BGH, Beschluss vom 26.03.2007 - NotZ 37/06
Fundstelle
openJur 2013, 38298
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 13. September 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten entstandenen notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1988 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht S. t und dem Landgericht A. , seit 2002 zugleich als Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht Hamm, zugelassen. Im Jahre 1995 war er zum Notar mit Amtssitz in S. bestellt worden. Er wurde jedoch auf seinen Antrag vom 20. November 2000 durch Verfügung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2000 mit Ablauf des 29. April 2001 aus dem Notaramt entlassen. Dem war Folgendes vorausgegangen: Gegen den Antragsteller, gegen den bereits im Jahre 1997 wegen verschiedener Amtspflichtverletzungen durch Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts A. eine Geldbuße von 1.000 DM verhängt worden war, wurden im Juni 2000 erneut disziplinarrechtliche Vorermittlungen eingeleitet, die sich zunächst auf Verstöße gegen §§ 3 BeurkG, 14 BNotO und § 17 BeurkG - u.a. mit dem Vorwurf, ein Grundstücksgeschäft gegen Provision vermittelt zu haben - im Zusammenhang mit zwei Beurkundungsvorgängen bezogen. Durch eine gleichzeitig angeordnete Geschäftsprüfung bei dem Antragsteller ergaben sich zusätzliche Beanstandungen, im Wesentlichen mit dem Vorwurf, der Antragsteller habe in den Jahren 1999 und 2000 im Zusammenhang mit der Durchführung von Grundstückskaufverträgen bei elf Massen gegen Treuhandauflagen oder Hinterlegungsanordnungen verstoßen. Es kam dann am 20. November 2000 zu der Besprechung beim Antragsgegner, die zu dem Entlassungsantrag des Antragstellers führte.

Im Juni 2005 bewarb sich der Antragsteller auf eine im Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen - mit Bewerbungsfrist bis zum 1. Juli 2005 - ausgeschriebene Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk S. . Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, es sei beabsichtigt, die Stelle dem weiteren Beteiligten zu übertragen. Dieser habe [bei der Bewertung der fachlichen Eignung für das Notaramt] 180,35 Punkte erzielt, der Antragsteller 177,5. Ungeachtet der Punktzahl bestünden im Hinblick auf die im Jahre 2000 festgestellten erheblichen Mängel in der Amtsführung des Antragstellers, sowie insbesondere auch unter Berücksichtigung des gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 5.000 € eingestellten Strafverfahrens 500 Js 253/01 Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für das Notaramt. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht (Senat für Notarsachen) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die nach § 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat dessen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Dezember 2005 mit Recht zurückgewiesen. Dieser Bescheid ist rechtmäßig.

1. Die persönliche Eignung für das Amt des Notars ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu bejahen, wenn die inneren und äußeren Eigenschaften des Bewerbers, wie sie sich insbesondere in seinem äußeren Verhalten offenbaren, keinen begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die Aufgaben und Pflichten eines Notars gewissenhaft erfüllen werde. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Aufgaben, die der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen hat (§ 1 BNotO), darf der an die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers anzulegende Maßstab nicht zu milde sein. Wenn die Justizverwaltung bei der pflichtgemäßen Prüfung aller Umstände begründete Zweifel daran hat, ob der Bewerber diese Eigenschaften hat, darf sie ihn nicht oder noch nicht zum Notar bestellen. Während die Interpretation der persönlichen Eigenschaften für das Amt des Notars durch die Justizverwaltung gerichtlich voll überprüfbar ist, steht der Justizverwaltung bei der Prognose, ob ein Bewerber aufgrund seiner richtig festgestellten und rechtlich zutreffend bewerteten persönlichen Umstände für das Amt des Notars geeignet ist, ein Beurteilungsspielraum zu. Dabei ist für die Beurteilung des Spielraums grundsätzlich der Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist maßgeblich (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Juli 2000 - NotZ 5/00 - DNotZ 2000, 943 f; vom 14. März 2005 - NotZ 30/04 - NJW-RR 2005, 861 und vom 28. November 2005 - NotZ 16/05 - DNotZ 2006, 312).

2. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Oberlandesgerichts in dem angefochtenen Beschluss an, dass der Antragsgegner angesichts der Umstände, die zur Entlassung des Antragstellers aus dem Notaramt Ende April 2001 geführt hatten, und im Hinblick auf die in den Jahren danach gegen den Antragsteller noch geführten, teilweise zum Stichtag noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren - einschließlich einer öffentlichen Anklage wegen eines Vorwurfs sogar noch aus der Zeit nach der Entlassung aus dem Amt, (500 Js 367/02 StA Arnsberg) - Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers haben durfte.

a) Ausgangspunkt ist, dass der Antragsteller sich durch die Art seiner Amtsführung in den vor seiner Entlassung liegenden Jahren als zumindest für eine gewisse Dauer für das Notaramt persönlich ungeeignet erwiesen hatte. Unbeschadet dessen, dass er seinerzeit freiwillig an seiner Entlassung aus dem Notaramt mitgewirkt hat, muss er sich grundsätzlich so behandeln lassen, als wäre er - was damals konkret im Raum stand - im Verwaltungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO wegen Gefährdung der Rechtsuchenden durch die Art seiner Durchführung von Verwahrungsgeschäften seines Amtes enthoben worden oder im Disziplinarverfahren - auf bestimmte Zeit - aus dem Amt entfernt worden (§ 97 Abs. 1 BNotO). Von erheblichem Gewicht war insoweit - neben anderem - das bei der Geschäftsprüfung im Sommer 2000 aufgedeckte Fehlverhalten des Notars bei der Abwicklung von Grundstückskaufverträgen. Peinliche Genauigkeit bei der Erfüllung von Treuhandauflagen ist für einen Notar eine grundlegende Pflicht. Unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten kommt daher Verstößen gegen solche Pflichten grundsätzlich große Bedeutung zu (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1992 - NotSt [Brfg] 3/91 - BGHR BNotO § 97 Abs. 3 Amtsenthebung 1 m.w.N.). Auch die Vorwürfe, gegen das Verbot, Grundstücksgeschäfte zu vermitteln (im Zusammenhang mit UR Nr. 1000/96), verstoßen zu haben, und unter Verletzung seiner Belehrungspflichten für den Verkäufer riskante Vertragsgestaltungen - unter Mitwirkung des Käufers als dessen Vertreter ohne Vertretungsmacht - vorgenommen zu haben (UR Nr. 650/99 bzw. UR Nr. 658/99 und UR Nr. 639/99 bzw. UR Nr. 659/99), wogen schwer. Insbesondere im Zusammenhang mit der Vielzahl der Treuhandverstöße zeigten die Pflichtwidrigkeiten, die insgesamt Gegenstand des von der Justizverwaltung in Gang gesetzten Disziplinarverfahrens - einschließlich der bei diesem Anlass durch eine Geschäftsprüfung aufgedeckten Vorgänge - waren, einen schwerwiegenden Mangel an dienstlicher Verantwortung und Einsicht in die Anforderungen, die im Interesse der Allgemeinheit, der Rechtsuchenden und auch des Ansehens des Notarstandes an die Amtsführung eines Notars gestellt werden müssen. Ein die (zeitweilige) Entfernung aus dem Amt rechtfertigendes Gewicht kann sich auch aus einer Vielzahl an sich nicht besonders schwerwiegender Verfehlungen jedenfalls dann ergeben, wenn der Notar wegen disziplinarrechtlicher Vorbelastungen durch weniger einschneidende Maßnahmen nicht mehr beeinflussbar erscheint.

b) Von einem solchen Stand erdrückender berufsrechtlicher Vorwürfe gegen den Antragsteller ist Ende 2000/Anfang 2001 auszugehen, unbeschadet dessen, dass der Antragsteller sich im vorliegenden Verfahren, auch mit seiner Beschwerde, wegen einzelner Verstöße zu entlasten oder diese sonstwie zu relativieren versucht. Der Antragsteller muss sich in diesem Zusammenhang auch daran festhalten lassen, dass er durch seinen Antrag auf Entlassung aus dem Notaramt seinerzeit weitere berufsrechtliche Schritte oder Ermittlungen wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfen verhindert hat. Zu den erwähnten, bis dahin berufsrechtlich aufgegriffenen, Amtspflichtverletzungen kam im Übrigen unter anderem im Wege eines späteren Strafverfahrens noch der Vorwurf der pflichtwidrigen Aufteilung einheitlicher Geschäfte in mehreren Urkunden - was nicht nur der Steuerhinterziehung dienen konnte, sondern unabhängig davon für die Vertragsparteien beträchtliche Risiken barg - hinzu (500 Js 613/01 StA Arnsberg; nach Zahlung einer Geldbuße von 800 € am 10. Januar 2006 gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt). Schließlich stammt aus dieser Zeit auch noch ein Untreuevorwurf im Zusammenhang mit der Durchführung von Urkundsgeschäften (500 Js 174/03 StA Arnsberg; eingestellt am 22. Juli 2003 gemäß § 153 Abs. 1 StPO).

c) Angesichts dieser damaligen schwerwiegenden Belastungen des Antragstellers bedurfte es - insbesondere auch im Vergleich zu den hypothetischen Maßnahmen der Justizverwaltung, mit denen der Antragsteller ohne die freiwillige Amtsaufgabe in einem Disziplinarverfahren zu rechnen gehabt hätte - nach seinem Ausscheiden aus dem Notaramt eines jedenfalls mehrere Jahre dauernden Zeitablaufs mit entsprechendem Wohlverhalten, damit der Antragsteller nach seiner Persönlichkeit wieder für das Notaramt in Betracht kommen konnte. Es liegt nahe, dass die insoweit zugrunde zu legende "Mindestfrist" wenigstens auf etwa fünf Jahren zu veranschlagen wäre (diese Frist wäre durch den Zeitablauf zwischen Ende April 2001 und Ende Juni 2005 noch nicht ausgeschöpft gewesen). Ob eine solche (absolute) Mindestfrist hier anzusetzen wäre, braucht indessen nicht entschieden zu werden.

Nach den Umständen des vorliegenden Falles durfte die Antragsgegnerin die persönliche Eignung des Antragstellers jedenfalls noch für den Stichtag 1. Juli 2005 in Zweifel ziehen. Es reichte insoweit angesichts der Vorgeschichte aus, dass zu diesem Stichtag noch mehrere offene Strafverfahren mit Gewicht gegen den Antragsteller liefen, deren späterer Ausgang auch keineswegs zu einer völligen Entlastung des Antragstellers von den strafrechtlichen Vorwürfen geführt hat. Dass die Tatzeiten dieser dem Antragsteller vorgeworfenen strafbaren Handlungen überwiegend in der Zeit vor dem Ausscheiden des Antragstellers aus dem Notaramt lagen, hinderte die Justizverwaltung nicht, den Ausgang dieser Strafverfahren abzuwarten, um sich ein abschließendes Bild hinsichtlich der persönlichen Eignung des Antragstellers für das Notaramt zu machen.

- Offen war zum Stichtag noch das Strafverfahren 500 Js 253/01 StA Arnsberg wegen uneidlicher Falschaussage (Tatzeit: 27. März 2000). Nach Anklageerhebung und Durchführung der Hauptverhandlung wurde es vom Amtsgericht Soest nach Zahlung einer Geldbuße von 5.000 € durch den Antragsteller am 29. März 2006 gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.

- Ebenfalls noch nicht abgeschlossen war das Strafverfahren 500 Js 613/01 StA Arnsberg wegen Beihilfe zur Steuerverkürzung (Tatzeit: 1999 und 2000). Nach Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens wurde es vom Amtsgericht Soest am 10. Januar 2006 gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig eingestellt, nachdem der Antragsteller eine Geldbuße von 800 € gezahlt hatte.

- Nimmt man hinzu, dass es selbst nach der Amtsaufgabe des Antragstellers noch einen weiteren Vorfall gab, der zu einem strafrechtlichen Verfahren gegen den Antragssteller führte, ohne dass der betreffende Vorwurf sich letztlich als völlig unbegründet erwiesen hätte (500 Js 367/02 StA Arnsberg: Vorwurf der versuchten Nötigung am 11. Juli 2002; nach Anklageerhebung vom Amtsgericht gegen Zahlung einer Geldbuße von 500 € durch den Antragsteller im Laufe des Jahres 2003 gemäß § 153a Abs. 2 ZPO eingestellt), so ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner bei einer Gesamtwürdigung von weiterhin bestehenden, seitens des Antragstellers nicht ausgeräumten Zweifeln an dessen persönlicher Eignung für das Notaramt ausgegangen ist.

3. Bei dieser Sachlage kommt es auf die weiteren Beanstandungen des Antragstellers an der Besetzungsentscheidung des Antragsgegners, was die von diesem gewählten Maßstäbe für den Vergleich der fachlichen Eignung der Bewerber angeht, nicht an. Wenn es - wie hier beim Antragsteller - nach der rechtsfehlerfreien Prognose der Justizverwaltung bereits an dem Erfordernisder persönlichen Eignung (§ 6 Abs. 1 BNotO) eines Bewerbers fehlt, kommt dieser Bewerber von vornherein nicht in die Auswahl nach § 6 Abs. 3 BNotO (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2005 aaO).

Schlick Streck Kessal-Wulf Doye Eule Vorinstanz:

OLG Köln, Entscheidung vom 13.09.2006 - 2 VA (Not) 49/05 -