LAG Köln, Urteil vom 31.07.1998 - 11 Sa 1484/97
Fundstelle
openJur 2013, 42681
  • Rkr:

Kein Leitsatz

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 29.05.1998 bleibt aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: unverändert.

Gründe

(abgekürzt gem. § 543 Abs. l ZPO)

Die Parteien streiten um restliche Entgeltansprüche des Klägers aus einem Arbeitsverhältnis, das von Juni bis 15. November 1996 bestanden hat. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis auf der Basis von 1.500,-- DM brutto monatlich abgerechnet, was nach ihrer Behauptung den Vergütungsvereinbarungen der Parteien entsprach. Der Kläger behauptet, die Parteien hätten eine monatliche Vergütung von 2.200,-- DM netto vereinbart, was die Beklagte dem Kläger unter dem 12. 07. 1996 bescheinigt hat und unstreitig einem monatlichen Bruttoverdienst von 6.312,40 DM entspricht. Die Differenz - nämlich

26.384,01 DM - bildet den Gegenstand der Klage. Außer

der Bescheinigung vom 12. 07. 1996 existieren keine

schriftlichen Aufzeichnungen über die Entgeltvereinbarung der Parteien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter und weist darauf hin, daß er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die erste Abrechnung mit Schreiben vom 24. 01. 1997 und während des Arbeitsverhältnisses nur zwei Abschlagszahlungen erhalten hat. Erst durch die Abrechnung sei für ihn erkennbar gewesen, daß die Beklagte eine MonatsVergütung von 1.500,-- DM brutto zugrunde lege. Nach Vertragsabschluß habe er Zeugen über die Vereinbarung von 2.200,-- DM netto berichtet. Sofern in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme von einer Gehaltsforderung der Arbeitnehmer in Höhe von 4.000,-- DM monatlich die Rede gewesen sei, handele es sich nicht um eine von ihm erhobene Forderung, sondern

um die seiner Kollegen, die er seinerzeit lediglich unterstützt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.384,01 DM brutto nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (10. 04. 1997) zu zahlen.

Nach diesem Antrag ist im Termin vom 29. 05. 1998, in dem die Beklagte zwar erschienen aber nicht verhandelt hat, Versäumnisurteil ergangen, gegen das sie rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Nunmehr beantragt der Kläger,

den Einspruch der Beklagten vom 08. 06. 1998 zurückzuweisen und das Versäumnisurteil zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung unter Aufhebung des Versäumnisurteils und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

E N T S C H E I DUNGSGRÜNDE

Gem. §§ 542 Abs.3, 343 S.l ZPO war das Versäumnisurteil vom 29. 05. 1998 aufrechtzuerhalten. Denn die aufgrund des Einspruchs zu treffende vorliegende Entscheidung stimmt mit ihm überein: Der Klage war unter Abänderung des angefochtenen Urteils (§ 536 ZPO) stattzugeben; sie ist begründet:

Der Kläger fordert die streitige Vergütungsdifferenz zu Recht, weil die Entscheidung davon ausgehen muß, daß die Parteien eine monatliche Vergütung von 2.200,-- DM netto vereinbart haben und der dazugehörige Brutto-Betrag unstreitig ist. Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 444, 427 ZPO: Ihnen ist der Rechtsgedanke zu entnehmen, daß ein Beweis als geführt angesehen werden kann, wenn der Gegner des Beweisführers ein Beweismittel - und sei es auch nur fahrlässig - beseitigt (Zöller/ Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 286 Rn. 14):

Die Beklagte ist so zu behandeln, als habe sie eine Beweisurkunde, aus der sich die Vergütungsvereinbarung der Parteien ergab, zumindest fahrlässig beseitigt. Denn sie hat sie entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung gar nicht erst erstellt. Nach dem Nachweisgesetz vom 20. 07. 1995 hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen, darunter auch die Höhe des Arbeitsentgelts, schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen (§ 2 Abs.l Satz l und Satz 2 Nr. 6 NachwG). Dies hat die Beklagte unstreitig unterlassen. Das Unterlassen war fahrlässig, weil sie als Arbeitgeberin im Juni 1996 das bereits seit

einem Jahr geltende Gesetz kennen mußte (§ 276 Abs.l Satz 2 BGB). Damit ist unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung wenn schon nicht eine Beweislastumkehr, so doch jedenfalls eine erhebliche Erleichterung der Beweisführungslast verbunden (Preis in NZA 1997, 10 ff, 13 unter IV 4 g; Birk in NZA 1996, 289, 289 unter III 4 a.E.). Nach den danach zuzubilligenden Erleichterungen für die Beweisführung ist der Beweis als vom Kläger geführt anzusehen:

Das folgt allein schon aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 12. 07. 1996 (Bl. 5), in der die Beklagte bestätigt, daß dem Kläger "monatlich mind. ein Nettogehalt von DM 2.200,- gezahlt wird."

Verstärkend kommt zweitinstanzlich als Indiz hinzu, daß der Kläger nach Vertragsabschluß Zeugen von den 2.200,--DM netto als Gehaltsvereinbarung berichtet hat: Diesem Vortrag des Klägers hat die Beklagte nicht widersprochen (§ 138 Abs.3 ZPO).

Hinzukommt weiterhin als Indiz die Tatsache, daß ein monatliches Entgelt von 1.500,-- DM brutto, die nach Abrechnung der Beklagten einem Auszahlungsbetrag von 776,80 DM entsprechen, sich auch mit Rücksicht auf das GründungsStadium der Beklagten zumindest in der Nähe des Lohnwuchers bewegt, zumal wenn man die "leitende Position" berücksichtigt, die der Kläger nach Bestätigung der Beklagten im Unternehmen eingenommen haben soll.

Ein weiteres Indiz ist die unstreitige Abschlagszahlung von 2.000,-- DM netto am 12. 08. 1996, die vor dem Hintergrund des Beklagtenvortrags eine nicht weiter erklärte Überzahlung herbeigeführt hätte: Da zu diesem Zeit-

punkt erst zwei Gehälter fällig waren, hätten dem Kläger nur (2 x 776,80 DM =) 1.553,60 DM zugestanden.

Gegenüber dieser Beweislage stand der Beklagten der Gegenbeweis oder zumindest die Möglichkeit offen, die Indizien zu erschüttern. Dabei war sie jedoch nicht erfolgreich:

Das mehrmonatige Zuwarten des Klägers ist ohne Aussagekraft, da er nach zumindest zweitinstanzlich unstreitigem Vortrag eine Gehaltsabrechnung erstmals nach seinem Ausscheiden gesehen hat und sich die Beklagte zunächst noch in der Gründungsphase befand.

Ebensowenig ist die Beteiligung des Klägers an einem gemeinsamen Vorstoß der Mitarbeiter zur Festschreibung eines Gehalts von 4.000,-- DM aussagekräftig: Abgesehen davon, daß es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten zur Begründung der Annahme fehlt, der Kläger habe auch für die eigene Person gehandelt, ist ein solches Vorgehen auch vor dem Hintergrund einer ursprünglich günstigeren Vereinbarung denkbar: als Versuch nämlich, diese wenigstens teilweise zu realisieren, nachdem ausreichende Zahlungen offensichtlich ausblieben.

Die Behauptung schließlich, die Bescheinigung vom 12. 07.-1996 sei inhaltlich unrichtig und habe nur der Erlangung des vom Kläger erstrebten Kredits gedient, ist ohne Beweis geblieben und zudem wenig wahrscheinlich, weil die Beklagte damit nichts weniger als ihre Beteiligung an einem Betrug behauptet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 344, 91 ZPO, § 46 Abs.2 ArbGG. Der Streitwert ist unverändert geblieben.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.