BGH, Beschluss vom 28.03.2000 - VI ZB 31/99
Fundstelle
openJur 2010, 7911
  • Rkr:
Tenor

Die weitere Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 10.000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, ein Bundesverband privater Rettungsdienst- und Krankentransportunternehmen, nimmt die beklagte Gewerkschaft auf Unterlassung einer Äußerung in Anspruch.

Auf einer Demonstration von etwa 200 Rettungsassistenten und Rettungssanitätern aus Baden-Württemberg am 1. Dezember 1998 vor dem Gebäude des Sozialministeriums Baden-Württemberg gegen die - zwischenzeitlich am 1. Januar 1999 in Kraft getretene - Neufassung des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg vom 16. Juli 1998 äußerte sich die stellvertretende Landesvorsitzende der Beklagten u.a. wie folgt:

"Da sitzt qualifiziertes Personal in der Rettungswache fest, während die Privaten sich die Rosinen im Krankentransport aus dem Kuchen picken."

Hintergrund dieser Äußerung war der Umstand, daß seit der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes auch private Unternehmer zum Krankentransport zugelassen werden, während die Aufgaben der Notfallrettung bei den in § 2 des Rettungsdienstgesetzes genannten Trägern verbleiben. Die Beklagte, die nach eigenen Angaben etwa 2.500 Beschäftigte in badenwürttembergischen Rettungsdiensten repräsentiert, befürchtet wegen der hohen Vorhaltekosten für Notfalleinsätze eine nachteilige Wettbewerbssituation im Verhältnis zu privaten Krankentransportunternehmen und wegen des hierdurch ausgelösten Kostendrucks eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder.

Mit Beschluß vom 16. September 1999 hat das angerufene Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten war erfolglos. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde erstrebt sie weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht S..

II.

1. Die zugelassene weitere Beschwerde gegen den der Beklagten am 9. November 1999 zugestellten Beschluß ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zulässig. Die Zulassung durch das Oberlandesgericht ist bindend (§ 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG), auch wenn die Beklagte keinen neuen selbständigen Beschwerdegrund in der angefochtenen Entscheidung gemäß § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend machen kann (BGHZ 120, 198, 200; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 17 a GVG, Rdn. 13; Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 17 a GVG, Rdn. 16).

2. In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist begründet, weil es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt (§ 13 GVG). Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 BGB.

Ein Fall, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit begründen könnte, liegt nicht vor. Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich weder um eine unerlaubte Handlung im Rahmen von Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes noch geht es um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit in Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Beklagten als tariffähige Vereinigung.

a) Die Beschwerde greift die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne der genannten Vorschrift weit auszulegen sei und auch Widerrufs- und Unterlassungsansprüche wegen ehrverletzender Behauptungen umfasse, als für sie günstig nicht an. Diese Auffassung entspricht der überwiegenden Ansicht in der Literatur (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 3. Aufl., § 2 ArbGG Rdn. 34 f.; Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl., § 2 ArbGG, Rdn. 67 m.w.N.; Kissel, GVG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 143; Stein/Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 1 ZPO, Rdn. 152) und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Zu Recht hat das Beschwerdegericht aber die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG verneint, daß nämlich die beanstandete Äußerung gerade zum Zwecke des Arbeitskampfes erfolgt sei. Dabei konnte es offenlassen, wie weit der Begriff des Arbeitskampfes zu verstehen ist. Selbst wenn man mit der Beklagten diesen Begriff unter Einschluß des politischen Streiks weit verstehen wollte, ergäbe sich hier keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu begründen, müßte der Rechtsstreit zwischen den Parteien einen arbeitsrechtlichen Bezug aufweisen. Daran fehlt es hier, denn es gibt kein Arbeitsverhältnis, das durch die Kundgebung berührt werden sollte. Anders als bei politisch begründeten Streiks, bei denen Arbeitgeber bestreikt werden, um allgemeinpolitische Ziele, die nicht in deren Einflußbereich liegen, zu verfolgen (BGHZ 14, 347, 353 f.), und in denen das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierdurch zwangsläufig berührt wird, fehlt es im Streitfall, dem eine Demonstration zu Grunde liegt, an einem solchen Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Mitgliedsunternehmen einerseits und der Beklagten und ihren Mitgliedern andererseits. Die Teilnehmer der Kundgebung standen gerade nicht in einem Arbeitsverhältnis zu den Mitgliedsunternehmen des Klägers; sie verfolgten mit ihrer Demonstration das Ziel, jene durch ein Eingreifen des Gesetzgebers an einer Konkurrenztätigkeit gegenüber ihren eigenen Arbeitgebern zu hindern, um so sich aus einer solchen möglicherweise ergebende negative Auswirkungen auf ihre eigenen Arbeitsverhältnisse abzuwehren.

Daß die tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnisse der Demonstranten bei den Rettungsdiensten durch die Kundgebung negativ berührt worden wären, ist nicht ersichtlich, wäre aber auch im Verhältnis zum Kläger irrelevant, da dieser davon nicht betroffen wäre.

Im Kern geht es im Verhältnis der Beklagten zu dem Kläger und dessen Mitgliedsunternehmen nicht um ein arbeitsrechtliches Problem, sondern um ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Arbeitgebern der Demonstranten als den bisherigen Trägern der Krankentransport- und Rettungsdienste und den neu hinzukommenden privaten Unternehmen für Krankentransportleistungen.

Allein die Tatsache, daß die Kundgebung letztlich aus Sorge um die eigenen Arbeitsbedingungen erfolgte, begründet die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht. Hier ist ausschließlich die Frage nach der Zulässigkeit der Wiederholung einer angeblich unwahren rufschädigenden Äußerung und damit der Konflikt zwischen Ehrenschutz einerseits und Rede- und Meinungsfreiheit andererseits, also kein arbeitsrechtliches Problem, im Streit.

b) Ebensowenig ist die sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebende Vereinigungsfreiheit und das hiermit in Zusammenhang stehende Betätigungsrecht der Beklagten betroffen. Nicht jedes bestimmungsgemäße Handeln einer Gewerkschaft betrifft, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, eine Frage der Vereinigungsfreiheit und damit den Bereich der Interessenwahrnehmung auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts mit der Folge, daß zur Entscheidung von sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten die Arbeitsgerichte zuständig wären.

Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich um eine Angelegenheit der Vereinigungsfreiheit i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, wenn darüber gestritten wird, ob Arbeitnehmer sich in einer Koalition zusammenschließen dürfen oder sich in ihrem Koalitionsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt fühlen, oder wenn zur Entscheidung steht, ob sich eine Arbeitnehmerkoalition (Gewerkschaft) in bestimmter, von ihr in Anspruch genommener koalitionsspezifischer Weise betätigen darf (vgl. etwa BAG, Urteile vom 8. Dezember 1978 -1 AZR 303/77 -AP Nr. 28 zu Art. 9 GG; 23. Februar 1979 -1 AZR 540/77 -AP Nr. 29 zu Art. 9 GG; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 1986, NJW-RR 1986, 1506, 1507).

Solches ist hier jedoch zwischen den Parteien nicht im Streit. Vielmehr beschränkt sich dieser auf die Frage nach der Zulässigkeit der Wiederholung einer ganz bestimmten, eng eingegrenzten Äußerung, durch die sich der Kläger verletzt fühlt. Streiten die Parteien jedoch ausschließlich über die Zulässigkeit einer konkreten Äußerung, die seitens der Gewerkschaft im Rahmen einer Kundgebung erfolgt ist, so ist -wenn es wie hier an einer arbeitsrechtlichen Beziehung zwischen den davon Betroffenen fehlt -die Vereinigungsfreiheit nicht tangiert.