ArbG Paderborn, Urteil vom 01.04.2010 - 2 Ca 1842/09
Fundstelle
openJur 2013, 40999
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 179,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 23. Oktober 2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 98 % und die Beklagte 2 %.

Der Streitwert wird auf 9.509,48 Euro festgesetzt.

Die Berufung für die Beklagte wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers sowie über restliche Vergütungsansprüche.

Der Kläger ist seit dem 01.02.1999 bei der Beklagten beschäftigt. Zuvor hatte der Kläger eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Kfz.-Mechaniker Handwerk (Schwerpunkt Nutzkraftwagen Instandhaltung) absolviert und hierfür am 28.01.1993 die entsprechende Gesellenprüfung abgelegt. In der Folgezeit war der Kläger sieben Jahre als Kfz.-Mechaniker bei der Firma M1 beschäftigt. Danach war er noch ca. 1,5 Jahre bei der Firma R1 und V1 als Kraftfahrer tätig. Der Kläger verfügt über die Führerscheine der Klassen 2 und 3.

Bei der Beklagten war der Kläger zunächst überwiegend in der Werkstatt beschäftigt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, welche Tätigkeiten er dort ausübte. Gelegentlich wurde der Kläger auch als Kraftfahrer eingesetzt. Im März 2001 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall und war bis Dezember 2001 arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 01.03.2006 ist der Kläger überwiegend als Kraftfahrer bei der Beklagten eingesetzt. Im Rahmen seiner Fahrertätigkeit transportierte er u. a. Gefahrengüter. Der Kläger verfügt hierfür über eine sogenannte ADR-Bescheinigung (Bl. 69/70 d. A.). Bis vor ca. 3 Jahren führte der Kläger zeitweise auch Bitumentransporte durch. Seit Januar 2009 wird der Kläger nicht mehr in der Werkstatt eingesetzt.

Im Jahr 2008 bot die Beklagte dem Kläger den Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages an (Bl. 71-73 d. A.). Da der Kläger mit den Regelungen dieses Arbeitsvertrages nicht einverstanden war, unterzeichnete er diesen nicht.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung. Des Weiteren ist die Beklagte Mitglied im tarifschließenden Bauverband.

Der Stundenlohn des Klägers bei der Beklagten betrug zuletzt 12,85 € in Anlehnung an die Lohngruppe 2 des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn). Darüber hinaus zahlt die Beklagte dem Kläger eine Zulage in Höhe von 0,20 € pro Stunde.

In der Zeit vom 01.07.2009 bis zum 30.09.3009 war der Kläger an insgesamt 44 Arbeitstagen mehr als 10 Stunden berufsbedingt von seiner Wohnung entfernt. Die Zahlung eines Verpflegungszuschusses durch die Beklagte für diese Tage erfolgt nicht.

Mit einem am 15.10.2009 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben zum einen die Zahlung des tariflichen Verpflegungszuschusses für 44 Arbeitstage beansprucht. Zum anderen macht er einen Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 3 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe der Bundesrepublik Deutschland (Lohn TV) geltend und begehrt vor diesem Hintergrund die Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Monate Juli, August und September 2009.

Der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet, ihm für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 30.09.2009 Verpflegungszuschüsse für 44 Arbeitstage zu je 4,09 € in Höhe von insgesamt 179,96 € zu zahlen. Er habe die Zahlung des Verpflegungszuschusses auch rechtzeitig gemäß § 15 BRTV geltend gemacht, nämlich mit anwaltlichem Schreiben vom 14.10.2009 (Bl. 64/65 d. A.).

Darüber hinaus sei die Beklagte verpflichtet, ihn entsprechend der Lohngruppe 3 Lohn TV zu vergüten. Ein Anspruch auf Vergütung gemäß dem Lohn TV ergebe sich aus der Mitgliedschaft des Klägers in der tarifschließenden Gewerkschaft, welche auch den Mitgliedsausweis des Klägers (Bl. 67 d. A.) zu entnehmen sei. Der Kläger sei sowohl als Schlosser, als auch als Kraftfahrer bei der Beklagten eingesetzt gewesen. Die Einstellung des Klägers sei seinerzeit über den Vater des Klägers erfolgt, da die Beklagte für die Werkstatt einen Schlosser gesucht habe. Der Kläger sein in Kenntnis seiner Ausbildungs- und Berufspraxis abgeworben worden. In der Werkstatt habe der Kläger die gleichen Tätigkeiten wie der Werkstattleiter S1 ausgeübt. So habe der Kläger insbesondere die Funktionstüchtigkeit der Maschinen und Geräte geprüft, deren Verschleiß festgestellt, eine Aussortierung vorgenommen und die notwendigen Instandsetzungsaufgaben erledigt. Diese Arbeiten habe der Kläger ohne konkrete Anweisungen des Werkstattleiters S1 selbständig durchgeführt. Hinsichtlich der von ihm derzeit überwiegend bzw. ausschließlich ausgeübten Tätigkeit als Kraftfahrer sei der Kläger als Berufskraftfahrer anzusehen und auch dementsprechend einzugruppieren. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass der Kläger im Frühjahr 2002 noch mehrere Berufskraftfahrerkollegen vertreten habe, namentlich Herrn M2 und Herrn A1. Somit ergebe sich ein Anspruch auf Eingruppierung und Vergütung entsprechend der Lohngruppe 3. Dieser Anspruch ergebe sich darüber hinaus auch aus der früheren Eingruppierung des Klägers in die Berufsgruppe M/IV 1 des BRTV a. F., wobei gemäß dem Tarifvertrag zur Einführung neuer Lohnstrukturen vom 04.07.2002 eine Überleitung des Klägers in die Lohngruppe 3 hätte erfolgen müssen. Zumindest bestehe jedenfalls ein Anspruch des Klägers auf Vergütung entsprechend der Lohngruppe 2 a, da der Kläger die entsprechenden Voraussetzungen erfülle. Hilfsweise werde daher die dementsprechende Eingruppierung geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 179,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, an den Kläger 777,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ebenfalls seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 3 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin vom 23.05.09 in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag für das Baugewerbe (gewerbliche Arbeitnehmer) zu zahlen,

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 2 a des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Bundesländer und des Landes Berlin vom 23.05.2009 in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag für das Baugewerbe (gewerbliche Arbeitnehmer) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des geltend gemachten Verpflegungszuschusses ist die Beklagte der Auffassung, dieser sei jedenfalls für die Zeit vor dem 17.08.2009 gemäß § 15 BRTV verfallen. Darüber hinaus sei der Kläger zutreffend eingruppiert und vergütet, wobei der Beklagten bislang überhaupt nicht bekannt gewesen sei, dass der Kläger überhaupt über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge. Vielmehr sei die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger ungelernt sei. Der Kläger sei auch nicht als Schlosser in der Werkstatt beschäftigt gewesen. Er habe dort keinerlei Facharbeiten ausgeführt, sondern lediglich Wartungs- und Pflegearbeiten unter Anleitung des Werkstattleiters S1 durchgeführt. Eine "Betreuung" von Baumaschinen und -geräten durch den Kläger habe nicht stattgefunden. Darüber hinaus sei der Kläger bis in das Jahr 2008 nur zur Auslastung in den Wintermonaten für zwei bis drei Monate in der Werkstatt eingesetzt und im Übrigen als Kraftfahrer tätig gewesen. Der Kläger sei auch nicht mit einem Berufskraftfahrer gleichzusetzen, da er insbesondere im Hinblick auf den Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Berufskraftfahrer nicht über dementsprechende Qualifikationen verfüge. Die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Lohngruppe 3 seien damit nicht erfüllt. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus der vom Kläger behaupteten Überleitung in die Lohngruppe 3 aus der früheren Lohngruppe M IV 1, da ein solcher Anspruch verfallen bzw. verjährt und auch verwirkt sei. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Vergütung entsprechend der Lohngruppe 2 a bestehe nicht, da der Kläger in den unter V des Tarifvertrages genannten Berufsbildern zu keinem Zeitpunkt tätig gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

I.

Der Klageantrag zu 1) ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Verpflegungszuschusses gemäß § 7 Ziffer 3.2 BRTV in Höhe von 179,96 € für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 30.09.2009.

Der allgemeinverbindliche BRTV findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers gemäß § 7 Ziffer 3.2 BRTV weder dem Grunde noch der Höhe nach in Abrede gestellt.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht gemäß den Regelungen des § 15 BRTV verfallen. § 15 BRTV beinhaltet eine zweistufige Ausschlussfrist. Gemäß § 15 Ziffer 1 verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeiten gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Der Verpflegungszuschuss war jeweils zusammen mit dem Lohnanspruch fällig, und zwar gemäß § 5 Ziffer 7.2 spätestens zum 15. des Folgemonats. Hinsichtlich des Verpflegungszuschusses für den Monat Juli 2009 bedeutet das, dass dieser zum 15.08.2009 fällig war. Der Kläger hat die Verpflegungszuschüsse für die Monate Juli, August und September mit anwaltlichem Schreiben vom 14.10.2009 geltend gemacht, welches der Beklagten vorab per Fax übersandt wurde. Von daher ist auch bezüglich des Verpflegungszuschusses für den Monat Juli 2009 als auch für die Folgemonate eine fristgerechte Geltendmachung erfolgt. Die zweite Stufe der Ausschlussfrist in § 15 Abs. 2 BRTV hat der Kläger ebenfalls gewahrt, da er die Klage bereits am 15.10.2009 bei dem Arbeitsgericht Paderborn erhoben hat.

Dem Antrag zu 1) war somit stattzugeben.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 286, 288 Abs. 1, 247 BGB.

II.

Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung restlicher Vergütung gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Regelungen in Verbindung mit den tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes in Höhe von 777,46 € brutto. Denn es besteht kein Anspruch des Klägers auf Eingruppierung und Vergütung entsprechend der Lohngruppe 3 Lohn TV.

a) Der Lohntarifvertrag ist aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Der Kläger hat seine Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft durch Vorlage seines Mitgliedsausweises ausreichend dargetan. Hiernach hat die Beklagte die Tarifgebundenheit des Klägers auch nicht weiter in Abrede gestellt.

b) Die Eingruppierung regelt sich nach dem BRTV. § 5 Ziffer 2 BRTV "Grundlagen der Eingruppierung" enthält dazu u.a. folgende Regelungen:

2.2 Für die Eingruppierung des Arbeitnehmers sind seine Ausbildung,

seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuüben-

Tätigkeit maßgeblich.

...

2.3 Führt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedenen Gruppen genannt sind, wird er in diejenige Gruppe eingruppiert, die seiner überwiegenden Tätigkeit entspricht.

In § 5 Ziffer 3 BRTV sind die einzelnen Lohngruppen festgelegt. Zu den hier maßgeblichen Lohngruppen 2 und 3 finden sich - soweit für diesen Fall von Belang - folgende Regelungen:

Lohngruppe 2 - Fachwerker/Maschinisten/Kraftfahrer -

Tätigkeit:

- fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung

Regelqualifikation:

- baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe

- anerkannte Ausbildung als Maler und Lackierer, Garten- und Landschaftsbau, Tischler

- anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet

- Baumaschinistenlehrgang

- anderweitig erworbene gleichwertige Fertigkeiten

Tätigkeitsbeispiele:

1. ...

...

18. Maschinisten:

- aufstellenden, einrichtenden, bedienen und warten von kleineren Baumaschinen und Geräten

19. Kraftfahrer:

- Führen von Kraftfahrzeugen

Lohngruppe 3 - Facharbeiter/Baugeräteführer/Berufskraftfahrer -

Tätigkeit:

Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes

Regelqualifikation:

Baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe im ersten Jahr

- baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe und Berufserfahrung

- anerkannte Ausbildung außerhalb der baugewerblichen Stufenausbildung

- anerkannte Ausbildung als Maler und Lackierer, Garten- und Landschaftsbauer, Tischler jeweils mit Berufserfahrung

- anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet, Berufserfahrung

- Berufsausbildung zum Baugeräteführer

- Prüfung als Berufskraftfahrer

- durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten

Tätigkeitsbeispiele:

Keine

Hinsichtlich der Darlegungslast gilt Folgendes:

c) Bei aufeinander aufbauenden Tätigkeitsmerkmalen verschiedener Entgeltgruppen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst zu prüfen, ob der Arbeitnehmer die Anforderungen der allgemein und sodann - bei mehreren Gruppen jeweils - nacheinander die qualifizierenden Merkmale der höheren Vergütungsgruppen erfüllt. Der Arbeitnehmer hat dabei grundsätzlich alle Tatsachen darzulegen, die dem Gericht den rechtlichen Schluss ermöglichen, dass er jeweils die für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale und die darin ggf. vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt. Soweit für den Erfolg des Höhergruppierungsbegehrens das Vorliegen eines tariflichen Heraushebungsmerkmals erforderlich ist, erweitert dies die Vortragslast des Klägers. Danach reicht für einen schlüssigen Vortrag die genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit nicht aus. Der Tatsachenvortrag muss vielmehr einen wertenden Vergleich zu den nicht unter das Heraushebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten ermöglichen. Dabei ist für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Vergütungsgruppe eine pauschale Überprüfung ausreichend, soweit die Parteien die Tätigkeit als unstreitig ansehen und die Arbeitgeber selbst die Merkmale als erfüllt ansehen. Allerdings muss diese summarische Prüfung erkennen lassen, welche konkreten Tätigkeiten für die Erfüllung welchen Tätigkeitsmerkmals herangezogen worden sind (vgl. BAG vom 22.10.2008 - 4 AZR 735/07 - AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie).

d) Unter Zugrundelegung der vorgenannten tarifvertraglichen Bestimmungen sowie unter Berücksichtigung der Anforderung an die Darlegungslast des Klägers vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dass der Kläger richtigerweise in die Lohngruppe 3 Lohn TV einzugruppieren und dementsprechend zu vergüten ist.

aa) Hinsichtlich der für die Eingruppierung maßgeblichen Tätigkeiten ist auf die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten abzustellen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger unstreitig seit dem Jahr 2006 vorwiegend als Kraftfahrer eingesetzt ist. Es ist auch nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht, dass der überwiegende Einsatz des Klägers als Kraftfahrer bereits seit Jahren nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt ist. Insbesondere war der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses auch als Kraftfahrer bei der Beklagten tätig gewesen.

Eine Prüfung als Berufskraftfahrer hat der Kläger nicht abgelegt, sodass er nicht bereits aus diesem Grund die Regelqualifikation der Lohngruppe 3 erfüllt.

Weiterhin stützt sich der Kläger im Hinblick auf seine Kraftfahrertätigkeit bezüglich der Regelqualifikation auf durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten. Aus der Kraftfahrertätigkeit an sich lässt sich jedoch nicht schließen, dass er durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten eines Berufskraftfahrers aufweist. Fertigkeiten sind hierbei nicht nur solche manueller Art, sondern alle erlernten Qualifikationen des Berufs, die den Arbeitnehmer befähigen, die Facharbeiten seines Berufsbildes auszuüben (vgl. BAG vom 14.11.2007 - 4 AZR 863/06 - NZA-RR 2008, 309). Allein aus dem Vortrag des Klägers, er vertrete die anderen im Betrieb beschäftigten (Berufs-) Kraftfahrer, habe Bitumentransporte durchgeführt und verfüge über ein ADR-Schein reicht nicht aus, um ersehen zu können, dass der Kläger alle Fertigkeiten eines Berufskraftfahrers mit einer entsprechenden Ausbildung aufweise.

Dass der Kläger Facharbeiten eines Berufskraftfahrers ausübt und nicht lediglich Kraftfahrertätigkeiten, lässt sich dem Vortrag des Klägers ebenfalls nicht entnehmen. Insbesondere hat die Beklagte vorgebracht, dass Berufskraftfahrertätigkeiten im Rahmen des von ihr betriebenen Baubetriebes in diesem Umfang überhaupt nicht anfielen. Für die Kammer war daher nicht ersichtlich, dass es sich bei den von dem Kläger ausgeübten Tätigkeiten um Berufskraftfahrertätigkeiten und nicht lediglich um Kraftfahrertätigkeiten gemäß der Lohngruppe 2 handelt.

bb) Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Vergütung gemäß der Lohngruppe 3 ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger absolvierten Ausbildung und seiner Werkstatttätigkeit. Der Kläger ist gelernter Kfz.-Mechaniker, wobei es bei dem Eingruppierungsanspruch des Klägers nicht darauf ankommt, ob der Beklagten die Ausbildung des Klägers bekannt war. Hierbei handelt es sich um eine anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet. Über Berufserfahrung insbesondere auch in diesem Bereich verfügt der Kläger ebenfalls. Jedoch übt der Kläger seit Jahren überwiegend die Tätigkeit als Kraftfahrer und nicht die Werkstatttätigkeit aus, so dass bereits aus diesem Grund gemäß § 5 Ziffer 2.3 die Kraftfahrertätigkeit die Grundlage für die Eingruppierung darstellt.

Im Übrigen lässt sich dem klägerischen Vortrag nicht entnehmen, dass der Kläger in der Werkstatt Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes gemäß der Lohngruppe 3 und nicht lediglich fachliche begrenzte Arbeiten wie in der Lohngruppe 2 gefordert ausführt. Eine konkrete Abgrenzung der vom Kläger in der Werkstatt ausgeübten Tätigkeiten zu den fachlich begrenzten Arbeiten, die in der Lohngruppe 2 genannt werden, lässt sich anhand des klägerischen Vortrags nicht vornehmen.

cc) Ein Anspruch des Klägers auf Eingruppierung und Vergütung gemäß der Lohngruppe 3 ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger entsprechend den Regelungen des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 und des Tarifvertrags zur Einführung neuer Lohnstrukturen für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 schon bereits zum damaligen Zeitpunkt in die Lohngruppe 3 einzugruppieren gewesen wäre.

Ein Anspruch des Klägers vermag sich schon nicht allein aus einer damaligen Überleitung in die neuen Lohngruppen des BRTV n.F. ergeben, wenn die von ihm ausgeübte Tätigkeit schon seit 2006 nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe 3 erfüllt.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der Kläger schon damals in die Berufsgruppe M IV - Baugeräteführer, Baumaschinenwarte, Kraftfahrer - des BRTV a. F. einzugruppieren gewesen wäre. Der Kläger erfüllt nicht die Eingruppierungsvoraussetzungen der Vergütungsgruppe M IV 1 BRTV a. F. Eine Prüfung als Berufskraftfahrer hat er nicht abgelegt. Ebenso lässt sich nicht ersehen, dass der Kläger Baumaschinen und Geräte bei der Beklagten gewartet, betreut und instandgesetzt hat. Auch hier fehlt es hinsichtlich der vom Kläger aufgeführten Tätigkeiten an einem näheren Vortrag, der dem Gericht eine Abgrenzung zu den Berufsgruppen M V und M VI ermöglicht. Ein Eingruppierungsanspruch in die Gruppe M IV 2 ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Sofern man trotz der damals noch überwiegenden Beschäftigung der Werkstatt davon ausgeht, dass der Kläger gemäß der tariflichen Vorschriften als Kraftfahrer beschäftigt war, so ist nicht ersichtlich, dass er über eine dreijährige Fahrpraxis im Personen- oder Güterverkehr verfügte. Zwar führt der Kläger an, dass er 1,5 Jahre bei der Firma R1 und V1 als Fahrer gearbeitet hat. Es ist jedoch nicht dargetan, dass er hiernach Fahrertätigkeiten bei der Beklagten in gleichem Umfang ausübte, sodass zum Zeitpunkt der Einführung neuer Lohnstrukturen die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe M IV 2 erfüllt waren. Die Voraussetzungen der Gruppe M IV 3 sind erfüllt, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen Arbeitnehmer gemäß M V 1 oder M V 2 handelt.

Ein Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe 3 Lohn TV besteht nach alledem nicht.

2. Der Zahlungsantrag ist auch nicht deshalb teilweise begründet, weil dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung entsprechend der Lohngruppe 2 a nach dem Lohn TV zustünde.

Gemäß § 2 Abs. 6 gilt die Lohngruppe 2 a für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. September 2002 in der bisherigen Berufsgruppe V im Baugewerbe beschäftigt waren, unabhängig von einer Unterbrechung oder einem Wechsel ihres Arbeitsverhältnisses. Dass der Kläger in der Berufsgruppe V im Baugewerbe beschäftigt war, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat weder seine Berufsausbildung in der Form der Stufenausbildung mit der ersten Stufe abgeschlossen (V 1), noch übt er eine angelernte Spezialtätigkeit aus und erfüllte eines der in V Ziffer 2.1 bis Ziffer 2.17 genannten Tätigkeitsmerkmale. Ein Vergütungsanspruch gemäß der Lohngruppe 2 a Lohn TV besteht damit nicht.

Nach alledem ist der Zahlungsantrag zu 2) abzuweisen.

III.

Der Klageantrag zu 3) ist als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (vgl. LAG Hamm vom 14.02.2006 - 12 Sa 1914/05 m. w. N.). Der Antrag ist jedoch unbegründet. Wie bereits unter II. ausgeführt, erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Lohngruppe 3, sodass der Antrag abzuweisen war.

Weil der Hauptantrag zu 3) abgewiesen wurde war gemäß § 158 Abs. 1 BGB über den Hilfsantrag zu 3) zu entscheiden. Dieser ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet. Wie ebenfalls unter II. ausgeführt, besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Eingruppierung und Vergütung entsprechend der Lohngruppe 2 a gemäß § 2 Abs. 6 Lohn TV.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Fall ZPO. Da beide Parteien zum Teil obsiegt haben und teilweise unterlegen sind, waren die Kosten verhältnismäßig zu teilen, sodass sich die ausgeurteilte Kostenquote ergibt:

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde für den Klageantrag zu 1) mit dem Nominalwert bewertet. Die Eingruppierungsfeststellungsklage war gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG mit dem dreijährigen Unterschiedsbetrag zur begehrten Vergütung zu bewerten, wobei gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 GKG die bei Einreichung der Klage fälligen und mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachten Beträge dem Streitwert nicht hinzuzurechnen waren. Für die Klageanträge zu 2) und zu 3) wurde deshalb ein Gesamtwert von 9.329,52 € zugrunde gelegt.

Gemäß § 64 Abs. 3 a Satz 1 ArbGG war die Entscheidung, die Berufung für die Beklagte nicht zuzulassen, in den Urteilstenor aufzunehmen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Beklagte übersteigt 600,00 € nicht (§ 64 Abs. 2 b ArbGG). Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG bestehen nicht.

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