VG Lüneburg, Urteil vom 09.08.2013 - 6 A 78/12
Fundstelle
openJur 2013, 36874
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid, mit dem die Beklagte Kosten für einen Einsatz ihrer Freiwilligen Feuerwehr, Ortswehr B., geltend macht.

Am Neujahrsmorgen 2012 fuhr der Kläger gegen 4.00 Uhr früh mit seinem Pkw, einem VW-Golf, auf der K 5 von B. in Richtung C.. In der Ortschaft D. kam er auf der E. Straße nach einer scharfen Rechtskurve von der Fahrbahn ab, durchfuhr zwei Gärten und prallte anschließend gegen die Hauswand des Hauses Nr. 10. Die Hauswand wurde dadurch teilweise durchstoßen.

Gegen 4.04 Uhr wurden die Freiwilligen Feuerwehren D. und B. sowie unmittelbar im Anschluss die Polizei F. alarmiert. Das Einsatzstichwort bei der Feuerwehr lautete: „Technische Hilfe Y, Person nach Verkehrsunfall eingeklemmt“. Die Ortswehr D. rückte mit einem Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF) sowie mit neun Feuerwehrleuten aus. Von der Feuerwehr B. kamen vier Kameraden mit einem Tanklöschfahrzeug (TLF 16/25), neun Feuerwehrleute mit einem Löschgruppenfahrzeug (LF 10/6) sowie drei Kameraden mit einem Rüstwagen (RW 2), der dem Landkreis Harburg gehört.

Im Laufe des Einsatzes kümmerten sich zunächst einige Feuerwehrleute um den Kläger, der bewusstlos in seinem völlig zerstörten Fahrzeug eingeklemmt war. Nach ca. 15 Minuten wurde der Kläger an den Notarzt übergeben und mit dem Krankenwagen in das Klinikum G. verbracht, wo ein Blutalkoholgehalt von 2,93 g/l festgestellt wurde. Nach ca. 1,5 Stunden rückten die Kameraden der Ortswehr B. mit den eingesetzten Fahrzeugen wieder ab.

Durch Bescheid der Samtgemeinde F. vom 31. Januar 2012 setzte diese gegenüber dem Kläger Einsatzkosten der Freiwilligen Feuerwehr F., Ortswehr D., in Höhe von insgesamt 518,50 EUR fest. Diese Kosten beinhalteten den jeweils zweistündigen Einsatz des Tragkraftspritzenfahrzeugs und der neun Feuerwehrleute sowie die Kosten der Firma H. in Höhe von 178,50 EUR für das provisorische Schließen und Abstützen des Wanddurchbruchs. Diese Kosten zahlte der Kläger in Raten ab.

Durch Bescheid der Beklagten vom 4. April 2012 setzte diese gegenüber dem Kläger Einsatzkosten der Freiwilligen Feuerwehr I., Ortswehr B., in Höhe von 574,14 EUR fest. Diese Kosten umfassten den jeweils eineinhalbstündigen Einsatz des Tanklöschfahrzeugs, des Löschgruppenfahrzeugs sowie von 15 Feuerwehrleuten.

Durch Bescheid des Landkreises Harburg vom 10. April 2012 machte dieser gegenüber dem Kläger zudem die Kosten für den zweistündigen Einsatz des Rüstwagens in Höhe von 216,78 EUR geltend. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Verfahrens 6 A 92/12.

Durch Schreiben vom 6. Mai 2012 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten die Prüfung des Kostenbescheids im Hinblick auf § 6 der einschlägigen Satzung (Billigkeitsmaßnahmen). Durch Schreiben vom 9. Mai 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie eine Rücknahme des Kostenbescheids vom 4. April 2012 nicht in Betracht ziehen würde.

Daraufhin hat der Kläger am 7. Mai 2012 die Klage erhoben.

Er ist der Ansicht, dass die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten und in Rechnung gestellten Sach- und Dienstleistungen der Freiwilligen Feuerwehr nicht gewahrt sei. Es sei nicht ersichtlich, wieso der Einsatz von weiteren 15 Feuerwehrleuten notwendig gewesen sei, obwohl schon die Ortswehr D. mit neun Einsatzkräften am Unfallort tätig gewesen sei. Ausweislich des Polizeiberichts der Polizei F. sei die Verkehrsstufe als „störungsfrei“ und „schwach“ zu bewerten, so dass die Absicherung der Unfallstelle mit zehn Kameraden nicht erforderlich gewesen sei. Zudem habe der Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr B. der Hilfeleistung zur Menschenrettung aus akuter Lebensgefahr gegolten und sei daher nach § 26 Abs. 1 S. 1 NBrandSchG unentgeltlich.

Im Übrigen sei mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ein Absehen von der Kostenerhebung geboten. Der Kläger verdiene als angestellter Koch ca. 1.000,- EUR im Monat und sei seinem minderjährigen, bei der Kindesmutter lebenden Sohn zum Unterhalt verpflichtet. Angesichts der Kostenhöhe von insgesamt 1.309,41 EUR sei der Kläger aus sozialen Gründen einzelfallbezogen besonders schutzbedürftig.

Der Kläger beantragt,

den Kostenbescheid der Beklagten vom 4. April 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Einsatzkräfte sei nicht zu erkennen. Fünf der eingesetzten Kameraden seien eine Viertelstunde damit beschäftigt gewesen, den Kläger bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu betreuen. Die anderen zehn Kameraden hätten sich um das Ausleuchten und Absichern der in einer Kurve gelegenen Einsatzstelle gekümmert. Nach der Befreiung des Klägers hätten die Feuerwehrleute dem Bergungsunternehmen geholfen, den Pkw aus der Mauer Richtung Abschleppwagen zu schieben. Zudem sei den Bewohnern geholfen worden, die eingedrückten Wände von innen frei zu räumen, um Balken und Drehsteifen ansetzen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich des Verfahrens 6 A 92/12 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Soweit in dem angefochtenen Bescheid Kosten von mehr als 509,51 EUR veranschlagt wurden – also hinsichtlich einer Summe von 64,62 EUR - ist der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2012 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dagegen war die Beklagte berechtigt, Kosten bis zu einer Höhe von 509,51 EUR zu verlangen, so dass der angefochtene Bescheid insofern rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet ist.

Die Beklagte kann die Kosten dann rechtmäßig erheben, wenn eine wirksame Ermächtigungsgrundlage besteht (a) und die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage im vorliegenden Einzelfall erfüllt sind (b).

Vorliegend besteht zwar eine wirksame Ermächtigungsgrundlage; deren Voraussetzungen sind jedoch nur hinsichtlich eines Teilbetrages der geltend gemachten Kosten gegeben.

(a) Als gesetzliche Grundlage für die festgesetzten Kosten kommt nur das Niedersächsische Brandschutzgesetz - NBrandSchG – in Verbindung mit der von der Beklagten zitierten und vorgelegten Satzung der Samtgemeinde I. über die Erhebung von Kostenersatz für Dienst- und Sachleistungen der Feuerwehr außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben vom 25.02.1987, zuletzt geändert durch Änderungssatzung vom 27. November 2003 (im Folgenden: Feuerwehrkostensatzung - FKS) in Betracht. Da sich die rechtliche Bewertung von Kosten- und Abgabenbescheiden jeweils nach der zum Zeitpunkt des Entstehens der streitigen Zahlungspflicht maßgeblichen Rechtslage richtet (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.06.2012 - 11 LC 234/11 -, zitiert nach Juris), ist hier das Niedersächsische Brandschutzgesetz in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung (GVBl. S. 491) anzuwenden. Nach dessen § 26 Abs. 1 S. 1 NBrandSchG ist der Einsatz der Feuerwehren der Gemeinden und der Kreisfeuerwehren bei Bränden, bei Notständen durch Naturereignisse und bei Hilfeleistungen zur Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr unentgeltlich (siehe auch den fast identischen § 1 Abs. 1 S. 1 FGS). Gemäß § 26 Abs. 2 NBrandSchG können für andere als die in Abs. 1 der Vorschrift genannten unentgeltlichen Leistungen der Feuerwehr sowie weitere freiwillige Leistungen außerhalb des Brandschutzes Gebühren und Entgelte nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (NKAG) erhoben werden; wobei für einzelne Leistungen entsprechend dem Zeitaufwand Pauschalbeträge festgelegt werden können.

In diesem Zusammenhang fällt zunächst auf, dass die von der Beklagten angewandte FKS (noch) nicht der nunmehr im NKAG geregelten Bezeichnung bzw. Systematik angepasst wurde (nach der FKS wird „Kostenersatz“ erhoben, während nach dem NKAG Benutzungsgebühren zu erheben sind, vgl. dazu im Einzelnen VG Stade, Urt. v. 07.03.2012 – 6 A 33/12 -, Veröffentlichung nicht bekannt). Dies ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die FKS bzw. ihre letzte Änderung noch auf Grundlage der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung des NBrandSchG erlassen wurde. Nach der in diesem Zeitraum gültigen Fassung des § 26 Abs. 2 NBrandSchG (Gesetz v. 08.03.1978, GVBl. S. 233, zuletzt geänd. am 16.09.2004, GVBl. S. 363) konnten die Landkreise und die Gemeinden „Kostenersatz nach Maßgabe einer Satzung verlangen.“ Insofern entspricht die von der Beklagten herangezogene Satzung der zum Zeitpunkt der letzten Satzungsänderung geltenden Rechtslage. Der Wegfall bzw. die Änderung einer Ermächtigungsgrundlage lässt jedoch grundsätzlich das Recht unberührt, das zur Geltungszeit wirksam zustande gekommen war (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 31.01.1997 - 1 C 20.95 -, zitiert nach Juris, m.w.N.). Zudem ergibt sich vorliegend auch aus dem Gesetzgebungsverfahren sowie aus dem Sinn und Zweck des § 26 NBrandSchG, dass durch das Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. Januar 2010 die vorhandene Kostenerstattungssatzungen der Kommunen nicht allein deshalb unwirksam werden, weil sie noch nicht an den neuen gesetzlichen Sprachgebrauch angepasst sind (so auch Nds. OVG, Urt. v. 23.04.2012 – 11 LB 62/12 -, Veröffentlichung nicht bekannt).

Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die FGS der Beklagten inhaltlich den Vorgaben des § 26 NBrandSchG widerspräche, insbesondere an Kalkulationsfehlern leidet. Da der Kläger Mängel der Kalkulation nicht geltend gemacht hat und "es in der Regel nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle entspricht, die Abgabenkalkulation eines kommunalen Satzungsgebers ungefragt einer Detailprüfung zu unterziehen" (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1/10 -, zitiert nach Juris, Rn. 43; Beschl. v. 21.12.2010 - 3 B 65/10 -, zitiert nach Juris, Rn. 11), sieht sich das Gericht auch nicht von Amts wegen zu einer Detailprüfung veranlasst (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.04.2012, a.a.O.).

Damit verfügte die Beklagte jedenfalls im Frühjahr 2012 über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Kostenersatz.

(b) Die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Kosten setzt somit weiterhin voraus, dass die Voraussetzungen der von ihr angeführten Ermächtigungsgrundlage - § 26 Abs. 2 S. 1 NBrandschG i.V.m. § 2 Abs. 2 FKS – erfüllt sind. Demnach muss es sich bei dem abgerechneten Einsatz um eine Leistung handeln, die unter die in § 1 Abs. 1 NBrandSchG gesetzlich festgelegten Aufgaben der Feuerwehr fällt, ohne gleichzeitig ein nach § 26 Abs. 1 S. 1 NBrandSchG unentgeltlicher Pflichteinsatz zu sein (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 16.02.2011 – 11 A 1119/10 -, zitiert nach Juris). Dies ist vorliegend nur teilweise der Fall.

Nach § 1 Abs. 1 NBrandSchG sind die Abwehr von Gefahren durch Brände (abwehrender oder vorbeugender Brandschutz) und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen sowie bei Notständen Aufgaben der Gemeinde und der Landkreise sowie des Landes. Ein Einsatz beginnt mit der Entgegennahme der Meldung einer entsprechenden Gefahrenlage, die einen Pflichteinsatz der Feuerwehr erfordert. Beendet ist der Einsatz, wenn die Gefahr abgewendet ist (vgl. Scholz/Runge, NBrandSchG, 7. Auflage 2008, § 26, Ziff. 2a). Unerheblich für die Kostenlast ist dabei, ob die Arbeiten durch die Feuerwehr selbst oder durch Dritte erbracht werden (Scholz/Runge, NBrandSchG, a.a.O., m.w.N.). Soweit ein Einsatz mehrere Teilleistungen umfasst, sind diese ggf. getrennt zu betrachten (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 16.02.2011, a.a.O.; Nds. OVG, Urt. v. 23.04.2012, a.a.O.). Dabei sind nur dann die Kosten einem unentgeltlichen Feuerwehreinsatz zuzuordnen, wenn die Maßnahme im unmittelbaren Zusammenhang mit den nach § 26 Abs. 1 S. 1 NBrandSchG unentgeltlichen Maßnahmen steht. Folgemaßnahmen, wie z. B. Aufräumarbeiten und Abrissarbeiten, die z. B. erforderlich sind, weil die (Stand-)Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist, sind dagegen Maßnahmen, die auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 NBrandSchG i. V. m. der jeweils einschlägigen Satzung abzurechnen sind (vgl. Scholz/Runge, NBrandSchG, a.a.O., m. w. N.). Dementsprechend heißt es auch in § 1 Abs. 2 Nr. 1 FKS, dass Hilfe- und Sachleistungen bei Unglücksfällen und in sonstigen Bedarfsfällen kostenersatzpflichtig sind, „wenn Menschenleben nicht oder nicht mehr in Gefahr sind“. Auch durch die Formulierung „nicht mehr“ wird deutlich, dass ein (zunächst) unentgeltlicher Einsatz zu einem kostenpflichtigen Einsatz werden kann, wenn die zuvor für Menschenleben bestehende Gefahr beseitigt wurde.

Gemessen an diesen Maßstäben ist vorliegend wie Folgt zu differenzieren: Der Einsatz der Feuerwehr diente zunächst teilweise der Hilfeleistung zur Rettung des Klägers aus akuter Lebensgefahr i. S. d. § 26 Abs. 1 S. 1 NBrandSchG bzw. zur Hilfeleistung zur Rettung von Menschen aus Gefahr i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 FGS. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung des aus der Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgängen sowie dem Vortrag des Ortsbrandmeisters J. in der mündlichen Verhandlung zu entnehmenden Geschehensablaufs: Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge lautete das Einsatzstichwort „Technische Hilfe Y, Person nach Verkehrsunfall eingeklemmt“. In dem Hilfeleistungsbericht der Feuerwehr B. vom 25. Februar 2012 ist unter der Rubrik „Bemerkungen:“ Folgendes ausgeführt:

„Ein PKW fuhr in eine Hauswand und beschädigte diese stark. Wir unterstützten die Wehr D. bei der Menschenrettung, da der Fahrer eingeklemmt war. Zusätzlich stützten wir das Gebäude noch mit vorhandenen Drehstreifen ab.“

Im Polizeibericht der Polizeistation F. vom 2. Januar 2012 ist auf Blatt 1 angegeben, dass der Kläger „schwer verletzt“ war. In einem Vermerk des Polizeihauptkommissars K. vom gleichen Tag findet sich zudem folgende Beschreibung:

„[…] Herr K. war allein im PKW und wurde durch den Aufprall schwer verletzt in das KHS Lüneburg eingeliefert. Am PKW entstand Totalschaden (ca. 1000 EUR). Der Schaden am Haus des Geschädigten B. ist sehr hoch (eventuell Teilabriss des Hauses) Hausnr. 10. […].“

Im Unfallbericht der Polizei (Bl. 29 der Gerichtsakte) ist zudem u.a. Folgendes ausgeführt:

„Bei unserem Eintreffen lag zwischen dem Fahrer- und dem Beifahrersitz eine männliche Person. Der Kopf lag schräg und nach hinten geneigt auf der Rückbank. Die Beine waren zwischen den Pedalen auf der Fahrerseite eingeklemmt. […] Bis zum Eintreffen des Notarztes versuchten wir den Kopf des Herrn K. hochzuhalten, damit ein freieres Atmen möglich war. Herr K. war zu diesem Zeitpunkt nicht ansprechbar. Ein Puls aber spürbar. Herr K. war nicht angeschnallt. Beide Airbags vorn hatten ausgelöst. Der Fahrer wurde dann von der Feuerwehr B. aus dem Fahrzeug geborgen und anschließend vom Notarzt versorgt. Nach der Erstversorgung wurde Herr K. mit dem Krankenwagen in das KHS Lüneburg eingeliefert.“

In der schriftlichen Stellungnahme des Ortsbrandmeisters J. (Bl. 16 der Gerichtsakte) ist zudem u. a. ausgeführt:

„Nach Rücksprache mit dem Einsatzleiter der FF-D., L., betreuten wir mit ca. 5 Kameraden den Verletzten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Damit waren die 5 Kameraden eine Viertelstunde beschäftigt, in dieser Zeit legten sie dem Verunglückten eine Halskrause an und kümmerten sich um die reibungslose Übergabe an den Rettungsdienst.“

Diese Angaben hat Herr J. in der mündlichen Verhandlung wiederholt und bestätigt.

Durch eine Gesamtschau dieser Beschreibungen wird erkennbar, dass zumindest der Einsatz von einigen der anwesenden Feuerwehrleuten vom Zeitpunkt der Alarmierung bis zur Übergabe des Klägers an den Notarzt/Krankenwagen der Lebensrettung galt und somit gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 NBrandSchG unentgeltlich ist.

Nachdem der Kläger jedoch von den Feuerwehrleuten an den Notarzt und den Rettungsdienst übergeben worden war, dienten alle sich anschließenden Handlungen nicht mehr der Rettung aus akuter Lebensgefahr, sondern sind als Folgemaßnahmen einzuordnen, bei denen es sich um „andere als die in Absatz 1 genannten Leistungen“ nach § 26 Abs. 2 NBrandSchG handelt. Denn nachdem der Kläger an den Rettungsdienst und den Notarzt übergeben worden war, konnte der Einsatz der Feuerwehr schon denklogisch nicht mehr der Lebensrettung des Klägers dienen.

Zu den "anderen" (potentiell gebührenpflichtigen) Leistungen der Kommunen zählt danach die "Hilfeleistung", also die Hilfeleistung bei Unglücksfällen sowie bei Notständen (siehe die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 NBrandSchG). Ein Unglücksfall meint ein größeres Schadensereignis aller Art, also eine plötzliche Verschlechterung eines Zustands, verbunden mit bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden erheblichen Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum, ohne dass bereits die Merkmale eines Notstands oder einer Katastrophe erfüllt sind. Zu den Unglücksfällen in diesem Sinne können auch die Folgen von Verkehrsunfällen gehören (Scholz/Runge, NBrandSchG, a.a.O., § 2 Ziff. 3, m. w. N.; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 28.06.2012 - 11 LC 234/11 -, a.a.O.).

Hieran gemessen lag vorliegend ab dem Zeitpunkt, als der Kläger dem Notarzt und dem Krankenwagen übergeben worden war, ein "Unglücksfall" im Sinne des NBrandSchG vor: Aufgrund der starken Beschädigung der Hauswand bestand eine andauernde Gefahr, dass weitere Schäden an dem Haus und den darin befindlichen Sachen entstehen. Zudem musste die Unfallstelle abgesichert werden, um zu verhindern, dass weitere Verkehrsteilnehmer verunfallen. Dieses Erfordernis bestand unabhängig davon, dass die Verkehrslage im maßgeblichen Zeitraum (ca. von 4.00 bis 6.00 morgens) von der Polizei als „störungsfrei“ und „schwach“ beschrieben wurde. Denn auch bei einer ruhigen Verkehrslage ist nicht auszuschließen, dass weitere Verkehrsteilnehmer verunfallen.

Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen kann die Beklagte somit insofern Kosten für den Einsatz geltend machen, als dieser nicht bzw. nicht mehr im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lebensrettung des Klägers stand.

Allerdings ist weder dem angegriffenen Kostenbescheid, noch dem Einsatz- oder Polizeibericht eindeutig zu entnehmen, wie lange und wie viele der anwesenden Feuerwehrleute mit der Rettung des Klägers beschäftigt waren, und welcher Teil des Gesamtaufwandes sich auf die anschließenden Aufräum- und Sicherungsmaßnahmen erstreckte. Anhand der schriftlichen (teilweise bereits oben zitierten) und mündlichen Angaben des Ortsbrandmeisters J. lässt sich jedoch ermitteln, dass fünf Kameraden eine Viertelstunde mit der Lebensrettung des Klägers beschäftigt waren, bis sie diesen an den Notarzt und den Rettungswagen übergeben haben. Die anderen zehn Kameraden waren mit dem Ausleuchten und Absichern der in einer Kurve gelegenen Einsatzstelle beschäftigt. Nach der Befreiung des Klägers halfen die Feuerwehrleute dem Bergungsunternehmen, den Pkw aus der Mauer Richtung Abschleppwagen zu schieben. Zudem waren sie an der zerstörten Hauswand damit befasst, die eingedrückten Wände von innen frei zu räumen, damit Balken und Drehsteifen angesetzt werden konnten.

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 29. November 2012 unter Bezugnahme auf eine telefonische Auskunft des Ortsbrandmeisters M. der Freiwilligen Feuerwehr D. vorgetragen hat, dass lediglich zwei Einsatzkräfte mit der Absicherung der Einsatzstelle, ein Mann mit der Überwachung des Funkverkehrs, zwei bis drei mit der Beseitigung des Bauschutts, sowie zwei weitere mit der Materialbesorgung betraut gewesen seien, steht dies nicht im Widerspruch zu den Angaben des Herrn J.. Denn die Angaben des Herrn M. bezogen sich - wie die Herren J. und M. in der mündlichen Verhandlung noch einmal klargestellt haben – nur auf den hier nicht streitgegenständlichen Einsatz der Feuerwehr D., nicht jedoch auf den Einsatz der Feuerwehr B.. Vielmehr hat Herr M. in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er ohne die Hinzuziehung der Feuerwehr B. mit der hier streitgegenständlichen personellen und sachlichen Ausstattung nicht in der Lage gewesen wäre, den Einsatz ordnungsgemäß durchzuführen.

Auf Grundlage der dargestellten tatsächlichen und rechtlichen Bewertung der Situation geht das Gericht davon aus, dass fünf Feuerwehrleute vor Ort für 15 Minuten mit der Lebensrettung des Klägers befasst waren.

Gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 FGS wird bei der Berechnung der Kosten jede angefangene halbe Stunde voll berücksichtigt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Kostenerstattungspflicht nach § 2 Abs. 1 S. 1, 2 FGS bei Geräten auf die Zeit von der Übergabe bis zur Rückgabe und bei Personalkosten auf die Abwesenheit vom Feuerwehrhaus begrenzt ist. Somit fließen notwendige im Vorfeld liegende Tätigkeiten, wie die Alarmierung und Anfahrt von Feuerwehrkräften, ebenso wenig in die berechnete Zeit ein wie erforderliche Arbeiten nach dem Einsatz, etwa zum Trocknen der Schläuche oder für die sonstige Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der persönlichen und sachlichen Feuerwehrmittel. Jedenfalls deshalb liegt es im Rahmen der der Beklagten obliegenden Autonomie, nach angefangenen halben Stunden zu pauschalieren und nicht jeweils minutengenau nach der Einsatzzeit jedes einzelnen Mitglieds einschließlich dessen anlassbezogener Vor- und Nacharbeit zu differenzieren (so auch Nds. OVG, Urt. v. 23.04.2012, a.a.O.).

Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass zusätzlich zu den Kosten der fünf Feuerwehrleute der Einsatz des Löschgruppenfahrzeugs als Transportmittel für jeweils eine halbe Stunde dem unentgeltlichen Einsatz zuzuordnen ist. Denn auch die in die Lebensrettung des Klägers involvierten Kameraden mussten von der Feuerwehrwache zum Einsatzort und wieder zurück transportiert werden. Zwar lässt es sich im Nachhinein nicht mehr eindeutig ermitteln, welche der fünf Kameraden, die sich zunächst um den Kläger gekümmert haben, mit welchem Fahrzeug zum Einsatzort gelangt sind. Da jedoch das Löschgruppenfahrzeug ausweislich des Hilfeleistungsberichts das einzige Fahrzeug war, welches mit mehr als drei (Rüstwagen 2) bzw. vier (Tanklöschfahrzeug 16/25) Kameraden besetzt war, ist dieses – jedenfalls gedanklich bzw. fiktiv - als das maßgebliche Transportmittel anzusehen.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, dass das Löschgruppenfahrzeug auch dann zum Einsatz gekommen wäre, wenn der Kläger nicht lebensgefährlich verletzt gewesen wäre, steht dies der (teilweisen) Unentgeltlichkeit des Einsatzes nicht entgegen. Denn soweit ein Einsatz (teilweise) im unmittelbaren Zusammenhang mit einer nach § 26 Abs. 1 NBrandSchG und § 1 Abs. 1 S. 1 FGB unentgeltlichen Leistung steht, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Einsatz - bzw. hier der Teil des Einsatzes - auch durchgeführt worden wäre, wenn keine der in § 26 Abs. 1 NBrandSchG und § 1 Abs. 1 S. 1 FGB erwähnten Fallgruppen vorliegt. Denn ein unentgeltlicher Einsatz(Teil) wird nicht dadurch kostenpflichtig, dass er – wie hier der Transport der Feuerwehrleute – gleichzeitig unter § 26 Abs. 2 NBrandSchG fällt.

In Zahlen ausgedrückt ergibt sich daraus Folgendes: Ausweislich des angefochtenen Kostenbescheids sowie der Kostenziffer 1 der FGS beträgt der Kostensatz für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr 14,85 EUR pro Stunde. Der halbstündige Einsatz von fünf Feuerwehrleuten beläuft sich somit auf 37,12 EUR. Für den halbstündigen Einsatz des Löschgruppenfahrzeugs (LF 10/6) fallen nach Bescheid und FGS 27,50 EUR an. Damit sind insgesamt 64,62 EUR von den geltend gemachten Kosten abzuziehen. Die Kostenforderung der Beklagten ist somit in Höhe der verbleibenden 509,51 EUR gerechtfertigt.

Soweit der Kläger der Ansicht ist, der Einsatz der Feuerwehr B. sei insgesamt nicht erforderlich gewesen, weil bereits die Ortsfeuerwehr D. vor Ort gewesen sei und alles Nötige veranlasst habe, kann dem nicht gefolgt werden. Wie von der Beklagten und dem Ortsbrandmeister J. nachvollziehbar vorgetragen, handelt es sich bei der Ortsfeuerwehr D. nur um eine Ortsfeuerwehr mit Grundausstattung. Eine Grundausstattungsfeuerwehr verfügt aber lediglich über eine Mindeststärke von einer Gruppe, also einer Gruppenführerin oder einem Gruppenführer und weiterer acht Feuerwehrmittglieder (siehe § 2 Abs. 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Feuerwehrverordnung – FwVO - vom 30. April 2010 – Nds. GVBl. 185, 285). Insofern haben die Beklagte sowie ihr Ortsbrandmeister nachvollziehbar und unbestritten vorgetragen, dass die Feuerwehr B. in Fällen wie dem vorliegenden automatisch dazu alarmiert wird. Denn eine Ortswehr mit Grundausstattung verfügt nicht über die technische und personelle Ausstattung, die hier erforderlich war, um angemessene und ausreichende Hilfe leisten zu können. Insofern kann und wird in solchen Fällen die nächstgelegene Stützpunktfeuerwehr ergänzend hinzugezogen. Diese Einsatzplanung stimmt im Übrigen mit den in §§ 1, 3 und 4 FwVO enthaltenen Vorgaben überein. Zudem steht der Einsatzleitzentrale auch eine gewisse Einschätzungsprärogative zu, wen bzw. wie viele Wehren sie alarmiert und welche Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Die Alarmierung einer (weiteren) Wehr bzw. die Hinzuziehung eines weiteren Fahrzeugs kann demnach nur dann rechtlich zu beanstanden sein, wenn schon zum Zeitpunkt der Alarmierung offensichtlich ist, dass diese Hinzuziehung nicht erforderlich ist. So lag der Fall hier jedoch nicht. Denn wie bereits ausgeführt, waren vorliegend alle am Einsatzort befindlichen Kameraden aktiv in die Hilfeleistung involviert.

Der Kläger ist auch der richtige Adressat des Kostenbescheids, da er nach § 26 Abs. 4 Nr. 1 NBrandSchG i. V. m. § 4 Abs. 1 FGS als derjenige, dessen Verhalten die Leistungen erforderlich gemacht hat, kostenerstattungspflichtig ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die geltend gemachten Kosten gemäß § 6 FKS ermäßigt oder von der Erhebung absieht. Nach dieser Satzungsbestimmung kann die Samtgemeinde auf Antrag die Gebühren ermäßigen oder von der Erhebung absehen, wenn dies im Einzelfall oder bei offenkundiger oder nachgewiesener Bedürftigkeit des Gebührenschuldners oder aus Billigkeitsgründen geboten ist. Das Absehen oder Ermäßigen der Gebührenschuld setzt somit auf Tatbestandsebene voraus, dass eine „offenkundige oder nachgewiesene Bedürftigkeit des Gebührenschuldners“ vorliegt oder Billigkeitsgründe ein Erlass oder eine Reduktion der Gebühren erfordern. Selbst beim Vorliegen einer dieser Tatbestandvoraussetzungen steht der Beklagten auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen zu. Vorliegend hat der Kläger bereits seine Bedürftigkeit nicht nachgewiesen. Der schlichte Hinweis darauf, dass er als angestellter Koch nur einen Nettoverdienst von ca. 1.000,- EUR monatlich erhalte und seinem minderjährigen, bei der Kindesmutter lebenden Sohn zum Unterhalt verpflichtet ist, reicht für die Annahme einer nachgewiesenen Bedürftigkeit nicht aus.

Billigkeitsgründe, die den Erlass oder eine Reduktion der Gebühren gebieten, sind ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich. Der allein vom Kläger vorgetragene Umstand, dass er für den von ihm verursachten Einsatz insgesamt 1.309,41 EUR zahlen muss, stellt jedenfalls keinen Grund da, der im Rahmen der von der Beklagten zu treffenden Entscheidung eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend bewirken würde, dass die Beklagte dem Kläger die Gebühren ermäßigen oder erlassen müsste. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 16. Mai 2011 sowie erneut in der mündlichen Verhandlung Ratenzahlung sowie ergänzend Stundung angeboten hat. Da die Beklagte dabei bereit war, auf Zinsen zu verzichten, kommt dieses Angebot bereits einer Gebührenermäßigung im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung gleich. Dagegen, dass vorliegend eine (über den Verzicht auf Zinsen bei Ratenzahlung bzw. Stundung) hinausgehende Gebührenermäßigung aus Billigkeitsgesichtspunkten geboten ist, spricht zudem, dass der Kläger in der Lage war, die Kosten des Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr F. i. H. v. 518,50 EUR – und damit in einer vergleichbaren Höhe wie im vorliegenden Fall -  in Raten zu zahlen. Auch vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wieso es für ihn unbillig wäre, auch die nunmehr reduzierten Kosten des Einsatzes der Feuerwehr B. in Raten abzuzahlen. Schließlich kann auch im Hinblick auf die Billigkeit nicht verkannt werden, dass der Kläger den Unfall durch seine Trunkenheit und damit grob fahrlässig verursacht hat. Wäre der Unfall nach Inkrafttreten des neuen, heute gültigen § 29 NBrandSchG (v. 18.07.2012 – GVBl. S. 269) passiert, wäre aufgrund dieser groben Fahrlässigkeit auch der Teil des Einsatzes kostenpflichtig, der der Lebensrettung des Klägers diente (siehe § 29 Abs. 2 Nr. 1 NBrandSchG n. F.). Insgesamt kann daher nicht festgestellt werden, dass die Beklagte verpflichtet wäre, die verbleibenden Kosten in Höhe von noch 509,51 EUR weiter zu ermäßigen bzw. zu erlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.