LG Flensburg, Beschluss vom 19.06.2012 - 5 T 150/12
Fundstelle
openJur 2013, 43082
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 3.000,00 €.

Gründe

Der Betroffene wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 03.06.2012, durch den dieses auf Antrag der zuständigen Bundespolizeiinspektion (Blatt 1ff der Akte) die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland gegen ihn bis zum 02.08.2012 einschließlich sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet hat.

Der Betroffene wurde am 02.06.2012 gegen 09.35 Uhr in einem in den Niederlanden zugelassenen Pkw als Mitfahrer an der Anschlussstelle Schuby, BAB 7, Fahrtrichtung Norden von der Bundespolizei festgestellt. Bei der Durchsuchung seiner Person wurde ein gültiger afghanischer Reisepass aufgefunden. Er war nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels.

Eine durchgeführte EURODAC-Recherche verlief positiv. Der Betroffene ist danach seit dem 29.09.2011 in den Niederlanden als Asylbewerber gemeldet. Seit dem 19.02.2012 ist sein Asylbegehren abgelehnt.

Dem Betroffenen wurde der Haftantrag vor der amtsgerichtlichen Anhörung übersetzt und eröffnet. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der anstehenden Rückführung war eingeholt worden.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Hilfe eines Dolmetschers angehört. Er hat dabei - nachdem ihm der Haftantrag nochmals übersetzt worden war - angegeben, mit einer Niederländerin verheiratet zu sein. Er habe eine gültige Heiratsurkunde aus Afghanistan. Er habe nicht in Deutschland Asyl beantragen wollen. Sie hätten vielmehr nach Dänemark gewollt, um eine Hochzeit zu feiern. Er bitte darum, ihn freizulassen. Er würde mit seiner Frau in die Niederlande zurückkehren. Würde er in Haft genommen, würde er in den Niederlanden verhaftet und nach Afghanistan zurückgebracht werden. Er sei inzwischen zum Christentum übergetreten. Deshalb würde er in Afghanistan große Probleme bekommen.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zur Begründung ausgeführt, die auf Antrag der zuständigen Bundespolizeiinspektion angeordnete Haft beruhe auf § 62 Abs. 2 i.V.m. §§ 57, 71 Abs. 3 AufenthG. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Eine freiwillige Ausreise sei aufgrund fehlenden Visums bzw. Aufenthaltstitels nicht möglich. Vielmehr bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene im Bundesgebiet untertauche, um sich der Zurückschiebung zu entziehen. Die zeitliche Bemessung der Zurückschiebungshaft beruhe auf den Angaben der Bundespolizei über die Erfahrungen bzgl. der Dauer der Bearbeitungsmodalitäten und Übernahmevorbereitungen der niederländischen Behörden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss (Blatt 8f der Akte) Bezug genommen.

Die Übernahmezusage der niederländischen Behörden liegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg zwischenzeitlich vor. Die Buchung des Fluges wurde am 15.06.2012 beantragt. Die Zurückschiebung ist für die 26. Kalenderwoche avisiert.

Mit seiner Beschwerde vom 11.06.2012 macht der Betroffene geltend, zwar seien die Voraussetzungen der §§ 57, 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG dem Grunde nach erfüllt. Die Anordnung der Zurückschiebungshaft halte jedoch rechtlicher Nachprüfung deshalb nicht stand, weil die amtsgerichtliche Entscheidung keine ausreichende Ermessensausübung im Hinblick auf den Haftgrund erkennen lasse. Der Tatrichter habe entgegen seiner Verpflichtung nicht festgestellt, ob der Betroffene glaubhaft gemacht habe, dass er sich einer Abschiebung nicht entziehen wolle. Dieser sei hierzu nicht befragt worden.

Zu rügen sei ferner, dass dem Betroffenen vor dem Termin zur Anhörung vor dem Amtsgericht keine Abschrift des Antrages der Bundespolizei in Übersetzung ausgehändigt worden sei.

Jedenfalls inzwischen sei er unter dem Eindruck der bislang erlittenen Haft und nach Beratung durch die Sozialarbeiterin in der Abschiebehafteinrichtung zu der Überzeugung gelangt, dass er sich den deutschen Behörden für die vorhergesehene Zurückschiebungsmaßnahme in die Niederlande zur Verfügung halten müsse. Auf das weitere Beschwerdevorbringen (Blatt 14ff der Akte) wird verwiesen.

Die Bundespolizei hat zu der Beschwerde Stellung genommen (Blatt 28f der Akte).

Die Kammer hat den Betroffenen am 19.06.2012 persönlich angehört.

II.

Die Beschwerde des Betroffenen ist nach §§ 58, 63, 64 FamFG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz ist ein Ausländer in Sicherungshaft zu nehmen, wenn er aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Unerlaubt eingereist ist ein Ausländer, wenn er bei der Einreise in das Bundesgebiet einen nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt, § 14 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz. Die Voraussetzungen der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind erfüllt.

Nach den Feststellungen der Bundespolizei ist der Betroffene, nachdem er bereits in den Niederlanden einen Asylantrag gestellt hatte ohne Aufenthaltstitel - unerlaubt - eingereist und dementsprechend vollziehbar ausreisepflichtig.

Auch die formellen Antragsvoraussetzungen des § 417 FamFG sind erfüllt. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG ist erteilt worden. Dies ist dem Betroffenen auch mitgeteilt worden.

Eine Zuleitung des übersetzten Haftantrags an den Betroffenen vor Beginn der amtsgerichtlichen Anhörung war nicht erforderlich. Es handelt sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt. Dem Betroffenen war der Antragsinhalt zweimal - bei der Bundespolizei und vor dem Amtsgericht zu Beginn der Anhörung - übersetzt worden. Er war in der in der Lage, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen und seine Rechte wahrzunehmen. Ausweislich des Protokolls war dem Betroffenen bewusst, dass er die Niederlande nicht verlassen durfte, weil er dort abgelehnter Asylbewerber ist. Er hat - zwischen den Zeilen - angegeben, dort illegal zu leben, weil er befürchtet, nach Afghanistan zurück geschickt zu werden. Im Übrigen hätte die Zuleitung eines übersetzten Haftantrages dem Betroffenen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht, weil dieser - wie sich zwischenzeitlich herausgestellt hat - Analphabet ist.

Die Regelung in § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG steht der Freiheitsentziehung nicht entgegen. Der Betroffene hat gegenüber dem Amtsgericht Flensburg angegeben, nicht offiziell in die Niederlande zurückkehren zu wollen, weil er von dort nach Afghanistan zurückgebracht würde. Mit einer freiwilligen Ausreise des Betroffenen ist folglich gerade nicht zu rechnen.

Dies wird bestätigt durch das Ergebnis der Anhörung vor der Kammer. Der Betroffene hat angegeben, zwar in die Niederlande zurückkehren zu wollen, jedoch nicht offiziell. Es ist daher damit zu rechnen, dass er bereits in der Bundesrepublik untertauchen würde, um einer offiziellen Überstellung in die Niederlande mit den von ihm befürchteten Folgen zu entgehen.

Die Anordnung der Haft ist auch nicht nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG unzulässig. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zurückschiebung nicht wie beabsichtigt, innerhalb von weniger als drei Monaten durchgeführt werden kann. Vielmehr ist der Termin für die Zurückschiebung voraussichtlich für die 26. Kalenderwoche vorgesehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84 FamFG, 128 c KostO.

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 30 Abs. 2 KostO mit 3000 € festgesetzt.

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