VG Augsburg, Beschluss vom 27.08.2013 - Au 7 S 13.1157
Fundstelle
openJur 2013, 43332
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2013, mit dem ihm wegen Erreichens von 18 Punkten seine Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S entzogen wurde.

1. Das Kraftfahrt-Bundesamt teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22. Juni 2010 mit, dass die unverbindliche Wertung des Verkehrszentralregisters (VZR) für den Antragsteller insgesamt 9 Punkte ergebe. In der Behördenakte der Antragsgegnerin ist das Verwarnungsschreiben vom 21. September 2010 enthalten, in dem der Antragsteller u.a. darauf hingewiesen wird, dass bei Erreichen von 14 Punkten die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und bei 18 Punkten die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. In der diesem Schreiben beigefügten Aufstellung der Eintragungen aus dem VZR sind die Verkehrszuwiderhandlungen vom 16. Mai 2009 (6 Punkte) und vom 7. April 2010 (3 Punkte) aufgeführt. Ebenso ist in der Behördenakte die Postzustellungsurkunde enthalten, wonach dem Antragsteller ein Schriftstück vom 21. September 2010 unter der Adresse “...str. ..., ...“ am 23. September 2010 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt worden ist.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Antragsgegnerin mit, dass die unverbindliche Wertung des VZR für den Antragsteller insgesamt 15 Punkte ergebe. Dabei wurden die neu hinzugekommenen Verkehrsordnungswidrigkeiten vom 8. April 2010 (3 Punkte) und vom 3. August 2010 (3 Punkte) ausgewiesen.

Mit der weiteren Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 9. Mai 2012 über einen unverbindlichen Stand von 18 Punkten beim Antragsteller, wurde der Antragsgegnerin die mit 3 Punkten bewertete Zuwiderhandlung vom 31. Januar 2012 bekannt. Laut Aktenvermerk auf diesem Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes bewertete die Antragsgegnerin – unter Hinweis auf die ergangene Verwarnung („AO ASP“) - den Punktestand dagegen nur mit 16 Punkten. Die Antragsgegnerin ordnete daraufhin mit Bescheid vom 15. Mai 2012 an, dass der Antragsteller auf seine Kosten ein Aufbauseminar gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG zu besuchen und hierüber spätestens bis zum 16. Juli 2012 eine Teilnahmebescheinigung vorzulegen habe. Der Antragsteller wurde u.a. darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung mit Punkteabzug biete und dass ihm bei Erreichen von 18 Punkten oder mehr die Fahrerlaubnis entzogen werde. Der Antragsteller legte am 13. September 2012 die Teilnahmebescheinigung vom 1. September 2012 über den Besuch des Aufbauseminars vor.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Antragsgegnerin mit, dass für den Antragsteller unverbindlich 19 Punkte im VZR eingetragen seien. Entsprechend den Auszügen aus dem VZR war als weitere Verkehrszuwiderhandlung die mit 1 Punkt bewertete Ordnungswidrigkeit vom 5. März 2012 aufgenommen worden. Die Antragsgegnerin stellte hierzu laut einem Aktenvermerk auf diesem Schreiben fest, dass die vom Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilten 19 Punkte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG auf 17 Punkte zu reduzieren seien, weil die Ordnungswidrigkeit vom 5. März 2012 vor der Anordnung des Aufbauseminars vom 15. Mai 2012 stattgefunden habe.

Durch das Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14. Mai 2013 wurde der Antragsgegnerin bekannt, dass für das am 6. März 2013 begangene Verkehrsvergehen 1 Punkt eingetragen worden sei. Daraufhin wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 11. Juni 2013 mit der Begründung, dass die von ihm begangenen Verkehrszuwiderhandlungen mit 18 Punkten zu bewerten seien, zum beabsichtigten Entzug seiner Fahrerlaubnis angehört und ihm wurde die Gelegenheit eingeräumt, sich bis 27. Juni 2013 zur beabsichtigten Maßnahme zu äußern. In der beigefügten (tabellarischen) Aufstellung über die Mitteilungen des VZR ist in der 5. Spalte folgendes eingetragen: „23.09.2010 / Stadt ... / 4PKTR: Punktereduzierung nach § 4 Abs. 5 StVG (Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG wurde nicht ergriffen) / - 2“.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verstöße und Maßnahmen:

Nr. Datum der Tat (Entsch./Rechtskraft Vergehen/Maßnahme Pkt. 1 16.5.2009 (23.9.2009/13.11.2009) Vorsätzliches Anordnen oder Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis 6 6 2 7.4.2010 (10.5.2010/27.5.2010) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h 3 9 Verwarnung vom 21.9.2010 (zugestellt 23.9.2010) gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 StVG 3 8.4.2010 (20.5.2010/7.7.2010) Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage; keine verkehrssichere Verstauung der Ladung 3 12 4 3.8.2010 (8.10.2010/27.10.2010) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h 3 15 Reduzierung auf 13 Punkte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG -2 13 5 31.1.2012 (11.4.2012/28.4.2012) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h 3 16 Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG vom 15.5.2012 6 5.3.2012 (18.4.2012/5.5.2012) Mobiltelefon oder Hörer des Autotelefons beim Führen eines KFZ verbotswidrig benutzt 1 17 7 6.3.2013 (22.4.2013/7.5.2013) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h 1 18 Der Bevollmächtigte des Antragstellers führte in seiner Stellungnahme vom 26. Juni 2013 u.a. aus, so wie sich ihm der Sachverhalt erschließe, sei eine Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG vor dem Erreichen eines Standes von 14 Punkten nicht erfolgt. Da eine Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG die Verwarnung nicht ersetzen könne, sei der Punktestand des Antragstellers auf 13 Punkte zu reduzieren. Um weitere zwei Punkte sei der Punktestand des Antragstellers deswegen zu reduzieren, da er vor dem Erreichen von 14 Punkten, in der Zeit vom 18. August 2012 bis 1. September 2012, an einem Aufbauseminar teilgenommen habe. Sein Punktestand betrage daher mit der Tat vom 6. März 2013 lediglich 12 Punkte.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2013 teilte die Antragsgegnerin daraufhin mit, dass die Verwarnung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG mit Schreiben vom 21. September 2010 durchgeführt worden sei.

2. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Juli 2013 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S (Ziffer 1. des Bescheidtenors). Der Antragsteller habe unverzüglich, spätestens jedoch drei Tage nach Zustellung des Bescheids, seinen Führerschein, Führerscheinnummer: ..., bei der Antragsgegnerin abzuliefern (Ziffer 2. des Bescheidtenors). Unter Ziffer 3. wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 2. des Bescheids angeordnet. Für den Fall der Nichtablieferung des genannten Führerscheins innerhalb der festgesetzten Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziffer 6. des Bescheidtenors).

Dieser Bescheid wurde den Bevollmächtigten des Antragstellers laut Postzustellungsurkunde am 5. Juli 2013 zugestellt.

Am 8. Juli 2013 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Antragsgegnerin ab.

3. Am 5. August 2013 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2013 aufzuheben. Über die Klage, die unter dem Aktenzeichen Au 7 K 13.1156 geführt wird, ist bislang nicht entschieden.

Gleichzeitig ließ er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg stellen und beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Zur Begründung von Klage und Eilantrag wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Punktestand mit der letzten Tat des Antragstellers vom 6. März 2013 lediglich 12 Punkte betrage. Die Antragsgegnerin habe eine Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG vor dem 31. Januar 2012, also vor dem Erreichen von 14 Punkten, nicht ausgesprochen. Der Antragsteller bestreite die Behauptung der Antragsgegnerin, dass mit Schreiben vom 21. September 2010 eine Verwarnung erfolgt sei. In der als Anlage zum Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. Juni 2013 übersandten Mitteilung des VZR Flensburg stehe hierzu: „Maßn. nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG wurde nicht ergriffen“. Daher sei am 23. September 2010 auch eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 5 StVG erfolgt. Das Aufbauseminar bewirke eine weitere Punktereduzierung um 2 Punkte, da es vor dem Erreichen von 14 Punkten absolviert worden sei.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 19. August 2013,

den Antrag abzulehnen.

Nach Akteninhalt sei dem Antragsteller die Verwarnung vom 21. September 2010 ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde am 23. September 2010 zugestellt worden. Die Postzustellungsurkunde erbringe den vollen Beweis für das, was in ihr niedergelegt worden sei. Ein schlichtes Bestreiten der Richtigkeit der beurkundeten Angaben über die erfolgte Zustellung durch Einlegung der Postsendung in den Hausbriefkasten reiche gemäß § 418 Abs. 2 ZPO als Gegenbeweis nicht aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag war nach § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden soll, da die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltenen Anordnungen bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind.

Ziffer 1 des Bescheides ist gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), Ziffer 6 des Bescheides gemäß Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG) kraft Gesetzes sofort vollziehbar.

Auch die in Ziffer 2 des Bescheides enthaltene Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins ist in analoger Anwendung des § 47 Abs. 1 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Zwar gilt dies nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV nur dann, wenn die zuständige Behörde die sofortige Vollziehung der Verfügung über den Entzug der Fahrerlaubnis angeordnet hat. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift erstreckt sich die sofortige Vollziehung aber auch dann auf die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins, wenn die Grundverfügung, d.h. der Entzug der Fahrerlaubnis, bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (VG Augsburg, B.v. 23.3.2009 - Au 7 S 09.280; VG Augsburg, B.v. 26.11.2008 - Au 3 S 08.1482). Wird die Vorschrift nach ihrem Wortlaut so ausgelegt, dass ein kraft Gesetzes bestehender Sofortvollzug auf die Fälle beschränkt wäre, in denen (nur) die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis angeordnet hat, in den vom Gesetzgeber als weitaus gravierender gewerteten Fällen, in denen der Entzug der Fahrerlaubnis kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, die sofortige Vollziehbarkeit der Ablieferungspflicht jedoch von einer behördlichen Anordnung abhinge, würde sich ein erheblicher Wertungswiderspruch ergeben; dementsprechend ist hier von einer in § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV enthaltenen Regelungslücke auszugehen, die im Wege der Analogie zu schließen ist (VG Augsburg, B.v. 26.11.2008 – Au 3 S 08.1482).

Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist, bleibt er in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Antrag ist insoweit unzulässig, als er sich auch gegen die in Ziffer 6 des Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung richtet. Der Führerschein befindet sich mittlerweile bei der Antragsgegnerin. Damit ist davon auszugehen, dass eine Vollstreckung des Zwangsgeldes nicht mehr stattfinden wird, so dass sich die Androhung des Zwangsmittels erledigt hat (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 20.1.2006 - 11 CS 05.1584 -, juris).

2. Bei der Entscheidung über den vorliegenden Antrag hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Ist die Klage in der Hauptsache im Rahmen einer summarischen Prüfung offensichtlich erfolgreich, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug eines rechtwidrigen Bescheides bestehen. Andererseits kann der Bürger kein schutzwürdiges privates Interesse daran haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigenVerwaltungsaktes verschont zu bleiben. Insoweit ist eine summarische Prüfung der Rechtslage geboten, aber auch ausreichend.

Nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2013 aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, da dieser Bescheid rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Nach obigen Ausführungen waren die getroffenen Anordnungen schon auf Grund Gesetzes sofort vollziehbar, so dass die in Ziffer 3 des Bescheides verfügte Anordnung des Sofortvollzuges hinsichtlich der Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins (Ziffer 2 des Bescheids) ins Leere geht. Demnach kommt es auch nicht auf eine ausreichende Begründung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 3 VwGO an.

b) Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Hs. 1 StVG gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben. In diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Hs. 2 StVG zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Danach ist der Antragsteller vorliegend als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, da die Eintragungen für den Antragsteller im Verkehrszentralregister - entsprechend der Aufstellung unter I. dieses Beschlusses - mit 18 Punkten zu bewerten sind.

Die Fahrerlaubnisbehörde hat die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG erforderlichen Warn- und Erziehungsmaßnahmen ergriffen.

aa) Insbesondere wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 21. September 2010 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG verwarnt, nachdem der Antragsgegnerin durch das Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 22. Juni 2010 bekannt geworden war, dass für den Antragsteller 9 Punkte im VZR (6 Punkte für die am 16.5.2009 und 3 Punkte für die am 7.4.2010 begangene Verkehrszuwiderhandlung) eingetragen waren.

Nach dem Inhalt der Akte der Fahrerlaubnisbehörde ist dem Antragsteller die Verwarnung vom 21. September 2010 (Bl. 64 bis 69 der Behördenakte) gemäß Art. 3 BayVwZVG i.V.m. §§ 177 ff. ZPO mit Postzustellungsurkunde/PZU unter der Adresse „...str. ..., ...“ ordnungsgemäß zugestellt worden. Die PZU (Bl. 70 der Behördenakte) weist das Aktenzeichen der Verwarnung (...) sowie das Datum des Verwarnungsschreibens (21.9.2010) aus. In der PZU wurde durch die Zustellerin vermerkt, dass sie die Postsendung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt hat, da eine Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung nicht möglich gewesen war. Als Tag der Zustellung wurde der 23. September 2010 ausgewiesen. Die von der Zustellerin unterschriebene PZU enthält alle gemäß § 182 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben und hat damit die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO. Zwar ist der Gegenbeweis dafür, dass die in der Zustellungsurkunde beurkundeten Angaben inhaltlich unrichtig sind, gemäß § 418 Abs. 2 ZPO möglich. Ein schlichtes Bestreiten der Richtigkeit der beurkundeten Angaben reicht aber zur Führung des Gegenbeweises nicht aus (s. BVerwG, B.v. 19.3.2002 – 2 WDB 15/01 – juris). Vielmehr verlangt ein derartiger Beweisantritt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs (s. BVerfG, B.v.. 20.2.2002 – 2 BvR 2017/01NJW-RR 2002, 1008).

Einen solchen vollen Nachweis darüber, dass dem Antragsteller die Verwarnung vom 21. September 2010 nicht oder nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, hat die Antragstellerseite aber nicht einmal ansatzweise erbracht. Abgesehen von einem schlichten Bestreiten betreffend den Erhalt einer Verwarnung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG, verweist die Antragstellerseite lediglich auf die Anlage zum Anhörungsschreiben vom 11. Juni 2013, die eine tabellarische Auflistung über die Mitteilungen des VZR enthält. Die 5. Spalte dieser (von der Antragsgegnerin erstellten) Auflistung - „23.09.2010 / Stadt ... / 4PKTR: Punktereduzierung nach § 4 Abs. 5 StVG (Maßn. nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG wurde nicht ergriffen) / -2“ - stellt aber keinen Beweis dafür dar, dass eine Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG gegenüber dem Antragsteller nicht ausgesprochen wurde. Zum einen ergibt sich aus den Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14. Dezember 2010, 9. Mai 2012, 21. Juni 2012 und 14. Mai 2013 (bzw. aus den diesen Mitteilungen beigefügten Anlagen), dass die Verwarnung vom 21. September 2010 bereits im VZR eingetragen war bzw. ist (vgl. Bl. 76, 83, 97 und 110 der Behördenakte). Zum anderen ist aus der o.g. Auflistung „Mitteilungen des Verkehrszentralregisters Flensburg“ (Anlage zum Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. Juni 2013) unschwer erkennbar, dass die 5. Spalte, die die vorgenommene Punktereduzierung ausweist, lediglich eine missverständliche Formulierung zur Verwarnung beinhaltet. So wird in Bezug auf die Punktereduzierung das Datum „23.09.2010“ aufgeführt, also der Zeitpunkt, an dem die Verwarnung dem Antragsteller laut PZU zugestellt wurde. Die beiden davor aufgelisteten Zuwiderhandlungen vom 8. April 2010 und 3. August 2010 wurden also begangen, bevor die Maßnahme der Verwarnung ergriffen bzw. dem Antragsteller zugestellt wurde. Daher waren die eigentlich erreichten 15 Punkte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG (um 2 Punkte) auf 13 Punkte zu reduzieren. Die vom Antragsteller zitierte Formulierung „Maßn. nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG wurde nicht ergriffen“ soll demnach ausdrücken bzw. bezieht sich eindeutig darauf, dass die Maßnahme der Verwarnung - noch - nicht ergriffen worden war, als der Antragsteller die Verkehrszuwiderhandlungen vom 8. April 2010 und 3. August 2010 begangen hatte.

Sowohl die PZU über die am 23. September 2010 erfolgte Zustellung der Verwarnung an den Antragsteller als auch die Eintragung dieser Verwarnung im VZR belegen damit eindeutig, dass die Antragsgegnerin diese nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG erforderliche Maßnahme ergriffen hat.

bb) Die Antragsgegnerin hat auch ordnungsgemäß die Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG, nämlich die mit Bescheid vom 15. Mai 2012 verfügte Teilnahme an einem Aufbauseminar, ergriffen; dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Eine Punktereduzierung aufgrund der erfolgten Teilnahme an dem Aufbauseminar kommt nicht in Betracht, da der Antragsteller zum Zeitpunkt der Anordnung dieser Maßnahme bereits mehr als 14 Punkte, nämlich 16 Punkte, erreicht hatte (§ 4 Abs. 4 Satz 1 StVG). Eine zusätzliche verkehrspsychologische Beratung, die nach § 4 Abs. 4 Satz 2 StVG zu einem Punkteabzug führen kann, hat der Antragsteller (unstreitig) nicht in Anspruch genommen.

Beim Punktesystem des § 4 StVG handelt es sich um einen speziellen Fall der Fahrungeeignetheit aufgrund charakterlicher Mängel. Die Behörde muss jedoch im Fall charakterlicher Mängel aufgrund eines zu hohen Punktestandes nicht mehr prüfen, ob diese zur Fahrungeeignetheit führen oder nicht. Vielmehr gibt ihr der Gesetzgeber zwingend vor, dass von Fahrungeeignetheit auszugehen ist, wenn die 18-Punkte-Grenze erreicht ist (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, zweiter Halbsatz StVG). Bei Entscheidungen, die auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützt werden, findet damit keine Bewertung der sich aus dem Sachverhalt ergebenden und in der Person des Betroffenen bestehenden individuellen Besonderheiten im Hinblick auf seine Fahreignung statt (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2010 - 11 CS 09.2446 -, juris).

Dem Antragsteller ist hier auch, bevor es zur Fahrerlaubnisentziehung gekommen ist, nach Erreichen von 9 Punkten als Vorstufe die Verwarnung vom 21. September 2010 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG erteilt worden. Nach weiteren Verkehrsverstößen und dem Erreichen von 16 Punkten wurde er zur Teilnahme an einem Aufbauseminar (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG) verpflichtet (Bescheid vom 15. Mai 2012). Dadurch wurde dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt, durch eigene Bemühungen zum Abbau vorhandener Einstellungsmängel und ggf. auch zur Verringerung seiner Punktezahl beizutragen; er hätte - bis zum Überschreiten der jeweiligen Punkteschwellen - durch die freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar oder an einer verkehrspsychologischen Beratung einen Punkteabzug herbeiführen können. Erreicht der Betroffene - wie im vorliegenden Fall - trotzdem 18 oder mehr Punkte und damit zugleich den Endpunkt des Mehrfachtäter-Punktsystems und erweist sich damit als nicht empfänglich für alle Warnungen und Hilfsangebote, hält der Normgeber eine gesetzliche Ungeeignetheitsvermutung für gerechtfertigt, die - wie der Gesetzesbegründung ebenfalls zu entnehmen ist - grundsätzlich nicht widerleglich sein soll (BVerwG, U.v. 25.9.2008 - 3 C 21/07BVerwGE 132, 57 ff.).

3. Demnach erweist sich auch die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV) als rechtmäßig.

Nach alledem war der Antrag abzulehnen.

4. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II. Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 6./7. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte