LG München I, Urteil vom 27.03.2013 - 9 O 13543/12
Fundstelle
openJur 2013, 42930
  • Rkr:

1. Durch eine Klinik-Card-Vereinbarung begibt sich die Versicherung nicht des Rechts, die dem Patienten zustehenden Einwendungen gegen die Kostenforderung ebenfalls geltend zu machen: Es handelt sich um keine Garantievereinbarung.2. Lässt die Versicherung die Forderung gegen die Krankenkasse verjähren und ist die Forderung gegen den Patienten nicht zugleich verjährt, so kann dies nach § 280 BGB einen Anspruch auf Freistellung der Kostenforderung begründen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110%.des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufigvollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Honorarforderung der Klägerin als Trägerin des Klinikums M nach einer ärztlichen Heilbehandlung an der Beklagten zu 2, die Beklagte zu 1 ist die private Krankenversicherung der Beklagten zu 2.

Die Beklagte zu 2 befand sich vom 03.08.2007 bis zum 12.09.2007 im Haus der Klägerin zur stationären Behandlung. Dafür stellte die Klägerin der Beklagten zu 1 den Betrag von 28.882,03 Euro in Rechnung.

Mit Schreiben vom 08.11.2007 forderte die Beklagte zu 1 von der Klägerin unter Vorlage. einer Schweigepflichtsentbindung weitere Unterlagen zur Rechnungsprüfung an. Diese wurden am 22.11.2007 .übersandt. Die Beklagte zu 1 wies- daraufhin einen Betrag von 12.990,75 Euro an. Dies begründete sie damit, dass vorliegend nur die DRG G17Z und nicht die DRG G35Z abzurechnen gewesen wäre. Der angesetzte OPS-Code 8-190.12 "Spezielle Verbandstechniken..." sei nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte zu 1 lehnte mit Schreiben vom 05.12.2007, eingegangen bei der Klägerin am 07.12.2007 die Zahlung des Differenzbetrages endgültig ab.

Die Klägerin begehrte mit anwaltlichem Mahnschreiben vom 23.11.2010 die Zahlung des Differenzbetrages.

Die Beklagte zu 1 erhob mit Schreiben vom 22.12.2010 die Einrede der Verjährung unter Berufung auf § 12 VVG in der damals geltenden Fassung.

Die Klägerin hat unter dem 29.12.2010 einen Mahnbescheid gegen die Beklagte zu 2 beantragt, der am 30.12.2010 erlassen wurde und der Beklagten zu 2 am 05.01.2011 zugestellt wurde. Der gegen die Beklagte zu 1 beantragte Mahnbescheid wurde am 14.12.2010 erlassen und am 17.12.2010 zugestellt.

Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung des Differenzbetrages. Weiterhin macht sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 899,40 Euro geltend.

Sie meint,

die Rechnung sei zutreffend gestellt worden.

Die Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Zwar bestehe zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 ein sogenannter Klinik-Card-Vertrag, nach dem die Leistungen der Klägerin direkt mit der Beklagten zu 1 abgerechnet werden könnten. Die Rechtsnatur dieses Vertrages sei indes umstritten. Richtigerweise müsse man davon ausgehen, dass in diesem Vertrag eine über die Abtretung hinausgehende Garantie liege. Der Vertrag verwende dieses Wort mehrfach. Die Leistungspflicht der Beklagten zu 1 bestehe damit ungeachtet des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. Anderenfalls erreiche man auch ein unbilliges Ergebnis: So sei der Patient anderenfalls ein weiteres Jahr zur Leistung verpflichtet, obwohl dieser gerade aus dem Rechtsstreit herausgehalten werden solle.

Es verstoße darüber hinaus gegen Treu und Glauben, die Durchsetzung der Forderung formal an der Verjährung scheitern zu lassen. Die kurze Verjährungsfrist solle den Budgetplanungsinteressen der Krankenkasse gerecht werden, nicht jedoch das typischerweise von Abrechnungsstreitigkeiten bestimmte Verhält nis zwischen Leistungserbringer und Leistungsnehmer beeinflussen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 15.891,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.12.2010 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin Nebenkosten in Höhe von 899,40 Euro zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen dazu,

die Forderung sei jedenfalls verjährt. Die Forderung. verjähre gern. § 12 VVG a. F. innerhalb von zwei Jahren. Aufgrund des Klinikcard-Vertrages komme es zu einer Abtretung des Ersatzanspruches Patientin-Krankenkasse an die Klägerin, so dass insoweit auch die Verjährungsregeln des VVG Anwendung fänden.

Die Beklagte zu 1 meint,

die Regelungen des VVG seien infolge der Abtretung auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2 wirksam, so dass die Forderung verjährt sei.

Die Entscheidungen des LG München I,9 0 8696/06, vom 19.12.2007 und des OLG München, 25 U 4903/04, vom 18.10.2005 seien zutreffend.

Es sei in der Sache auch nicht überzeugend; von einer über die Abtretung hinausgehenden Garantie auszugehen. Hier fehle es an dem für die Garantie entscheidenden unbedingten Einstandswillen.

Die Beklagte zu 2 meint,

die Verjährungsfrist habe mit dem Ablauf des Jahres 2007 zu laufen begonnen. Gegenüber der Beklagten zu I sei daher mit Ablauf des Jahres 2009 die Verjährung eingetreten. Der Mahnbescheid aus 2010 könne daher gegenüber der Beklagten zu 2 kein Anspruch mehr durchgesetzt werden.

Dadurch, dass die Klägerin den Anspruch gegen die Beklagte zu 2 habe verjähren lassen, habe sie sich gegenüber der Beklagten zu 1 schadensersatzpflichtig gemacht. Entsprechend könne sie nun von der Klägerin die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen.

Im Übrigen habe die Beklagte zu 1 zu Recht nur eine Teilleistung erbracht.

Entsprechend seien auch die Kosten für die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Der Anspruch gegen die Beklagte zu 1 ist verjährt.

a.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 besteht ein sogenannter Klinikcard-Vertrag. Dieser enthält eine Abtretungserklärung, aber kein gesondertes Garantieversprechen.

Die Kammer nimmt insoweit auf die ausführliche Argumentation des OLG München im Urteil vom 18.10.2_005, 25 U 4903/04, und des LG München I vom 15.11.2007, 9 0 8696/06, Bezug.

Insbesondere folgt die Kammer der Klägerin nicht darin, eine Garantievereinbarung anzunehmen. Zwar mag der. Klinikcard-Vertrag vereinzelt das Wort „Garantie“ enthalten, jedoch fehlt es auch nach Darlegung der Klägerin an einem aus dem Vertrag abzuleitenden unbedingten Willen der Beklagten zu 1 für die Forderungen der Klägerin gegenüber der Patientin unbedingt, also ungeachtet etwaiger Einwendungen der Patientin, einzustehen.. Vielmehr sieht der Vertrag unter Ziffer 1 ausdrücklich vor, dass die Bezahlung medizinisch notwendiger (sic!) Behandlungen „garantiert“ wird.

Ein weiteres, pauschales Einstehen wäre auch geradezu abwegig. Denn wieso sollte die Versicherung, die ihrerseits gegenüber den Versicherungsnehmern, also auch gegenüber der Patientin, über die Verwendung der Beiträge rechenschaftspflichtig ist, sich jeglicher Einwendungen der Patientin begeben.

Entsprechend kommen die Regelungen des VVG, insbesondere die §§ 6, 11 VVG in der damals geltenden Fassung zur Anwendung, so dass die Forderung verjährt ist. Die Verjährung begann mit Ablauf des Jahres 2007 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB), sodass nach Ablauf des Jahres 2009 (Ablauf von zwei Jahren § 6 VVG a. F., § 188 Abs. 2 BGB) die Einrede der Verjährung mit Erfolg erhoben werden konnte.

b.

Die Berufung auf die Verjährung ist auch nicht treuwidrig, da die von der Klägerin und der Beklagten zu 1 getroffene Klinikcard-Vereinbarung der Klägerin den Vorteil eines liquiden Gegenübers bietet. Zugleich rückt sie - das ist nur billig, um auch die ebenso schützenswerten Rechte der Patientin zu wahren - in die Regelungen des VVG ein. Die treuwidriges Ungleichgewicht der jeweiligen Rechtspositionen sieht die Kammer nicht.

2.

Die Forderung gegen die Beklagte zu 2 besteht entweder von vornherein nicht oder sie ist jedenfalls erloschen.

a.

Ergäbe ein Sachverständigengutachten, dass die Forderung in Höhe des Differenzbetrages nicht besteht, so kann die Klägerin die Zahlung ohnehin nicht verlangen.

b.

Ergäbe das Gutachten, dass die Forderung besteht, so wäre sie durch die erklärte Aufrechnung - die Klageerwiderung ist als solche auszulegen - mit einem Freistellungsanspruch erloschen.

Die Beklagte zu 2 kann der Klageforderung nämlich einen. Freistellungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB entgegenhalten.

Die Klägerin traf aus dem Behandlungsverhältnis mit der Beklagten zu 2 sowie der getroffenen Abtretungsvereinbarung die Pflicht, die Forderung mit einer Sorgfalt durchzusetzen, die auch den schutzwürdigen Interessen der weiteren Gläubigerin - nämlich der Patientin gerecht wird. Insbesondere hätte die Beklagte zu 2 bei einer unmittelbaren Inanspruchnahme durch die Klägerin die Möglichkeit gehabt, die Forderung ihrerseits gegenüber der Beklagten zu 1 geltend zu machen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.

Diese Pflicht hat die Beklagte durch die verspätete Geltendmachung gegenüber der Beklagten zu 1 verletzt.

Damit kann die Beklagte zu 2 eine etwaig berechtigte Forderung der Klägerin nicht mehr gegenüber der Beklagten zu 1 geltend machen, so dass sie Freistellung von der Forderung verlangen kann.

II.

Der Kostenausspruch resultiert aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.