LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.02.2004 - 2 Ta 12/04
Fundstelle
openJur 2013, 46394
  • Rkr:
Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 30.10.2003 - 2 Ha 2006/03 - wird auf Kosten der Beschwerdeführerin bei einem Beschwerdewert von 4.000,00 € zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren auf Zahlung von Schmerzensgeld.

Die Antragstellerin war in der Zeit vom 11.06.2001 bis zum 30.11.2002 bei der Antragsgegnerin als Assistentin des Vertriebsleiters beschäftigt zu einer durchschnittlichen monatlichen Vergütung von 3.343,06 €. Die Antragsgegnerin hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.10. zum 30.11.2002 gekündigt. In einem sich anschließenden Kündigungsschutzverfahren haben die Parteien in der Güteverhandlung vom 05.02.2003 diesen Rechtsstreit durch Abschluss eines sogenannten Abfindungsvergleiches beendet. Danach erklärte sich die Antragstellerin mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden und die Antragsgegnerin zahlte der Antragstellerin für den Verlust ihres sozialen Besitzstandes eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 €.

Am 14.10.2003 reichte die Antragstellerin beim Arbeitsgericht Ludwigshafen einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren ein und fügte diesem Antrag einen Klageentwurf vom 10.10.2003, auf dessen Inhalt hiermit Bezug genommen wird, bei. Danach begehrt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin und einem ihrer Mitarbeiter ihrem früheren Vorgesetzten, wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 4.000,00 €. Die Antragstellerin macht geltend, während der Dauer ihrer Beschäftigung habe sie eine von vielen Demütigungen geprägte Mobbingsituation erleiden müssen, die letztlich zu ihrer völligen Dekompensation geführt habe. Das Betriebsklima bei der Antragsgegnerin sei während der gesamten Dauer der Beschäftigung außerordentlich angespannt gewesen. Die Antragsgegnerin und ihr mit zu verklagender Arbeitnehmer hätten das ihr gegenüber praktizierte Mobbing durch insgesamt fünf schriftliche Abmahnungen der Arbeitgeberin dokumentiert, die ihr allesamt mit gleicher Post vom 28.08.2002 an einem Tag zugegangen seien. Die in den Abmahnschreiben enthaltenen Vorwürfe seien inhaltlich unhaltbar. Ihr Vorgesetzter, der beabsichtigte Beklagte zu 2), habe sie mehrfach in vollkommen unsachgemäßer Weise angeschrieen, ohne auf ihre Anregungen zur Optimierung der Geschäftsabläufe einzugehen. Er habe ihr Aufgaben aus anderen Bereichen übergebürdet und dadurch einen psychischen Druck bei ihr verursacht, der schließlich zu einer Erkrankung geführt habe. Das Gesamtverhalten des in Anspruch zu nehmenden Beklagten zu 2) weiche derart von der üblichen Ausübung eines Direktionsrechts durch den Arbeitgeber ab, dass in der Gesamtheit der verbalen Entgleisungen ein von der Rechtsordnung nicht mehr zu rechtfertigendes Verhalten zu sehen sei. Ihre Arbeitgeberin habe ihr gegenüber die Fürsorgepflicht verletzt, indem sie die Attacken ihres Vorgesetzten nicht abgewendet habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Abmahnungen seien berechtigt gewesen und die Antragstellerin habe sich auch in der geeigneten Weise durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes dagegen zur Wehr gesetzt. Die Antragstellerin habe in dem sich dann später anschließenden Kündigungsschutzverfahren nie einen Mobbingvorwurf auch nur erwähnt, geschweige denn sich auf einen solchen näher berufen. Erst rund 8 Monate nach Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens habe sie sich dann auf die Mobbingvorwürfe konzentriert.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 30.10.2003, auf dessen Inhalt hiermit Bezug genommen wird, den Antrag der Antragstellerin wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass sich der Beklagte zu 2) ihr gegenüber im Ton vergriffen habe, so scheinen die erhobenen Vorwürfe doch nicht so schwerwiegend, dass sie einen Schmerzensgeldanspruch auslösen könnten.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin form-. und fristgerecht sofortige Beschwerde erhoben.

Nachdem das Arbeitsgericht der Antragstellerin vergeblich Gelegenheit gegeben hat, ihr Rechtsmittel zu begründen, hat der Richter dann mit Beschluss vom 07.01.2004 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren beruft sie sich auf die zahlreichen Verfehlungen ihres Vorgesetzten und die dadurch für sie entstandene permanente Mobbingsituation.

Die Antragsgegner berufen sich nach wie vor auf die fehlenden hinreichenden Erfolgsaussichten.

Das erkennende Gericht hat die Verfahrensakte 2 Ca 3237/02 (Kündigungsschutzverfahren der Parteien) zur Information beigezogen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den angefochtenen Beschluss und die Nichtabhilfeentscheidung Bezug genommen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in seinem angefochtenen Beschluss den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein durchzuführendes Klageverfahren zurückgewiesen, weil diesem Klageverfahren die hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO fehlen.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers anhand des vorgetragenen Sachverhalts für zutreffend oder vertretbar hält und von der Möglichkeit ausgegangen werden kann, der Antragsteller könne ggf. streitige Tatsachen auch beweisen. Hinreichende Erfolgsaussicht bedeutet nicht Erfolgsgewissheit, so dass die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen, weil das Hauptsacheverfahren nicht in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe verlagert werden darf. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (BVerfG NJW 1997, 2745; NZA 2001, 1091). Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Prozesskostenhilfe darf dann nicht aus Rechtsgründen versagt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zweifelhaft oder noch nicht eindeutig in der Rechtsprechung geklärt ist (BVerfG NZA 2000, 900). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Physische und vor allem psychische Belästigungen unter Mitarbeitern sind häufig Quelle zahlreicher Erkrankungen der Arbeitnehmer. Der dadurch ausgelöste jährliche Produktionsausfall in Deutschland soll nach einschlägigen Schätzungen bei etwa 12,5 Mrd. EURO liegen (vgl. Münchener Handbuch/Blomeyer, Arbeitsrecht, Band 1, 2. Auflage, § 53 Rz. 28). Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht umfasst der Begriff "Mobbing" eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz zwischen Arbeitnehmern oder zwischen ihnen und den Vorgesetzten, bei der jemand systematisch und oft über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel oder dem Ergebnis des Ausstoßes aus der Gemeinschaft direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (vgl. etwa Leymann, Psychoterror Seite 21; Resch, "Wenn Arbeit krank macht", Seite 39). Die zahlreich in Betracht kommenden Handlungen können darin bestehen, dass der Betroffene tätlich angegriffen oder auch nur geringschätzig behandelt, von der Kommunikation ausgeschlossen, beleidigt oder diskriminiert wird (Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, § 108 V 8). Für den Arbeitgeber besteht die Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, das Opfer derartiger Belästigungen und Attacken zu schützen und allgemein für ein ausgeglichenes Betriebsklima zu sorgen (Münchener Handbuch/Blomeyer a.a.O. Rz. 32; § 97 Rz. 36). Bei eingetretenen Störungen hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen gerichtlich durchsetzbaren Erfüllungsanspruch; dieser ist zu einem konkreten Eingreifen verpflichtet; er muss sich schützend vor den Arbeitnehmer stellen und ggf. in geeigneter Weise gegen den Störer vorgehen. Bei Anwendung dieser Grundsätze verspricht vorliegend das von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Klageverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten im oben genannten Sinne.

Nach der Behauptung der Beschwerdeführerin soll ihr früherer unmittelbarer Vorgesetzter, gegen den sich das beabsichtigte Klageverfahren als Gesamtschuldner ebenfalls richten soll, anlässlich zahlreicher Vorfälle sich ihr gegenüber im Ton vergriffen und sie aus einer Unbeherrschtheit heraus angeschrieen und ihr völlig unberechtigte Vorwürfe gemacht haben. OB und inwieweit ihre Arbeitgeberin von diesen von der Antragstellerin behaupteten Vorwürfen überhaupt Kenntnis haben konnte, hat die Beschwerdeführerin selbst nicht vorgetragen. Insbesondere hat sich die Beschwerdeführerin im Laufe des Arbeitsverhältnisses in keiner Weise auch nur im Ansatz gegen das von ihr behauptete rüpelhafte Verhalten ihres Vorgesetzten zur Wehr gesetzt. Es hätte von der Beschwerdeführerin erwartet werden können, dass sie im Laufe des Arbeitsverhältnisses ihre Arbeitgeberin um Schutz bittet vor den im Tonfall entgleisenden Vorwürfen ihres direkten Vorgesetzten. Als ihre Arbeitgeberin ihr unter dem 28.08.2002, zu einem Zeitpunkt als sie arbeitsunfähig erkrankt war, gleich fünf Abmahnschreiben zugeleitet hat, empfand sie dies als ein massives Vorgehen ihr gegenüber. Allerdings übersieht die Beschwerdeführerin bei der Übersendung von fünf Abmahnschreiben, dass eine derartige Handlungsweise eines Arbeitgebers letztlich auch auf die Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen zurückgeht. Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung und erhebt in dem Abmahnschreiben eine Reihe von unterschiedlichen Vorwürfen, dann ist die Entfernung der gesamten Abmahnung schon dann vorzunehmen, wenn auch nur einer dieser Vorwürfe unzutreffend ist. Wenn angesichts dieser Rechtsprechung der Arbeitgeber dann bei einer Reihe von unterschiedlichen Vorwürfen auch jeweils unterschiedliche Abmahnungen in verschiedenen Schreiben erteilt, kann ihm dies hinsichtlich seiner generellen Vorgehensweise nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Soweit die Beschwerdeführerin den Inhalt der Abmahnschreiben im Einzelnen angreift und diese für unberechtigt darstellt, brauchen die gegenüber der Beschwerdeführerin darin erhobenen Vorwürfe vorliegend nicht ins Einzelne auf ihre Begründetheit untersucht zu werden. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass die Vorwürfe unberechtigt waren, so hatte sich die Beschwerdeführerin immerhin in der geeigneten Weise durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur Wehr gesetzt und den ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen widersprochen. In dem späteren Kündigungsschutzverfahren brachte die Beschwerdeführerin in keiner Weise zum Ausdruck, dass die in den Abmahnungsschreiben erhobenen unberechtigten Vertragsverstöße sie weit über ihren Inhalt hinausgehend in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise belastet hat. Im Gütetermin haben die Parteien dann einen sogenannten Abfindungsvergleich geschlossen, in dem ihr die Arbeitgeberin eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 € gezahlt hat. Die Zahlung einer derartigen Abfindungssumme, das sind immerhin rund 1,3 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr, lässt eindeutig erkennen, dass der Beschwerdeführerin damit ein Ausgleich für höchst zweifelhafte Kündigungsgründe gewährt worden ist. Damit sind auch gewisse Demütigungen, die die Beschwerdeführerin durch die unberechtigte Kündigung erlitten hat, ausgeglichen. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch gegenüber der Arbeitgeberin scheidet aus.

Eine Klage hat aber auch keine hinreichende Erfolgsaussicht, soweit sie sich gegenüber ihren unmittelbaren Vorgesetzten richtet. Zwar ist der Beschwerdeführerin zuzugestehen, dass bei Zugrundelegung ihres Sachvortrages ihrem Vorgesetzten elementare Fähigkeiten für die Führung von Menschen fehlen. Er sieht vermutlich bei von ihm verursachten Erkrankungen ihm nachgeordneter Arbeitnehmer auch noch die Quelle der Erkrankungen in der Person des ihm nachgeordneten Mitarbeiters, ohne zu erkennen, welchen Schaden er seiner eigenen Arbeitgeberin durch sein unbeherrschtes Verhalten zufügt. Allerdings spricht die Beschwerdeführerin selbst von einem unerträglichen Arbeitsklima, das durch diesen Vorgesetzten erzeugt worden ist. Damit liegt auch kein zielgerichtetes auf Psychoterror gerade gegenüber der Beschwerdeführerin ausgerichtetes Verhalten dieses Mitarbeiters vor. Legt man den Sachvortrag der Beschwerdeführerin zugrunde, dann erweist sich dieser Vorgesetzte in seiner Position als ungeeignet. Es ist aber nicht Ausdruck eines zielgerichteten Handelns dieses Mitarbeiters, gerade die Beschwerdeführerin "fertig zu machen". Dafür bietet der Sachvortrag der Beschwerdeführerin keine ernsthaften Anhaltspunkte. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre vorliegend ein Schadensersatzanspruch in Form eines Schmerzensgeldes für die Beschwerdeführerin gegeben.

Nach alledem war die unbegründete Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den zutreffenden Beschluss des Arbeitsgerichts mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.