine Nutzung als Dauerwohnsitz stattfindet. Dabei geht der Petitionsausschuss davon aus, dass keinerlei weitere bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück durchgeführt, die vorhandenen Wellblechgaragen nebst Anbau beseitigt und vom jetzigen Bestand Zeichnungen (einschließlich Nutzung) sowie Fotografien gefertigt werden."

Mit Schreiben vom 18. Februar 1985 teilte die Beklagte den Eheleuten T1. mit, dass der Oberkreisdirektor sie gebeten habe, entsprechend dem Schreiben vom 11. Oktober 1984 zu verfahren. Danach sei "durch geeignete Maßnahmen der jetzige Bestand zu erfassen", und es sei sicherzustellen, "dass keine weiteren Baumaßnahmen auf dem Grundstück durchgeführt werden". Unter dem 25. August 1985 unterzeichneten die Eheleute T1. eine von der Beklagten vorbereitete Erklärung, der eine "aufgrund eines örtlichen Aufmaßes" erstellte "Grundriss-Skizze der Jagdhütte F. " und mehrere Lichtbilder von der Hütte beigefügt waren. Die Skizze wies drei "Zimmer", eine Küche, zwei Flure, ein WC sowie einen (ca. 28 m² großen) Abstellraum aus. Die Erklärung hatte folgenden Wortlaut:

"1. Die beigefügte von uns gegengezeichnete Grundrissskizze entspricht auch hinsichtlich der Nutzungsart dem heutigen Bauzustand der Hütte.

2. Die beigefügten und von uns ebenfalls gegengezeichneten Fotos 1 - 5, die seitens der Verwaltung am 5. September 1984 aufgenommen wurden, entsprechen ebenfalls dem derzeitigen Zustand der Hütte.

Unter Bezugnahme auf die seinerzeitige Ortsbesichtigung verpflichten wir uns, hiermit keinerlei weitere genehmigungspflichtigen baulichen Maßnahmen auf dem oben angeführten Grundstück durchzuführen und die vorhandene Wellblechgarage nebst Anbau zu beseitigen."

Nach mehreren Kontrollen betreffend die Beseitigung von Nebengebäuden verfügte die Bauaufsicht der Beklagten am 22. Mai 1986, dass die "Angelegenheit erledigt" sei.

Im Jahre 2006 erwarb der Kläger das Grundstück von Frau T1. , deren Ehemann zuvor verstorben war. Er ließ die Außenwände des aufstehenden Gebäudes - der ehemaligen Jagdhütte - mit Schiefer verkleiden, die alte Nachtstromspeicherheizung durch eine Gasheizung ersetzen, einen erdgedeckten Flüssiggastank installieren und die Fenster sowie den vorhandenen Holzofen erneuern. Anstelle eines Fensters in einer Giebelseite wurde eine Terrassentür eingebaut. Die Innenwände wurden entfernt und mit vollständig anderer Raumaufteilung neu gesetzt. Das Gebäude verfügt nunmehr über einen großen Wohnraum mit integrierter Kochzeile, ein Schlafzimmer, ein Badezimmer, ein separates WC, einen kleinen Abstellraum und einen Flur. Außerdem wurde ein weiteres Gebäude auf dem Grundstück errichtet, bei dem es sich dem Erscheinungsbild nach um einen Carport handelte.

Anlässlich einer Ortsbesichtigung am 2. September 2008 stellte die Beklagte die durchgeführten baulichen Maßnahmen fest. Unter dem 25. November 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Bestandsschutz der ehemaligen Jagdhütte erloschen sei und eine nachträgliche Legalisierung des zu einem Wohnhaus um- und ausgebauten Gebäudes aus planungsrechtlichen Gründen nicht in Aussicht gestellt werden könne. Es sei daher beabsichtigt, durch ordnungsbehördliche Zwangsmaßnahmen sowohl die Entfernung des Einfamilienhauses als auch des Carports durchzusetzen.

Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 17. Dezember 2008, dass er nach dem Erwerb des Grundstücks keine baugenehmigungspflichtigen Baumaßnahmen durchgeführt habe. Bauliche Maßnahmen zur Bestandssicherung seien nicht ausgeschlossen.

Die Beklagte forderte den Kläger mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 24. Februar 2009 zur ersatzlosen Beseitigung der ehemaligen Jagdhütte - "jetzt Einfamilienhaus" - (Nr. 1), des Doppelcarports (Nr. 2) und des Flüssiggastanks (Nr. 3) auf und drohte für den Fall der Nichtbefolgung binnen sechs Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der Verfügung Zwangsgelder in Höhe von 10.000,- Euro (zu Nr. 1), 2.000,- Euro (zu Nr. 2) und 500,- Euro (zu Nr. 3) an. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Die vorgenommene Nutzungsänderung von einer ehemaligen Jagdhütte in ein Einfamilienwohnhaus sowie die Errichtung des Carports und des Gastanks seien nicht genehmigt und damit formell baurechtswidrig. Die Maßnahmen seien auch mit dem materiellen Baurecht nicht vereinbar. Das Grundstück liege im Außenbereich und sei planungsrechtlich nach § 35 BauGB zu beurteilen. Das Gebäude genieße aufgrund der Umbauten und der Änderung der Nutzung keinen Bestandsschutz als nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierte Jagdhütte. Als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB sei es bauplanungsrechtlich unzulässig, weil öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt würden. Es widerspreche der Darstellung des Grundstücks im Flächennutzungsplan als Fläche für Wald und beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Außenbereichsvorhaben die Entfernung der baulichen Anlagen zu verlangen sei.

Am 24. März 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die zwischen den Eheleuten T1. und der Beklagten getroffene Duldungsvereinbarung sei grundstücksbezogen und gelte auch zu seinen Gunsten. Sie habe sich nicht auf eine Nutzung des Gebäudes als Jagdhütte bezogen. Die Ordnungsverfügung sei ermessensfehlerhaft. Die Beklagte gehe fälschlicherweise davon aus, dass es sich bei dem geduldeten Gebäude um eine Jagdhütte gehandelt habe und nunmehr ein Einfamilienhaus entstanden sei. Die Hütte sei von den Eheleute T1. nie als Jagdhütte, sondern nur zu Freizeitzwecken genutzt worden. Dies habe sich nicht geändert. Er nutze das Gebäude nicht als Dauerwohnsitz. Er habe keine genehmigungspflichtigen Erweiterungen oder Veränderungen an dem Gebäude vorgenommen. Die Grundfläche sei unverändert. Lediglich die Raumaufteilung sei durch die Umsetzung der Leichtbauwände, die eine statische Neuberechnung nicht erforderlich machten, geändert worden. Auch die weiteren Maßnahmen am bzw. im Gebäude hätten keiner Baugenehmigung bedurft. Das in der Ordnungsverfügung als Carport bezeichnete Holzlager sei beseitigt worden.

Der Kläger hat die Klage hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung geforderten Beseitigung des Carports und des Flüssiggastanks und der insoweit angedrohten Zwangsgelder in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zurückgenommen und hiernach beantragt,

die Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 24. Februar 2009 (Beseitigung ehemalige Jagdhütte jetzt Einfamilienhaus) und das insoweit angedrohte Zwangsgeld aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die angegriffene Ordnungsverfügung verwiesen und ergänzend ausgeführt: Der Kläger interpretiere die Vereinbarung vom 25. Februar 1985 falsch. Diese beziehe sich auch auf eine Nutzung als Jagdhütte. Die Vereinbarung sei im Übrigen in Umsetzung des Beschlusses des Petitionsausschusses geschlossen worden und habe dazu gedient, auf eine bautechnisch schwierige Entfernung der Anbauten an die frühere Jagdhütte zu verzichten.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren im Umfang der Klagerücknahme eingestellt und im Übrigen die Klage durch Urteil vom 5. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Für das streitige Gebäude liege in seiner jetzigen Gestalt keine Baugenehmigung vor. Der Bestandsschutz der ehemaligen Jagdhütte sei durch die bauliche Veränderung und die Umnutzung in ein Wochenendhaus verloren gegangen. Das Gebäude sei materiell baurechtswidrig. Als sonstiges, nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich sei es nach § 35 BauGB unzulässig, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche und die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtige. Auf die gegenüber den Eheleuten T1. ausgesprochene Duldung der Beklagten könne sich der Kläger nicht berufen, da diese Duldung nicht grundstücks-, sondern personenbezogen sei. Ungeachtet dessen ließen die vom Kläger durchgeführten Bauarbeiten das Vertrauen in den Fortbestand der Duldung nicht mehr schützenswert erscheinen. Die Maßnahmen gingen über eine genehmigungsfreie Instandhaltung hinaus; es handele sich um eine Komplettsanierung. Die geforderte Beseitigung des gesamten Gebäudes sei nicht unverhältnismäßig. Dass die Beklagte von einer Umnutzung zu einem Wohnhaus - nicht Wochenendhaus - ausgegangen sei, führe zu keinem Ermessensfehler, weil die Fehlvorstellung der Beklagten keinen wesentlichen Gesichtspunkt betreffe.

Zur Begründung seiner mit Beschluss des seinerzeit zuständigen 7. Senats des erkennenden Gerichts vom 3. Februar 2011 zugelassenen Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die angefochtene Ordnungsverfügung sei rechtswidrig, weil sie auf einer fehlerhaften Ermessensausübung beruhe. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass er - der Kläger - das Gebäude von einer "Jagdhütte" in ein "Einfamilienhaus" umgewandelt habe. Tatsächlich sei das Gebäude schon von den Voreigentümern, den Eheleuten T1. , nicht als Jagdhütte genutzt worden. In deren Petitionsverfahren sei es nur um die Erhaltung eines Wochenendhauses gegangen. Er habe diese Nutzung nach dem Erwerb fortgesetzt; als Dauerwohnsitz nutze er das Gebäude nicht. Der Beseitigungsverfügung stehe außerdem die Duldungszusage der Beklagten entgegen. Soweit die Duldung unter dem Vorbehalt ausgesprochen worden sei, dass keine genehmigungspflichtigen Maßnahmen auf dem Baugrundstück durchgeführt würden, habe er solche Maßnahmen nicht vorgenommen. Alle Arbeiten am Haus seien baugenehmigungsfrei möglich gewesen. Sollte die Errichtung der Überdachung eines Holzlagers - von der Beklagten als "Doppelcarport" bezeichnet - genehmigungspflichtig gewesen sein, verstieße es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wegen der vorübergehenden Errichtung dieser vom Wochenendhaus getrennten Anlage dessen gesamte Beseitigung zu verlangen. Die Duldungszusage sei grundstücksbezogen zu verstehen und von der Voreigentümerin auch so verstanden worden. Eine hiervon abweichende Personenbezogenheit der Duldung sei bei der Zusage nicht zum Ausdruck gebracht worden. Die Beklagte habe nach der Zusage auch nicht unter Kontrolle gehalten, dass das Gebäude weiterhin (nur) durch die Eheleute T1. genutzt werde. Gegen die Grundstücksbezogenheit könne nicht eingewandt werden, dass damit ein Berufungsfall und eine baugenehmigungsähnliche Rechtslage geschaffen werde. Ausschlaggebend für die Empfehlung des Petitionsausschusses sei die "Vorgeschichte" des Objekts gewesen, die keineswegs mit der eines üblichen "Schwarzbaus" vergleichbar sei. Maßnahmen zur Substanzerhaltung stünden dem Fortbestand der Duldung nicht entgegen. Im Laufe des Verfahrens hätten sich alle die Ordnungsverfügung tragenden Erwägungen der Beklagten als hinfällig erwiesen. Bereits die Eheleute T1. hätten Veränderungen des Wochenendhauses im Innern vorgenommen. Bei zutreffender Beurteilung hätte die Beklagte entscheiden müssen, ob sie allein wegen dieser Veränderungen die vollständige Beseitigung des Gebäudes verlangen sollte. Eine solche Entscheidung sei nicht getroffen worden. Sie könne im Gerichtsverfahren auch nicht nachgeholt werden, weil § 114 Satz 2 VwGO nicht gestatte, wesentliche Teile der Erwägungen auszutauschen oder nachzuschieben. Einer nachträglich anderen Begründung der Ordnungsverfügung stehe auch § 45 Abs. 2 VwVfG NRW entgegen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Wochenendhaus nur mit derjenigen Raumaufteilung habe geduldet werden sollen, die sich aus der Grundriss-Skizze vom 25. Februar 1985 ergebe. Eine solche Einschränkung hätte insbesondere in Bezug auf den größeren Raum zum "Abstellen" keinen Sinn gemacht, weil dieser nur für eine Jagdhütte nötig gewesen sei, aber nicht für ein Wochenendhaus. Die mit der Zwangsmittelandrohung gesetzte Frist von sechs Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der angefochtenen Ordnungsverfügung sei zu kurz bemessen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 5. März 2010 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor: Aus der Vereinbarung mit den Voreigentümern, den Eheleuten T1. , könne der Kläger keine Rechte herleiten. Die Vereinbarung habe nur für diese gelten sollen. Ein Zusatz zur Geltung auch für Rechtsnachfolger sei nicht aufgenommen worden. Eine "endlose Duldung" wäre faktisch einer Baugenehmigung gleichgekommen, die aber auch damals nicht habe erteilt werden dürfen. Petitionen entfalteten nur für den jeweiligen Petenten Wirkung. Letztlich sei unerheblich, ob der Kläger das Gebäude als Dauerwohnsitz oder Wochenendhaus nutze; beide Nutzungen seien planungsrechtlich unzulässig. Die vom Kläger vorgenommenen Maßnahmen gingen weit über Instandhaltungsarbeiten hinaus. Der Grundriss sei komplett verändert worden. Bei dem vom Kläger bezeichneten "Holzlager" habe es sich eindeutig um einen Carport gehandelt.

Der Berichterstatter des Senats hat das Grundstück des Klägers und das streitige Gebäude am 2. März 2012 in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Ortstermin verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 24. Februar 2009 ist, soweit sie mit ihrer Anordnung unter Nr. 1 und der zugehörigen Zwangsgeldandrohung nur noch im Streit steht, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die an den Kläger gerichtete Aufforderung, die "ehemalige Jagdhütte" auf seinem Grundstück Gemarkung H. , Flur 4, Flurstück 254, ersatzlos zu beseitigen, ist durch die Ermächtigungsgrundlage des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW gedeckt.

Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden darüber zu wachen, dass unter anderem bei der Errichtung und der Änderung baulicher Anlagen die öffentlichrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW). Dies beinhaltet die Befugnis, den Abbruch formell und materiell illegaler baulicher Anlagen zu verlangen.

Das streitige Gebäude auf dem Grundstück des Klägers ist formell und materiell baurechtswidrig.

Eine seinen Bestand und seine derzeitige Nutzung als Wochenendhaus legalisierende Baugenehmigung liegt nicht vor. Auf den Bauschein vom 30. Juli 1968 kann sich der Kläger nicht berufen. Unbeschadet der Frage, ob das damit genehmigte Vorhaben der "Wiedererrichtung einer Jagdhütte" überhaupt jemals im Anschluss an die Genehmigung - der Nutzung nach - ausgeführt worden ist, bezieht sich der Bauschein jedenfalls auf ein wesentlich kleineres Bauwerk und einen anderen Nutzungszweck. Insbesondere unterliegt es bei der gebotenen objektiven Betrachtung keinen Zweifeln, dass entsprechend der eindeutigen Bezeichnung des Vorhabens als "Jagdhütte" nicht zugleich auch eine sonstige reine Freizeit(wohn)nutzung zugelassen werden sollte. Dies gilt umso mehr als eine solche im Außenbereich bereits seinerzeit nicht genehmigungsfähig gewesen wäre.

Das Wochenendhaus widerspricht auch dem materiellen Baurecht. Es ist im Außenbereich bauplanungsrechtlich unzulässig. Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, ist es nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert und kann als "sonstiges Vorhaben" nicht zugelassen werden, da öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtigt werden. Dies wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt, so dass auf jene Ausführungen Bezug genommen wird.

Das Gebäude genießt auch in seiner heutigen Ausgestaltung und Nutzung keinen (materiellen) Bestandsschutz.

Der aus Art. 14 Abs. 1 GG herzuleitende Bestandsschutz gewährleistet, dass sich eine rechtmäßige Nutzung auch gegen neues entgegenstehendes Recht durchsetzt. Er greift nur, wenn die jeweilige Anlage zu irgendeinem Zeitpunkt ausdrücklich genehmigt worden oder jedenfalls materiell zulässig gewesen und der so bewirkte Bestandsschutz nicht nachträglich entfallen ist, und erstreckt sich lediglich auf den genehmigten beziehungsweise materiell zulässig gewesenen Bestand einer baulichen Anlage und ihre diesbezügliche Funktion. Er erfasst grundsätzlich nicht Bestands- oder Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten beziehungsweise materiell zulässig gewesenen Zustand hinausgreifen würden und ein solches Hinausgreifen von den die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften nicht gedeckt wäre.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Juli 2000- 1 BvR 151/99 -, NVwZ 2001, 424 = juris Rn. 8, und vom 15. Dezember 1995 ‑ 1 BvR 1713/92 ‑, BRS 57 Nr. 246 = juris Rn. 4; BVerwG, Beschlüsse vom 9. September 2002 - 4 B 52.02 -, BRS 65 Nr. 92 = juris Rn. 5, und vom 27. Februar 1993 - 4 B 5.93 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 5. Dezember 2005 - 10 A 2100/03 -, S. 18 d. amtl. Abdrucks; Beschlüsse vom 15. April 2009- 10 B 186/09 -, BRS 74 Nr. 147 = juris Rn. 3, und vom 27. August 2002 - 10 B 1233/02 -, BRS 65 Nr. 174 = juris Rn. 3 ff.

Eine (nicht nur unwesentliche) Nutzungsänderung führt grundsätzlich zur Beendigung des Bestandsschutzes für die in einem Gebäude ausgeübte frühere Nutzung. Entsprechendes gilt für bauliche Änderungen. Wird das Gebäude zerstört oder ist die Änderung so erheblich, dass das geänderte Gebäude nicht mehr mit dem alten, bestandsgeschützten identisch ist, so genießt es auch nicht dessen Bestandsschutz gegenüber dem entgegenstehenden Baurecht. Entscheidend sind also Art und Umfang der baulichen Maßnahmen. Ist das Gebäude durch sie derart verändert worden, dass es sich gegenüber dem früheren Zustand als etwas anderes, als ein "aliud", darstellt, so ist der Bestandsschutz entfallen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1994 - 4 B 48.94 -, BRS 56 Nr. 85 = juris Rn. 6; OVG NRW, Urteile vom 4. September 2008 - 7 A 2358/07 -, juris Rn. 78, und vom 14. März 1997 - 7 A 5180/95 -, S. 8 ff. d. amtl. Abdrucks.

Hiervon ausgehend steht dem Kläger Bestandsschutz nicht zu. Die streitige Grundstücksnutzung genügte zu keinem Zeitpunkt den Vorgaben des materiellen Baurechts.

Die Errichtung und Nutzung eines Gebäudes zu Freizeit(wohn)zwecken war - wie gesagt - im Außenbereich von jeher unzulässig. Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Bestand des Gebäudes auf den Bauschein vom 30. Juli 1968 zurückgehe. Ein durch diesen Bauschein ursprünglich möglicherweise vermittelter (formeller) Bestandsschutz ist unter beiden genannten Aspekten - Nutzungsänderung und bauliche Änderung - erloschen. Die Änderung der Nutzung eines als Jagdhütte genehmigten Gebäudes zu Freizeitzwecken - wie hier im Falle einer Nutzung als Wochenendhaus - führt zur Entprivilegierung und damit zum Verlust des Bestandsschutzes.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1994- 4 B 108.94 -, BRS 56 Nr. 76 = juris Rn. 4.

Gleiches gilt für eine Umwandlung einer Jagdhütte in ein dauerhaft genutztes Wohnhaus. Auch die erhebliche Erweiterung des Baubestands - gegenüber der Genehmigungslage wurde die Grundfläche des Gebäudes mehr als verdoppelt - hat den Bestandsschutz im vorliegenden Fall untergehen lassen.

Liegen - wie es mithin hier der Fall ist - die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 BauO NRW für ein bauaufsichtliches Einschreiten vor, hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und wie sie einschreitet.

Die Beseitigungsanordnung der Beklagten erweist sich als ermessensfehlerfrei.

Die Anordnung ist nicht unverhältnismäßig. Es ist kein milderes Mittel ersichtlich, mit dem das Ziel der Ordnungsverfügung, den Außenbereich von unverträglicher Bebauung und Nutzung freizuhalten, ebenso gut erreicht werden könnte. Auch ist kein unangemessenes Verhältnis von Wirkung und Erfolg der getroffenen bauaufsichtlichen Maßnahme festzustellen.

Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf, dass die Beklagte von ihren bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnissen keinen Gebrauch machen würde, besteht nicht. Aus der Umsetzung der Empfehlung des Petitionsausschusses in dessen Beschluss vom 2. Oktober 1984 durch die Beklagte ist zwar ein Vertrauenstatbestand erwachsen, auf den sich wohl auch der Kläger als Rechtsnachfolger der Eheleute T1. berufen konnte. Dieser Tatbestand ist indessen durch die umfänglichen Baumaßnahmen des Klägers nach dem Erwerb des Grundstücks hinfällig geworden.

Die Beklagte hat gegenüber den Eheleuten T1. eine aktive Duldung ausgesprochen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des beschließenden Gerichts ist im Bauordnungsrecht zwischen faktischer und aktiver Duldung zu unterscheiden.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juli 2011 - 2 B 740/11 -, S. 5 d. amtl. Abdrucks, vom 21. Mai 2010 - 7 B 547/10 -, S. 2 d. amtl. Abdrucks, vom 6. Juli 2009 - 10 B 617/09 -, BRS 74 Nr. 203 = juris Rn. 15, vom 24. Januar 2006- 10 B 2160/05 -, juris Rn. 12, und Urteil vom 22. August 2005 - 10 A 4694/03 -, BRS 69 Nr. 189 = juris Rn. 91 ff.

Unter einer faktischen Duldung versteht man, dass die Behörde einen illegalen Zustand über einen längeren Zeitpunkt hinnimmt. Die faktische Duldung vermag grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand des Ordnungspflichtigen zu begründen, der illegale Zustand werde auch künftig hingenommen werden. Bei einer faktischen Duldung ist ein späteres bauaufsichtliches Einschreiten daher zulässig. Bei einer sog. aktiven Duldung kann sich hingegen ein - einem bauaufsichtlichen Einschreiten entgegenstehender - Vertrauenstatbestand ergeben. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weitreichenden Folgen einer solchen aktiven Duldung, bei der die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert ist, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll. Im Übrigen spricht viel dafür, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. August 2011- 2 A 2137/10 -, S. 8 d. amtl. Abdrucks, vom 11. Juli 2011 - 7 B 634/11 -, S. 4 f. d. amtl. Abdrucks, vom 1. Juli 2011 - 2 B 740/11 -, S. 5 d. amtl. Abdrucks, vom 21. Mai 2010 - 7 B 547/10 -, S. 3 d. amtl. Abdrucks, und vom 29. Januar 2010 - 10 A 2430/08 -, BauR 2010, 1213 = juris Rn. 7.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte gegenüber den Eheleuten T1. hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie den Bestand des Hauptgebäudes auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur 4, Flurstück 254 dulden wollte, allerdings nur unter weiteren Bedingungen, auf die noch einzugehen sein wird.

Die unverkennbare Absicht der Beklagten, eine Duldung auszusprechen, ergibt sich aus ihrem Schreiben an die Eheleute T1. vom 18. Februar 1985. Darin nimmt die Beklagte einleitend Bezug darauf, dass der Oberkreisdirektor des F1. -S. -Kreises sie gebeten habe, "entsprechend dem Schreiben des Petitionsausschusses vom 11. Oktober 1984 in der oben angeführten Angelegenheit zu verfahren". Damit wollte die Beklagte offenkundig die Empfehlung des Petitionsausschusses umsetzen, die "zum Stichtag 31. August 1984 vorhandene Bausubstanz" - nach bestimmten Maßgaben - "zu dulden". Ihre weiteren Ausführungen im Schreiben vom 18. Februar 1985 zielten auf die Umsetzung dieser Maßgaben.

Es spricht auch - ohne dass es allerdings entscheidend hierauf ankommt - Einiges dafür, dass die Duldung aus Empfängersicht so zu verstehen war, dass sie nicht nur auf eine personenbezogene Nutzung des Gebäudes durch die Eheleute T1. bezogen war, sondern vielmehr eine grundstücksbezogene, personenunabhängige und damit rechtsnachfolgefähige Regelung getroffen werden sollte. Betrifft die Duldung nicht nur die Nutzung einer baulichen Anlage, sondern auch deren Bestand, dürfte, wenn keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis vorliegen, regelmäßig von einer Grundstücksbezogenheit auszugehen sein. Denn wie im Falle einer bauaufsichtlichen Beseitigungsverfügung wird auch der bauaufsichtliche Ausspruch der Duldung des Bestands einer baulichen Anlage - gleichsam als Gegenstück zum Beseitigungsverlangen - durch die "Dinglichkeit" des Bezugsobjekts geprägt, so dass es systemgerecht erscheint, die Rechtsnachfolgefähigkeit ebenfalls nach gleichen Maßstäben zu beurteilen.

Vgl. zur Wirkung einer bauaufsichtlichen Beseitigungsanordnung gegenüber dem Rechtsnachfolger: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1971 - IV C 62.66 -, BRS 24 Nr. 193 = juris Rn. 17 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 1983 - 4 B 186/83 -, juris Rn. 2; OVG NRW, Urteil vom 15. Juli 2002- 7 A 1717/01 -, juris Rn. 75; Beschluss vom 8. Januar 1997 - 7 A 2231/96 -, juris Rn. 12.

Der vorliegende Fall bietet indessen keinen Anlass zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Frage der Personen- oder Grundstücksbezogenheit der hier ausgesprochenen Duldung. Denn auch wenn die Duldung auf den Kläger als Rechtsnachfolger der Eheleute T1. "übergegangen" wäre, wäre der durch sie geschaffene Vertrauensschutz jedenfalls infolge der vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen hinfällig geworden.

Schon im Allgemeinen gilt, dass die Behörde auch in Fällen einer aktiven Duldung nicht mehr an diese gebunden ist, wenn die bauliche Anlage dergestalt geändert wird, dass sie eine neue und andersartige Identität erhält. Denn damit ist ein auf den "Altbestand" und dessen Nutzung bezogener Vertrauenstatbestand untergegangen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2005 - 10 A 4694/03 -, BRS 69 Nr. 189 = juris Rn. 97; Beschluss vom 16. September 1997 - 10 A 6105/95 -, S. 8 d. amtl. Abdrucks; anders bei ganz geringfügigen und leicht rückgängig zu machenden baulichen Veränderungen: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1860/02 -, BRS 69 Nr. 190 = juris Rn. 14.

Hier sind diese allgemeinen Grenzen der Wirkung einer Duldung durch besondere Maßgaben weiter konkretisiert worden. Die Beklagte wollte den Fortbestand des Gebäudes erkennbar nur unter der Bedingung hinnehmen, dass dessen damaliger baulicher Zustand im Wesentlichen unverändert bleibt und auch die seinerzeitige Nutzung als Wochenendhaus nicht dergestalt intensiviert wird, dass dauerhaftes Wohnen vorliegt. Dass keine wesentlichen baulichen Änderungen am Gebäude vorgenommen werden durften, ergab sich hinreichend deutlich aus dem Zusammenhang: So war schon in dem Beschluss des Petitionsausschusses vom 2. Oktober 1984 davon die Rede, dass die "vorhandene Bausubstanz" geduldet werden sollte, dass "keinerlei weitere bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück durchgeführt" werden durften und dass der "jetzige Bestand" und dessen Nutzung durch Zeichnungen und Fotografien festgehalten werden sollte. Diese Maßgaben griff die Beklagte in ihrem an die Eheleute T1. adressierten Schreiben vom 18. Februar 1985 und der vorformulierten Erklärung vom 25. Februar 1985 auf. Dabei lässt vor allem der Passus im Schreiben vom 18. Februar 1985, wonach "durch geeignete Maßnahmen der jetzige Bestand zu erfassen" und sicherzustellen sei, "dass keine weiteren Baumaßnahmen auf dem Grundstück durchgeführt werden", im Kontext mit der erfolgten Bestandserfassung und -dokumentation keinen Zweifel daran, dass es der Beklagten nicht allein auf die Verhinderung genehmigungspflichtiger Baumaßnahmen auf dem Grundstück - nicht notwendigerweise nur am Gebäude - ankam, sondern auch darauf, allgemein sicherzustellen, dass keine wesentlichen Veränderungen des damaligen Zustands des Gebäudes vorgenommen werden. Die Anfertigung der "Grundriss-Skizze" belegt hierbei, dass auch der Zuschnitt der Räumlichkeiten und deren jeweilige Nutzung als wesentlich angesehen wurden.

Der Kläger hat das Gebäude wesentlich umgestaltet und dadurch den durch die Duldung - deren Grundstücksbezogenheit unterstellt - vermittelten Vertrauensschutz eingebüßt. Insbesondere durch die vollständige Veränderung des Grundrisses hat das Gebäude ein gänzlich anderes Gepräge erhalten. Während vormals, wie die im Jahre 1984 aufgenommene Skizze ausweist, neben den Wohnzimmern auch zwei Flure und ein ca. 28 m² großer Abstellraum vorhanden waren, wird der Grundriss nunmehr durch Wohnräume dominiert; an Nebenräumen besteht neben dem Flur im Eingangsbereich nur noch ein kleiner Abstellraum von maximal 2 m² Grundfläche. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob bereits die Eheleute T1. Änderungen des baulichen Zustands vorgenommen haben. Solche Änderungen könnten lediglich dazu geführt haben, dass die Duldung bereits gegenüber den Voreigentümern des Klägers wirkungslos geworden wäre. Sie wäre in diesem Fall nach der Veräußerung der Liegenschaft an den Kläger nicht wiederaufgelebt.

Kommt es hierbei, wie dargelegt, nicht maßgeblich auf die Frage der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht für die im Einzelnen vorgenommenen Baumaßnahmen an, dürfte gleichwohl Manches dafür sprechen, dass die vorgenommene Umgestaltung des Grundrisses - unterstellt, das Gebäude wäre als Wochenendhaus genehmigt worden - die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen hätte, weil die räumliche "Extensivierung" der Wohnnutzung Einfluss auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Außenbereich haben könnte.

Im Übrigen hat der Kläger insofern baugenehmigungspflichtige Maßnahmen auf dem Grundstück durchgeführt, als er das von ihm als "Holzlager", von der Beklagten als "Carport" bezeichnete Gebäude errichtet hat. Ungeachtet dessen, dass die Einschätzung der Beklagten dem äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes nach zutreffend sein dürfte (dass der Kläger im hinteren Teil des Bauwerks Holz lagerte, wie auf einem in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltenen Lichtbild erkennbar, stellte seine Eignung und Zweckbestimmung zum Abstellen von Kraftfahrzeugen nicht grundsätzlich in Frage), hätte der Kläger im Außenbereich auch für ein überdachtes Holzlager eine Baugenehmigung einholen müssen.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig auch nicht dazu verpflichtet ist, die einmal erloschene Duldung einer baulichen Anlage wieder aufleben zu lassen, sofern diejenigen Baumaßnahmen, die zum Erlöschen der Duldung geführt haben, wieder rückgängig gemacht würden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. September 1997 - 10 A 6105/95 -, S. 11 f. d. amtl. Abdrucks.

Davon abgesehen ist ein Rückbau zum "Altbestand" im vorliegenden Fall - nach Erneuerung aller Innenwände - ohnehin nicht möglich.

Relevante tatsächliche oder rechtliche Fehlvorstellungen der Beklagten bei der Ermessensausübung sind nicht erkennbar.

Dass die Beklagte der Auffassung ist, die gegenüber den Eheleuten T1. ausgesprochene Duldung sei personenbezogen zu verstehen (gewesen), bietet keinen Anhalt für einen Ermessensfehler, selbst wenn die Beklagte insoweit irren sollte. Denn ein solcher Irrtum hätte sich ersichtlich nicht ausgewirkt. Abgesehen davon, dass die Duldung für das Einschreiten der Beklagten keine erkennbare Bedeutung hatte (sie wird in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung überhaupt nicht angesprochen), kann sie auch ausgehend von einer Grundstücksbezogenheit keine Rechtswirkung mehr entfalten. Im Übrigen ergibt sich aus der Verfügung und dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren, dass die Beklagte die festgestellten baulichen Maßnahmen - den Aus- und Umbau zu einem "Wohnhaus" - zum Anlass genommen hat einzuschreiten. Damit hat die Beklagte der Sache nach durchaus diejenigen Umstände aufgegriffen, die hier zum Fortfall des duldungsvermittelten Vertrauensschutzes geführt haben.

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht so, dass der vom Kläger angesprochene Aspekt, "ein zu duldendes Wohnhaus" sei "im Innern etwas verändert" worden, gegenüber der entscheidungstragenden Begründung, es sei "eine Jagdhütte in ein Wohnhaus umgewandelt" worden, als unzulässiger Austausch von Ermessenserwägungen anzusehen wäre. Die nur auf der Ermessensebene zu beantwortende Frage, ob dem Kläger Vertrauensschutz aufgrund einer bauaufsichtlichen Duldung zusteht, ist insoweit von tatbestandlichen Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten zu trennen. Selbst wenn der Kläger berechtigterweise auf eine Duldung vertrauen dürfte, was - wie ausgeführt - nicht der Fall ist, bliebe das Wochenendhaus weiterhin formell und materiell illegal, weil es in einer von der erteilten Baugenehmigung aus dem Jahre 1968 offensichtlich nicht gedeckten Weise erweitert worden ist und seit Jahren abweichend genutzt wird. Auf diese Baurechtswidrigkeit ist auch das Einschreiten der Beklagten gestützt.

Ausgehend davon, dass mit dem Wegfall der Duldung auch die Grundlage für den seinerzeit gewährten Aufschub entfallen ist, gegen die illegale Grundstücksnutzung vorzugehen, trifft im Grunde auch die Feststellung der Beklagten in der Ordnungsverfügung zu, dass die Änderung einer genehmigten Jagdhütte in ein Wohngebäude Anknüpfungspunkt für das Einschreiten sei. Für eine verbleibende Fehlvorstellung, dass die Änderung erstmals durch den Kläger herbeigeführt worden sei, fehlt jeder Anhalt. Sie wäre im Übrigen auch deshalb unerheblich, weil bei der gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Ausgangssituation - Wegfall der Voraussetzungen des gewährten Vollstreckungsaufschubs; materiell illegale bauliche Nutzung im Außenbereich und deren Vorbildwirkung - nichts dafür spräche, dass die Beklagte anders entschieden hätte, wenn sie genauer betrachtet hätte, wie lange das Gebäude bereits als Wochenendhaus genutzt worden ist, bevor der Kläger es erwarb.

Insofern kann dahinstehen, ob die Beklagte, soweit sie mit ihren Schriftsätzen vom 22. Juni 2010 (S. 2) und 24. Mai 2011 (S. 3) klargestellt hat, dass es ihr im Grunde nur auf die Eignung des Gebäudes zum dauerhaften Wohnaufenthalt ankomme, und sie an der getroffenen Entscheidung festhalte, auch wenn nur eine Wochenendnutzung in Rede stehe, nachträgliche Ermessenserwägungen angestellt hat, die von den der angefochtenen Ordnungsverfügung zugrunde gelegten Erwägungen in relevanter Weise abweichen. Denn die Beklagte hätte jedenfalls hiermit in zulässiger Weise ihre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO). Eine nach dieser Vorschrift unzulässige vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe,

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351 = juris Rn. 40,

wäre darin nicht zu sehen. Tragend ist insofern die von der Beklagten - zu Recht - angenommene bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des "Gebäudes in der jetzigen Form und Ausstattung" (S. 3 der angefochtenen Ordnungsverfügung), die aber sowohl bei einer dauerhaften Wohnnutzung als auch bei einer Nutzung "nur" als Wochenendhaus gegeben ist. Dass das streitige Gebäude in seinem gegenwärtigen Zustand geeignet ist, dauerhaft bewohnt zu werden, unterliegt keinen Zweifeln.

Einem Nachschieben von Ermessenserwägungen im Berufungsverfahren - soweit überhaupt gegeben - steht hier auch nicht entgegen, dass das Nachreichen der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW nur bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgen kann. Diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften betreffen nur den Fall, dass diejenigen Gründe, die für den Erlass eines Verwaltungsaktes tatsächlich maßgebend waren und die lediglich in der zunächst gegebenen Begründung nicht oder nicht ausreichend wiedergegeben worden waren, nachträglich bekanntgegeben werden, nicht aber ein "Nachschieben von Gründen" in dem Sinne, dass die von der Behörde tatsächlich angestellten Erwägungen im Nachhinein korrigiert und durch neue oder andere Erwägungen ergänzt oder ausgewechselt werden.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 -, BVerwGE 133, 13 = juris Rn. 48, und vom 5. Februar 1993 - 7 B 107.92 -, NVwZ 1993, 976 = juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschluss vom 30. April 2010 - 10 ME 186/09 -, NVwZ-RR 2010, 699 = juris Rn. 15; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, § 45 Rn. 18 f.

Danach würde § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW es nicht ermöglichen, die entgegen § 39 Abs. 1 VwVfG NRW vollständig unterbliebene Begründung einer Ermessensentscheidung nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens mit heilender Wirkung nachzuholen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 13 A 1569/07 -, juris Rn. 28 ff.

Steht jedoch - wie hier - allenfalls ein nach § 114 Satz 2 VwGO zulässiges Ergänzen von Ermessenserwägungen in Rede, sind dem durch die genannten Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts keine weitergehenden Grenzen gesetzt.

Ob die Beklagte bei ihrer Entscheidung auch davon ausging, dass der Kläger - erstmals - die Nutzung der ehemaligen Jagdhütte geändert habe, mag dahinstehen, weil dies für die getroffene Entscheidung im Ergebnis erkennbar irrelevant war. Denn auch in diesem Fall spräche nichts dafür, dass die Beklagte anders entschieden hätte, wenn sie sich vor Augen geführt hätte, dass das Gebäude schon als Wochenendhaus genutzt wurde, bevor der Kläger es erwarb.

Die Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der dem Kläger unter Nr. 1 der Ordnungsverfügung aufgegebenen Beseitigungspflicht erweist sich schließlich ebenfalls als rechtmäßig. Die Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 und 63 VwVG NRW sind erfüllt. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch die dem Kläger gesetzte Ausführungsfrist von sechs Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der Verfügung erweist sich noch als angemessen im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist das behördliche Interesse an der Schleunigkeit der Ausführung zu berücksichtigen; zugleich muss dem Betroffenen die nach der Lebenserfahrung erforderliche Zeit gegeben sein, seiner Pflicht nachzukommen. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

Vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 7. Auflage 2010, § 13 VwVG Rn. 37; App/Wettlaufer, Praxishandbuch Verwaltungsvollstreckungsrecht, 5. Auflage 2011, § 37 Rn. 5.

Hiervon ausgehend ist dem Kläger eine noch ausreichende Zeitspanne zur Befolgung der ihm auferlegten Pflicht gewährt worden. Da der Kläger die zu beseitigende ehemalige Jagdhütte nicht als Wohnsitz nutzt, bedarf es keines größeren zeitlichen Vorlaufs, um den angeordneten Abbruch in die Wege zu leiten. Die Ausräumung des Mobiliars und die Stilllegung von Hausanschlüssen sind kurzfristig zu bewerkstelligen. Auch die eigentliche Beseitigung des Gebäudes (sowie der von der Verfügung weiter erfassten Nebenanlagen) ist dem Aufwand nach nicht so umfänglich, dass es einer längeren Ausführungsfrist bedürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die - vom Kläger angeregte - Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Der vorliegende Fall bietet insbesondere keinen Anlass, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen mit dem Ziel einer (weiteren) Klärung, unter welchen Voraussetzungen im Berufungsverfahren Ermessenserwägungen nachgeschoben werden können. Die entscheidungseheblichen Fragen lassen sich ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben und der hierzu bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten, der der Senat folgt. Entsprechend kommt auch keine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in Betracht.