AG Borken, Urteil vom 10.10.2013 - 14 C 6/13
Fundstelle
openJur 2013, 42948
  • Rkr:
Tenor

Das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 wird in Höhe von 3.850,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2012 sowie weitere 446,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2012 aufrecht erhalten. Im Übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Vorfall der sich am 16.07.2012 gegen 10:30 Uhr auf der Autobahn A xx zwischen der Auffahrt fahren und der Abfahrt H ereignet hat geltend.

Der Geschäftsführer der Klägerin fuhr mit einem im Eigentum der Klägerin stehenden PKW auf der linken Spur der Autobahn an einem Gespann der Beklagten vorüber. Ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Gutachten bezifferte die Reparaturkosten mit 3322,35 EUR (netto). Mit Schreiben vom 19.09.2012 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 4822,40 EUR bis zum 28.09.2012 auf. Mit Schreiben vom 31.10.2012 forderte der jetzige Prozessvertreter der Klägerin die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung bis zum 14.11.2012 zur Zahlung auf.

Die Klägerin behauptet, durch einen Ladungsversuch des Lkw der Beklagten, sei es zu Beschädigungen an der Front ihres Kfz gekommen. Für die Beseitigung der Beschädigungen fielen Kosten i.H.v. 3322,35 EUR an. Im Übrigen seien Sachverständigenkosten i.H.v. 396,71 EUR angefallen. Sie ist der Auffassung das im Übrigen einen Ersatzanspruch i.H.v. 150,00 EUR wegen eines merkantilen Minderwertes am Fahrzeug sowie 106,80 EUR Verbringungskosten und 195,00 EUR für einen dreitägigen Nutzungsausfall sowie eine allgemeine Kostenpauschale i.H.v. 25,00 EUR bestünden. Es sei mithin von der Beklagten ein Schaden von insgesamt 4195,86 EUR zu ersetzen.

Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4195,86 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.11.2012 sowie 446,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.

Auf diesen Antrag ist im schriftlichen Vorverfahren am 06.02.2013 ein entsprechendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil, welches der Beklagten am 09.02.2013 zugestellt worden ist, hat dieser mit einem am 14.02.2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass hinsichtlich der Hauptforderung nur Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz geltend gemacht werden.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass nicht zweifelsfrei feststehe, dass die Klägerseite angeführten Schäden am Kfz auf dem behaupteten Unfallereignis beruhen. Vielmehr bestünden aus technischer Sicht erhebliche Bedenken, dass der klägerseits angeführte Schadensablauf zu den von ihr behaupteten Schäden geführt haben kann. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist sie der Auffassung, dass ein merkantiler Minderwert mangels Beschädigung tragender Fahrzeugteile unter Berücksichtigung des erheblichen Alters des klägerischen Fahrzeugs nicht geltend gemacht werden könne und die Voraussetzungen für einen Nutzungsausfall nicht bewiesen seien.

Wegen des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 02.05.2013 (Bl. 110 der Akte) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf die Feststellungen des J in seinem Gutachten vom 22.08.2013 (Bl. 115 ff. der Akte) wird verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Aufgrund des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch ist zulässig, erst statthaft sowie Form und fristgemäß im Sinne der §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.

In der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB ein Anspruch in Höhe von 3850,86 EUR zu. Der im Eigentum der Klägerin stehende PKW der Marke E mit dem amtlichen Kennzeichen xxx wurde bei der Vorbeifahrt an dem im Eigentum der Beklagten stehenden LKW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx nebst Anhängern durch herunter wehende Ladung beschädigt.

Dies steht auf Grund der Feststellungen des Sachverständigen J zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige führte unter Verwendung von übersandten Proben der Ladung zum maßgeblichen Zeitpunkt in einem Luftkanal einen praktischen Versuch durch. Hierbei stellte er fest, dass das Ladungsgut bereits bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h von der Ladefläche fortgeblasen werden kann und nachfolgende oder überholende Fahrzeuge beschädigen kann. Die Beschädigungen am Stoßfänger, dem Pralldämpfer, im übrigen Frontbereich, der Motorhaube, der Frontscheibe, dem Kotflügel und dem Dach des klägerischen Fahrzeugs beruhen auf einem Ladungsverlust des Fahrzeugs der Beklagten. Die Einschlagspuren stimmen mit den Abmessungen der transportieren Ladung überein. Der Sachverständige hat hierzu die verschiedenen Beschädigungen mit den verschieden großen Ladungsteilen abgeglichen und Übereinstimmungen festgestellt.

Den Ausführungen des Sachverständigen schenkt das Gericht in vollem Umfang Glauben, weil seine Darstellungen plausibel und nachvollziehbar sind. Er hat konkrete Versuche durchgeführt und die gefundenen Ergebnisse verständlich dokumentiert und erklärt.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Die Beschädigung beruht nicht auf höherer Gewalt. Der Ladungsversuch stellt noch keinen für die Beklagte unabwendbares Ereignis dar, sondern hätte durch Sicherungsmaßnahmen, wie beispielsweise das anbringen einer Deckplane, bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt verhindert werden können.

Durch die Beschädigung ist der Klägerin ein zu ersetzender Schaden in Höhe von insgesamt 3850,86 EUR entstanden. Für die Beseitigung der entstandenen Schäden ist ausweislich des vorliegenden Sachverständigengutachtens ein Betrag i.H.v. 3322,35 EUR netto ortsüblich und angemessen. Vorschäden sind vorliegend nicht schadensmindernd zu berücksichtigen. Das klägerische Fahrzeug wies ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen lediglich in geringfügigem Umfang Steinschläge an lackierten Teilen auf. Diese führten nicht zu einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes. Auf Grund dieser Beschädigung wäre eine Neulackierung des Fahrzeugs nicht erforderlich gewesen. Die insoweit bestehenden Vorschäden hätten durch Poliermaßnahmen beseitigt werden können.

Die Klägerin hat gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB auch einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich für die Einholung eines Privatgutachtens angefallenen Kosten in Höhe von 396,71 EUR. Die Kosten waren zur Feststellung des Schadens und zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und sind daher ebenfalls zu ersetzen. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Ersatz der Verbringungskosten i.H.v. 106,80 EUR netto. Verbringungskosten können auch bei fiktiver Abrechnung ersetzt verlangt werden, wenn sie bei Durchführung einer sach- und fachgerechten Reparatur angefallen werden. In diesem Zusammenhang ist gerichtsbekannt, dass Werkstätten in der Umgebung nicht über eigene Lackierereien verfügen und insoweit bei einer Reparatur Verbringungskosten in entsprechender Höhe angefallen wären. Für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches steht der Klägerin auch eine Kostenpauschale i.H.v. 25,00 EUR zu.

Da die durchzuführenden Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden nicht zu einer Wertsteigerung am Fahrzeug der Klägerin führen, kommt ein Abzug "neu für alt" vorliegend nicht in Betracht.

Ein Anspruch auf Ersatz eines merkantilen Minderwertes des Fahrzeugs steht der Klägerin hingegen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein einen zu ersetzenden Vermögensschaden darstellender merkantiler Minderwert liegt vor, wenn ein Fahrzeug auch nach einer technisch einwandfrei durchgeführten Reparatur objektiv weniger Wert ist. In der Regel entfällt ein entsprechender Anspruch bei Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind oder bereits eine Laufleistung von über 100000 km aufweisen. Dies ist vorliegend der Fall. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Unfalls bereits über sechs Jahre alt und wies eine Laufleistung von über 120.000 km auf. Besondere Umstände, die trotz des Alters und der Fahrleistung zu einem merkantilen Minderwert führen, bestehen vorliegend nicht. Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug der Klägerin insgesamt einen gepflegten Zustand aufweist, reicht insoweit keine andere Bewertung aus.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Ersatz einer Nutzungsausfallentschädigung für drei Tage zu je 65,00 EUR zu. Bei der fiktiven Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches ist der Nutzungsausfallschaden konkret nachzuweisen. Dies ist vorliegend nicht erfolgt.

Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sind gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB von der Beklagten zu erstatten. Auf Grund der Mahnung vom 19.09.2012 befand sich die Beklagte bei Beauftragung des jetzigen Prozessvertreters in Verzug.

Die Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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