BFH, Urteil vom 08.08.2013 - V R 7/13
Fundstelle
openJur 2013, 41767
  • Rkr:
Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beschäftigte in den Streitjahren 2003 und 2004 in seinem Betrieb Erntehelfer, denen er gegen Abzug vom Arbeitslohn Unterkunft zur Verfügung stellte.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger mit der Gewährung von Unterkunft umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ am 31. März 2008 Änderungsbescheide für beide Streitjahre. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg.

Für die Klageabweisung führte das FG an, dass die Leistungen des Klägers nicht nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a und Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei seien. Es liege eine kurzfristige, nicht aber eine auf Dauer angelegte Überlassung von Räumen vor. Die Überlassung an die Erntehelfer habe nicht für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erfolgen sollen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Die Abgrenzung zwischen steuerfreier und steuerpflichtiger Nutzungsüberlassung nach einer zeitlichen Grenze von sechs Monaten widerspreche dem Unionsrecht, nach dem es nicht auf die Dauer, sondern darauf ankomme, dass Unterkunft in vergleichbaren Sektoren wie dem Hotelgewerbe gewährt werde. An dieser Vergleichbarkeit fehle es. Zudem sei die Vermietung an das eigene Personal stets und damit ungeachtet der Mietdauer steuerfrei.

Der Kläger beantragt,die Vermietungsumsätze als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 UStG einzuordnen.

Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Für die Abgrenzung zwischen Steuerfreiheit und Steuerpflicht einer Nutzungsüberlassung sei die beabsichtigte Dauer der Überlassung maßgeblich.

Gründe

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wie das FG zu Recht entschieden hat, sind die Leistungen des Klägers bei der Überlassung von Unterkunft an die Erntehelfer steuerbar und steuerpflichtig.

1. Die Leistungen des Klägers an die Erntehelfer sind steuerbar.

Der Kläger hat durch die Gewährung von Unterkunft gegen Lohneinbehalt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG entgeltliche Leistungen an die Erntehelfer erbracht. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Leistungsaustausch ergibt sich daraus, dass der Lohneinbehalt zu Lasten des Erntehelfers wie eine Zahlung durch diesen wirkt.

Bestätigt wird dies durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 29. Juli 2010, C-40/09, Astra Zeneca UK (Slg. 2010, I-7505 Rdnr. 30). Danach erbringt der Arbeitgeber eine Sachleistung gegen Entgelt an seine Arbeitnehmer, wenn diese anstatt ihre gesamte Vergütung in bar zu erhalten, auf einen Teil dieser Vergütung im Austausch gegen die Sachleistung verzichten müssen.

2. Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG "die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen". Dies beruhte in den Streitjahren unionsrechtlich auf Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach die "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" steuerfrei war.

Eine Vermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG liegt aufgrund richtlinienkonformer Auslegung vor, wenn der Vermieter dem Mieter das Recht einräumt, einen Gegenstand auf bestimmte Zeit gegen Vergütung so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2011 V R 50/10, BFH/NV 2011, 1407, und vom 8. November 2012 V R 15/12, BFHE 239, 509, BStBl II 2013, 455, unter II.1.a).

3. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Kläger im Streitfall den Erntehelfern jeweils das für eine Vermietung charakteristische Besitzrecht eingeräumt hat. Denn selbst wenn von einer nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien Vermietung auszugehen wäre, sind die Leistungen des Klägers zumindest nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig.

a) Nicht steuerfrei ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG u.a. "die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält". Diese Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sind insbesondere die "Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern" von der Steuerfreiheit für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ausgeschlossen.

§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG unterscheidet sich vom Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nur durch die an den Mietgegenstand zu stellenden Anforderungen, bei dem es sich um zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltene Wohn- und Schlafräume handeln muss. Besteuerungssystematisch ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG daher ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Dementsprechend ist z.B. die auf Dauer angelegte Vermietung möblierter Wohn- und Schlafräume nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei, da dann im Hinblick auf das Zeitelement die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht vorliegen (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 21/08, BFH/NV 2010, 473, unter II.1.b). Dies entspricht der EuGH-Rechtsprechung. Nach dem EuGH-Urteil vom 12. Februar 1998 C-346/95, Elisabeth Blasi (Slg. 1998, I-481) ist die Dauer der Beherbergung --bei der Überlassung "vollständig möblierter und mit Kochgelegenheiten ausgestatteter Zimmer", bei der der Vermieter "für die Gestellung und Reinigung der Bettwäsche sowie für die Reinigung der Flure, Treppenhäuser, Bäder und WCs" zu sorgen hat-- ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe (als steuerpflichtigem Umsatz) einerseits und der Vermietung von Wohnräumen (als befreitem Umsatz) andererseits, da sich die Beherbergung im Hotel u.a. gerade bezüglich der Verweildauer von der Vermietung eines Wohnraumes unterscheidet. Daher ist eine langfristige Vermietung von Räumlichkeiten trotz der zusätzlichen Überlassung von Einrichtungsgegenständen und der Erbringung von Reinigungsleistungen bei einer Laufzeit von mindestens sechs Monaten als Vermietung in vollem Umfang steuerfrei.

b) Im Streitfall waren die Leistungen des Klägers nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig. Entgegen seiner Auffassung kommt es für die Steuerpflicht nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auf die (beabsichtigte) Dauer der Nutzungsüberlassung zur Beherbergung, nicht aber auf andere Voraussetzungen an. Der Kläger kann sich hiergegen auch nicht auf das Unionsrecht berufen, da die Dauer der Beherbergung nach dem EuGH-Urteil Elisabeth Blasi in Slg. 1998, I-481 ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der steuerpflichtigen Gewährung von Unterkunft zur steuerfreien Vermietung ist.

Im Übrigen ist nicht nach der Person des Leistungsempfängers zu differenzieren, so dass auch die Vermietung an das eigene Personal unter den allgemeinen Voraussetzungen von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig ist. Auch beim eigenen Personal handelt es sich insoweit nach der Rechtsprechung des BFH um "Fremde", da dieser Begriff nur der Abgrenzung von Logierbesuchen von Verwandten und Freunden dient (vgl. BFH-Urteil vom 6. August 1998 V R 26/98, BFH/NV 1999, 84, unter II.3.).