VG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.2013 - 16 K 601/13
Fundstelle
openJur 2013, 43802
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 4. Januar 2013 wird aufgehoben.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zu 1/2.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks X.---straße 99 in E. . Mit Bescheid vom 4. Januar 2013 zog die Beklagte ihn zu Abfallgebühren für das Jahr 2013 in Höhe von 1.351,90 Euro heran.

Der Bescheid erging aufgrund des Urteils des Gerichts vom 14. November 2012, 16 K 1565/12, gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b) KAG i.V.m. § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Gebührenkalkulation lagen ein Vertrag mit der Beigeladenen, der Betreiberin einer Müllverbrennungsanlage, vom 19./26. April 2000, geändert durch Vertrag vom 8./10. Oktober 2001 zugrunde, ferner ein Gutachten zur Kalkulation der Entgelte nach der Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen aufgrund von Selbstkosten für die Jahre 2011 bis 2015 vom 26. August 2011 (im Folgenden PKF 2011). Dieses Gutachten wurde erstellt, nachdem Entscheidungen des Gerichts vom 22. Juni 2009, 17 K 2086/08, und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Mai 2011, 9 A 1904/09 eine frühere Kalkulation von Abfallgebühren durch die Stadt P. , deren Abfälle ebenfalls in der Anlage der Beigeladenen verbrannt werden, für preisrechtlich unzulässig erklärt hatten.

Der Kläger macht geltend, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Gebührensatzung gegen das Kostenüberschreitungsverbot verstoße. Er nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungen des Gerichts vom 14. November 2012 (16 K 2408/12 u.a.). In diesen Entscheidungen hatte das Gericht einen überhöhten Kostenansatz aufgrund eines unverändert zu hohen Anteils der Beklagten an den Fixkosten der Müllverbrennungsanlage, eines zu hohen kalkulatorischen Gewinns der Beigeladenen sowie wegen fehlender Berücksichtigung der Einnahmen aus dem Verkauf von Strom und Fernwärme festgestellt. Der Kläger macht geltend, der im Rahmen des Bescheids erklärte Vorbehalt nach § 164 AO ändere an diesen Umständen nichts. Die Wirkungen des Vorbehaltes fielen im Übrigen weg, ohne dass es einer weiteren Maßnahme durch die Verwaltung bedürfe, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen sei. In diesem Falle wären dann keine Rechtsbehelfe mehr eröffnet und die Gebührenschuldner seien auf den guten Willen der Beklagten angewiesen. Zudem beziehe sich der Vorbehalt auf ein laufendes Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, das letztlich keine abschließende Klärung bringen könne, in welcher Höhe die Abfallgebührenbescheide zu kürzen seien. Aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Hinblick auf die Maßstäbe für die Dimensionierung einer Müllverbrennungsanlage ließen sich keine abschließenden Aussagen für die Berechnung eines Mengengerüstes nach den Leitsätzen für die Preisermittlung (LSP) entnehmen. Die H. sei im Jahre 1968 von einem Zechenkraftwerk in eine Verbrennungsanlage umgebaut worden. Seither seien fortlaufend Planungsentscheidungen mit kleineren oder größeren Auswirkungen umgesetzt worden, wie etwa im Jahre 2003 der Abbruch der alten Kessel 2 und 3 und der Aufbau des neuen Kessels 3. Die Gesamtkapazität der Anlage sei bei der Gebührenkalkulation zu niedrig, die kommunale Vorhaltemenge zu hoch angesetzt worden. Auch der Gewinn sei zu Recht beanstandet worden. Reduziere er sich auf 3 %, sinke zudem die kalkulatorische Gewerbesteuer, sodass im Endeffekt eine Abweichung von mehr als 3 % der ermittelten Gesamtkosten vorliege. Für die Berücksichtigung der Gewinne aus Strom und Fernwärmeerzeugung im Rahmen der Gebührenkalkulation spreche bereits, dass schon der Vertrag vom April 2000 gemäß § 1 die energetische Verwertung der überlassenen Abfälle zum Vertragsgegenstand gehabt habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 4. Januar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig. In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sei es anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehle, wenn ein Abgabenbescheid vorläufig ergangen sei, sich die Streitfrage in einer Vielzahl von im wesentlichen gleich gelagerten Verfahren stelle und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren anhängig sei. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn besondere Gründe materiell ‑ rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht würden. Das sei hier nicht der Fall.

Die Beklagte macht im Übrigen geltend, ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot liege nicht vor. Dies ergebe sich aus dem dem Gericht in den angeführten Verfahren vorgelegten Gutachten PKF 2011. Der Anteil der Vorhaltekosten an den Verbrennungskosten lasse sich nicht allein nach dem Verhältnis von Vorhaltekapazität zur Gesamtkapazität berechnen.

Es komme nicht auf die im Zeitpunkt des Gutachtens erwartete kommunale Menge von 278.000 t/a an. Richtigerweise müsse vielmehr auf die ursprüngliche Gesamtkapazität von 588.672 t/a, eine kommunale Vorhaltemenge von 580.000 t/a und die in den Jahren 1986 bis 1992 erreichte reale Durchsatzmenge von 455.876 t/a bis 498.526 t/a abgestellt werden. Der durchschnittliche Nutzungsgrad habe nur 62,4 % der theoretischen Jahreshöchstlastkapazität entsprochen.

Eine Verkleinerung der Anlage führe nicht zu einer Verringerung der Kosten, sondern zu einer Erhöhung der Fixkosten. Sonderabschreibungen würden bei einer Teilstilllegung die Kosten erhöhen. Bestimmte Ver- und Entsorgungssysteme dienten allen vier Verbrennungslinien, seien entsprechend dimensioniert und könnten bei Teillast nur ineffizient betrieben werden. Ein Zwei-Linien-Betrieb ergebe einen um 27,40 Euro pro Tonne höheren Fixkostenanteil für die Kommunen gegenüber den bei Berücksichtigung der Annahmen des Gerichts zulässigen Fixkosten des Vier-Linien-Betriebs.

Der Vertrag mit der Beigeladenen beruhe auf der Garantie bestimmter Mindestmengen und sehe eine Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch die Beigeladene gerade nicht vor. Dies ergebe sich daraus, dass im Rahmen der Vertragsänderung der Haftungsausschluss zu ihren Gunsten hinsichtlich der anzuliefernden Mengen entfallen sei.

Die Vorhaltekapazitäten könnten nicht ständig aufgrund anderweitiger Vermarktungsmöglichkeiten angepasst werden. Weiterhin sei sie, die Beklagte, nicht nur verpflichtet, die dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegenden sinkenden Abfallmengen anzunehmen, sondern auch die ihr überlassenen gewerblichen Abfälle. Insoweit sei der Abfallwirtschaftsplan 2010 nicht aussagekräftig und könne nicht allein herangezogen werden. Die in der Berechnung des Verwaltungsgerichts angesetzten Vorhaltemengen seien willkürlich festgelegt worden. Dies gelte auch für die angenommene Gesamtkapazität.

Energieerlöse seien nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht Gegenstand des Vertrages mit der Beigeladenen seien. Der Beigeladenen werde nicht vorgegeben, Energie zu erzeugen und zu exportieren. Davon gehe auch die Entscheidung des Gerichts vom 22. Juni 2009 - 17 K 1141/09 - aus. Da es sich bei der Energieerzeugung um ein Nebengeschäft handele, müssten weder Erträge noch Verluste bei der Berechnung der Fremdentgelte berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien Erträge nur dann kostenmindernd zu berücksichtigen, wenn ihnen auch tatsächlich Kosten entgegen stünden, die ebenfalls in der Gebührenkalkulation berücksichtigt würden.

Der kalkulatorische Gewinn in Höhe von 3,5 % des betriebsnotwendigen Vermögens entspreche der VO PR 30/53 nebst LSP. Nach Nr. 52 Abs. 1 Satz 1 LSP dürfe das Unternehmenswagnis in einem Hundertsatz vom betriebsnotwenigen Vermögen bemessen werden. Die Anlage berge erhebliche technische und anlagebedingte Risiken in Form von verschmutzungsbedingten Produktionsausfällen, außergewöhnlichen Schadens- und Verschleißereignissen, Durchsatzbeschränkungen, unterjährigen Kapazitätsanpassungen sowie Lieferengpässen für Ersatzteile.

Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagten an. Ergänzend führt sie aus, dass die Anlage in ihrer heutigen Ausgestaltung entscheidend auf einen im Februar 1992 gefassten Baubeschluss zur Nachrüstung von umfangreichen Rauchgasreinigungsanlagen und zur Errichtung von zwei Ersatzkesseln zurückgehe. Dem damaligen Beschluss habe eine Verbrennungskapazität von 578.160 t/a zugrunde gelegen. Damals seien noch die dem Kreis X1. zugehörigen Städte E1. , W. und N. Mitgesellschafter gewesen. Aufgrund von zum damaligen Zeitpunkt zu berücksichtigenden Ausfallzeiten für Reparaturen und Instandhaltung habe die technische Kapazität mit einer Leistung von 96 t/h 840.960 t/a betragen. Dies habe den bei der Planung der Anlage zugrunde liegenden Erfahrungswerten entsprochen, wonach erfahrungsgemäß nur 70 % der Volllastjahreskapazität tatsächlich zur Verfügung stünden. Auf spätere Ereignisse, die aufgrund der Verwendung besserer Materialien zu einer höheren Auslastungsquote führten, habe zum Zeitpunkt der Planung der Anlage nicht abgestellt werden können.

Mithin habe sie auch die der Planung zugrunde liegende Gesamtkapazität von 578.160 t/a in die Kalkulation einstellen dürfen. Aus dem Vertrag vom April 2000 ergebe sich nichts anderes, insbesondere ergebe sich daraus nicht, dass das Risiko der Auslastung vorbehaltlich des § 7 Abs. 2 vollständig von ihr hätte getragen werden sollen. Nach der Nachtragsvereinbarung 2001 habe der Haftungsausschluss auf Qualität und Zusammensetzung des Abfalls begrenzt werden sollen. Eine am Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages orientierte Auslegung, allein sie, die Beigeladene solle das wirtschaftliche Risiko der Auslastung der Anlage tragen, werde Entstehungsgeschichte, Systematik, Sinn und Zweck des Vertrages nicht gerecht. Dies sei auch in einer aktuellen gemeinsamen Erklärung vom Februar 2013 noch einmal festgestellt worden. Gemeint sei vielmehr gewesen, dass sie, die Beigeladene, habe verpflichtet sein sollen, zusätzliche wirtschaftliche Schäden durch eine nicht kontinuierliche Anlieferung des Abfalls durch Bereitstellung selbst herangeschaffter Abfallmengen auszuschließen. Die feste Vereinbarung bestimmter Entgelte nach einer als Anlage beigefügten Preisliste sei ebenfalls nicht mit dem Verständnis vereinbar, das Risiko einer Minderauslastung solle sie tragen. Ohne solche festen Entgelte sei die Finanzierung der Anlage im Wege einer Forfaitierung nicht möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der gewechselten Schriftsätze, sowie den Inhalt der Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten 16 K 2408/12 und 16 K 213/13 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht das allgemeine Rechtschutzbedürfnis. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 16. Februar 2005 - VI R 37/01 - juris m.w.N.) regelmäßig das Rechtschutzbedürfnis für weitere Klagen fehlt, die eine Streitfrage betreffen, die Gegenstand eines Musterverfahrens beim Bundesverfassungsgericht ist, sind diese Grundsätze auf die angesprochenen Verfahren beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nicht entsprechend anwendbar. So hat der Bundesfinanzhof (vgl. Beschluss vom 22. März 1996, III B 173/95 - juris -) entschieden, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Rechtsbehelf gegen einen vorläufigen Bescheid grundsätzlich nicht allein deshalb zu verneinen sei, weil bei ihm ein gleichgelagertes Musterverfahren anhängig sei. Dies ergebe sich daraus, dass das Rechtsschutzbedürfnis nur dann entfalle, wenn sich ein verfassungsrechtlicher Streit durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erledigen werde, das abschließend über die Verfassungsmäßigkeit befinde. Diese Voraussetzungen könnten auf den Bundesfinanzhof nicht übertragen werden. Ebensowenig ist es zulässig, die Rechtsprechung, die die verbindliche Entscheidung über die Wirksamkeit bestimmter Rechtsnormen durch das Bundesverfassungsgericht betrifft, auf andere Obergerichte -etwa das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - zu übertragen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass, soweit Rechtsgrundsätze des Bundesrechts berührt werden, möglicherweise auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Betracht zu ziehen ist.

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Dies ergibt sich daraus, dass ihm keine gültige Gebührensatzung zugrunde liegt. Zur weiteren Begründung wird zunächst auf das Urteil vom 14. November 2012 (16 K 2408/12) Bezug genommen.

Die Kalkulation des Gebührensatzes für 2013 beruht auf gegenüber dem Jahr 2012 im Wesentlichen unveränderten Grundlagen, was die Aufteilung der Verbrennungskosten angeht.

Die Erwägungen der Beteiligten sind nicht geeignet, die Bedenken gegen die Kostenkalkulation, die der Gebührensatzung zugrunde liegt, auszuräumen. Das Gericht hat die dauerhafte Festlegung eines Fixkostenanteils von 72,2 %, der sich aus einer Vorhaltemenge von 425.000 t/a ergibt, für überhöht angesehen.

Soweit die Beklagte bemängelt, der Anteil der Vorhaltekosten an dem gesamten Verbrennungsentgelt, das der Kommune in Rechnung gestellt werde, sei fehlerhaft berechnet, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Anteil von 84,4 % der Kosten ergibt sich aus einem Zahlenvergleich der Angaben auf Blatt 40 des Gutachtens PKF 2011 (143,33 Euro / 169,66 Euro).

Im Übrigen wird weder die Annahme infrage gestellt, dass sich die Gesamtkosten maßgeblich aus dem Fixkostenanteil für die Abfallverbrennung ergeben, noch die Annahme, dass eine Unterbewertung der tatsächlichen Gesamtkapazität der Müllverbrennungsanlage in Verbindung mit einer zu hohen Vorhaltemenge zu einer Überbewertung der den Kommunen zuzuweisenden Fixkosten geführt hat.

Wenn die Beklagte und die Beigeladene nunmehr davon ausgehen, dass nicht nur die im Gutachten PKF 2011 angeführten 425.000 t/a, sondern sogar 580.000 t/a als Vorhaltekapazität mit einem Satz von 98,53 % der ursprünglich genehmigten Anlagengröße zu berücksichtigen seien, fehlt hierfür ein tragfähiger Ansatzpunkt. Das Gutachten PKF 2011 legt im Hinblick auf den Bedarf die Verhältnisse im Zeitraum 2001 bis 2003 zugrunde. Es ist jedenfalls kein Gesichtspunkt ersichtlich, der gebieten könnte, für die Beurteilung des Vertrags von 2000 / 2001 auf einen weit früheren Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Bedarf noch durch andere Körperschaften bestimmt wurde.

Geht man mit dem Gutachten PKF 2011 von der Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Jahr des Vertragsschlusses aus, bedeutet dies jedoch nicht, dass etwa naheliegende Entwicklungen wie der bereits vor und nach dem Abfallwirtschaftsplan 1998 (mit einer Menge von 310.000 t/a für E. und P. ) eingetretene und sich weiter abzeichnende Rückgang der Abfallmengen unberücksichtigt bleiben durften. So beruht die Prognose des Abfallwirtschaftsplans 2004 auf einem bereits bis 2002 zu beobachtenden weiteren Rückgang der kommunalen Abfallmenge. Eine dennoch für einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren festgeschriebene Mindestmenge zur Bestimmung des Fixkostenanteils hätte die Beklagte als Auftraggeber einseitig belastet und hätte bei einer rückwirkenden Anpassung des Vertragsinhalts nach § 7 Abs. 7 auf Basis eines Selbstkostenpreises keine sachgerechte Bestimmung des Entgeltes ermöglicht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2009, 9 A 1904/09, S. 6 unten zum Vertrag der Beteiligten). Bei der technischen Gestaltung der Anlage mit mehreren selbständigen Zügen hätte es nahegelegen, Regelungen zur Berücksichtigung eines nachhaltigen weiteren Rückganges der Abfallmengen vorzusehen.

Ohne Erfolg führt die Beklagte gegen diese Überlegung an, es werde eine Stilllegungsmaßnahme angeregt, die keine Kostenminderung, sondern eine Kostensteigerung zur Folge hätte. Wenn die Beklagte den Vier-Linien-Betrieb einem unterstellten Zwei-Linien-Betrieb gegenüberstellt, führt bereits der Vergleich selbst nicht weiter, weil der Fixkostenanteil des Zwei-Linien-Betriebs (119,53 Euro pro Tonne) einem Fixkostenbetrag im Vier-Linien-Betrieb gegenübergestellt wird, der sich mit 92,13 Euro pro Tonne aus den Variablen der Gerichtsentscheidung ergeben soll. Hierbei wird bereits ein kommunaler Anteil von nur noch 59,71 % angesetzt. (vgl. Bl. 15 des Schriftsatzes vom 26. Februar 2013). Richtiger Vergleichsmaßstab könnte aber allenfalls der deutlich höhere Fixkostenbetrag von 143,33 Euro sein, der sich nach dem Gutachten PKF aus einem kommunalen Anteil von 72,20 % ergibt. Denn die Beklagte will darlegen, dass eine Stilllegung keine Minderung der gegenwärtig tatsächlich bestehenden Kostenlast mit sich brächte. Das ergibt sich aus dem vorgelegten Vergleich gerade nicht.

Im Übrigen beruht die Feststellung überhöhter Fixkosten nicht auf der Annahme, die Stilllegung der Linie 3 sei geboten gewesen, sondern auf der Überlegung, dass die Fixkosten dann, wenn die Kapazität dauerhaft mit veränderten Anteilen der Kommunen einerseits und Dritter andererseits ausgelastet wird, nicht nach einem von den gegenwärtigen Verhältnissen nachhaltig abweichenden Mengengerüst verteilt werden dürfen. Der Hinweis auf selbständige Verbrennungslinien begegnet dabei dem denkbaren Einwand, gegenüber der ursprünglichen Kalkulation könne rein technisch gar keine Anpassung mit Auswirkungen auf die Kapazität vorgenommen werden. Eine solche Teilstilllegungsmöglichkeit wird jedoch gerade im Gutachten PKF 2011 im Hinblick auf die Erneuerung der dritten Verbrennungslinie im Jahr 2003 erörtert (a.a.O., S. 21). Indessen kommt eine Neuberechnung nicht erst dann in Betracht, wenn eine Teilstilllegung wirtschaftlich angezeigt wäre. Auch wenn eine Teilstilllegung unwirtschaftlich sein sollte, weil die Gesamtkapazität weiterhin erfolgreich vermarktet werden kann, gebietet dies nicht, die Zuordnung der Fixkosten der teilbaren Anlage dauerhaft unverändert zu lassen.

Die Ausführungen der Beklagten und der Beigeladenen zum Ersatz der Linie 3 stützen zudem die Bedenken gegen die der Berechnung im Jahre 2011 zugrundegelegte Gesamtkapazität. Auch wenn - wie von Beklagter und Beigeladener geltend gemacht - konkret eine Teilstilllegung der Linie 3 im Hinblick auf die erforderliche Vorhaltekapazität nicht in Betracht gekommen sein sollte und ein Neubau geboten war, hätte die Kostenverteilung nicht mehr auf der Basis der ursprünglichen Anlagenwerte erfolgen dürfen. Wie sich aus dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 5. November 2013 ergibt, wurde zunächst eine Abgasnachreinigungsanlage der Kessellinie 3 in den Jahren 1995/1996 in Betrieb genommen, später - ab dem Jahre 2003 - wurde dann der Kessel ausgewechselt. Nach dem Gutachten PKF 2011 wurde diese Maßnahme bereits vor 2001 absehbar. Die Inbetriebnahme erfolgte nach der im Internet veröffentlichten Chronik der H. 2006 (http://www.h...html.). Wie sich aus der Entwicklung der tatsächlich verbrannten Mengen ergibt, stiegen nach der Neuerrichtung im Jahr 2006 - gegebenenfalls auch durch andere technische Maßnahmen bedingt (vgl. hierzu auch J. T. "Sanierung und Optimierung der H. P. " in VGB Power Tech - International Journal for Electricity and Heat Generation - 2007, Seiten 47 bis 55) - die verbrannten Mengen auf 683.000 bis 712.000 t/a an. Die Anlage erfuhr also eine erhebliche Umgestaltung, die sich auch auf ihre Kapazität auswirkte. Dies bedeutete, dass sich mit Abschluss der Umbaumaßnahmen die Frage der Kostenaufteilung neu stellte. Es kann nicht ohne Einfluss auf die Zuordnung der Vorhaltekosten im Rahmen der Gebührenkalkulation bleiben, wenn sich durch eine Umgestaltung der Anlage in Form einer tatsächlichen Kapazitätssteigerung das Gewicht des kommunalen Anteils innerhalb der Gesamtkapazität wesentlich verschiebt. Die Auffassung, bei der Berechnung des Festkostenanteils, der in die Gebühren einzubeziehen sei, sei allein auf die Gesamtkapazität der Anlage und deren Angemessenheit zur Zeit ihrer Entstehung abzustellen, in der Folgezeit aufgrund technischer Maßnahmen erzielte Erhöhungen der Gesamtkapazität müssten aber außer Betracht bleiben, überzeugt nicht. Wäre dies richtig, würde letztlich eine Effizienzsteigerung zwar durch gebührenfinanzierte Maßnahmen erzielt, diese Effizienzsteigerung würde jedoch keinen Eingang in folgende Gebührenberechnungen finden. Es würde von einem fiktiven Wert ausgegangen, der die reale Kapazität der Anlage nicht mehr zutreffend beschreibt und damit auch keinen tragfähigen Berechnungsansatz für die Verteilung der Fixkosten auf die verschiedenen Teilmengen ermöglicht. Das Abstellen auf den ursprünglichen Zeitpunkt soll den Betreiber vor dem Risiko fehlender Ausnutzung der sachgerecht prognostizierten Kapazität schützen. Dagegen dient diese Rückanknüpfung im Hinblick auf die Gesamtkapazität nicht dazu, im Zeitpunkt der Gebührenkalkulation durch technische Maßnahmen erfolgte Kapazitätserhöhungen auszublenden. Bedarf es aber der Neuberechnung der Anteile, kann die Reduzierung des ursprünglichen Bedarfs ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Denn unter den Bedingungen der (teilweise) optimierten Anlage wäre etwa auch die Stilllegung eines (anderen, nicht optimierten) Teils der Anlage denkbar gewesen, die unter den Bedingungen vor der Änderung nicht in Betracht zu ziehen war.

Die Anrechnung von Einnahmen aus anderweitig vermarkteten Mengen kompensiert die fehlende Berücksichtigung der angestiegenen Kapazität nicht. Denn angerechnet werden nach der Berechnung PKF 2011 die 147.000 t/a, die sich aus der Differenz der ursprünglichen Vorhaltemenge und der von den Kommunen in Anspruch genommenen Menge ergeben. Darüber hinaus werden in der Kalkulation die Vorhaltekosten für die Mengen berücksichtigt, die darüber hinaus bis zur rechnerischen Kapazität von 588.672 t verbrannt werden können. Die z.T. mehr als 100.000 t/a betragenden Abfallmengen aus der Kapazitätssteigerung werden dagegen nicht berücksichtigt.

Berücksichtigt man die erhöhte Kapazität der Anlage, ergibt sich eine Überschreitung des zulässigen Gebührensatzes selbst dann, wenn man die in die Berechnung eingestellte Vorhaltemenge von 425.000 t/a unverändert übernimmt.

Für die Gesamtkapazität kann dabei auf einen niedrigeren Betrag als die durchschnittlich von 2006 bis 2011 erzielte Menge (693.417 t/a) (vgl. Beteiligungsberichte der Stadt E. 2006/2007 bis 2011 - einsehbar im Internet unter: www.e.de (Rathaus, Politik, Bürgerservice | Städtische Gesellschaften | Beteiligungsbericht) abgestellt werden. Legt man nur 672.768 t/a - das entspricht 80 % der rechnerischen Höchstkapazität von 840.960 t/a (vgl. PKF 2011, S. 20) - zugrunde, ergibt sich folgende Berechnung:

Gesamte kommunale Vorhaltemenge (E2. , P1. , L. ): 425.000 t/a

Anteil Vorhaltekapazität Kommunen: 425.000 t von 672.768 t = 63,2 % (statt 72,2 %)

Anteilige Vorhaltekosten: 62.461.000 € (PKF 2011 S. 29) x 63,2 % = 39.475.352 € (statt 45.095.000 € - PKF 2011 S. 32 - )

Abzüge aus der Inanspruchnahme von nicht ausgenutzten Vorhaltemengen: 5.248.000 € (PKF 2011 S. 32)

Anteilige kommunale Vorhaltekosten nach Abzug der Gutschriften: 34.227.352 €

Bei 278.000 t ergibt sich ein Fixkostenanteil pro t/a von 123,12 €

Zuzüglich der mengenabhängigen Kosten pro t/a von 26,32 € ergeben sich Gesamtkosten pro t/a von 149,44 € (statt 169,66 €).

Dieser Satz wird durch den zugrundegelegten Satz von 169,66 € um 20,22 € überschritten, also um 13,53 %. Kürzt man die in die Gebührenbedarfsberechnung der Beklagten für 2013 (Anlage 2 zur Drucksache 12-1509) eingestellten Verbrennungskosten (29.258.000 €) entsprechend dieser prozentualen Überschreitung, ergeben sich Verbrennungskosten von nur noch 25.771.161 € (29.258.000 € = 113,53 %, 25.771.161 € = 100 %) und damit ein Gesamtgebührenbedarf von 59.087.093 € (statt 62.573.932 €).

Die Differenz von 3.486.839 € entspricht bezogen auf den zulässigen Betrag einem Satz von 5,9 %.

Damit ist die nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2011 - 9 A 1904/09 - m.w.N.) noch hinnehmbare Toleranzschwelle für nicht bewusst fehlerhafte oder willkürliche Kostenüberschreitungen von 3 % überschritten.

Hinsichtlich der Auslegung des Entsorgungsvertrages beanstanden die Beklagte und die Beigeladene, das Gericht habe zu Unrecht aus § 8 Abs. 3 hergeleitet, dass das wirtschaftliche Risiko der Auslastung der Anlage von der Beigeladenen getragen werden solle. Dies sei mit Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck des Entsorgungsvertrages nicht zu vereinbaren. Das Gericht hat demgegenüber berücksichtigt, dass sich das Auslastungsrisiko sehr wohl zu Lasten der Beklagten im Vertrag niederschlägt und zwar dergestalt, dass die Beklagte und die Stadt P. bestimmte "Mindest"- bzw. "Garantiemengen" anzuliefern hatten, bei deren Unterschreitung ein bestimmter Garantiepreis errechnet wurde. Die dort angeführte Menge von 194.250 t/a hat das Gericht insoweit berücksichtigt, als ihre Vereinbarung einer im Rahmen der erforderlich gewordenen Neukalkulation eines Selbstkostenpreises anzupassenden Mengenberechnung nicht entgegensteht.

Wenn, worauf die Beklagte hinweist, jederzeit durch gesetzgeberische Entscheidungen das Abfallaufkommen wieder ansteigen kann, stellt dies die Überlegungen nicht infrage, die auf den Zahlen der bislang erlassenen Abfallwirtschaftspläne beruhen.

Soweit der Berechnungsweg des Verwaltungsgerichts als auf willkürlich gewählten Parametern beruhend und damit als ungeeignet zur Berechnung des Fixkostenanteils der Beklagten erklärt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Berechnung des Gerichts nicht dazu dient, eine korrekte Gebührenkalkulation zu ersetzen, sondern lediglich dazu, die Auswirkungen auf den Gebührensatz abzuschätzen, die sich aus den Beanstandungen des Fixkostenanteils der Kommunen ergeben.

Ferner sind die Einnahmen aus der Energieumwandlung zu Unrecht nicht kostenmindernd berücksichtigt worden. Die Beklagte beruft sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 - 3 C 29.08 -, um darzulegen, dass Energieerlöse nicht kostenmindernd zu berücksichtigen seien. Unabhängig von der Frage der Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall ist auf folgendes hinzuweisen: Soweit die Berücksichtigung der Einnahmen voraussetzt, dass ihnen tatsächliche Kosten entgegen stehen, die ebenfalls in der Gebührenkalkulation berücksichtigt wurden, ist dies hier der Fall, weil die bei der Müllverbrennung durchgeführte Energieumwandlung ohne die Kosten der Müllverbrennung nicht denkbar ist. Die Möglichkeit zur Energiegewinnung ergibt sich aus dem Verbrennungsvorgang; ohne Abfallverbrennung kann keine Energiegewinnung stattfinden. Dass mit der Verwertung in gesonderten Anlagenteilen weitere Kosten entstehen, die von den Kosten der Müllverbrennung zu trennen sind, bleibt davon unberührt. Zumindest hätte die an der Schnittstelle beider Anlagenteile übertragene Energie im Wege der internen Verrechnung vergütet werden müssen.

Dass der Gewinn nicht nur anhand des Umsatzes, sondern auch anhand des betriebsnotwendigen Vermögens berechnet werden darf (vgl. Nr. 52 Abs. 1 Satz 1 LSP) rechtfertigt es nicht, zu Gewinnzuschlägen zu kommen, die den vom Oberverwaltungsgericht für zulässig erachteten, am Umsatz orientierten Betrag um mehr als das Dreifache überschreiten. Wenn die Beklagte geltend macht, sie habe bestimmte Risiken "aus Vereinfachungsgründen" nicht gesondert in die Kalkulation eingestellt, ist nicht erkennbar, dass etwa Revisionskosten in Höhe von 1,5 Millionen pro Jahr und Kessellinie bei der Gebührenberechnung unberücksichtigt sein könnten. Ausfallzeiten sind bei der Bestimmung der tatsächlichen Kapazität gegenüber der rechnerischen Kapazität und des Anteils der auf die Kommunen entfallenden Fixkosten berücksichtigt worden. Dass die auf sie entfallenden Kosten aus den Gesamtkosten herausgerechnet wurden, ergibt sich aus dem Gutachten PKF 2011 nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 3 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO liegen nicht vor.