OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.09.2013 - 13 A 2541/12
Fundstelle
openJur 2013, 36928
  • Rkr:
Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2012 wird geändert.

Dem beklagten Land wird untersagt zu äußern:

"Der Handel und der Verkauf von E-Zigaretten sowie von liquidhaltigen Kartuschen, Kapseln oder Patronen für E-Zigaretten sind, soweit die arzneimittel- und medizinproduktrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, gesetzlich verboten. Insbesondere nikotinhaltige Liquids dürfen nur mit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Bei nikotinfreien Liquids ist im Einzelfall anhand der Inhaltsstoffe zu prüfen, ob sie arzneimittelrechtlichen Vorschriften unterliegen. Wer gegen die genannten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, setzt sich der Gefahr strafrechtlicher Ahndung aus. E-Zigaretten unterliegen gemäß § 2 Abs. 3 MPG Medizinprodukterecht, so dass sie nur mit einer CE-Kennzeichnung gemäß § 6 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 7 MPV in den Verkehr gebracht werden dürfen."

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Leistungsklage zu Unrecht abgewiesen. Diese ist begründet. Der Klägerin steht gegenüber dem beklagten Land ein Anspruch auf Unterlassen der aus dem Tenor ersichtlichen Äußerungen zu.

Der öffentlichrechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und konkret eine Wiederholung der Äußerung droht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14, und Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 -, NJW 2006, 1303 = juris, Rn. 11.

Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Eine drohende Wiederholung der Äußerungen ist anzunehmen. Das beklagte Land hat nicht erklärt, von einer Wiederholung abzusehen. Zudem dauert die nicht unerhebliche Marktpräsenz der streitigen Produkte an. Auch läuft auf Unionsebene ein Rechtssetzungsverfahren mit dem Ziel ihrer (arzneimittelrechtlichen) Regulierung.

Die streitigen Äußerungen waren ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG) der Klägerin. Selbst wenn die Information durch die Landesregierung als Teil ihrer verfassungsunmittelbaren Aufgabe der Staatsleitung erfolgt sein sollte, wurden die dafür geltenden rechtlichen Vorgaben nicht eingehalten (I.). Die Äußerungen waren darüber hinaus ein funktionales Äquivalent zu einem unmittelbaren Eingriff mittels einer rechtlichen Regelung, ohne dass die diesbezüglichen Voraussetzungen vorlagen (II.).

I. In der verfassungsunmittelbaren Aufgabenzuweisung der Staatsleitung liegt grundsätzlich eine hinreichende Ermächtigung der Regierung (einschließlich ihrer Ministerien) zum Informationshandeln. In der Demokratie gehört es zur Aufgabe der Regierung, die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge zu unterrichten, auch außerhalb oder im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 670/91 ‑, Osho-Bewegung, BVerfGE 105, 279 = juris, Rn. 72 bis 76, 79 bis 82, und - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, Glykol, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 51 bis 54, 66, 69.

Der Verwaltungsvorgang des Ministeriums des beklagten Landes belegt die im Laufe des Jahres 2011 verstärkt aufgekommene Diskussion in der Öffentlichkeit, zwischen den Bundesländern und der Bundesverwaltung über die Frage der rechtlichen Einordnung von E-Zigaretten und den zugehörigen (nikotinhaltigen) Liquids. Daher durfte das beklagte Land im Grundsatz von einem hinreichenden Anlass ausgehen für ein Informationshandeln durch sein - bei der insoweit zu Grunde zu legenden, die Arzneimitteleigenschaft bejahenden Rechtsauffassung der Landesregierung - hierfür fachlich zuständiges Ministerium.

Das beklagte Land war insoweit zuständig. Nach Art. 30 Grundgesetz (GG) ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Eine solche Regelung lag (und liegt) nicht vor.

Insbesondere bestand insoweit keine Spezialzuständigkeit des Bundes nach § 69 Abs. 4 AMG. Das Informationshandeln der (Landes-)Regierung als Teil der Staatsleitung wird von § 69 Abs. 4 AMG als einer Ermächtigung des BfArM zur öffentlichen Warnung als Teil des Gesetzesvollzugs nicht berührt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 ‑, a. a. O., Rn. 57.

Darüber hinaus ermächtigt § 69 Abs. 4 AMG das BfArM zu einer öffentlichen Warnung nur im Falle des § 69 Abs. 1 Satz 3 AMG. Dies setzt den Rückruf eines Arzneimittels zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit voraus, weil der begründete Verdacht besteht, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Bd. IV, Stand 2012, § 69 Rn. 46; Delewski, in: Kügel/ Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 69 Rn. 56 bis 59.

Ein solcher Fall lag nicht vor. Das beklagte Land hat nicht Verbraucher produktspezifisch vor der Anwendung eines bestimmten Arzneimittels gewarnt, sondern die Verkäufer von E-Zigaretten und (nikotinhaltigen) Liquids vor einer etwaigen strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Inverkehrbringens nicht zugelassener Arzneimittel. Auch soweit in der Pressemitteilung auf mögliche gesundheitliche Risiken des Gebrauchs von E-Zigaretten für Dritte hingewiesen wurde, handelte es sich nicht im Sinne des § 69 Abs. 4 AMG um schädliche Wirkungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Arzneimittels, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Das beklagte Land war auch nicht gezwungen, zu Gunsten eines etwaigen Informationshandelns der Bundesregierung von den streitigen Äußerungen abzusehen. Zwar ist die Bundesregierung insoweit zum Informationshandeln berechtigt, als ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung der Staatsleitung zukommt, die mittels Informationen erfüllt werden kann, insbesondere bei länderübergreifender Bedeutung bzw. überregionalem Charakter des betroffenen Themas. Unabhängig davon, ob dem Verkauf von E-Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids länderübergreifende Bedeutung zukommt, schließt eine informationelle Zuständigkeit der Bundesregierung ein entsprechendes Tätigwerden der Landesregierungen grundsätzlich nicht aus.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 670/91 ‑, a. a. O., Rn. 84 bis 86, und ‑ 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 ‑, a. a. O., Rn. 56 bis 58, 69; s. auch Kloesel/Cyran, a. a. O., § 69 Rn. 2 und 46, zur Abgrenzung bzw. Doppelung der Überwachungskompetenzen nach dem AMG, insbesondere bei öffentlichen Warnungen.

Inhaltlich wurden aber die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Information der Bevölkerung durch Regierungshandeln im Rahmen der Staatsleitung nicht eingehalten. Amtliche Äußerungen, die im Rahmen der Staatsleitung erfolgen, haben sich an den allgemeinen Grundsätzen rechtsstaatlichen Verhaltens in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 670/91 ‑, a. a. O., Rn. 91 f.

Danach dürfen Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen, sondern müssen auf einem im Wesentlichen zutreffenden bzw. zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen und dürfen den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten (Sachlichkeitsgebot). Rechtliche Wertungen sind auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Wenn die Richtigkeit der Information noch nicht abschließend geklärt ist, hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen aufgeklärt worden ist in dem Bemühen um - die nach den jeweiligen Umständen zumutbar erreichbare - Verlässlichkeit. Verbleiben Unsicherheiten, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, z.B. über ein Risiko, aufgeklärt werden. Es ist dann erforderlich, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen.

Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, a. a. O., Rn. 60 bis 63; BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2010 - 7 B 54.10 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, www.nrwe.de, Rn. 16, und vom 23. April 2012 - 13 B 127/12 -, www.nrwe.de, Rn. 19.

Diese Voraussetzungen erfüllen die streitgegenständlichen Äußerungen nicht.

Unabhängig davon, ob die geäußerte Rechtsauffassung vertretbar war, dass auf nikotinhaltige Liquids und E-Zigaretten das Arzneimittelgesetz bzw. das Medizinproduktegesetz anwendbar sei, bestand insoweit jedenfalls eine erhebliche Rechtsunsicherheit, auf die das Ministerium die Marktteilnehmer entgegen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht hingewiesen hat.

Dass nikotinhaltige Liquids und E-Zigaretten generell sogenannte Präsentationsarzneimittel wären, ist weder von dem beklagten Land vorgetragen noch erkennbar. Dies würde nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG ihre - jedenfalls ganz überwiegend - nicht vorhandene Bestimmung zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden voraussetzen.

Ob die Produkte, wie von dem beklagten Land angenommen, Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AMG und des Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG (in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG) sind, war zum Zeitpunkt der Äußerungen zumindest unsicher.

Unabhängig von der Frage, ob das Ministerium davon ausgehen konnte, dass auch bei Liquids mit nur vergleichsweise geringem Nikotingehalt (bis 5 mg) bzw. geringer Nikotinkonzentration (bis 0,5 %) wissenschaftlich nachgewiesen war, dass diese geeignet sind, durch eine nennenswerte pharmakologische Wirkung physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen,

vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2009,

C-140/07, Hecht-Pharma (Red Rice), Slg. 2009 I‑41, Rn. 26, und vom 30. April 2009, C-27/08, BIOS Naturprodukte, Slg. 2009 I-3785, Rn. 20 bis 23; BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 ‑ 3 C 5.09 ‑, NVwZ 2009, 1038 = juris, Rn. 19,

hatten der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht bereits vor der Veröffentlichung der streitigen Äußerungen mehrfach geurteilt, dass bei der Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, alle seine Merkmale zu berücksichtigen sind. Dazu zählen insbesondere seine Zusammensetzung, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009, C‑140/07, a. a. O., Rn. 31 bis 37; BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 -, a. a. O., Rn. 18.

Bei Anwendung dieser Kriterien durfte das Ministerium nicht von einer rechtssicheren Einstufung (jedweder) nikotinhaltiger Liquids und E-Zigaretten als Funktionsarzneimittel bzw. Medizinprodukte ausgehen, sondern hätte diese Rechtsauffassung als vorläufig oder als mit Unsicherheiten behaftet bezeichnen müssen. Die damalige Rechtsunsicherheit zeigt sich u.a. daran, dass vor der Veröffentlichung der streitigen Äußerungen ein Verwaltungsgericht,

vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 4 L 191/11 -, juris, Rn. 31,

und ein Richter am Bundesverwaltungsgericht, der seinerzeit Mitglied des für das Arzneimittelrecht zuständigen Senats war, für die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel die Möglichkeit und die Absicht eines therapeutischen gesundheitlichen Effekts voraussetzten,

vgl. Rennert, NVwZ 2008, 1179 (1184),

das Vorliegen dieser Merkmale hinsichtlich der streitigen Produkte aber jedenfalls fraglich war bzw. ist.

Rechtsunsicherheit bestand zusätzlich deshalb, weil bezüglich nikotinhaltiger Liquids, deren Nikotinanteil aus natürlichen Tabakpflanzen gewonnen wird, streitig war (und ist), ob diese als Tabakerzeugnisse im Sinne des § 3 VTabakG nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG keine Arzneimittel sind.

So VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. März 2013 - 4 K 1119/11 -, PharmR 2013, 280 = juris, Rn. 35; LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 -, S. 16 f. UA; Krüßen, PharmR 2012, 143 (144); Müller, in: Müller/Kügel/ Hofmann, AMG, 2012, § 2 Rn. 192 bis 194; Voit, PharmR 2012, 241 (246); a. A. VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 - 7 K 3169/11 -, www.nrwe.de, Rn. 181; Kasper/Krüger/ Stollmann, MedR 2012, 495 (500); Volkmer, PharmR 2012, 11 (15).

Solche nikotinhaltigen Liquids wurden (und werden) in Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich vertrieben.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. September 2013 - 13 A 1100/12 -.

Weder in dem Erlass noch in der Pressemeldung hat das Ministerium diese Rechtsunsicherheit hinsichtlich der angenommenen Arzneimitteleigenschaft nikotinhaltiger Liquids erwähnt. Allein bezüglich der - nicht mehr streitbefangenen - nikotinfreien Liquids wurde auf die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung anhand der Inhaltsstoffe verwiesen. Damit war den Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen, anhand transparenter, die unsichere Rechtslage wiedergebender Informationen eigenverantwortlich über eine Teilnahme am Verkehr mit diesen Produkten zu entscheiden.

II. Die streitbefangenen Äußerungen waren überdies ein funktionales Äquivalent zu einem unmittelbaren Eingriff in die Berufsfreiheit der Hersteller der E‑Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids mittels einer rechtlichen Regelung (1.), ohne dass die diesbezüglichen rechtlichen Voraussetzungen vorlagen (2.).

1. Ob staatliches (kommunikatives) Handeln, dass keine unmittelbaren Rechtswirkungen durch hoheitliche Regelungen entfaltet, ein funktionales Äquivalent zu einem unmittelbaren Eingriff in (Grund-)Rechte darstellt, ergibt sich aus den Zielsetzungen und Wirkungen des Handelns, hier der Äußerungen.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 ‑, a. a. O., Rn. 62, vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, BVerfGE 113, 63 = juris, Rn. 52, und vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 -, NJW 2011, 511 = juris, Rn. 22 f.; s. auch BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1999 - 1 BvR 1472/91, 1 BvR 1510/91 -, NJW 1999, 3404 = juris, Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 -, a. a. O., Rn. 28.

Bei Zugrundelegung dieser Kriterien waren die Äußerungen des Ministeriums im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Klägerin ein funktionales Äquivalent zu einem unmittelbaren Eingriff mittels einer rechtlichen Regelung. Denn sie haben den Verkauf der E-Zigaretten und der (nikotinhaltigen) Liquids durch die Klägerin faktisch ähnlich wie eine rechtliche Verkaufsbeschränkung beeinträchtigt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 ‑ 13 B 127/12 ‑, a. a. O., Rn. 23; s. auch LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 -, S. 10 f. UA: " ... 2011 war ein Boomjahr. Nach der Warnung von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens vor E-Zigaretten Ende 2011 brach das Geschäft nach dem Boomjahr allerdings ein. ...".

Der Hinweis des Ministeriums, Handel und Verkauf dieser Waren seien im Falle der Nichteinhaltung arzneimittelrechtlicher oder medizinproduktrechtlicher Vorschriften verboten und mit der Gefahr strafrechtlicher Ahndung verbunden, suggerierte, dass insoweit zumindest ein erhebliches Risiko der Begehung strafbewehrter Handlungen bestehe. Damit wurden (potentielle) Verkäufer, die von der Klägerin hergestellte E-Zigaretten und Liquids vermarkteten bzw. eine solche Vermarktung planten, gewarnt, diese Handlungen seien Straftaten. Dieser Hinweis auf schwerwiegende Konsequenzen war in besonderem Maße geeignet, (potentielle) Verkehrsteilnehmer vom Handel mit nikotinhaltigen Liquids abzuhalten. Dies ergibt sich zusätzlich daraus, dass das Ministerium weiter mitteilte, es habe die Bezirksregierungen, die Kreise und die kreisfreien Städte über diese Rechtslage informiert. Damit wurde konkludent ein baldiges ordnungsbehördliches Einschreiten gegen den (vermeintlich) rechtswidrigen Vertrieb der E-Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids angekündigt.

Dass diese Äußerungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verkaufschancen und Geschäftsbeziehungen der Klägerin geeignet waren und auch geführt haben dürften, ist offensichtlich.

Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 ‑ 1 BvR 1072/01 ‑, a. a. O., Rn. 52 bis 55; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, a. a. O., Rn. 15.

Insoweit handelte es sich auch nicht um eine nur auf Transparenz innerhalb des Marktes ausgerichtete Information,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 ‑, a. a. O.,

Rn. 48 f., 67,

sondern um die Bewertung der Teilnahme am Markt an sich als Straftat.

Damit bezweckte das Ministerium des beklagten Landes, den Verkauf dieser Produkte zu verhindern bzw. jedenfalls zurückzudrängen. Selbst wenn man unterstellen würde, dem Ministerium sei es insoweit - unabhängig von seiner allein gesundheitspolitischen Zuständigkeit - nur um die Vermeidung eines strafwürdigen Verhaltens der jeweiligen Verkäufer gegangen, war dafür das Unterlassen der entsprechenden Verkaufstätigkeit die unvermeidliche Voraussetzung. Dadurch aber wurde der Umsatz der diese Produkte herstellenden Klägerin zwangsläufig und sicher erheblich beeinträchtigt.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 -, a. a. O., Rn. 29 bis 31; Neumann, jurisPR-BVerwG 19/2006, Anm. 5, D.

Auch wenn dies kein einzelfallbezogenes Vorgehen gegen die Klägerin darstellte, handelte es sich faktisch um eine Handlung, die gegen die bestimmbare und in ihrer Größenordnung sehr überschaubare Gruppe der Hersteller dieser Produkte gerichtet war.

Dafür, dass das Ministerium diese verkaufshemmende Wirkung bei den Verkehrskreisen beabsichtigte, spricht auch das in der Pressemitteilung enthaltene Zitat der Ministerin: "Angesichts der vielen Fragezeichen und der rechtlichen Situation kann ich allen Menschen nur abraten, ihre wirtschaftliche Existenz darauf zu gründen. Viel Zeit und Geld könnten fehlinvestiert werden."

Zudem übersandte das dem Ministerium nachgeordnete Landeszentrum für Gesundheit Nordrhein-Westfalen mit E-Mail vom 10. Februar 2012, und damit im engen zeitlichen Zusammenhang mit diesen Äußerungen, allen unteren Gesundheitsbehörden des Landes das Muster einer (von der Stadt L. erarbeiteten) Ordnungsverfügung zur Untersagung des Vertriebs nikotinhaltiger Liquids. Auch dies belegt die verfolgte Politik der Eindämmung dieses Handels, die bereits durch die Pressemitteilung begann.

Die verbotsähnliche Wirkung des Informationshandelns ist durch die in dem Erlass vom 16. Dezember 2011 enthaltenen Informationen verstärkt worden. Der Erlass war nicht nur an nachgeordnete Behörden gerichtet, sondern auch den Apothekerkammern "nachrichtlich" zur Kenntnis gegeben worden. Auch wenn das Ministerium die Weiterverbreitung dieser Information durch die Apothekerkammern an die einzelnen Apotheken nicht ausdrücklich anordnete oder empfahl, konnte und musste es damit rechnen, dass die Kammern ihre Mitglieder hierüber informieren würden (vgl. auch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 HeilBerG NRW). Dass diese Erwartung tatsächlich bestand, ergibt sich auch aus der Berufungserwiderung des beklagten Landes, wonach die gesetzliche Aufgabe der Apothekerkammern, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, die vorgenommene Information der Apotheken einschließe. Die Stellungnahme des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung, die Übermittlung apothekenrelevanter Erlasse an die Apothekerkammern sei üblich gewesen, deren Weiterleitung durch die Kammern an die Kammerangehörigen "nicht unbedingt", vermag dies nicht zu revidieren.

Die beabsichtigten Wirkungen des streitigen Informationshandelns ergeben sich auch aus der Klageerwiderung der in dem Verfahren 13 A 2448/12 beklagten Stadt X. , die mit Bescheid vom 10. Februar 2012 der Inhaberin des ersten dortigen Geschäfts für E-Zigaretten untersagt hatte, nikotinhaltige Liquids in den Verkehr zu bringen. Es sei "insbesondere nach der Positionierung des zuständigen Ministeriums in Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2011" erforderlich gewesen, den Vertriebsweg über Ladenlokale zu unterbinden. Diese Einschätzung einer nach § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 AMG für das Einschreiten gegen nicht zugelassene Arzneimittel zuständigen unteren Gesundheitsbehörde belegt die verhaltenslenkende, repressive Wirkung der streitigen Äußerungen.

Die in verschiedensten, regionalen wie überregionalen Medien erfolgte Berichterstattung über die Äußerungen des Ministeriums,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 ‑ 13 B 127/12 ‑, a. a. O., Rn. 24: Stern-Online vom 16.1.2012 ("Erste Bundesländer verbieten E-Zigaretten"), Focus-Online vom 16.1.2012 ("Bundesländer verbieten Verkauf"), RP-Online vom 7.2.2012 ("E‑Zigarette: Verwirrung bei Neusser Händlern"), Welt-Online vom 19.3.2012 ("Vorerst kein Verbot für E-Zigarette [in Niedersachsen]"), WDR vom 29.2.2012 ("Neuer Rückschlag für E-Zigarette"), Äußerung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ("Drogenbeauftragte setzt sich für Verbot der E-Zigarette ein" - "Das Verbot in NRW hält die Drogenbeauftragte für völlig richtig"),

verstärkte noch deren aufgezeigte verbotsähnliche Wirkung.

Diese Berichterstattung war zwar unzutreffend, soweit teilweise von einem Verbot durch das Ministerium berichtet wurde, obwohl tatsächlich eine Warnung vor einem (vermeintlichen) gesetzlichen Verbot des Inverkehrbringens ohne arzneimittelrechtliche Zulassung erfolgte. Aus Sicht des Verbrauchers sowie des (potentiellen) Verkäufers von E-Zigaretten, dem es vor allem um die Bewertung der Rechtslage durch staatliche Organe geht, war diese Abweichung aber nicht erheblich.

Zudem begründet es zwar grundsätzlich keine Haftung des Staates, wenn sein Informationshandeln von Medien und/oder Markteilnehmern unzutreffend aufgefasst bzw. interpretiert wird. Bei der Prüfung eines Unterlassungsanspruchs hinsichtlich einer etwaigen Wiederholung der Äußerung ist aber auch auf die tatsächlich entstandene Wirkung des Informationshandelns abzustellen. Wenn sich einmal geäußerte hoheitliche Informationen als geeignet herausgestellt haben, bei Medien und/oder erheblichen Teilen der Bevölkerung in einer gewissen Weise (miss-)verstanden zu werden, müssen staatliche Stellen, wenn sie eine Wiederholung dieser Informationen beabsichtigen, diese tatsächlichen Wirkungen der Äußerung beachten und ihnen ggf. entgegensteuern.

Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, a. a. O., Rn. 63.

Eine entsprechende Bereitschaft hat das beklagte Land aber nicht erklärt, geschweige denn die Art und Weise ihrer praktischen Umsetzung näher dargelegt. Ebenso wenig ist erkennbar oder aufgezeigt, dass bzw. aus welchen Gründen die streitigen Äußerungen bei ihrer erneuten Veröffentlichung im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung solche die Berufsausübung der Klägerin beeinträchtigenden Wirkungen nicht mehr hervorrufen würden.

2. Durch die Wahl eines funktionalen Äquivalents zu einem unmittelbaren Grundrechtseingriff können die für solche Eingriffe geltenden besonderen rechtlichen Anforderungen nicht umgangen werden.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 ‑ 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 ‑, a. a. O., Rn. 62, vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 -, BVerfGE 116, 202 = juris, Rn. 82, und vom 31. August 2009 ‑ 1 BvR 3275/07 ‑, a. a. O., Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 21.90 -, a. a. O., Rn. 32; Schoch, NVwZ 2011, 193 (195).

Deshalb ist wie bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsaktes zu prüfen, ob die rechtlichen Grundlagen gegeben sind.

Es kann offenbleiben, ob für die Äußerungen des Ministeriums eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage nötig war.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 C 20.04 -, a. a. O., Rn. 26; Martini/Kühl, DÖV 2013, 573 (576).

Sie waren jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die verlautbarte Rechtsauffassung, dass nikotinhaltige Liquids Arzneimittel und E-Zigaretten Medizinprodukte seien, nicht zutrifft. Diese Rechtsauffassung ist wegen der verbotsähnlichen Wirkung ihrer Äußerung und des damit verbundenen Grundrechtseingriffs nicht nur auf ihre Vertretbarkeit, sondern auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Nikotinhaltige Liquids unterfallen im Regelfall nicht dem Arzneimittelgesetz, die diese zur Anwendung bringenden E-Zigaretten sind regelmäßig keine Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes.

Etwas Anderes gilt nur, wenn ihnen von Seiten der Hersteller bzw. Vertreiber im Sinne eines Präsentationsarzneimittels (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) eine Bestimmung zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden zugeschrieben wird. Der Gesetzgeber hat mit dieser Definition die Begriffsbestimmung des Art. 1 Nr. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines einheitlichen Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG) übernommen, so dass diese Begriffsbestimmung und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH für den Arzneimittelbegriff im deutschen Recht auslegungsleitend ist.

Die nötige Bestimmung zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten ist nach der EuGH-Rechtsprechung gegeben, wenn das Erzeugnis als ein Mittel zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten ausdrücklich bezeichnet oder empfohlen wird oder wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung diese Eigenschaften hat.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2007, C‑319/05, Kommission/Deutschland (Knoblauchkapseln), Slg. 2007, I-9811, Rn. 43 bis 47.

Diese Rechtsprechung, die zu dem in Art. 1 Nr. 2 Unterabsatz 1 der Ursprungsfassung der Richtlinie 2001/83/EG enthaltenen Begriff der Bezeichnung (zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten) ergangen ist, ist auf den nun in Art. 1 Nr. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG verwendeten Begriff der Bestimmung (zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten) übertragbar.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 ‑ 3 C 8.10 ‑, A&R 2011, 128 = juris, Rn. 12 und 21; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 30. Mai 2013, C-109/12, Laboratoires Lyocentre, Rn. 41 Fn. 22.

Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/27/EG ergibt sich nicht, dass diese die Definition des Präsentationsarzneimittels in ihrer Bedeutung ändern sollte. Nach den Sätzen 2 und 3 des 7. Erwägungsgrundes sollte zwar die Begriffsbestimmung des Arzneimittels geändert werden, um zu vermeiden, dass Zweifel an den anzuwenden Rechtsvorschriften auftreten, wenn ein Produkt, das vollständig von der Definition des Arzneimittels erfasst wird, möglicherweise auch unter die Definition anderer regulierter Produkte fällt. Da diese Definition aber die Art der Wirkung, die das Arzneimittel auf die physiologischen Funktionen haben kann, spezifizieren sollte, betrifft dies nicht die Definition des Präsentations-, sondern des Funktionsarzneimittels.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 3 C 21.06 -, NVwZ 2008, 439 = juris, Rn. 25; EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009, C-140/07, a. a. O., Rn. 24 f.

Weder die Liquids noch die E-Zigaretten der Klägerin, in denen diese Liquids verdampft werden, werden als Mittel zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen. Dass die Klägerin ihre E-Zigarette als weniger gesundheitsschädliche Alternative zur Tabakzigarette bewirbt,

vgl. http://www...com/ -wissen/ gesundheit.html (aufgerufen am 16. September 2013),

bewirkt keine solche Bestimmung bzw. Bezeichnung als Mittel zur Heilung oder Linderung von Krankheiten. Ebenso wenig entsteht durch die Aufmachung der Liquids bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher (mit Gewissheit) der Eindruck, dass diese Erzeugnisse zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten geeignet sind. Ein solcher Eindruck folgt auch nicht aus der ‑ u.a. auf ihrer Homepage veröffentlichten ‑ Erklärung der Klägerin, dass die Liquids durch ein pharmazeutisches Labor und eine Apotheke gemäß der "Normen" ISO 9001:2000 und GMP2000 hergestellt werden und "pharmazeutischen Standards" entsprechen. Diese Qualitätsmerkmale lassen nicht auf eine Behandelbarkeit der Nikotinsucht schließen. Auch die Warnung der Klägerin vor den gesundheitlichen Gefahren des Nikotins begründet gerade nicht den Eindruck einer Eignung zur Heilung oder Linderung oder Verhütung von Krankheiten bzw. den Eindruck einer Arzneimitteleigenschaft.

Vgl. auch OVG S.-A., Beschluss vom 5. Juni 2012 - 3 M 129/12 -, a. a. O., Rn. 6.

Auch bei den sonstigen nikotinhaltigen Liquids und E-Zigaretten ist eine solche Bestimmung nicht ersichtlich. Vielmehr werden sie regelmäßig nur als weniger gesundheitsschädliche Alternative zur Tabakzigarette beworben.

Vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 17. September 2013 - 13 A 1100/12 - und - 13 A 2448/12 -; www. ...de; www...de; www...de/vorteile; www... de.

Marktübliche, nicht zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden bestimmte (niktoinhaltige) Liquids und E-Zigaretten einschließlich der Erzeugnisse der Klägerin sind ebenso wenig Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AMG, der Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG (in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG) in das deutsche Recht umsetzt.

Danach sind Funktionsarzneimittel Stoffe, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.

Dass bei normaler Anwendung marktüblicher nikotinhaltiger Liquids, die eine nicht unerhebliche Menge Nikotin enthalten (zwischen 3 und 25 mg, die Liquids der Klägerin 16 mg), die Beeinflussung des Stoffwechsels auch nennenswert ist,

vgl. EuGH, Urteile vom 15. November 2007, C‑319/05, a. a. O., Rn. 60, und vom 30. April 2009, C-27/08, a. a. O., Rn. 21 bis 23,

kann unterstellt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 ‑ 13 B 127/12 ‑, a. a. O., Rn. 27; s. auch OVG S.‑A., Beschluss vom 5. Juni 2012 - 3 M 129/12 -, a. a. O., Rn. 8; LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 -, S. 6 f. UA; Volkmer, PharmR 2012, 11 (15); kritisch Schink/Winkelmüller, DVBl. 2012, 1540 (1542); zu einem Nikotingehalt von nur 4,2 mg/Kapsel VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 - 7 K 3169/11, www.nrwe.de, Rn. 119 bis 125.

Ein Produkt ist aber nicht schon deshalb als Funktionsarzneimittel einzustufen, weil es einen Stoff enthält, der pharmakologisch wirkt und angewendet wird, um die physiologischen Funktionen zu beeinflussen.

Die weit gefasste Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AMG ist einschränkend auszulegen. Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, ist nach der ständigen EuGH-Rechtsprechung von Fall zu Fall zu treffen; dabei sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere seine Zusammensetzung, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann.

Vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012,

C-308/11, Chemische Fabrik Kreussler, NVwZ 2012, 1459 = juris, Rn. 33 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 -, a. a. O., Rn. 13 und 18.

Nach dieser Gesamtbetrachtung sind weder die Produkte der Klägerin noch andere marktübliche nikotinhaltige Liquids Funktionsarzneimittel.

Die Zusammensetzung nikotinhaltiger Liquids umfasst typischerweise Aromastoffe, Propylenglycol E 1520, Glycerin E 422, Nikotin und teilweise Ethanol.

Eine Verwendung von Nikotin kann zwar arzneilichen bzw. therapeutischen Zwecken dienen, beispielsweise in Nikotinpflastern oder dem O. Inhaler.

Vgl. auch § 1 Nr. 1 und Anlage 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV).

Durch die Verwendung von Nikotin ähneln bzw. imitieren E-Zigaretten jedoch Tabakzigaretten. Diese sind offensichtlich keine Arzneimittel, sondern unterfallen § 3 Abs. 1 VTabakG und der Richtlinie 2001/37/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen.

Zudem spricht das Vorhandensein der Aromastoffe gegen eine Arzneimitteleigenschaft der Liquids. Hierdurch soll die Inhalation des Liquiddampfes bei dem Nutzer einen angenehmen Geschmack erzeugen, sie soll ihm schmackhaft gemacht werden. Dies wirkt einer therapeutischen Nutzung als Mittel der Entwöhnung nikotin- bzw. tabakabhängiger Raucher vom Nikotinkonsum entgegen. Es deutet vielmehr auf die Eigenschaft dieser Liquids als Genussmittel hin.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 7 K 3169/11 ‑, a. a. O., Rn. 134.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass verschiedenste Arzneimittel, z. B. Hustensäfte, ebenfalls Aromen enthalten, um ihre orale Einnahme geschmacklich angenehmer zu gestalten. Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass diese Arzneimittel ein vom Hersteller vorherbestimmtes Aroma(gemisch) enthalten, das die Einnahme für den typischen Anwender verträglich gestaltet. Demgegenüber können die Nutzer von E-Zigaretten unter vielfältigen Geschmacksrichtungen und Aromen auswählen. So bietet die Klägerin Liquids in 17 verschiedenen Geschmacksrichtungen an.

Vgl. www...com/capsgallery.html; s. auch http://www...eu/de/, "Liquid der Woche"; www...de/shop/category/ aromafluids/ (jeweils aufgerufen am 17. September 2013).

Insoweit unterscheidet sich die Zusammensetzung bzw. Aromatisierung von dem zur Rauchentwöhnung zugelassenen Arzneimittel O. Inhaler. Dieses enthält allein Menthol und Nikotin, eine Geschmacksvariation bzw. Wahlmöglichkeit besteht nicht.

Auch die Modalitäten des Gebrauchs der Liquids sind nicht arzneimitteltypisch. Es fehlt eine Dosierungsempfehlung, mit der die Modalitäten des Gebrauchs näher vorgegeben werden, wie dies für Arzneimittel gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a) AMG).

Das Design und die Aufmachung der in Deutschland marktüblichen E-Zigaretten, mit denen die Liquids verdampft und inhaliert werden, sprechen ebenso gegen eine Arzneimitteleigenschaft. Indem diese E-Zigaretten der Form einer Tabakzigarette weitgehend nachgeahmt sind, soll den Nutzern der Eindruck vermittelt werden, eine dem Rauchen einer Tabakzigarette vergleichbare oder ähnliche Tätigkeit auszuüben. Das so imitierte Rauchen herkömmlicher Zigaretten ist aber offensichtlich keine Anwendung eines Arzneimittels, sondern eines Sucht- oder/und Genussmittels. Indiz für die Genussmitteleigenschaft ist auch die ansprechende, hochwertige Gestaltung dieser E-Zigarette. Auch insoweit stellt sich der Sachverhalt anders als bei dem der Rauchentwöhnung dienenden Arzneimittel O. Inhaler dar.

Die Inhalation des nikotinhaltigen Dampfes in den Mund- und Lungenraum kann zwar nicht nur der als Genuss empfundenen Nikotinaufnahme dienen, sondern auch dem Versuch, eine Nikotinabhängigkeit einzudämmen bzw. zu beenden. Viele Anwender der E-Zigarette dampfen nikotinhaltige Liquids aber allein als (genussreiche) Beschäftigung. Dies belegen zum einen die beigemischten, unterschiedlichen Aromen, zum anderen die Verwendung nicht nur nikotinhaltiger, sondern auch nikotinfreier Liquids in E-Zigaretten. Auch die Klägerin vermarktet nikotinfreie Liquids.

Die mittlerweile nicht unerhebliche Verbreitung verschiedener Arten von E‑Zigaretten und der zugehörigen nikotinhaltigen Liquids,

vgl. auch Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. September 2013, S. 22: "Batterie statt Tabak",

vermag eine Arzneimitteleigenschaft ebenso wenig zu belegen. Deren steigende Verbreitung trotz des bisherigen Fehlens eines Nachweises einer (durchschlagenden) therapeutischen Wirkung im Sinne einer Beendigung der Nikotinabhängigkeit,

vgl. BZgA, Pressemitteilung vom 19. Dezember 2011: "Gesundheitliche Risiken von E-Zigaretten nicht unterschätzen"; Deutsches Krebsforschungszentrum, Elektrische Zigaretten - ein Überblick, Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle, Bd. 19, April 2013, S. IX, 19, 25; Bullen u.a., The Lancet, Early Online Publication, 9. September 2013; s. auch VG Köln , Urteil vom 20. März 2012 - 7 K 3169/11 -, a. a. O., Rn. 130 bis 133,

spricht eher für ihre vorherrschende Funktion als Genuss- und Lifestyleobjekt. Ihre Bewerbung als - weniger gesundheitsschädliches - Genussmittel, nicht aber als Arzneimittel oder Mittel der Rauchentwöhnung, bestätigt dies.

Etwas anderes folgt schließlich nicht aus den mit der Inhalation nikotinhaltiger Liquids verbundenen Gefahren. Insoweit ist nur auf die im Rahmen des normalen Gebrauchs drohenden Risiken abzustellen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2009, C-27/08,

a. a. O., Rn. 24.

Folglich scheiden mit einer irregulären, übermäßigen Aufnahme der Liquids verbundene Gefahren, etwa durch missglücktes Befüllen der Kartuschen, ein überdurchschnittlich häufiges (dutzendfaches) Ziehen und Inhalieren ohne nennenswerte Pause oder einen Missbrauch seitens Minderjähriger,

vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum, Elektrische Zigaretten - ein Überblick, a. a. O., S. 4,

aus dieser Betrachtung aus. Auch ohne eine klassische Dosierungsempfehlung ergibt sich aus den Hinweisen der Hersteller zur Art und Weise der Nutzung der E-Zigaretten und der Liquids hinreichend klar, dass die genannten Beispiele kein normaler Gebrauch im Sinne der EuGH-Rechtsprechung sind.

Die mit der regulären Inhalation des Nikotindampfes verbundenen Gefahren sind zwar noch nicht abschließend erforscht. Dass hinsichtlich des Nikotins insoweit übermäßige, die Gesundheitsgefahren des Rauchens von Tabak erreichende bzw. übersteigende Risiken bestünden, ist (bisher) nicht erkennbar.

Vgl. Mellin, Die elektrische Zigarette, S. 6 m. w. N.

Hinsichtlich des im Liquid und im Dampf ebenfalls enthaltenen Propylenglycols ist zwar bekannt, dass dieses bei Aufnahme in größerer Menge (z.B. als sogenannter Diskonebel) die Schleimhäute reizen kann. Dass insoweit im Rahmen der regulären Inhalation mittels der E-Zigarette erhebliche Gefahren bestünden, ist dagegen nicht ersichtlich. Vielmehr stuft die US-Federal Drug Administration Propylenglycol generell als sicher ein. Das Expertenkomitee zu Nahrungszusätzen der Weltgesundheitsorganisation (JECFA) sieht eine tägliche Aufnahme von 25 mg/kg Körpergewicht als akzeptabel an.

Vgl. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Inhalation von Liquids der E-Zigaretten, 24. Februar 2012, S. 3 f.; Mellin, Die elektrische Zigarette, S. 6 m. w. N.; Deutsches Krebsforschungszentrum, Elektrische Zigaretten -

ein Überblick, a. a. O., S. 7 f.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft erscheinen die Gefahren der Inhalation der streitigen niktoinhaltigen Liquids im Vergleich zum regelmäßigen Rauchen von Tabakzigaretten als eher geringer, jedenfalls nicht als größer.

Vgl. auch Cahn/Siegel, E-Cigarettes as a harm reduction strategy for tobacco control, Journal of Public Health Policy 32 (2011), 16; Foulds/ Veldheer/Berg, Views of aficionados and clinical/ public health perspectives, International Journal of Clinical Practice, 2011, 1037 (1042); Vansickel /Weaver/Eissenberg, Clinical laboratory assessment of the abuse liability of an electronic cigarette, Addiction 107 (2012), 1493; Bullen u. a., Electronic cigarettes for smoking cessation: a randomised controlled trial, a. a. O.

Nach der Rechtsprechung des EuGH darf die Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG, die neben dem Schutz der menschlichen Gesundheit den freien Warenverkehr innerhalb der Union sicherstellen soll, aber nicht zur Folge haben, dass Behinderungen des Warenverkehrs entstehen, die völlig außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel des Gesundheitsschutzes stehen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009, C‑140/07, a. a. O., Rn. 27; zu Medizinprodukten s. EuGH, Urteil vom 22. November 2012, C‑219/11, Brain Products, EuZW 2013, 117 = juris, Rn. 26 bis 32.

Angesichts der Tatsache, dass bisher nicht ersichtlich, geschweige denn wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die gesundheitlichen Folgen der regulären Nutzung der E-Zigarette (einschließlich nikotinhaltiger Liquids) zu Schädigungen der menschlichen Gesundheit führt, welche die typischen Schäden durch Konsum von Tabakzigaretten erreichen bzw. übersteigen, spricht auch die Warenverkehrsfreiheit gegen die Arzneimitteleigenschaft dieser Produkte.

Bei der Einzelfallentscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, ist darüber hinaus zu beachten, dass Arzneimittel typischerweise eine therapeutische Eignung besitzen und die Anwender ihnen einen therapeutischen Zweck beimessen, sie also in der Regel der Verhinderung bzw. Bekämpfung von Krankheiten oder unerwünschten körperlichen Zuständen und Befindlichkeiten dienen, wie es sich schon aus dem Arzneibegriff ergibt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 ‑ 13 B 127/12 ‑, a. a. O., Rn. 29 f.; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. März 2013 ‑ 4 K 1119/11 ‑, PharmR 2013, 280 = juris, Rn. 24 f.

Würde dieser Aspekt der therapeutischen Eignung und Zweckbestimmung generell ausgeblendet, bestünde die Gefahr, dass es zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung des freien Warenverkehrs (Art. 34 AEUV) käme. Denn die Erteilung der für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln gemäß Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG nötigen Zulassung hängt gerade u.a. von der zureichenden Begründung der therapeutischen Wirksamkeit (Art. 26 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG) und dem Bestehen eines günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (Art. 26 Abs. 1 Buchstabe a), Art. 1 Nr. 28a) ab.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009, C‑140/07, a. a. O., Rn. 27; Rennert, NVwZ 2008, 1179 (1184); Voit, PharmR 2012, 241 (244 f.); zu Medizinprodukten s. EuGH, Urteil vom 22. November 2012, C-219/11, Brain Products, a. a. O., Rn. 26 bis 32.

Auch die Definition des Medizinprodukts nach Art. 1 Abs. 2 Buchstabe a) dritter Gedankenstrich der Richtlinie 93/42/EWG setzt eine medizinische Zweckbestimmung voraus. Dies ergibt sich aus der gebotenen systematischen Auslegung unter Beachtung der beiden vorangestellten Gedankenstriche und geht über den Wortlaut der Norm hinaus. Dieser erfordert nur eine Bestimmung zu Untersuchung, Ersatz oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs.

Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2012, C‑219/11, Brain Products, a. a. O.; dazu Müller, EuZW 2013, 119.

Bei einer abweichenden, den therapeutischen Aspekt generell ignorierenden Gesetzesanwendung wäre zudem die Definition des Funktionsarzneimittels regelmäßig zu weit gefasst. Die physiologischen Funktionen des Körpers können nämlich durch zahlreiche Stoffe ohne arzneimittelspezifischen Bezug beeinflusst werden, so durch Lebensmittel, Genussmittel und Giftstoffe.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2007, C‑319/05, a. a. O., Rn. 61 bis 65.

Sinn und Zweck des Arzneimittelgesetzes ist aber nicht die Regulierung des Verkehrs sämtlicher Stoffe, die sich auf die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers (schädlich) auswirken können. § 1 AMG begrenzt den Zweck dieses Gesetzes vielmehr darauf, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen, insbesondere für deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies rechtfertigt Verkehrsverbote bei Therapeutika, die der Behandlung erkrankter Menschen dienen und diese Kriterien nicht erfüllen. Für physiologisch bzw. pharmakologisch wirksame Stoffe ohne therapeutische Eignung gilt dies nicht generell im gleichen Maße. Auch der - durch § 2 Abs. 3a AMG modifizierte - Ausschluss verschiedenster Stoffgruppen aus dem Arzneimittelbegriff gemäß § 2 Abs. 3 AMG belegt, dass nicht jegliche Beeinflussung physiologischer Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung die Arzneimitteleigenschaft begründet.

Während die weite Auslegung des Begriffs des Präsentationsarzneimittels die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff der Funktionsarzneimittel diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische (oder immunologische oder metabolische) Wirkung wissenschaftlich festgestellt wurde und die tatsächlich dazu bestimmt sind, physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.

Vgl. EuGH, Urteile vom 15. November 2007, C‑319/05, a. a. O., Rn. 61, und vom 15. Januar 2009, C-140/07, a. a. O., Rn. 25.

Entsprechend ist das Arzneimittelrecht nicht auf jedes Vorprodukt eines Funktionsarzneimittels anwendbar, sondern erst dann, wenn für das Produkt im Zeitpunkt der Herstellung eindeutig feststeht, dass seine künftige Zweckbestimmung ausschließlich darin besteht, durch Anwendung im menschlichen Körper - wenn auch erst im notwendigen Zusammenwirken mit einem anderen Stoff - arzneilichen Zwecken zu dienen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 ‑ 3 C 8.10 ‑, a. a. O., Rn. 17 f.

Die Berücksichtigung, ob ein Erzeugnis eine therapeutische Eignung bzw. Zweckbestimmung aufweist, als ein Aspekt im Rahmen der nötigen Gesamtbetrachtung kann zwar - je nach Ergebnis dieser Gesamtbetrachtung - dazu führen, dass Stoffe, die diese Merkmale nicht aufweisen, nicht unter die Vertriebsbeschränkungen des Arzneimittelgesetzes fallen, wie z.B. manche (aber nicht alle, vgl. § 81 AMG) Betäubungsmittel. Der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber können den mit der Anwendung dieser Stoffe verbundenen Gesundheitsgefahren jedoch mittels anderer Regelwerke des Gefahrenabwehr- bzw. Gefahrstoffrechts, z.B. des BtMG und der BtMVV, entgegen treten.

Vgl. auch den Beschluss 2005/387/JI des Rates vom 10. Mai 2005 betreffend den Informationsaustausch, die Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen psychoaktiven Substanzen und die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 17. September 2013 zu ihrem Vorschlag einer wesentlichen Verschärfung.

Sind die therapeutische Eignung und Zweckbestimmung allein im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, kann hiergegen nicht eingewendet werden, dass Kontrazeptiva und Lokalanästhetika als Arzneimittel eingestuft werden. Diese Mittel dienen jeweils der Verhinderung bzw. Beendigung vom Anwender nicht erwünschter Zustände des Körpers. Daher weicht ihr Zweck von dem typischen therapeutischen Zweck eines Arzneimittels nur geringfügig ab, Lokalanästhetika unterstützen gerade die Vornahme eines gesundheitsbezogenen ärztlichen Eingriffs. Dies gebietet ihre regulatorische Einstufung, Prüfung und Überwachung als Arzneimittel.

Vgl. Müller, PharmR 2012, 137 (139); Schink/ Winkelmüller, DVBl. 2012, 1540 (1543) m. w. N.

Damit sind für die Anwendung in E-Zigaretten bestimmte nikotinhaltige Liquids nicht vergleichbar. Eine therapeutische Eignung solcher Liquids und eine entsprechende Zweckbestimmung durch einen wesentlichen Teil der Nutzer ist nicht erkennbar.

Allein die Möglichkeit nikotinabhängiger Konsumenten, durch Inhalation der verdampften Liquids Entzugssymptome kurzfristig zu lindern, reicht für die Annahme einer therapeutischen Wirkung nicht aus. Zwar wird dadurch das - je nach Art der Nikotinsucht bestehende - physische und/oder psychische Verlangen nach Nikotin für einen überschaubaren Zeitraum gestillt. Physiologisch erfolgt damit aber keine Besserung des Gesundheitszustands, sondern eine der Gesundheit abträgliche physische Aufnahme und Anreicherung von Nikotin.

Vgl. auch Schink/Winkelmüller, DVBl. 2012, 1540 (1543 f.); a. A. Stollmann, NVwZ 2012, 401 (403).

Auch die typischerweise nur sehr kurze Dauer einer solchen alternativen Suchtbefriedigung spricht gegen die Annahme einer die Arzneimitteleigenschaft begründenden therapeutischen Wirkung.

Ebenso wenig greift der Verweis auf die Arzneimitteleigenschaft des zur Substitution von Heroin verwendeten Diamorphins (§ 47b AMG). Dieses ist auf Grund der speziellen Regelungen in § 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 2a BtMG, § 5 Abs. 1 und 4 Satz 1 Nr. 3 BtmVV ein zur Substitution zugelassenes Arzneimittel. Es dient der Behandlung Schwerstopiatabhängiger und soll den illegalen Betäubungsmittelkonsum einschränken.

Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Bd. III, Stand 2010, § 47b Rn. 3; Kügel, in: Kügel/ Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 47b Rn. 2 und 5.

Vergleichbare Regelungen durch den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber fehlen hier.

Dass auch mittels anderer Betäubungsmittel, wie Methadon, eine Substitution mit therapeutischer Zielrichtung stattfindet, um eine Betäubungsmittelsucht abzumildern oder zu beenden, rechtfertigt keine andere Betrachtung der streitgegenständlichen Liquids. Während hinsichtlich Methadon die Anwendung zur Substitution auf einer ärztlichen Verschreibung beruht (§ 2 Abs. 1 Buchstabe a) Nr. 12, § 5 Abs. 4 Nr. 1 BtmVV, Anlage III BtMG), die den strengen Vorgaben des § 5 BtmVV genügen muss,

vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 - 13 A 1300/12 -, www.nrwe.de, Rn. 11,

findet eine entsprechende ärztliche Entscheidung und Aufsicht bei der Anwendung nikotinhaltiger Liquids nicht statt.

Eine therapeutische Wirkung der Liquids ergibt sich auch nicht aus einer gegenüber dem Rauchen von Tabakprodukten etwaig geringeren Menge aufgenommenen Nikotins bzw. anderer Schadstoffe. Wenn der Verbraucher durch Änderung seiner Konsumgewohnheit statt des Rauchens von Tabakprodukten nikotinhaltige Liquids mittels E-Zigarette inhaliert und dadurch geringere Mengen Nikotin absorbiert, begründet dies keine therapeutische Wirkung der E-Zigarette bzw. der Liquids, sondern ist die Folge der Verbraucherentscheidung, ein (potentiell) weniger schädliches Mittel anzuwenden.

Vgl. BZgA, Pressemitteilung vom 19. Dezember 2011: "Gesundheitliche Risiken von E-Zigaretten nicht unterschätzen"; Deutsches Krebsforschungszentrum, Elektrische Zigaretten - ein Überblick, a. a. O., 19, 25.

Überdies ist nicht allgemeingültig feststellbar, dass die Nikotinmenge, die bei typischer Art und Häufigkeit der Inhalation der - mit keiner konkreten Dosierungsempfehlung versehenen - streitigen nikotinhaltigen Liquids vom Körper des jeweiligen Nutzers aufgenommen wird, im Vergleich zu der typischerweise zuvor durch gerauchte Tabakprodukte absorbierten Nikotinmenge nennenswert geringer ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, dürfte vielmehr von der Qualität der jeweiligen E-Zigarette einschließlich der Akkuleistung, der individuellen Handhabung und den Gebrauchsgewohnheiten abhängen.

Vgl. auch Deutsches Krebsforschungszentrum, Elektrische Zigaretten - ein Überblick, a. a. O., S. 5 f.; LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12, S. 15 UA: "weil ... die Nikotinaufnahme durch Dampfen einige Erfahrung und eine gewisse Lernkurve voraussetze."

Dass der Gebrauch nikotinhaltiger Liquids im Sinne eines Therapeutikums tatsächlich geeignet ist, innerhalb einer überschaubaren Zeit typische Formen der Nikotinsucht zu beenden, so dass ein diese inhalierender nikotinabhängiger Nutzer die gesundheitlich abträglichen Folgen des Nikotinkonsums nicht mehr tragen muss, ist weder von der Beklagten dargelegt noch ersichtlich.

Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 7 K 3169/11 ‑, a. a. O., Rn. 130 bis 132 m. w. N.; Foulds/Veldheer/Berg, International Journal of Clinical Practice, 2011, 1037 (1042).

Nach Ansicht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist die E-Zigarette zur Erreichung eines Rauchstopps nicht geeignet. Hierfür sei eine mit deren Konsum nicht erreichbare Verhaltensänderung nötig.

Vgl. BZgA, Pressemitteilung vom 19. Dezember 2011: Gesundheitliche Risiken von E-Zigaretten nicht unterschätzen.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum ist der Auffassung, der Nutzen von E‑Zigaretten als Hilfsmittel für einen dauerhaften Rauchstopp sei derzeit nicht erwiesen. Zudem warnt es, dass die Inhalation von Nikotin mittels E-Zigarette bei nicht nikotinsüchtigen Konsumenten die Gefahr des Entstehens einer solchen Abhängigkeit begründen könnte.

Vgl. Elektrische Zigaretten - ein Überblick, a. a. O., S. IX, 19, 25.

Soweit das beklagte Land auf eine Studie von Polosa u.a. (BMC Public Health 2011, S. 786) verweist, schließt sich der Senat der Einschätzung der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vom 29. Februar 2012 an, dass die Studienergebnisse aufgrund methodischer Mängel, insbesondere der kleinen Fallzahl von nur 40 Probanden, nicht geeignet ist, verlässliche Aussagen über die Eignung von E-Zigaretten zur Raucherentwöhnung zu treffen.

Vgl. BT-Drs. 17/8772, S. 20.

Auch nach einer aktuellen wissenschaftlichen Studie von Bullen u.a. waren von 289 Nutzern einer E-Zigarette, die das Rauchen von Tabak aufgeben wollten, nach sechs Monaten nur 21 (= 7,3 %) abstinent. Diese Rate war wesentlich geringer, als die Forscher nach eigenem Bekunden erwartet hatten. Zudem waren 4,1% der Probanden, die nur eine nikotinfreie E-Zigarette als Placebo erhielten, nach sechs Monaten ebenfalls noch abstinent.

Vgl. Bullen u.a., Electronic cigarettes for smoking cessation: a randomised controlled trial, a. a. O.

Dies belegt, dass die Nutzung der E-Zigarette bei einer Entwöhnung vom Nikotinkonsum zwar als Hilfsmittel genutzt werden kann, das im Einzelfall eine unterstützende Wirkung haben mag. Eine erfolgreiche Beendigung der Nikotinabhängigkeit dürfte aber wesentlich von dem konsequenten Verhalten der Betroffenen abhängen. Der Hinweis des BfArM in dem Verfahren 13 A 1100/12, die niedrige Erfolgsrate habe wohl auch am Fehlen eines psychologischen Unterstützungsprogramms gelegen, führt zu keiner anderen Einschätzung. Unabhängig davon, ob bzw. inwieweit eine solche Unterstützung die Erfolgschancen der Probanden tatsächlich gesteigert hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Nutzer der E-Zigarette, die eine Tabakentwöhnung beabsichtigen, typischerweise an einem psychologischen Unterstützungsprogramm teilnehmen.

Darüber hinaus lässt sich eine therapeutische Zweckbestimmung der typischen nikotinhaltigen Liquids nicht feststellen. Denn es ist nicht erkennbar, dass ein wesentlicher Teil der Konsumenten diese Liquids aus einer (überwiegend) therapeutischen Zweckbestimmung inhaliert, um eine Nikotinabhängigkeit zu beenden.

Angesichts einiger wissenschaftlicher Untersuchungen und Nutzerbefragungen,

vgl. z.B. Bullen, Tobacco Control 2010, 98; Etter, BMC Public Health 2010, 231; Etter/Bullen, Addiction 106 (2011), 2017,

kann zwar davon ausgegangen werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Konsumenten mittels der E-Zigarette den Umfang der eigenen Nikotinaufnahme zu vermindern beabsichtigt. Dass aber ein wesentlicher Teil der Nutzer (in Deutschland) mittels der Inhalation nikotinhaltiger Liquids eine bestehende Nikotinabhängigkeit ernsthaft zu beenden versucht, lässt sich nicht hinreichend konkret feststellen.

Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 7 K 3169/11 ‑, a. a. O., Rn. 138 bis 141; Voit, PharmR 2012, 241 (243) m. w. N.; Volkmer, PharmR 2012, 11 (13); Deutsches Krebsforschungszentrum, Elektrische Zigaretten - ein Überblick, a. a. O., S. 18 m. w. N.

Ein erheblicher Teil der Nutzer verwendet die E-Zigarette nicht für den Versuch, den Nikotinkonsum zu beenden, sondern als Genuss- bzw. Lifestyleprodukt, teilweise wohl in der Hoffnung, damit bestehende Nichtraucherschutzgesetze nicht zu verletzen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Liquids und die zugehörigen E-Zigaretten von den Herstellern (einschließlich der Klägerin) nicht als Mittel der Rauchentwöhnung bezeichnet werden und eine diesbezügliche allgemeine Verkehrsanschauung in Form einer entsprechenden Überzeugung der Nutzerkreise nicht erkennbar ist.

Schließlich spricht die Tatsache, dass der Europäische Gesetzgeber gegenwärtig über den Entwurf einer die Richtlinie 2001/37/EG ersetzenden EU-Richtlinie über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen berät, nach der nikotinhaltige Produkte u.a. ab einem Gehalt von 2 mg Nikotin pro Einheit oder einer Konzentration von mehr als 4 mg/ml zulassungspflichtige Arzneimittel sein sollen,

vgl. KOM(2012) 788 final; Pressemitteilung des Rates Nr. 11388/13 vom 21. Juni 2013,

dafür, dass solche nikotinhaltigen Liquids und E-Zigaretten de lege lata gerade keine Arzneimittel sind. Eine allein die geltende Rechtslage klarstellende Regelung vermag der Senat in dem detaillierten Entwurf des insoweit einschlägigen Art. 18 des Richtlinienvorschlags nicht zu erkennen.

Da die nikotinhaltigen Liquids keine Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG sind, greift die Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3a AMG nicht ein. Danach sind Arzneimittel auch Erzeugnisse, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können. Das Arzneimittelgesetz ist danach nur in den Fällen einschlägig, in denen das Produkt die Arzneimitteldefinition tatsächlich erfüllt, also eindeutig ein Arzneimittel ist.

Vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 41; OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2010 - 13 A 622/10 -; zu Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG s. EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009, C-140/07, a. a. O., Rn. 24 bis 26.

Nach alledem kann offenbleiben, ob die nikotinhaltigen Liquids schon auf Grund der Ausnahmeregelung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG, § 3 Vorläufiges Tabakgesetz (VTabakG) keine Arzneimittel sind.

Wenn das in nikotinhaltigen Liquids vorhandene Nikotin nicht synthetisch, sondern aus Rohtabak gewonnen wurde, dürften die Liquids zwar aus Rohtabak bzw. unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse gemäß § 3 Abs. 1 VTabakG sein,

vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. V, Stand Juli 2011, C 900 § 3 Rn. 9; LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 -, S. 16 f. UA; Müller, in: Kügel/Müller/ Hofmann, a. a. O., § 2 Rn. 192,

bzw. zumindest Tabakerzeugnissen ähnliche Waren im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG.

Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., § 3 Rn. 8, 22.

Die Liquids sind aber nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 VTabakG zum Rauchen bestimmt und dürften auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG zum anderweitigen oralen Gebrauch bestimmt sein.

Der Begriff des Rauchens im Sinne dieser Vorschrift setzt einen Verbrennungsvorgang (Pyrolyse) voraus, bei dem feste Schwebepartikel entstehen. Demgegenüber werden die nikotinhaltigen Liquids nicht verbrannt, sondern verdampft, so dass Aerosole mit flüssigen Partikeln inhaliert werden.

Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., § 3 Rn. 8 f.; Kasper/Krüger/Stollmann, MedR 2012, 495 (500); Volkmer, PharmR 2012, 11 (15); a. A. Krüßen, PharmR 2012, 143 (144).

Mit der Aufnahme des Begriffs des anderweitigen oralen Gebrauchs in § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 VTabakG hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung an die Novellierung der Richtlinie 89/622/EWG durch die Richtlinie 92/41/EWG angeknüpft. Mit dieser reagierte der Gemeinschaftsgesetzgeber gemäß den Erwägungsgründen zur Richtlinie auf die Vermarktung spezifischer neuartiger Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch. Diese wirkten besonders auf Kinder und Jugendliche anziehend, Untersuchungen des Internationalen Krebsforschungszentrums hätten besonders große Mengen an Krebserregern festgestellt, die vor allem Krebserkrankungen der Mundhöhle verursachten.

Vgl. BT-Drs. 12/6992, S. 5, 13; Zipfel/Rathke,

a. a. O., § 3 Rn. 2.

Dies verdeutlicht, dass der Begriff des anderweitigen oralen Gebrauchs spezifische Produkte erfassen sollte, die länger in der Mundhöhle gehalten werden.

Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., § 3 Rn. 2 und 17; VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 - 7 K 3169/11, a. a. O., Rn. 181; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2012 - 16 L 2043/11 -, www.nrwe.de, Rn. 20; Kasper/Krüger/ Stollmann, MedR 2012, 495 (500); Stollmann, NVwZ 2012, 401 (404); Volkmer, PharmR 2012, 11 (15); a. A. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. März 2013 - 4 K 1119/11 -, a. a. O., Rn. 35; LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 -, S. 17 f. UA.

Demgegenüber erfolgt die wesentliche Aufnahme der verdampften nikotinhaltigen Liquids nicht über den Mundraum, sondern mittels Inhalation in die Lunge.

Darüber hinaus umfasst die in Art. 2 Nr. 4 der EU-Tabak-Richtlinie 2001/37/EG enthaltene Definition von "Tabak zum oralen Gebrauch" alle zum oralen Gebrauch bestimmten Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus Tabak bestehen, sei es in Form eines Pulvers oder feinkörnigen Granulats oder einer Kombination dieser Formen, insbesondere in Portionsbeuteln bzw. porösen Beuteln, oder in einer Form, die an ein Lebensmittel erinnert, mit Ausnahme von Erzeugnissen, die zum Rauchen oder Kauen bestimmt sind.

Die verdampften Liquids unterfallen auch dieser Definition nicht, die nach dem Wortlaut der Richtlinie abschließend ist,

a. A. LG Frankfurt (Main), Urteil vom 24. Juni 2013 - 5/26 KLs 13/12 -, S. 21 UA.

Bei den Liquids liegt weder eine Pulverform noch ein feinkörniges Granulat oder eine Kombination dieser Formen vor. Ihre Form erinnert auch nicht an ein Lebensmittel.

Schließlich spricht das erwähnte, auf Unionsebene laufende Rechtssetzungsverfahren zur arzneimittelrechtlichen Regulierung nikotinhaltiger Liquids dagegen, dass insoweit bereits eine Regelung mittels des Tabakrechts erfolgt ist.

Da (nikotinhaltige) Liquids in aller Regel keine Arzneimittel sind, sind die ihrer Inhalation dienenden E-Zigaretten und Kartuschen keine Medizinprodukte im Sinne des § 2 Abs. 3, § 3 Nr. 1 bis 3 MPG. Sie sind nicht dazu bestimmt, Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG zu verabreichen. Ein Fall des § 2 Abs. 3 Satz 2 MPG liegt ebenso wenig vor.

Soweit das beklagte Land darauf hinweist, dass jedenfalls einzelne Teile der streitigen Äußerungen des Ministeriums richtig und rechtmäßig seien, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist der Inhalt des ersten Satzes, "der Handel und der Verkauf von E-Zigaretten sowie von liquidhaltigen Kartuschen, Kapseln oder Patronen für E-Zigaretten sind, soweit die arzneimittel- und medizinproduktrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, gesetzlich verboten", zutreffend, da das gesetzliche Verbot eine Nichteinhaltung der arzneimittel- und medizinproduktrechtlichen Vorschriften voraussetzt. Auch mag es nicht gänzlich ausgeschlossen sei, dass bei einzelnen nikotinfreien Liquids aufgrund von bestimmten Inhaltsstoffen eine Anwendbarkeit arzneimittelrechtlicher Vorschriften in Betracht kommen kann. Ebenso trifft es für sich genommen zu, dass sich der Gefahr strafrechtlicher Ahndung (§§ 95, 96 AMG) aussetzen kann, wer gegen bestimmte Vorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt.

Die Äußerungen des Ministeriums stellen aber eine in sich zusammenhängende Gesamtäußerung dar, die als Ganzes streitbefangen ist. Gerade als Ganzes erweckt sie bei dem typischen Adressaten, dem aufgeklärten Verbraucher im Sinne der EuGH-Rechtsprechung, den vom Ministerium beabsichtigten, aber rechtlich nicht haltbaren Eindruck, jegliche bzw. die handelstypischen E‑Zigaretten und liquidhaltigen Kartuschen, Kapseln oder Patronen unterfielen arzneimittel- und/oder medizinproduktrechtlichen Verkehrsverboten, insoweit bestehe auch die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung. Der Verweis auf das - im Falle der Nichteinhaltung arzneimittelrechtlicher oder medizinproduktrechtlicher Vorschriften greifende - gesetzliche Verbot des Handels und Verkaufs wäre nicht erfolgt, wenn nicht (nach der Auffassung des Ministeriums) die Nichteinhaltung dieser Vorschriften gerade durch das jeweilige Inverkehrbringen typischerweise oder regelmäßig ernsthaft drohen würde.

Zudem ist der Satz "Wer gegen die genannten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, setzt sich der Gefahr strafrechtlicher Ahndung aus" irreführend. Er nimmt Bezug auf scheinbar bestimmte, nämlich "genannte" Vorschriften, in der Pressemeldung werden einzelne Vorschriften des Arzneimittelgesetzes aber gar nicht näher bezeichnet. Die Bezugnahme auf "genannte Vorschriften" suggeriert jedoch, dass ein bestimmter gesetzlicher Verbotstatbestand existiert und seine Verwirklichung im Raume steht. Mangels Konkretisierung dieser Vorschriften ist dem Adressaten eine eigenständige Prüfung dieser Rechtsauffassung nicht möglich.

Dieses Urteil untersagt dem beklagten Land und seinen Behörden nicht allgemein die Äußerung, dass sich der Gefahr strafrechtlicher Ahndung aussetzt, wer gegen bestimmte Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, insbesondere § 21 Abs. 1 AMG, verstößt. Vielmehr beschränkt sich das Verbot auf die Äußerung dieser Rechtsansicht in Verbindung mit E-Zigaretten und zugehörigen Liquids, die weder Präsentations- noch Funktionsarzneimittel sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.