OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.05.2013 - 1 Ws 134/13
Fundstelle
openJur 2013, 43075
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 6. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten desBeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 12. März 2008 wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Zugleich ordnete das Gericht die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dabei ging die durch den Sachverständigen L. beratene Kammer von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers aus, weil dieser „tatzeitbezogen“ an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, einer krankhaften seelischen Störung i. S. d. § 20 StGB (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 8 f.), gelitten habe. Schuldunfähigkeit nahm die Kammer nicht an, weil die Erkrankung bei Tatbegehung „nicht hochfloride“, sondern in einer „subakuten Phase“ gewesen sei (zur Abgrenzung: BGH, Beschluss vom 19.12.2012, 4 StR 417/12, juris, Rn. 27). Diese Bewertung stützte das erkennende Gericht auf den Umstand, dass der Angeklagte etwa 2 Wochen vor der Tat keine Stimmen mehr gehört, den Tatablauf eigenverantwortlich gestaltet und eine rationale Entscheidung hinsichtlich des Tatabbruchs getroffen habe (UA S. 7 f.). Die Kammer hielt die Voraussetzungen des § 63 StGB für gegeben, weil die schizophrene Psychose in Kombination mit prognostisch ungünstigen Begleitdiagnosen (Betäubungsmittelabhängigkeit und dissoziale Persönlichkeitsstörung) die Gefahr schwerwiegender, der Anlasstat vergleichbarer Straftaten rechtfertige. Die Maßregel wird seit Rechtskraft des genannten Urteils, die am 20. März 2008 eingetreten ist, vollzogen (VH I Bl. 30).

Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Gründe (VH II Bl. 237 ff.) verwiesen wird, hat die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Untergebrachten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß §§ 463 Abs. 3, Abs. 6, 454 Abs. 3 S. 1, 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) erhoben worden. Sie hat zumindest einen vorläufigen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur fortgesetzt werden darf, wenn der bei der Anlassverurteilung festgestellte Defektzustand - hier die Schizophrenie - fortbesteht und dieser Zustand ursächlich für die Gefährlichkeit des Untergebrachten ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.11.2004, 1 Ws 569/04, juris, Rissing-van Saan/Peglau in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 67 d Rn. 50; Jehle in SSW StGB, § 67 d Rn. 22 m. w. N.). Dieser Fragestellung ist die Kammer nicht nachgegangen. Die Ausführungen im angefochtenen Beschluss beschränken sich vielmehr auf die Mitteilung der von der Maßregelvollzugseinrichtung in der Stellungnahme vom 20. November 2012 angegebenen Diagnosen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Fortbestehen des Defektzustands und der hieraus resultierenden Gefährlichkeit war hier geboten. Denn der externe Sachverständige Dr. Engelhardt hat in seinem schriftlichen Gutachten schon die Diagnose der Schizophrenie erkennbar vermieden. Jedenfalls hat er die psychotischen Symptome des Untergebrachten nicht auf eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, sondern auf dessen Drogenkonsum zurückgeführt (GA S. 23 f.) und sogar eine Fehleinweisung angenommen, indem er ausführt, dass der Untergebrachte bei Tatbegehung nach seiner Annahme nicht unter dem Einfluss der Schizophrenie gestanden habe (GA S. 27).

Das Unterlassen zwingt zur Zurückweisung, weil der Senat den Verfahrensfehler nicht beheben kann (vgl. OLG Bremen, NStZ 2010, 106 107; Meyer-Goßner, StPO, 55.Aufl., § 309 Rn. 8 m. w. N.). Die Kammer wird sowohl durch eine ergänzende Anhörung des externen Sachverständigen Dr. Engelhardt, dessen Auftrag bisher nicht an §§ 63, 67 d Abs. 2 und Abs. 6 StGB orientiert ist (vgl. VH I 189 f.), als auch durch Einholung einer substantiierten Stellungnahme der behandelnden Ärzte klären müssen, ob der Untergebrachte überhaupt - noch? -an Schizophrenie leidet und ob wegen dieses Defektzustandes mit erheblichen Straftaten (auch dies ist näher zu begründen) zu rechnen ist. Wegen der aufgezeigten Schwierigkeiten sowohl im Diagnose - als auch im Prognosebereich erscheint im konkreten Fall eine Anhörung durch einen beauftragten Richter nicht ausreichend (vgl. hierzu: Appl in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 454 Rn. 16).

III.

Die Entscheidung über die Kosten der Beschwerde war dem Landgericht vorzubehalten, da derzeit der endgültige Erfolg des Rechtsmittels noch nicht abzusehen ist.