KG, Beschluss vom 20.09.2013 - 12 W 40/13
Fundstelle
openJur 2013, 40648
  • Rkr:

Ein Handlungsbevollmächtigter i.S.d. § 54 HGB kann vom Geschäftsführer einer GmbH zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift ermächtigt werden, da die bloße Adressänderung unter Beibehaltung des Firmensitzes nicht zu den ausschließlich vom Geschäftsführer anzumeldenden Grundlagenentscheidungen zählt.

Tenor

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 07. März 2013 wird aufgehoben.

Gründe

A.

Die Beteiligte, eine seit 2010 im Handelsregister eingetragene GmbH, meldete durch Rechtsanwalt K... unter Bezug auf die ihm vom Alleingeschäftsführer der Beteiligten erteilte Handlungsvollmacht (Bl. 16) die Änderung ihrer Geschäftsanschrift innerhalb Berlins zur Eintragung in das Handelsregister an. Mit der angefochtenen Zwischenverfügung vom 07. März 2013 rügte das Amtsgericht Charlottenburg, die Handlungsvollmacht reiche für die Vornahme der Anmeldung nicht aus. Vielmehr sei die Einreichung einer Vollmacht entsprechend § 12 Abs. 1 S. 2 HGB oder die Anmeldung durch den Geschäftsführer erforderlich.

Gegen diese Zwischenverfügung legte die Beschwerdeführerin mit am 19. März 2013 per Telefax beim Registergericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde ein. Die Rechtsanwalt K... erteilte Handlungsvollmacht entspreche inhaltlich einer Prokura. Deshalb sei auch im vorliegenden Fall die Anmeldung der geänderten Geschäftsadresse von der Handlungsvollmacht umfasst.

Das Registergericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 31. März 2013 nicht abgeholfen.

B.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.

I)

Die Beschwerde ist statthaft (§ 382 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 1 FamFG) und nach §§ 63, 64 FamFG form- und fristgemäß eingelegt.

Die Beteiligte ist in ihren Rechten betroffen und damit beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG).

II)

Die Beschwerde ist auch begründet.

1)

Das Amtsgericht Charlottenburg hat zu Unrecht mit seiner Zwischenverfügung vom 07. März 2013 die eingereichte Handlungsvollmacht des Geschäftsführers der Beteiligten für Rechtsanwalt K... als unzureichend für die Anmeldung der Änderung der Geschäftsadresse gerügt.

Gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Geschäftsanschrift der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Verpflichtung zur Anmeldung späterer Änderungen der Geschäftsanschrift folgt aus § 13 Abs. 3 GmbHG, § 31 Abs. 1 HGB (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 27.01.2011, 11 W 4/11, zitiert nach juris, Rn. 6). Die nicht selbst anmeldepflichtige Gesellschaft wird dabei gemäß § 35 Abs. 1 und 2 GmbHG durch ihre Geschäftsführer vertreten, die der Anmeldepflicht nach § 78 GmbHG persönlich unterliegen (Hanseatisches OLG Hamburg, a.a.O.). Nach § 12 Abs. 1 S. 2 HGB können Anmeldungen zum Handelsregister aber auch durch rechtsgeschäftliche Vertreter erfolgen, die dazu keine Spezialvollmacht benötigen, sondern lediglich eine Vollmacht, aus der sich allgemein ergibt, dass sie auch Anmeldungen der in Frage stehenden Art mit einschließt (BGH, Beschluss vom 02.12.1991, II ZB 13/91, zitiert nach juris, Rn. 5, Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 20.01.2010, 2 W 182/09, zitiert nach juris, Rn. 27).

Hier ist Rechtsanwalt K... – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Charlottenburg – durch die von der Beteiligten vorgelegte, durch den Geschäftsführer am 09. November 2010 erteilte Handlungsvollmacht zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsadresse der Beteiligten ermächtigt. Eine Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB enthält eine dispositive gesetzliche Beschreibung des Vollmachtumfangs (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 54 Rn. 9). Durch die hier vorliegende Handlungsvollmacht ermächtigte der zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigte Geschäftsführer den Bevollmächtigten „zur Vornahme aller zum Handelsgewerbe gehörigen Geschäfte der Gesellschaft“ „sowie zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung“ (zur Zulässigkeit einer solchen rechtsgeschäftlichen Vollmacht zur Vertretung des Geschäftsführers vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2008, II ZR 107/07, Rn. 8 bei juris). Dass die Erteilung einer Handlungsvollmacht zum gesamten Geschäftsbetrieb gemäß § 46 Ziffer 7 GmbHG dem Aufgabenkreis der Gesellschafter obliegt, betrifft das Innenverhältnis der Gesellschafter und bedarf keiner näheren Überprüfung (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 46 Rn. 52 ff.), zumal der alleinige Geschäftsführer der Beteiligten auch deren Alleingesellschafter ist.

Die erteilte Handlungsvollmacht entspricht vom Wortlaut praktisch nicht nur der Legaldefinition der Prokura gemäß § 48 Abs. 1 HGB, sondern geht darüber sogar hinaus, da durch sie der Bevollmächtigte zusätzlich auch zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ermächtigt wird. Außerdem legen auch die Gesamtumstände nahe, dass diese konkrete Handlungsvollmacht gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen ist, dass der Vollmachtnehmer damit in dem der Prokura entsprechenden Rahmen und damit auch zu Anmeldungen beim Handelsregister ermächtigt sein soll. Wie bereits dargelegt entspricht die Handlungsvollmacht weitgehend dem Handlungsrahmen der Prokura. Außerdem ist der Vollmachtgeber wohnhaft in der russischen Stadt Voronez, weshalb davon auszugehen ist, dass er eine umfassende Handlungsermächtigung für den Bevollmächtigten erteilen und nicht für Handlungen, die nicht die Grundlagen des Unternehmens betreffen – wie die Anmeldung einer Änderung der Geschäftsadresse – extra aus Russland anreisen und einen deutschen Notar aufsuchen wollte.

Die Prokura deckt aber auch die Vertretung des Unternehmensträgers bei der Einleitung von Verfahren und der Stellung von Anträgen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ab und damit auch Anmeldungen zum Handelsregister (vgl. BGH, a.a.O., zitiert nach juris, Rn. 5). Allerdings gilt dies nicht generell. Erfasst sind keine Handelsregisteranmeldungen, in denen es um die Anmeldung von Tatsachen geht, welche die Rechtsform oder die Existenz des Unter-nehmens und damit „Grundlagenentscheidungen“ des die Prokura erteilenden Unternehmers betreffen (vgl. BGH, a.a.O., zitiert nach juris, Rn. 6). Zu diesen gehört z.B. nicht der Erwerb, das Halten und die Aufgabe anderer Unternehmen oder von Beteiligungen anderer Unter-nehmungen und Beteiligungen, der vielmehr zum durch die Prokura gedeckten Betrieb eines Handelsgewerbes i.S.d. § 49 Abs. 1 HGB gehört (BGH, a.a.O., zitiert nach juris, Rn. 7).

Da dieser weitgehende Handlungsumfang der Prokura aus den oben genannten Gründen hier für den durch die Handlungsvollmacht ermächtigten Rechtsanwalt K... gilt, ist dieser im konkreten Einzelfall zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsadresse beim Handelsregister ermächtigt.

Die Anmeldung der Geschäftsadresse gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG ist durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 eingeführt worden (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2012, § 8 Rn. 17). Durch sie sollen Zustellungsprobleme vermieden werden, die vor der Neuregelung zu Lasten der Gläubiger bestehen konnten (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 8 Rn. 17). Aller-dings wird sie dadurch nicht zu einer nur vom Geschäftsführer oder Gesellschafter anzumel-denden Grundlagenentscheidung. Vielmehr ist die Geschäftsanschrift im Inland frei wählbar (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 8 Rn. 17). Ein Wechsel der Anschrift ist in der modernen Geschäftswelt von flexiblen Klein- und Mittelunternehmen z.B. in der IT-Branche durchaus häufiger anzutreffen, kann also als „zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehörig“ bezeichnet werden. Ihr kommt keine so wesentliche Bedeutung zu wie z.B. der Änderung des Gesellschaftssitzes, die durch Änderung des Gesellschaftsvertrages und damit durch die Gesellschafter zu erfolgen hat (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 4a Rn. 8). Dies gilt im vorliegenden Fall auch deshalb, weil der Sitz der Beteiligten weiterhin Berlin bleibt. Die Beteiligte bleibt weiterhin im Handelsregister des Landes Berlin unter der bislang geltenden Registernummer verzeichnet. Zudem ist nicht erkennbar, dass der Anmeldung durch den Geschäftsführer oder Gesellschafter ein höherer Grad an Gläubigerschutz zukommt, als einer Anmeldung durch den Prokuristen bzw. den Handlungsbevollmächtigten, zumal sie in notariell beglaubigter Form erfolgte.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da diesem Ergebnis die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 27. Januar 2011 (11 W 4/11) nicht entgegensteht. Zwar hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in seiner genannten Entscheidung festgestellt, dass die Geschäftsanschrift einer GmbH und deren spätere Änderungen vom Geschäftsführer der GmbH persönlich beim zuständigen Handelsregister anzumelden seien. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es aber um die Frage, ob die Geschäftsführer oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft deren Insolvenzverwalter zur Anmeldung der geänderten Geschäftsadresse verpflichtet seien, nicht aber um die hier zu entscheidende Frage, ob die vom Gesellschaftergeschäftsführer erteilte Handlungsvollmacht den Ermächtigten zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsadresse ermächtigt oder der Gesellschaftergeschäftsführer zu deren Anmeldung verpflichtet ist.