OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.10.2013 - 10 UF 1073/13
Fundstelle
openJur 2013, 43512
  • Rkr:

Wurde vor dem 21.06.2012 eine Trennung von Ehegatten nach türkischem Recht ausgesprochen, so findet auf einen nach dem 21.06.2012 anhängig gemachten und (auch) auf den Ablauf der Trennungszeit gestützten Scheidungsantrag ebenfalls türkisches Scheidungsrecht Anwendung.

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 16.05.2013 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.900,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten - beide türkische Staatsangehörige - haben am 12.02.2010 vor dem türkischen Generalkonsulat in Nürnberg die Ehe geschlossen. Sie haben sich am 08.04.2011 getrennt und wollen geschieden werden. Ihr Streit geht darum, ob die Scheidung nach deutschem oder nach türkischem Recht zu erfolgen hat.

Dem vorliegenden Verfahren vorausgegangen ist das Verfahren 112 F 1381/11 des Amtsgerichts Nürnberg. Ein dort gestellter Scheidungsantrag des Antragstellers vom 15.04.2011 führte dazu, dass mit Endbeschluss vom 10.2.2012 die Trennung der Ehegatten für ein Jahr ausgesprochen wurde. Diese Entscheidung wurde von den Beteiligten nicht angefochten.

Unter Hinweis darauf, dass eine Versöhnung nicht erfolgt sei, ließ die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 11.02.2013, eingegangen bei Gericht am 13.02.2013, "Wiederaufnahme" des Verfahrens" mit dem Ziel der Scheidung beantragen. Der Antragsteller ließ mit Schreiben vom 05.03.2013, eingegangen bei Gericht am 06.03.2013, Scheidungsantrag stellen. Auf beiden Schriftsätzen ist das Aktenzeichen 112 F 1381/11 angegeben. Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg behandelte diese Anträge in einem neuen Verfahren unter dem Aktenzeichen 112 F 999/13. Es hat mit Endbeschluss vom 16.05.2013 die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin in Anwendung türkischen Rechts geschieden und hierbei die Auffassung vertreten, die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 vom 20.12.2010 (nachfolgend: Rom III-VO) greife nicht ein, weil das Verfahren 112 F 1381/11 vor dem 21.06.2012 eingeleitet wurde; damit sei nach Art. 14 EGBGB und Art. 17 EGBGB a. F. türkisches Recht anzuwenden. Die Scheidung sei sowohl nach Art. 166 als auch nach Art. 172 des türkischen Zivilgesetzbuches auszusprechen.

Gegen den Endbeschluss vom 16.05.2013, zugestellt an die Antragstellervertreterin am 11.06.2013, hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Vertreterin vom 05.07.2013, eingegangen beim Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg am 08.07.2013, Beschwerde eingelegt. Er wendet sich gegen die Anwendung türkischen Rechts und ist der Auffassung, nach Art. 8 lit. a) der Rom III-VO sei deutsches Recht anzuwenden. Das vorangegangene Verfahren Az. 112 F 1381/11 sei abgeschlossen gewesen, das neue Verfahren Az. 112 F 999/13 erst mit der Antragsstellung durch Schriftsatz vom 05.03.2013 eingeleitet worden, mithin nach dem Stichtag für die Anwendbarkeit der Rom III-VO, dem 21.06.2012.

Der Antragsteller beantragt die Aufhebung des Endbeschlusses des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.05.2013 und die Scheidung in Anwendung deutschen Rechts, hilfsweise die Zurückverweisung an das Amtsgericht Nürnberg.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichtes unter Berufung auf Art. 9 der Rom III-VO, wonach mangels einer anderweitigen Vereinbarung bei einer Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung auf die Ehescheidung das Recht anzuwenden ist, welches auch auf die Trennung angewendet wurde.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung, die eingereichten Schriftsätze und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2013 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 16.05.2013 ist zulässig; insbesondere ist der Antragsteller beschwert, weil ihm im Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg die Anwendung deutschen Rechts vorenthalten wurde und nicht auszuschließen ist, dass ihm daraus Nachteile hinsichtlich der Scheidungsfolgen erwachsen, namentlich im Rahmen von in der Türkei angestrengten Verfahren.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg, weil zutreffend türkisches Ehescheidungsrecht zur Anwendung kam.

Das anzuwendende Ehescheidungsrecht richtet sich zunächst danach, ob die Rom III-VO nach deren Übergangsbestimmungen zur Anwendung kommt. Die Übergangsbestimmung des Art. 18 der Rom III-VO stellt auf den Stichtag 21.06.2012 ab. Die Verordnung gilt nach Art. 18 Abs. 1 der Rom III-VO - abgesehen von wirksamen Rechtswahlvereinbarungen - nur für ab diesem Tage eingeleitete Verfahren.

Das Verfahren 112 F 999/13 wurde mit den Schriftsätzen vom 11.02.2013 und 05.03.2013 eingeleitet. Der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens 112 F 1381/11 ist für die Übergangsbestimmung in Art. 18 der Rom III-VO hingegen nicht relevant, da es sich um ein separates, mit dem Endbeschluss vom 10.02.2012 abgeschlossenes Verfahren handelt. Aufgrund der Verfahrenseinleitung nach dem 21.06.2012 ist daher der Anwendungsbereich der Rom III-VO grundsätzlich eröffnet.

Allerdings geht es vorliegend nach Auffassung des Senats um die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung i. S. v. Art. 9 Abs. 1 der Rom III-VO. Dies führt - mangels abweichender Rechtswahlvereinbarung - zur Anwendung desjenigen Rechts auf die Ehescheidung, welches bereits auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Anwendung fand, also der Anwendung türkischen Rechts (nach Art. 14, 17 EGBGB, vgl. oben). Art. 9 Abs. 2 der Rom III-VO greift nicht, denn das türkische Ehescheidungsrecht sieht auch die Umwandlung einer Trennung in eine Ehescheidung vor. Nach Art. 167 des türkischen Zivilgesetzbuches ist ein Ehegatte, der berechtigt ist, Scheidungsklage zu erheben, auch berechtigt, auf Trennung zu klagen. Ist ein Scheidungsgrund erwiesen, spricht das Gericht nach Art. 170 des türkischen Zivilgesetzbuches in einem solchen Fall die Trennung aus. Gemäß Art. 172 des türkischen Zivilgesetzbuches können beide Ehegatten die Scheidung schon dann verlangen, wenn während der festgesetzten Trennungszeit die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder hergestellt wurde.

Bei dieser Regelung handelt es sich nach Auffassung des Senats um einen Fall der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung, da für den Fall der Nichtwiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Trennung ohne weitere Voraussetzungen ihren Fortgang in die Scheidung nimmt. Die Rechtslage ist vergleichbar dem Verhältnis der Trennung von Tisch und Bett zur nachfolgenden Scheidung nach italienischem Recht (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.01.2013, Az. 17 WF 251/12). Dass das türkische Recht auch eine Scheidung wegen Zerrüttung kennt, steht der Anwendung des Art. 9 Abs. 1 der Rom III-VO nicht entgegen.

Nach dem Erwägungsgrund Nr. 23 zur Rom III-VO soll die Fortgeltung des Rechts des Trennungsverfahrens im folgenden Scheidungsverfahren den Ehegatten eine bessere Berechenbarkeit bieten und der Rechtssicherheit dienen. Im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Rom III-VO bilden gerichtliche Trennung und Ehescheidung somit eine Einheit, so dass unter Wahrung der Kontinuität das auf die Trennung tatsächlich angewandte Recht zur Anwendung kommt und nicht das nach Art. 8 der Rom III-VO eigentlich anzuwendende Recht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandwertes folgt aus § 43 FamGKG.

Nachdem vorliegend kein vernünftiger Zweifel an der richtigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts besteht, ist die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht veranlasst. Auch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FamFG nicht veranlasst.

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