OLG Köln, Beschluss vom 16.05.2013 - 19 U 36/13
Fundstelle
openJur 2013, 36986
  • Rkr:
Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 30.01.2013 - verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 92/12 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden aus dem Geschehen vom 07.01.2010, Firmengelände der Beklagten in C, in einem Umfang von 2/3 zu ersetzen. Soweit sich die Beklagte hiergegen mit der Berufung allein unter dem Gesichtspunkt einer vom Landgericht ermessensfehlerhaft angenommenen Haftungsquote wendet und zu Lasten des Klägers von einem Mitverschulden von 2/3 ausgeht, bleibt die Berufung erfolglos. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei ein Mitverschulden des Klägers von nur 1/3 angenommen. Die landgerichtliche Entscheidung lässt keinen Verstoß gegen die nach § 287 ZPO zu bildende Schadensquote erkennen.

Zwar ist beim Betreten einer schneebedeckten Fläche auf einem Parkplatz grundsätzlich eine besondere Sorgfalt geboten, im Vordergrund steht aber die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Besondere Umstände, die ein höheres Mitverschulden des Klägers rechtfertigen, sind nicht erkennbar. Soweit streitig war, ob der Kläger mit geeignetem Schuhwerk die schneebedeckte Fläche betreten hat, ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung von 21.11.2012 konkret zum Schuhwerk (knöchelhohe Schuhe mit Profil und Stahlkappe) eingelassen hat. Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegen getreten, so dass es insoweit schon an einem hinreichenden Bestreiten des Tragens geeigneten Schuhwerks fehlt. Auf Seiten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass hier gerade nicht von einem nur unbedeutenden, kaum genutzten Gelände oder Weg auszugehen war, sondern es sich vielmehr um das - auch nach eigenen Angaben der Beklagten - von einer Vielzahl von - insoweit aber nicht verunfallten - Personen genutzten Werksgelände gehandelt hat. Der Kläger hat das Gelände und insbesondere den Weg zum Büro aus zwingenden beruflichen Gründen nutzen müssen, ohne dass erkennbar wäre, dass er einen anderen geräumten Teil des Geländes oder einen Weg hätte - gefahrlos - in Anspruch nehmen können. Von einem nur eingeschränkten Verkehr kann nicht ausgegangen werden (vgl. dazu OLG München VersR 1984, 341). Unstreitig hatte die Beklagte das gesamte Gelände nicht verkehrssicher gehalten. Selbst wenn dem Kläger die Unfallstelle bekannt war, er dort häufiger parkte und zu Fuß unterwegs war, führt dies in der konkreten Situation nicht dazu, dass er bei größerer eigener Sorgfalt den Unfall hätte vermeiden können. Es hat sich nicht ein besonderes Risiko des Geländes, sondern der Umstand der mangelnden Räumung realisiert. Selbst wenn der Kläger zuvor schon einmal auf dem Werksgelände war und ihm das Vorhandensein einer Eisschicht bekannt gewesen sein sollte, die zu einer noch höheren Vorsicht hätte führen müssen, war angesichts der Tatsache, dass sich auf den Eisuntergrund eine Schneeschicht gelegt hatte, die nicht erkennen ließ, dass darunter weiterhin Eis vorhanden war, eine höhere Mitverschuldensquote nicht geboten. Es kann auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass hier der Umstand, dass es sich um ein Werksgelände handelt, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, zu einer höheren Mitverschuldensquote des Klägers führt. Der Kläger ist gerade zum Abladen von Fracht auf das Werksgelände der Beklagten gefahren. Er hat mithin das Werksgelände in der dafür - von der Beklagten - vorgesehener Form und Zweckbestimmung genutzt. Aus den von der Beklagten zitierten Entscheidungen der Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes, da es sich insoweit um andere Fallgestaltungen handelte. Anders etwa als in der Entscheidung des OLG Köln (Urt. v. 13.01.2011 - 7 U 132/10, BeckRS 2012, 06524) hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass anhand der buckeligen Schneeauflage erkennbar war, dass sich darunter eine Eisschicht befand. Allein der Umstand, dass andere Personen die Unfallstelle unverletzt passiert haben, begründet gerade nicht ein höheres Mitverschulden. Die Tatsache, dass das gesamte Gelände nicht geräumt und gestreut war, begründet gerade nicht eine besondere Sorgfaltspflicht des Klägers. Anders als in dem der Entscheidung des OLG Hamm (NZV 2004, 645) zugrunde liegenden Fall war der Kläger hier kein Anlieger, der wusste, dass hier nie gestreut wird. Es war auch nicht feststellbar, dass der Kläger bereits vor dem Neuschneefall vorhandene Eisschichten im Bereich der Unfallstelle kannte bzw. mit ihnen rechnen musste. Soweit die Beklagte insoweit auf die Entscheidung des OLG Koblenz (Urt. v. 04.08.1999 - 13 U 41/99, BeckRS 1999, 09277) abstellt, war dort schon eine Haftung des Verkehrssicherungspflichten dem Grunde nach insgesamt verneint worden. Anders als dort ist hier in der Berufung unstreitig, dass der Kläger auf der Eisschicht zu Fall kam. Im Übrigen dürfte angesichts des vorhandenen Eisuntergrunds dieser Umstand vorliegend auch nicht ein höheres Mitverschulden des verunfallten Klägers begründen, da diese Eisschicht nicht erkennbar war. Angesichts dessen fehlte es auch an einer besonders erhöhten Sorgfaltspflicht.

Der Senat teilt die hier vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommene Mithaftungsquote des Klägers von nur 1/3. Dass generell in vergleichbaren Fällen von einer hälftigen Verursachungsquote auszugehen sei (vgl. etwa OLG München Urt. v. 28.07.2011 - 1 U 3579/10, BeckRS 2011, 22233; auch Urt. v. 30.07.2009 - 1 U 1815/09, BeckRS 2009, 25279; OLG Celle NJW-RR 1989, 1419, 1420), kann weder der an Einzelfällen orientierten Rechtsprechung, noch vorliegend dem Vortrag der Beklagten zwingend entnommen werden, da gerade die Kenntnis des Klägers von der konkret vorhandenen Eisschicht nicht nachgewiesen ist.

Soweit die Beklagte darüber hinaus weitere Rechtsprechungsnachweise zitiert, waren diese vorliegend nicht geeignet, die Verteilung der Verursachungsbeiträge abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung zu beurteilen.

II.

Die Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme - auch zur Frage der Rücknahme des Rechtsmittels - binnen der ihr gesetzten Frist. Abschließend wird auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zwecke der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren hingewiesen.