FG Münster, Urteil vom 01.07.2013 - 2 K 1062/12 E
Fundstelle
openJur 2013, 41415
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob im Streitjahr 2010 Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.

Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Sie haben zwei Kinder. Die Kläger erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger ist Eigentümer des Zweifamilienhauses I-Str. 1 in C-Stadt. Eine der beiden Wohnungen wird von den Klägern selbst genutzt; die andere ist seit September 2010 vermietet.

Die Eltern des Klägers (Erblasser) übertrugen ihm das in 1901 erbaute Zweifamilienhaus mit notariellem Vertrag vom 17.01.1991 (URNr. xx/1 des Notars L.). Das Grundstück war mit einer Grundschuld i.H.v. 85.000 DM belastet. Als Gegenleistung für die Übertragung räumte der Kläger seinen Eltern ein Wohnrecht (Jahreswert 6.429,60 DM) an der Wohnung im Obergeschoss ein, er verpflichtete sich, sie zu versorgen und die Kosten der Beerdigung und der Instandhaltung der Grabstätte zu übernehmen, soweit nicht Kostenerstattungen erfolgen über Sterbeversicherungen und dergleichen. Außerdem sollte er den Erblassern nach der Übergabe einen Betrag i.H.v. 20.000 DM zahlen. In diesem Vertrag verpflichtete er sich außerdem, seinen Geschwistern B. und E. im Hinblick auf deren Erb- und Pflichtteilsverzicht jeweils 20.000 DM nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils zu zahlen. Zur Kostenberechnung wurde übereinstimmend ein Wert von 300.000 DM angegeben. Ebenfalls am 17.01.1991 schlossen die Erblasser und deren drei Kinder einen Erbvertrag (URNr. yy/91 des Notars L.). Danach setzten sich die Eltern jeweils gegenseitig als alleinige Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden sollte der beiderseitige Nachlass dem Kläger zufallen. Die Eltern setzten zulasten des Klägers Vermächtnisse aus, wonach seine Geschwister zu je ½ das komplette Spar- und Barvermögen und alles bewegliche Vermögen erhalten sollten. Im Gegenzug erklärten die Geschwister des Klägers einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Dieser Verzicht erfolgte unter der Bedingung, dass ihnen nach dem Tode des zuletzt versterbenden Elternteils entsprechend dem Übergabevertrag vom 17.01.1991 jeweils 20.000 DM gezahlt würden. Der Wert des reinen Nachlasses wurde mit 100.000 DM angegeben. Nach der Übergabe des Objekts investierte der Kläger nach eigenen Angaben in 1991/1992 ca. 170.000 EUR in dessen Renovierung.

Im Streitjahr verstarb die Mutter des Klägers. Sie war die zuletzt Versterbende. Der Kläger übernahm vertragsgemäß die Beerdigungskosten. Mit der Einkommensteuererklärung machte er Aufwendungen i.H.v. 6.227 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Beklagte ließ diese Aufwendungen bei Erlass seiner Einkommensteuerbescheide vom 12.08.2011 und vom 06.12.2011 unberücksichtigt, weil sie durch den ererbten Nachlass gedeckt seien. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beläuft sich auf xxxxx EUR, die festgesetzte Einkommensteuer beträgt xxxx EUR.

Mit ihrem Einspruch begehrten die Kläger die Anerkennung der Aufwendungen dem Grunde nach, der Höhe nach machten sie nur noch Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR geltend. Zur Begründung führten sie aus, der Kläger habe die Beerdigungskosten nicht aus dem Nachlass bestreiten können. Denn sämtliches Spar- und Barvermögen habe seinen Geschwistern zugestanden. Zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem Übergabevertrag (Zahlung von je 20.000 DM an die Geschwister nach dem Tod des zuletzt Versterbenden) habe er ein Darlehen i.H.v. 17.000 EUR aufnehmen müssen. Das zitierte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 06.11.1980 III 102/78, EFG 1981, 180 sei nicht anwendbar. Dem Kläger seien keine Vermögensgegenstände unentgeltlich übertragen worden. Er sei auch nicht nur vertraglich, sondern auch sittlich verpflichtet gewesen, die Beerdigungskosten zu übernehmen. Das ihm übertragene Grundstück habe allenfalls einen Wert von 40.000 EUR gehabt (Grundstück 28.000 EUR, Gebäude 12.000 EUR). Demgegenüber habe der Kläger Zahlungsverpflichtungen i.H.v. 30.000 EUR übernommen. Hinzu komme das den Eltern eingeräumte Wohnrecht. Dass der Gebäudewert mit Blick auf das Baujahr 1901 und die damals verwendeten Materialien eigentlich mit 0,- EUR anzusetzen sei, ergebe sich aus den in 1991/1992 getätigten Herstellungskosten von 170.000 EUR. Zudem gehörten Grundstücksübertragungen, die vor dem Erbfall im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt seien, nach dem Urteil des FG Hamburg vom 11.10.1985 V 96/62, EFG 1986, 293 nicht zum Nachlass. Aber auch vor dem Hintergrund der Urteile des FG München vom 30.03.1999 13 K 3321/94, EFG 1999, 703 und des FG Münster vom 24.02.1999 13 K 1810/96 E, EFG 1999, 608, nach denen Grundstücksschenkungen vor dem Erbfall dem Nachlass mit ihrem Wert im Zeitpunkt des Erbfalls hinzuzurechnen seien, könne hier nicht von einem realisierbaren Nachlasswert ausgegangen werden. Die Erblasserin sei nur zu ½ Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Nach dem anzuhaltenden Grundstückswert im Zeitpunkt des Erbfalls (399 m² x 100,- EUR = 39.900 EUR, ½ = 19.950 EUR) ergebe sich nach Abzug der Verbindlichkeiten kein positiver Nachlasswert. Zudem sei die alte Bausubstanz im Rahmen der Generalüberholung untergegangen und damit wertlos geworden. Schließlich sei der im Zeitpunkt des Erbfalls maßgebliche Grundstückswert (155,- EUR (laut Gutachterausschuss) wegen übergroßer Straßenfront und wegen des extrem ungünstigen Zuschnitts des Grundstücks mit einem Abschlag von rd. 35 % zu versehen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29.02.2013 als unbegründet zurück. Der Kläger müsse sich entgegenhalten lassen, dass er das Objekt I-Str. 1 in C-Stadt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten habe. Er habe sich im Gegenzug zur Übernahme der Beerdigungskosten verpflichtet. Daraus folge, dass der Wert des übertragenen Vermögens die Beerdigungskosten habe abdecken können. Zum Zeitpunkt der Übertragung habe der Kläger damit den einzigen, sicheren, werthaltigen und Ertrag bringenden Vermögensgegenstand der Erblasser erlangt. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Eltern zum Zeitpunkt der Übertragung alle Kinder hätten gleich behandeln wollen. Der Anteil des Klägers betrage damit ca. 20.000 DM. Dass das Vermögen im Zeitpunkt des Erbfalls verbraucht gewesen sei, werde nur gemutmaßt. Aus Sicht des Beklagten sei es nicht schädlich, dass die bei Übergabe vorhandene Bausubstanz möglicherweise im Rahmen einer Generalüberholung in die Bausubstanz eingegangen sei. Der Wert sei nicht verloren gegangen. Dieser Wert liege im Todeszeitpunkt jedenfalls noch über den Beerdigungskosten von 5.180 EUR.

Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, mit der die Kläger ihr Begehren auf Anerkennung der Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR unter Hinweis auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren weiter geltend machen. Ergänzend tragen sie vor, die Wertangabe in dem Grundstücksübertragungsvertrag von 300.000 DM habe lediglich der Berechnung der Notarkosten gedient. Die in § 1 des Vertrages genannte Grundschuld von 85.000 DM entspreche eher dem tatsächlichen Wert des Grundstücks. Dieser Vermögenswert habe die Nachlassverbindlichkeiten nicht überstiegen und zwar sowohl im Zeitpunkt der Übertragung (FG Münster) als auch im Zeitpunkt des Erbfalls (FG München). Außerdem werde weiterhin auf die Auffassung des FG Hamburg verwiesen. Zudem sei das Grundstück im Zeitpunkt der Übertragung mit dem Wohnrecht i.H.v. 6.429 EUR belastet und damit im Wert gemindert gewesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 06.12.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.02.2012 weitere Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen und die zu zahlende Einkommensteuer um ca 2.100 EUR zu mindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Entscheidungserheblich sei der Vermögenswert von 80.000 DM im Zeitpunkt der Übertragung. Da alle Beteiligten gleich behandelt werden sollten, übersteige der Anteil des Klägers die Beerdigungskosten von 5.180 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Steuerakten des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die die Berichterstatterin im Einverständnis der Beteiligten gem. §§ 79a Abs. 3 und 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) entscheiden konnte, ist nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen versagt. Die Kläger werden hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. 5.180 EUR stellen keine außergewöhnliche Belastung dar. Denn sie sind nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

Nach dieser Vorschrift liegen außergewöhnliche Belastungen vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastungen). Auf Antrag wird die Einkommensteuer dann dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird, § 33 Abs. 1 EStG.

Im Streitfall liegt der Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen xxxxx EUR und yyyyy EUR. Die zumutbare Belastung der im Splittingverfahren veranlagten Kläger mit ihren zwei Kindern beläuft sich danach auf x % des Gesamtbetrags der Einkünfte, d.h. auf xxx EUR . Damit könnten grundsätzlich xxxx EUR steuermindernd berücksichtigt werden.

Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen entstehen, sind nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich außergewöhnlich (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1990 III R 93/87, BStBl. II 1991, 140).

Diese Aufwendungen sind für den Steuerpflichtigen aber nicht immer zwangsläufig.

Außergewöhnliche Aufwendungen sind dem Grunde nach zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Dies ist dann der Fall, wenn rechtliche, sittliche oder tatsächliche Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folgen die Aufwendungen oder die Verpflichtung zum Bestreiten der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (BFH-Urteil vom 26.02.1998 III R 59/97, BStBl. II 1998, 605. m.w.N.). Rechtliche Gründe, aufgrund derer sich ein Steuerpflichtiger den Aufwendungen dem Grunde nach nicht entziehen kann, können sich aus Gesetz, Verwaltungsakt oder Vertrag ergeben.

Als rechtlicher Grund für die Übernahme der Beerdigungskosten kommt grundsätzlich § 1968 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Betracht. Nach dieser Vorschrift trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung. Der Kläger war aufgrund des Erbvertrages vom 17.11.1991 (URNr. 43/1991) und dem Erb- und Pflichtteilsverzicht seiner Geschwister als Alleinerbe nach seiner zuletzt verstorbenen Mutter eingesetzt.

Bei der Verpflichtung aus § 1968 BGB handelt es sich aber nicht um eine persönliche Verpflichtung des Erben, sondern um eine Nachlassverbindlichkeit. Nachlassverbindlichkeiten treffen den Erben nur als denjenigen, dem das Vermögen des Erblassers zufällt. Sie belasten das übernommene Vermögen und nicht den Erben als einkommensteuerpflichtige Person. Ist der Nachlass überschuldet, hat der Erbe die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, so dass ihn aus § 1968 BGB keine rechtliche Verpflichtung zur Begleichung der Beerdigungskosten trifft. Denn mit der Annahme der Erbschaft setzt der Erbe regelmäßig selbst den Grund für seine Rechtspflicht zur Erfüllung der damit verbundenen Schulden. Die Verpflichtung aus § 1968 BGB trifft ihn deshalb nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG (BFH-Urteil vom 24.07.1987 III R 208/82, BStBl. II 1987, 715; Schmidt/Loschelder, EStG 32. Aufl. 3013 § 33 Rz. 35 "Beerdigungskosten"; K.Heger in Blümich, EStG, Feb. 2012, § 33 Rz. 214f; Görke in Frotscher, EStG 09/2003, § 33 Rz. 50ff; Arndt in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, Jan. 2001, § 33 Rdnr. C 40; Schmieszek in Bordewin/Brandt, EStG, Nov. 1999, § 33 Rz. 150f; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Nov. 2012, § 33 Rz. 142ff jew. m.w.N.).

Als rechtlicher Grund für die Übernahme der Beerdigungskosten kommt im Streitfall auch der Übergabevertrag vom 17.11.1991 (URNr. xx/1991) in Betracht. Darin hat sich der Kläger unter § 3 Ziff. 2) Buchst. b) verpflichtet, die Kosten der Beerdigung und der Grabpflege zu tragen, soweit nicht Kostenerstattungen erfolgen.

Als ein die Zwangsläufigkeit begründender rechtlicher Grund kommt jedoch grundsätzlich nur eine rechtliche Verpflichtung in Betracht, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt hat. Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können für sich allein regelmäßig eine Zwangsläufigkeit i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG nicht begründen. Vielmehr muss in derartigen Fällen zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere rechtliche oder sittliche bzw. eine tatsächliche Zwangsläufigkeit zur Leistung gerade dieser Aufwendungen hinzutreten. Entsprechendes gilt, wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung bzw. einer tatsächlichen Zwangsläufigkeit beruht. Bei der im Rahmen des § 33 EStG gebotenen wertenden Betrachtung fehlt es regelmäßig an der Zwangslage, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst und aufgrund freier Entscheidung in eine bestimmte Situation begeben und die damit verbundenen Folgen in Kauf genommen hat, wie dies z.B. beim Abschluss von Verträgen und den damit u.U. verbundenen nachteiligen Folgen der Fall ist. Verpflichtungen auf Grund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung können daher für sich allein eine Zwangsläufigkeit nicht begründen; es muss aus anderen Gründen eine Zwangsläufigkeit zu gerade dieser Leistung hinzutreten (vgl. BFH-Urteil vom 26.02.1998 III R 59/97, aaO, Schmidt/Loschelder aaO § 33 Rz. 17 und 23; Arndt in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, aaO Rdnr. C 3 und 14; Littmann, EStG § 33 Rz. 135ff jew. m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze sind die Aufwendungen für die Beerdigungskosten im Streitfall nicht zu berücksichtigen. Denn der Kläger hat sich freiwillig - bzw im Hinblick auf die Übertragung des Grundstücks und den Erb- und Pflichtteilsverzicht seiner Geschwister - bereit erklärt, die Beerdigungskosten allein zu tragen.

Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich die Zwangsläufigkeit zur Übernahme der Beerdigungskosten hier auch nicht - zusätzlich - aus sittlichen Gründen. Zwar bestehen sittliche Gründe zur Übernahme der Beerdigungskosten im allgemeinen bei einem nahen Angehörigen. Dies gilt auch dann, wenn er die Erbschaft ausschlägt (vgl. z.B. Schmidt/Loschelder, aaO § 33 Rz. 35 "Beerdigungskosten").

Sittliche Gründe zur Übernahme der Beerdigungskosten können auch dann bestehen, wenn man als späterer Alleinerbe von einem Angehörigen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die gesamte Existenzgrundlage erhält. In diesem Fall wäre es mit oder ohne rechtsgeschäftlicher Verpflichtung geradezu verwerflich, nicht dessen Beerdigungskosten zu übernehmen (FG München Urteil vom 30.03.1999 13 K 3321/94, aaO).

In dem dort zu entscheidenden Fall war ein landwirtschaftlicher Betrieb auf die einzige Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen und als (eine) Gegenleistung ein standesgemäßes Begräbnis ausbedungen worden. Bei dieser Sachlage sah das FG München zu Recht - neben der rechtsgeschäftlich ausbedungenen - eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten.

Dieser Sachverhalt ist jedoch nicht mit dem des Streitfalls vergleichbar. Denn im Streitfall haben die Eltern des Klägers ihm nicht ihre gesamte Existenzgrundlage übertragen. Sie haben sich neben der Zurückbehaltung eines Wohnrechts an der Obergeschosswohnung noch erhebliche Zahlungen - sofortige an sich selbst und spätere bei Eintritt des Erbfalls an die Geschwister des Klägers - ausbedungen. Außerdem waren Vermächtnisse zugunsten der Geschwister und zu Lasten des Klägers ausgesetzt. Diese Vermächtnisse umfassten den gesamten vorhandenen Bargeldbestand (ca 32.000 EUR laut Angaben des Klägers zum Wert des Nachlasses) und das bewegliche Vermögen der Eltern im Zeitpunkt des Erbfalls.

Angesichts dieser Vereinbarungen bestand eine sittliche Verpflichtung des Klägers zur Übernahme der Beerdigungskosten allenfalls in dem Umfang, wie er sie aus dem Substanz- und Nutzungswert des übergebenen Grundstücks bzw. dem ererbten Nachlass decken konnte. Soweit dagegen bereits bei Abschluss der Vereinbarungen vom 17.11.1991 erkennbar gewesen sein sollte, dass die Verpflichtungen gegenüber den Eltern und den Geschwistern die übertragenen und ererbten Werte übersteigen würden, bestand für den Kläger keine (zusätzliche) sittliche Verpflichtung, die Beerdigungskosten (allein und in vollem Umfang) zu übernehmen.

Auch nach der Auffassung des FG Münster in seinem Urteil vom 19.04.1990 VI 5087/89 n.v., juris nur Leitsatz, sind Beerdigungskosten dann keine außergewöhnliche Belastung, wenn sie in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht gegenüber dem Verstorbenen gezahlt werden. Denn die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Verstorbenen, dessen Beerdigungskosten zu zahlen, stellt einen Vertrag zugunsten des oder der Erben dar. Diese(r) werden - freiwillig - von der rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung zur Tragung der Beerdigungskosten freigestellt mit der Folge, dass die vertragliche Verpflichtung Vorrang vor der gesetzlichen und/oder sittlichen Verpflichtung erhält. Dieser Vorrang der vertraglichen Verpflichtung könnte allenfalls insoweit eingeschränkt sein, als im Fall der gesetzlichen Erbfolge noch eine anteilige Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten aus sittlichen Gründen besteht. Bei gesetzlicher Erbfolge hätte der Kläger - neben seinen beiden Geschwistern - allenfalls ein Drittel die angefallenen Beerdigungskosten tragen müssen.

Das erkennende Gericht geht bei der gebotenen wertenden Betrachtung davon aus, dass Aufwendungen dann nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Abs. 1 EStG sind, wenn ein Steuerpflichtiger vertraglich Verpflichtungen übernimmt und er im Gegenzug Vermögenswerte im Wege der vorweggenommener Erbfolge erhält. Denn in diesen Fällen ist anzunehmen, dass die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt sind. Ansonsten wäre der Vertrag nicht oder nicht mit dem Inhalt geschlossen worden. Jedenfalls hat der Begünstigte eines solchen Übergabevertrages die vertraglichen Gegenleistungen dem Grunde und der Höhe nach freiwillig übernommen. Denn auch bei Abschluss eines Erbvertrages können die Vertragspartner frei über Inhalt und Abschluss entscheiden.

Eine Zwangslage kann auch aufgrund des Vergleichs mit dem gesetzlichen Erben nicht angenommen werden. Wird dieser nämlich auf die Möglichkeit verwiesen, die Erbschaft auszuschlagen, um seiner Verpflichtung aus § 1968 BGB zu entgehen (s.o.), so muss dies erst recht für den vertraglich Verpflichteten gelten. Er kann seine Interessen in viel größerem Umfang wahrnehmen, sei es durch Einflussnahme auf den Inhalt des Vertrages oder sogar durch Abstandnahme vom Vertragsschluss insgesamt. Beides wäre auch nicht verwerflich oder sittlich anstößig.

Geht man dennoch - wie oben dargestellt - davon aus, dass den Kläger eine sittliche Verpflichtung trifft, die Beerdigungskosten trotz vorrangiger vertraglicher Verpflichtung gegebenenfalls zu einem Drittel zu übernehmen und geht man - dem Urteil des FG München vom 30.03.1999 13 K 3321/94, aaO folgend - , davon aus, dass auch bei vertraglicher Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten der übergebene Vermögensgegenstand noch einen realen Wert repräsentieren muss, läge im Streitfall keine Belastung vor. Denn die Beerdigungskosten wären durch den Wert des übernommenen Grundstücks gedeckt.

Der Abzug von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung scheidet grundsätzlich von vornherein aus, soweit die Aufwendungen aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige im Zusammenhang mit dem Tod zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (vgl. BFH-Urteile vom 04.04.1989 X R 14/85, BStBl. II 1989, 779 und vom 29.05.1996 III R 86/95, BFH/NV 1996, 807 m.w.N). Dies gilt auch im Fall einer vorweggenommenen Erbfolge (vgl. Urteile des FG München vom 30.03.1999 13 K 3321/94, aaO und des FG Münster vom 24.02.1999 13 K 1810/96 E aaO sowie des FG Baden-Württemberg vom 06.11.1980 III 102/78, EFG 1981, 180). Danach führen Aufwendungen, die den Verkehrswert des Nachlasses nicht übersteigen, gar nicht erst zu einer Belastung i.S.v. § 33 EStG. Nur nach der Ansicht des FG Hamburg in seinem Urteil vom 11.10.1985 V 96/82, aaO steht es dem Abzug von Beerdigungskosten nicht entgegen, wenn der Erblasser dem Steuerpflichtigen zwei Jahre vor dem Erbfall ein Grundstück in vorweggenommener Erbfolge geschenkt hat, dessen Wert die Beerdigungskosten übersteigt.

Im Streitfall steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger mit dem Grundstück und dem aufstehenden Zweifamilienhaus einen Gegenwert erhalten hat, der seine gesamten Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 17.11.1991 - einschließlich der gesamten, jedenfalls aber etwaig anteilig zu tragender Beerdigungskosten - überstiegen hat.

Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass einvernehmlich getroffene Vereinbarungen zwischen Eltern und Kindern bzw. Geschwistern über Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Übertragung und Verteilung des gesamten Nachlasses die Vermutung für sich haben, dass die Kinder als gesetzliche Erben gleichmäßig bedacht wurden. Ansonsten wären die Vereinbarungen nicht oder nicht mit dem Inhalt geschlossen worden.

Wenn danach die Geschwister des Klägers jeweils 20.000 DM und zusätzlich das gesamte Barvermögen (32.000 EUR) und den gesamten beweglichen Nachlass erhalten sollten, so spricht dies dafür, dass dem Kläger ebenfalls - und zwar nach Abzug aller Verpflichtungen - zumindest Werte i.H.v. 20.000 DM verbleiben sollten und verblieben sind.

Hinzu kommen folgende Überlegungen:

Nach eigenem Vortrag beläuft sich der Wert des Grund und Bodens nebst aufstehendem Gebäude auf mindestens 40.000 EUR, gegebenenfalls auf den im Vertrag genannten Belastungswert von 85.000 DM. Nach Einschätzung des Gerichts dürfte der Wert deutlich höher liegen. Denn eine Grundschuld schöpft den Wert eines Grundstücks im Regelfall nicht in vollem Umfang aus. Auch erfolgt die einvernehmliche Angabe eines Urkundswertes von 300.000 DM nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nur zur Bemessung der Notarkosten. Hinzu kommt, dass der reine Nachlass laut Erbvertrag zusätzlich mit 100.000 DM angegeben wurde.

Für die Frage, welchen Wert der Nachlass hatte, kommt es auf den Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalls an (vgl. FG des Saarlandes Urteil vom 30.09.1992 1 K 76/92, aaO und FG Münster Urteil vom 24.02.1999 13 K 1810/96, aaO). Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des FG Hamburg in seinem Urteil vom 11.10.1985 V 96/82, aaO, ein im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Grundstücksschenkung könne außer Betracht bleiben.

Soweit die Kläger meinen, für die Bewertung des übernommenen Nachlasses könne es auf den Zeitpunkt der Übernahme ankommen, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des FG Münster vom 24.02.1999 13 K 1810/96, aaO. Denn am Ende des Urteils heißt es, "Dass der Wert des übertragenen Vermögens höher ist als die Beerdigungskosten, steht ... aufgrund ... des Grundstücksübertragungsvertrages fest. Darin wurde der Verkehrswert des Objekts zur Zeit der Schenkung ...auf 180.000 DM beziffert." Die Ausführungen des FG Münster zu dem im Schenkungsvertrag genannten Wert verstehen sich als Begründung dafür, dass der Wert des Grundstücks aktuell, sprich im Zeitpunkt des Erbfalls, mindestens den im Schenkungsvertrag genannten Verkehrswert hatte.

Bei der Bewertung des Grundstücks im Zeitpunkt des Erbfalls ist deshalb auch zu berücksichtigen, dass der Kläger die Verpflichtungen gegenüber seinen Eltern und Geschwistern im Hinblick auf die sofortige Übertragung des gesamten Grundstücks übernommen hat. Damit hatte er bereits ab 1991 die Möglichkeit, das gesamte Grundstück - vorbehaltlich des Wohnrechts der Eltern - seit dieser Zeit für eigene Zwecke zu nutzen bzw. nutzbar zu machen. Er bewohnte das Objekt also bereits lange vor dem Erbfall, während seine Geschwister mit der Auszahlung ihrer Abfindungsbeträge bzw. der Vermächtnisse bis zum Erbfall warten und entsprechende inflationsbedinge Wertverluste hinnehmen mussten. Demgegenüber hatte der Kläger im Zeitpunkt des Erbfalls schon langjährige und damit nicht unerhebliche Nutzungsvorteile erlangt.

Unbeachtlich ist, dass die frühere Bausubstanz des übertragenen Hausgrundstücks durch die Generalüberholung möglicherweise untergegangen ist. Denn die von ihm getroffene Entscheidung, weniger werthaltige alte Bausubstanz gegen neue höherwertige Bausubstanz auszutauschen, muss sich der Kläger anrechnen lassen. Sie lässt auch nicht den Wert des übergebenen Grund und Bodens nebst Gebäude und den seit 1991 erlangten Nutzungsvorteil entfallen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Wert des übergebenen Vermögensgegenstandes nicht auf den Miteigentumsanteil der zuletzt verstorbenen Mutter reduziert werden. Der Kläger hat die Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten beider Eltern im Hinblick auf die sofortige (1991) Übertragung und damit auf die sofortige Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit des gesamten Grundstücks übernommen. Eine rechnerische Reduzierung des Nachlasswertes auf den Miteigentumsanteil der zuletzt verstorebenen Mutter lässt den Vorteil der Übertragung des gesamten Grundstücks noch zu Lebzeiten beider Eltern außer Acht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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