OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013 - 4 W 177/13
Fundstelle
openJur 2013, 43387
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Lüneburg vom 27. August 2013 aufgehoben.

Das Landgericht wird angewiesen, über die mit Schriftsatz vom 23. August 2013 beantragte Einholung eines Ergänzungsgutachtens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu befinden.

Gründe

I.

Das Landgericht hat in einem selbständigen Beweisverfahren auf Antrag des Antragstellers ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Nach Eingang des Gutachtens hat es den Verfahrensbeteiligten eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Innerhalb der (verlängerten) Frist hat der Antragsteller beantragt, den Sachverständigen zwei ausformulierte ergänzende Fragen schriftlich beantworten zu lassen, hilfsweise den Sachverständigen zur entsprechenden Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die erste Frage sei - zusammengefasst - von ihrem Inhalt her unerheblich; die zweite Frage, die darauf gerichtet ist, ob ein bestimmter Mangel erkennbar war, stelle eine allein vom Gericht in einem Rechtsstreit zu beantwortende Frage dar.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 490 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Das Landgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die mit Schriftsatz vom 23. August 2013 angekündigten Fragen dem Sachverständigen zur weiteren Begutachtung vorzulegen.

Nach Mitteilung des schriftlichen Sachverständigengutachtens haben beide Parteien das Recht, dem Sachverständigen in einer mündlichen Verhandlung Fragen zu stellen oder eine Ergänzung des Gutachtens zu beantragen, § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 112). Setzt das Gericht gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO den Parteien eine Frist, sind Einwendungen gegen das Gutachten, Anträge auf Anhörung oder Ergänzungsfragen allerdings innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist anzubringen, anderenfalls das selbständige Beweisverfahren beendet ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - VII ZR 172/09, juris Rn. 11; Werner/Pastor, a. a. O.). Das Gericht muss dem von einer Partei rechtzeitig gestellten Antrag auch dann stattgeben, wenn es selbst das Sachverständigengutachten nicht für erklärungsbedürftig hält. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist; von Letzterem kann allerdings nicht die Rede sein, wenn die Partei (wie in § 411 Abs. 4 ZPO vorgesehen) konkret vorgetragen hat, worin sie Unklarheiten und Erläuterungsbedarf im Hinblick auf das schriftliche Sachverständigengutachten sieht und in welcher Richtung sie ihr Fragerecht ausüben will (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01, juris Rn. 6 f.; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1997 - VI ZR 252/96, juris Rn. 10; im Überblick: Werner/Pastor, a. a. O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen war das Landgericht nicht berechtigt, den Antrag auf ergänzende Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zurückzuweisen. Der Antrag des Antragstellers mit Schriftsatz vom 23. August 2013 ist innerhalb der vom Gericht gesetzten (verlängerten) Frist zur Stellungnahme zu dem schriftlichen Sachverständigengutachten erfolgt. Ob das Landgericht die in diesem Schriftsatz gestellte Frage zu Ziffer 1 inhaltlich für sinnvoll bzw. erheblich erachtet, ist nach dem Vorgenannten ohne Belang, insbesondere ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2004 - III ZB 33/04, juris Rn. 5; Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 34). Soweit das Landgericht in Bezug auf die Frage 2. („Erkennbarkeit eines Mangels“) die Auffassung vertritt, dass dies keine von einem Sachverständigen zu beantwortende Frage darstelle, steht dies mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht im Einklang (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - V ZB 84/09, juris Rn. 12).

III.

Die aus dem Tenor ersichtliche Zurückverweisung an das Landgericht hat der Senat gewählt, da es zweckmäßig erscheint, das weitere Verfahren dem Landgericht zu überlassen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2004 - 12 W 40/04, juris Rn. 9).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beschwerde Erfolg hat und zur Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens führt, dessen Kosten dann insgesamt Teil der Kosten eines künftigen Hauptsacherechtsstreits sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - 22 W 80/11, juris Rn. 3).