Schleswig-Holsteinisches LVerfG, Urteil vom 30.09.2013 - LVerfG 13/12
Fundstelle
openJur 2013, 36478
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Gegenstand des Organstreitverfahrens sind die Funktionszulagen für die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Landtagsfraktionen.

I.

1. Die maßgebliche Regelung der Abgeordnetenentschädigung in § 6 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Schleswig- Holsteinischen Landtages (Schleswig-Holsteinisches Abgeordnetengesetz – AbgG –, in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 1991, GVOBl S. 100, berichtigt GVOBl 1992, S. 225, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. November 2012, GVOBl S. 712) sieht zusätzlich zu der in § 6 Abs. 1 AbgG vorgesehenen allgemeinen Abgeordnetenentschädigung für die Ausübung besonderer parlamentarischer Funktionen weitere Entschädigungen in unterschiedlicher, in Relation zur Grundentschädigung bemessener Höhe vor. Die danach maßgebliche Vorschrift des Abgeordnetengesetzes lautet:

§ 6

Entschädigung

(1) Abgeordnete erhalten eine monatliche Entschädigung in Höhe von 6.700 Euro.

(Anm.: Die Höhe der Entschädigung beträgt nach der letzten Anpassung gemäß § 28 Abs. 1 AbgG vom 14. Juni 2013 <GVOBl S. 270> derzeit 7.549,55 Euro).

(2) Als zusätzliche Entschädigung für die Ausübung besonderer parlamentarischer Funktionen erhalten

1. die Präsidentin oder der Präsident 72 v.H.,

2. die Vizepräsidentinnen und/oder Vizepräsidenten 13 v.H.,

3. die Fraktionsvorsitzenden 72 v.H.,

4. eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter der dänischen Minderheit, wenn die Stärke einer Fraktion nicht erreicht wird, 45 v.H., und

5. die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen oder die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen 45 v.H.

der Entschädigung gemäß Abs. 1.

(3) […]

(4) Zusätzliche Entschädigungen nach Absatz 2 dürfen nur an eine Präsidentin oder einen Präsidenten, zwei Vizepräsidentinnen und/oder Vizepräsidenten sowie je Fraktion an eine Fraktionsvorsitzende oder einen Fraktionsvorsitzenden und eine Parlamentarische Geschäftsführerin oder einen Parlamentarischen Geschäftsführer gezahlt werden.

(5) Nehmen Abgeordnete mehrere besondere parlamentarische Funktionen wahr, steht ihnen nur die jeweils höchste zusätzliche Entschädigung nach Absatz 2 zu.

(6) Über die in Absatz 2 genannten zusätzlichen Entschädigungen hinausgehende Zahlungen für besondere parlamentarische Funktionen aus Mitteln der Fraktionen sind unzulässig.

2. Die heutige Bestimmung des Empfängerkreises zusätzlicher Entschädigungen geht zurück auf die vom Schleswig-Holsteinischen Landtag am 1. Juni 2006 beschlossene und zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Diätenstrukturreform (Gesetz vom 20. Juni 2006, GVOBl S. 128 ff.), die unter anderem eine deutliche Reduzierung der Zahl der Funktionszulagen zum Ziel hatte. Sie hat mit ihrem Erlass eine Verringerung von seinerzeit 45 auf zunächst zwölf Empfänger zusätzlicher Entschädigungen bewirkt.

Mit Wirkung zum 1. August 2010 sind die Sätze der Zusatzentschädigungen als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung (vgl. Landtags-Drucksache 17/608 und 17/695) auf das heutige Maß abgesenkt worden (Gesetz vom 24. August 2010, GVOBl S. 567).

Die Zahl der Funktionszulagen für Vizepräsidentinnen und/ oder Vizepräsidenten betrug bis zum 1. Januar 2013 noch vier und ist ebenfalls – offenbar als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung – herabgesetzt worden

(vgl. Landtags-Umdruck 18/138 und Niederschrift der 6. Sitzung des Finanzausschusses vom 26. September 2012, S. 5; Gesetz vom 16. November 2012, GVOBl S. 712).

In der derzeitigen Zusammensetzung des Landtages der 18. Wahlperiode werden 14 Zusatzentschädigungen gezahlt

(vgl. Landtags-Umdruck 18/309, dort Gutachten S. 19 mit Fn. 73).

Die Reform war ausweislich der Parlamentsmaterialien beeinflusst von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über die eingeschränkte Zulässigkeit von Funktionszulagen

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., sogenanntes „Zweites Diätenurteil“)

und hat auf entsprechende Empfehlungen der „Unabhängigen Sachverständigenkommission zu Fragen der Abgeordnetenentschädigung“ unter Leitung des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, der sogenannten Benda-Kommission, zurückgegriffen

(Landtags-Drucksache 15/1500 vom 19. Dezember 2001, vgl. dazu PlPr 16/32 vom 1. Juni 2006, S. 2253 ff.).

Die Kommission hat Vorschläge für eine vollständige Neuregelung des Systems der Abgeordnetenentschädigung entwickelt. Sie hat aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung mit allen Bürgerinnen und Bürgern vorgeschlagen, die steuerpflichtige Grundentschädigung der Abgeordneten deutlich zu erhöhen und die steuerfrei gewährten Leistungen weitestgehend abzuschaffen. Die Gewährung von Funktionszulagen sollte unter Wahrung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Abgeordnetenentschädigung neu geregelt werden. Übergangsgelder und die Altersversorgung der Abgeordneten sollten neu geregelt werden, damit die Abgeordneten in die Lage versetzt würden, ihre Altersversorgung und die Absicherung im Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfall eigenverantwortlich aus den Bezügen selbst zu bestreiten.

3. Die maßgeblichen Vorschriften der Landesverfassung (LV) lauten:

Artikel 3

Wahlen und Abstimmungen

(1) Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden und die Abstimmungen sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.

(2) - (4) […]

Artikel 11

Stellung der Abgeordneten

(1) Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk. Bei der Ausübung ihres Amtes sind sie nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.

(2) Die Abgeordneten haben das Recht, im Landtag sowie in den ständigen Ausschüssen und in den Sonderausschüssen des Landtages Fragen und Anträge zu stellen. Sie können bei Wahlen und Beschlüssen ihre Stimme abgeben; Stimmrecht in den Ausschüssen des Landtages haben nur die Ausschussmitglieder.

(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Dieser Anspruch ist weder übertragbar, noch kann auf ihn verzichtet werden. Das Nähere regelt ein Gesetz.

4. Die vergleichbaren Vorschriften des Grundgesetzes (GG) lauten:

Artikel 38

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) - (3) […]

Artikel 48

(1) – (2) […]

(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

II.

1. Die Antragstellerin und die Antragsteller sind Mitglieder der Piratenfraktion und in der 18. Wahlperiode (konstituierende Sitzung vom 5. Juni 2012 nach der Wahl am 6. Mai 2012) erstmals als Abgeordnete in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt worden. Die Antragstellerin und die Antragsteller zu 2 und 3 zählen nicht zum Kreis der durch Funktionszulagen gemäß § 6 Abs. 2 AbgG begünstigten Abgeordneten. Der Antragsteller zu 4 ist am 21. Mai 2013 zum Parlamentarischen Geschäftsführer seiner Fraktion gewählt worden und erhält seitdem die streitgegenständliche Funktionszulage. Er hat daraufhin seinen Antrag für erledigt erklärt.

2. Die Antragstellerin und die Antragsteller haben am 31. Oktober 2012 den vorliegenden Antrag gestellt. Sie halten ihn für zulässig, weil sie ihn binnen sechs Monaten nach ihrer Wahl eingereicht haben. Sie sehen in den Zulagen für Parlamentarische Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer eine Verletzung ihres Anspruchs auf – auch finanzielle – Gleichbehandlung aller Abgeordneten und auf freie Mandatsausübung (Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 Satz 2 LV in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG).

Um eine diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende, von sachfremden Einflüssen freie politische Willensbildung zu gewährleisten, seien mit Zulagen bedachte Funktionsstellen allenfalls bei wenigen politisch besonders herausgehobenen parlamentarischen Funktionen zulässig. Hierzu zähle nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 - (BVerfGE 102, 224 ff.) nicht die Funktion einer Parlamentarischen Geschäftsführerin oder eines Parlamentarischen Geschäftsführers. Zusätzliche Entschädigungen für einzelne Abgeordnete könnten die Entscheidungsfreiheit aller Abgeordneten beeinträchtigen, wenn durch solche Zulagen die Gefahr entstehe, dass parlamentarisches Handeln am Leitbild einer „Abgeordnetenlaufbahn“ und dem Erreichen einer höheren Einkommensstufe ausgerichtet werde. Durch Funktionszulagen verstärke sich die Abhängigkeit der die entsprechende Funktion anstrebenden Abgeordneten von der politischen Gruppe, der sie angehörten. Innerparlamentarische Einkommenshierarchien ließen es erstrebenswert erscheinen, parlamentarische Funktionen nur aus ökonomischen Gründen und unabhängig von individuellen politischen Intentionen und Kompetenzen zu übernehmen, auszuüben und gegenüber Konkurrenten zu behaupten.

Zwar sei die Funktion der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder des Parlamentarischen Geschäftsführers für den parlamentarischen Betrieb im Schleswig-Holsteinischen Landtag bedeutsam. Doch stelle sie keine politische Spitzenstellung dar. Es sei nicht erkennbar, dass die zusätzliche Entschädigung mit ihrer Tendenz zur gestaffelten Diät zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Parlaments unabdingbar erforderlich wäre. Der Landtag habe ursprünglich ohne solche Zulagen funktioniert; diese seien erst 1978 eingeführt worden. Auch ohne die Funktionszulage sei die Abgeordnetenentschädigung ausreichend bemessen.

Eine etwaige zusätzliche Arbeitsbelastung Parlamentarischer Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sei von vornherein unerheblich. Zudem sei die Tätigkeit nicht notwendigerweise mit einer höheren Arbeitsbelastung als bei anderen Abgeordneten verbunden.

3. Die Antragstellerin und die Antragsteller zu 2 und 3 beantragen,

festzustellen, dass der Erlass von § 6 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Schleswig- Holsteinischen Landtages (Schleswig-Holsteinisches Abgeordnetengesetz – SH AbgG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 1991, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. November 2012 (GVOBl S. 712), gegen Art. 11 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 13. Mai 2008 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes verstößt, soweit danach Parlamentarische Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer der Fraktionen zusätzliche Entschädigungen erhalten.

III.

1. Der Landtag beantragt,

den Antrag im Organstreitverfahren als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

2. Er hält den Antrag bereits für unzulässig. Die angegriffene Regelung im Abgeordnetengesetz sei nicht von ihm, dem Landtag der 18. Wahlperiode, erlassen worden. Im Übrigen sei der Antrag verfristet, da in einem gegen eine Rechtsnorm gerichteten Organstreitverfahren die sechsmonatige Antragsfrist mit der Verkündung der Norm zu laufen beginne.

3. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Durch die geregelten zusätzlichen Funktionsvergütungen für Parlamentarische Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Landtagsfraktionen entstehe bereits keine Beeinträchtigung der von der Antragstellerin und den Antragstellern nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 LV geltend gemachten Freiheit und Gleichheit ihres Abgeordnetenmandats. Alle Abgeordneten hätten als solche gleiche Rechte und Pflichten, während die Inhaber bestimmter Funktionsämter darüber hinaus in einem besonderen Aufgabenkreis mit eigenen Rechten und Pflichten stünden. Zu diesen Funktionen hätten alle Abgeordneten gleichen potenziellen Zugang. Die Übertragung der Funktionen erfordere einen zusätzlichen Kreationsakt in Gestalt eines fraktionsinternen Wahlaktes.

Die Gewährung von Funktionsvergütungen als Entschädigung für die Ausübung besonderer parlamentarischer Funktionen stehe in einem Spannungsfeld von autonomer Selbstorganisation des Parlaments einerseits und der Gewährleistung der Freiheit des Mandats und der Statusgleichheit andererseits. Der Landtag Schleswig-Holsteins habe sich im Verständnis eines modernen Arbeitsparlaments für die Aufgabenerledigung als Fraktionenparlament entschieden. Ein wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit werde damit außerhalb des Plenums geleistet und rufe einen Koordinierungsaufwand hervor. Die Schaffung besonders zu entschädigender parlamentarischer Funktionsstellen für die Fraktionsarbeit trage diesen Anforderungen Rechnung und schaffe adäquate parlamentarische Organisationsstrukturen. Es handele sich bei den Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der Fraktionen um politische Spitzenämter, das heißt um Ämter mit hoher politischer Verantwortung, ohne die der Landtag nicht arbeitsfähig sei. Den Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern kämen im Vergleich zu den Fraktionsvorsitzenden vielfältige, mehr auf den internen Ablauf der Parlamentsarbeit zielende Aufgaben zu; sie beeinflussten das parlamentarische Alltagsgeschehen maßgeblich.

Funktionsvergütungen stellten sich als Entschädigung einer besonderen Belastung durch eine besondere Tätigkeit für das Gesamtparlament dar. Sie würden der generellen Abgeordnetenentschädigung nicht „zugelegt“, sondern aus einem anderen Grund gezahlt. Abgeordnete mit Funktionsämtern seien in der Wahrnehmung dieser Ämter nicht so frei, wie sie es bei Ausübung ihres Mandats seien. Sie müssten Verpflichtungen gegenüber dem Parlament oder ihrer Fraktion nachkommen und könnten von ihnen mit Aufträgen versehen werden, für die sie einzustehen hätten. Die Funktionsvergütungen, die nicht dem Mandat, sondern der inneren Organisation des Parlaments zugehörten, könnten deshalb nicht in das Gebot gleicher Abgeordnetenentschädigung einbezogen werden. Im Gegenteil wäre der Verzicht auf Funktionsvergütungen für diese Ämter gleichheitswidrig.

Funktionsvergütungen beeinträchtigten auch nicht die Freiheit des Abgeordnetenmandats. Es sei bereits zweifelhaft, ob durch diese Vergütungen die Gefahr entstehe, dass parlamentarisches Handeln am Leitbild einer „Abgeordnetenlaufbahn“ und dem Erreichen einer höheren Einkommensstufe ausgerichtet werde. § 6 Abs. 4 AbgG verhindere eine systematische Ausdehnung von Funktionszulagen. Parlamentarische Funktionen würden zudem allenfalls nur nachrangig aus ökonomischen Gründen übernommen. Vornehmlich spielten andere Faktoren die tragende Rolle, etwa das mit gewissen Ämtern verbundene Prestige oder der generelle Zuwachs an Einfluss und Ansehen in Parlament und Öffentlichkeit sowie dass die erfolgreiche Wahrnehmung bestimmter Aufgaben für weitere qualifiziere und dadurch die politische Karriere befördere.

IV.

Die Landesregierung hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

V.

1. Das Gericht hat die Fraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag und die Gruppe der für den SSW in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählten Abgeordneten um Übersendung ihrer jeweiligen Geschäftsordnungen und als sachkundige Dritte um Äußerung und Beantwortung des folgenden Fragenkataloges gebeten:

1. Wie sehen die Aufgaben des/ der parlamentarischen Geschäftsführer/in in der Praxis der Fraktionsarbeit aus?

1.1 Wie verhalten sich deren Aufgaben im Verhältnis zu den Fraktionsvorsitzenden?

1.2 Müssen diese Aufgaben von Abgeordneten erbracht werden oder wäre dies auch durch Mitarbeiter der Landtagsverwaltung oder der Fraktionen möglich?

1.3 Übernehmen die Geschäftsführer/innen Aufgaben, die auch durch den Fraktionsvorsitzenden erbracht werden könnten?

2. Wie erfolgt die Auswahl der Geschäftsführer/innen praktisch (zum Beispiel aus der Mitte der Fraktionen oder – nur? – auf Vorschlag des/ der Fraktionsvorsitzenden)?

3. Zur Gesamtbetrachtung des aktuellen Zusatzentschädigungssystems:

3.1 Können „einfache“ Abgeordnete den durch Zulagen pauschal kompensierten Mehraufwand der unterschiedlichen Funktionsträger (also nicht nur der parlamentarischen Geschäftsführer/innen) nachvollziehen?

3.2 Welche Beeinträchtigungen von Freiheit und Unabhängigkeit der Abgeordneten sind durch die beanstandeten Funktionszulagen entstanden?

3.3 Warum erhielte ein fraktionsloser Abgeordneter, der auf keine Fraktion zurückgreifen könnte, keine Zusatzentschädigung?

3.4 Worauf beruht die Ausnahme für den SSW für den Fall, dass Fraktionsstärke nicht erreicht wird?

3.5 Inwiefern wäre es schwierig, die Funktionen parlamentarischer Geschäftsführer/innen ohne Zusatzentschädigungen (etwa durch Stellvertreter/innen von Fraktionsvorsitzenden, durch Fraktions- oder Mitarbeiter der Landtagsverwaltung) erfüllen zu lassen?

3.6 Sind Schwierigkeiten bei der Vergabe von Funktionen aufgetreten, die seit der Diätenreform nicht mehr mit einer Zulage entgolten werden (zum Beispiel Ausschussvorsitz)?

2. Nach den Stellungnahmen der im Schleswig-Holsteinischen Landtag vertretenen Fraktionen der CDU, der SPD, von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der FDP gehörten zu den Aufgaben der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer die politische Koordinierung der parlamentarischen Arbeit der Fraktion im parlamentarischen Binnenraum im politischen Tagesgeschäft, und zwar vor Ort im Landtag, während die Fraktionsvorsitzenden die Fraktion nach außen gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Hierfür müssten die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer unterschiedliche Standpunkte in der Fraktion vereinigen und die Fraktionsarbeit im Einzelnen koordinieren. Zugleich hätten sie die Aufgabe, den Ablauf des Parlamentsbetriebes im Einzelnen (insbesondere die Vorbereitung und den Ablauf der Landtagssitzungen) mit den Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der anderen Fraktionen zu klären. Zudem leiteten sie die Verwaltung der Fraktion und seien in dieser Eigenschaft Dienstvorgesetzte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktion und für die Verwaltung der Fraktionsfinanzen verantwortlich. Eine Wahrnehmung der dargestellten Aufgaben durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung oder der Fraktion komme nicht in Betracht. Abhängig Beschäftigte seien nicht mit einem politischen Mandat ausgestattet. Aufgaben der politischen Steuerung seien ihnen daher von vornherein entzogen. Auch könnten nur Parlamentarische Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer Gespräche mit Abgeordneten „auf Augenhöhe“ führen. Bei der Vergabe von Funktionsämtern seien bisher keine Schwierigkeiten aufgetreten. Ein Ausschussvorsitz sei im Gegensatz zur Aufgabe der parlamentarischen Geschäftsführung nur mit einem begrenzten organisatorischen Mehraufwand verbunden und werde durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung unterstützt.

Die Piratenfraktion weist demgegenüber darauf hin, dass bei ihr die jeweils fachlich zuständigen Abgeordneten die Abstimmungen mit anderen Fraktionen innerhalb des Landes oder mit anderen Landtagsfraktionen vornähmen. Im Einzelfall fänden allerdings auch Abstimmungsgespräche der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Fraktionen untereinander statt.

Die Gruppe der für den SSW in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählten Abgeordneten teilt mit, dass sie aufgrund der geringen Zahl der Abgeordneten keine eigene Parlamentarische Geschäftsführerin bzw. keinen eigenen Parlamentarischen Geschäftsführer stellen könne, so dass sie gezwungen sei, die Aufgaben auf die drei Abgeordneten zu verteilen.

B.

I.

Nach der einseitigen Erledigungserklärung des Antragstellers zu 4 ist sein Antrag unzulässig geworden, da kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens ersichtlich ist. In Anbetracht der noch im Verfahren gebliebenen Antragstellerin und Antragsteller besteht auch kein öffentliches Interesse an der Fortsetzung seines Verfahrens.

II.

Hinsichtlich der Antragstellerin und der übrigen Antragsteller ist der Antrag zulässig.

1. Der Rechtsweg zum Landesverfassungsgericht ist eröffnet. Es handelt sich um eine Organstreitigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 LV, § 3 Nr. 1 und §§ 35 ff. des Gesetzes über das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht (LVerfGG).

2. Gemäß Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 LV, § 35 LVerfGG sind der Landtag, die Landesregierung und andere Beteiligte, die durch die Landesverfassung oder die Geschäftsordnung des Landtages mit eigenen Rechten ausgestattet sind, antragsberechtigt. Hierzu zählen auch einzelne Landtagsabgeordnete, da sie bereits durch Art. 11 LV als Mitglieder des Landtages, eines obersten Verfassungsorgans des Landes, mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

3. Die Antragstellerin und die Antragsteller haben im Sinne von § 36 Abs. 1 LVerfGG geltend gemacht, durch den Erlass von § 6 Abs. 2 Nr. 5 AbgG in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 1991, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. November 2012 (GVOBl S. 712) in ihren Rechten oder Zuständigkeiten aus Art. 11 Abs. 1 Satz 2 LV in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG unmittelbar berührt zu sein. Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine ungleiche Entschädigung der Abgeordneten die ihnen durch die Landesverfassung übertragenen Rechte unmittelbar gefährden kann

(vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., Juris Rn. 32).

4. Der Antrag ist gegen den in § 35 LVerfGG ausdrücklich genannten Landtag gerichtet und damit gegen einen zulässigen Antragsgegner. Der Landtag ist als Gesetzgebungsorgan verantwortlich auch für Gesetze, die in einer früheren Wahlperiode beschlossen wurden.

5. Der Antrag ist auch fristgemäß gestellt worden. Nach § 36 Abs. 3 LVerfGG muss der Antrag binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung

(zu letzterem: StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. März 2009 - GR 1/08 -, VBlBW 2009, 336 ff., Juris Rn. 83 ff.)

der Antragstellerin oder dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Diese Frist begann erst mit dem Erwerb der Mitgliedschaft

(vgl. § 42 Landeswahlgesetz - LWahlG - in der Fassung vom 7. Oktober 1991, GVOBl S. 442, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Mai 2013, GVOBl S. 168)

nach erstmaliger Wahl der Antragsteller in den 18. Landtag (konstituierende Sitzung am 5. Juni 2012) zu laufen.

Grundsätzlich gelten formelle Gesetze mit dem Zeitpunkt ihrer Verkündung als allgemein bekannt geworden im Sinne von § 36 Abs. 3 LVerfGG. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an

(zur vergleichbaren Vorschrift des § 64 Abs. 3 BVerfGG zuletzt BVerfG, Beschluss vom 27. September 2012 - 2 BvE 8/12 -, Juris Rn. 2 m.w.N.).

§ 6 Abs. 2 Nr. 5 AbgG ist einschließlich aller Änderungen älter als sechs Monate. Tatsächliche Kenntnis dürften die Antragsteller zudem bereits vor Ablauf der Sechsmonatsfrist gehabt haben, da ein Vorgehen gegen die streitbefangenen Zulagen bereits auf Seite 39 des Anfang 2012 freigegebenen Landeswahlprogramms der Piraten zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Abschnitt „Fraktionsfinanzierung begrenzen“ angedeutet wird.

Zwar hat der Gesetzgeber durch die Antragsfrist den Vorrang der Rechtssicherheit vor dem Interesse an einer Überprüfungsmöglichkeit zum Ausdruck gebracht. Der Gesetzgeber hat aber nicht wie etwa in Baden-Württemberg eine absolute Ausschlussfrist geschaffen

(vgl. § 45 Abs. 3 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 2012, GBl Baden-Württemberg S. 569),

sondern stellt in § 36 Abs. 3 LVerfGG für den Beginn des Fristenlaufs auf das Bekanntwerden der Maßnahme im Sinne von § 36 Abs. 1 LVerfGG ab. Für diesen Maßnahmebegriff kommt es dann nicht auf den Zeitpunkt der förmlichen Bekanntgabe oder der tatsächlichen Kenntnisnahme an, wenn die Maßnahme bei der Antragstellerin oder dem Antragsteller zu diesem Zeitpunkt noch keine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermochte

(vgl. für die Geschäftsordnung des Bundestages BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 ff., Juris Rn. 74; Beschluss vom 23. Januar 1995 - 2 BvE 6/94 u.a. -, BVerfGE 92, 80 ff., Juris Rn. 28 und Urteil vom 17. Dezember 2001 - 2 BvE 2/00 -, BVerfGE 104, 310 ff., Juris Rn. 53).

Eine Bestimmung kann auch erst später als Maßnahme wirken, wenn sie an rechtliche Voraussetzungen anknüpft, die sich in der Person der Antragstellerin oder des Antragstellers erst später verwirklichen. Dies gilt in Bezug auf den Abgeordnetenstatus nicht nur für das parlamentarische Binnenrecht (insbesondere Geschäftsordnungen), sondern auch für diejenigen formellen Gesetze, durch die ein Sonderstatus geschaffen wird, dessen Auswirkungen nur diejenigen betreffen, die in den Adressatenkreis des Status berufen werden

(ebenso für eine Regelung des Abgeordnetengesetzes des Bundes BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06 u.a. -, BVerfGE 118, 277 ff., Juris Rn. 199; offen gelassen im Beschluss vom 23. Januar 1995, a.a.O., Juris Rn. 29).

Bei der Abgeordnetenentschädigung spricht schon die Bedeutung des Abgeordnetenstatus dafür, etwaige Verfassungsverstöße durch neu in diesen Status gewählte Mandatsträger zur Überprüfung stellen zu lassen

(ebenso StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. März 2009, a.a.O., Juris Rn. 83 ff.).

Sie könnten ansonsten durch die ihren Status berührenden gesetzlichen Regelungen unter Umständen stärker in ihrer Mandatsausübung betroffen werden, als dies durch eine Bestimmung der Geschäftsordnung der Fall wäre. Ähnlich wie im Falle einer bereits in früheren Jahren beschlossenen Geschäftsordnung werden die neu in den Landtag gewählten Abgeordneten erst mit ihrem Einzug ins Parlament von der Regelung betroffen und erhalten damit erstmals eine Überprüfungsmöglichkeit. Deshalb ist ausnahmsweise bei Streitigkeiten über den Abgeordnetenstatus für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Maßnahme abzustellen. Dadurch wird keine allgemeine Durchbrechung der Rechtssicherheit bewirkt, sondern lediglich neuen Abgeordneten für einen beschränkten Zeitraum die Möglichkeit eröffnet, die ihre Mandatsausübung grundlegend betreffenden Regeln einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zuzuführen.

Die Antragstellerin und die Antragsteller können nicht darauf verwiesen werden, ihre Vorstellungen zunächst in das Parlament einzubringen, um eine Änderung im parlamentarischen Verfahren zu erwirken. Dahingestellt bleibt, ob sie dagegen mit Erfolg geltend machen können, dass ein solches Ansinnen von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Hierfür sprechen zwar die breite Mehrheit, mit der die angegriffene Regelung seinerzeit beschlossen wurde und auch die im laufenden Verfahren abgegebenen Stellungnahmen der Fraktionen. Jedoch wäre das Anstoßen eines solchen parlamentarischen Prozesses keine reine Förmelei, weil das Gesetzgebungsverfahren geeignet und darauf angelegt ist, einen Diskussionsprozess in Parlament und Öffentlichkeit in Gang zu setzen.

Allerdings geht es der Antragstellerin und den Antragstellern nach ihrem Vorbringen nicht lediglich um die Schaffung eines anderen vor dem Hintergrund der Landesverfassung vertretbaren Zustandes, sondern um die Beseitigung eines von ihnen angenommenen verfassungswidrigen Zustandes. Ob eine Antragstellerin oder ein Antragsteller Bemühungen auf parlamentarischer Ebene vor Einleitung eines Organstreitverfahrens anstrengen muss, wenn es um die Wahrung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte geht

(so LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Juni 2007 - LVerfG 19/06 -, NordÖR 2007, 407 ff., Juris Rn. 52),

kann dahinstehen. Der Organstreit ist jedenfalls gegenüber politischen Handlungsmöglichkeiten nicht subsidiär, wenn es um die gesetzliche Ausgestaltung der Rechte des Parlaments oder der Abgeordneten geht

(vgl. BVerfG, Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92 u.a. -, BVerfGE 90, 286 ff., Juris Rn. 207; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. März 2009 - GR 1/08 -, VBlBW 2009, 336 ff., Juris Rn. 86).

6. Der Antrag ist auch ordnungsgemäß, insbesondere schriftlich und unter Beifügung einer Begründung gemäß § 20 Abs. 1 LVerfGG gestellt worden und bezeichnet gemäß § 36 Abs. 2 LVerfGG mit Art. 11 Abs. 1 Satz 2 LV eine Bestimmung der Landesverfassung, gegen die nach Auffassung der Antragstellerin und der Antragsteller verstoßen wird.

C.

Der Antrag der Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 und 3 ist jedoch unbegründet. Sie sind durch die Zahlung einer zusätzlichen Entschädigung an die Parlamentarische Geschäftsführerin oder den Parlamentarischen Geschäftsführer einer jeden Landtagsfraktion nicht in ihrem Rechtsstatus als Abgeordnete verletzt.

I.

1. Maßgeblicher Prüfungsmaßstab ist für das Landesverfassungsgericht in erster Linie die Landesverfassung. Nach Art. 11 Abs. 1 LV vertreten die Abgeordneten das ganze Volk. Nach Art. 11 Abs. 3 LV haben sie Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.

Die Ausgestaltung der Abgeordnetenentschädigung als eines Teiles des Statusrechts der Abgeordneten ist in unmittelbarem Zusammenhang mit den Wahlgrundsätzen des Art. 3 Abs. 1 LV zu bewerten. Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden sind danach allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Diese Grundsätze stimmen überein mit denjenigen, die nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG für die Wahlen zum Bundestag gelten. Zur Übernahme dieser Grundsätze war der Landesverfassungsgeber im Rahmen des Homogenitätsgebots gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet

(vgl. Urteile vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 90, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 95 m.w.N. und vom 13. September 2013 - LVerfG 7/12 - Rn. 94 und - LVerfG 9/12 - Rn. 78).

Die Grundsätze der Freiheit und der Gleichheit der Wahl zum Landtag sind nur dann über den bloßen Wahlakt hinaus gewahrt, wenn der Erfolgswert der abgegebenen Stimmen des Wahlvolks jedenfalls abstrakt Aussicht hat, in den Mehrheitsentscheidungen des Repräsentationsorgans weiter Beachtung zu finden. Nur dann vertreten im Sinne von Art. 11 Abs. 1 LV die Abgeordneten das ganze Volk. Für die Konkretisierung des Abgeordnetenstatus folgt daraus, dass die Abgeordnetenentschädigung einerseits die Wahrnehmung des Mandats überhaupt ermöglichen muss und dass andererseits Differenzierungen untersagt sind, die die Grundsätze der Freiheit und der Gleichheit aller Abgeordneten in der Mandatswahrnehmung gefährden.

Von diesen allgemeinen Anforderungen abgesehen lassen sich der Landesverfassung keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung des Abgeordnetenstatus entnehmen. Die Konkretisierung hat das Parlament in autonomer Entscheidung unter Abwägung mit den übrigen Strukturentscheidungen zur Ausgestaltung des Parlamentarismus im Land zu treffen. Hierbei sind die verfassungsrechtlichen Grenzen zu beachten, die sich aus den Grundsätzen der Freiheit und der Gleichheit aller Abgeordneten ergeben.

Zu den in der Landesverfassung getroffenen Strukturentscheidungen gehört die Hervorhebung der besonderen Bedeutung der Fraktionen für den politischen Meinungsbildungsprozess. Besonders deutlich wird dies in der Vorschrift des Art. 12 LV, der die parlamentarische Opposition betrifft. Sie wird dort als wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie anerkannt (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 LV), mit Kritik an und Kontrolle von Regierungsentscheidungen beauftragt (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 LV) und als Alternative zu den Regierungsfraktionen (Art. 12 Abs. 1 Satz 3 LV) mit ausdrücklicher politischer Chancengleichheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 4 LV) ausgestattet. Die oder der Vorsitzende der stärksten die Regierung nicht tragenden Fraktion ist nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 LV Oppositionsführerin oder Oppositionsführer. Die Fraktionen werden wegen ihrer Rolle im parlamentarischen Willensbildungsprozess anders als im Grundgesetz mithin für die Parlamentsorganisation geradezu vorausgesetzt und zwar auf Regierungs- wie Oppositionsseite. Weitere ausdrückliche Regelungen finden sich in Art. 14 Abs. 4 und 5 LV (Aufgaben des Ältestenrates, Mitwirkung im Ältestenrat), Art. 18 Abs. 2 LV (Mitwirkung in Untersuchungsausschüssen) und Art. 20 Abs. 2 LV (Besetzung des Parlamentarischen Einigungsausschusses).

Daneben sind für die verfassungsrechtliche Bewertung der konkreten Ausgestaltung des Abgeordnetenstatus in der Landesverfassung selbst die Wechselwirkungen mit weiteren Grundentscheidungen der Landesverfassung zu berücksichtigen. Dies betrifft zunächst die geltenden Strukturentscheidungen zur Zusammensetzung und Arbeitsweise des Landtages. So ist durch § 1 Abs. 1 des nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV geschaffenen Landeswahlgesetzes (in der Fassung vom 7. Oktober 1991, GVOBl S. 442, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Mai 2013, GVOBl S. 168) eine Regelanzahl von 69 Sitzen festgelegt worden, die nach den durch Art. 10 Abs. 2 Satz 3 bis 5 LV festgelegten Grundsätzen der „personalisierten Verhältniswahl“ besetzt werden

(vgl. Urteil vom 30. August 2010, a.a.O., Rn. 89 = Juris Rn. 94).

Der Landtag arbeitet überdies seinem Selbstverständnis nach als Vollzeitparlament, wie sich aus der Bemessung der Höhe der Grundentschädigung ergibt

(vgl. Landtags-Drucksache 15/1500 vom 19. Dezember 2001, S. 25 und dazu PlPr 16/32 vom 1. Juni 2006, S. 2259).

2. Dahinstehen kann, ob neben diesen ausdrücklichen Regelungen in der Landesverfassung die aus Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG abgeleiteten allgemeinen Grundsätze in Schleswig-Holstein über Art. 2a LV oder über das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG oder sogar direkt gelten. Aus dem Grundgesetz ergibt sich nämlich kein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Maßstab. Grundsätzlich steht es dem Landesverfassungsgeber frei, den Status und die Entschädigung von Landtagsabgeordneten zu regeln

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., Juris Rn. 41; Landtags-Drucksache 15/1500 vom 19. Dezember 2001, S. 32; Steiner, Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gewährung von Zulagen an Mitglieder des Bayerischen Landtags mit besonderen Funktionen innerhalb einer Fraktion erstattet im Auftrag der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Februar 2012, S. 6).

Insoweit enthalten Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG das allgemeine, aus der Freiheit und Unabhängigkeit der Mandatsausübung abzuleitende Gebot, dass alle Abgeordneten die gleiche Entschädigung erhalten und Funktionszulagen auf zahlenmäßig begrenzte, besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen beschränkt werden. Nur dann ist von einer nur geringen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der Freiheit des Mandats auszugehen

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000, a.a.O., Juris Rn. 60 f.).

Es gehört zum Binnenbereich parlamentarischer Organisation, dass sich der Landtag seine Organisationsstrukturen einschließlich besonders zu entschädigender Funktionsstellen schafft

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000, a.a.O., Juris Rn. 49, 63).

Dabei hat er die aus Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG folgenden Grundsätze zu beachten. Diese Grundsätze können von den Parlamenten in weitgehender Freiheit und unter Berücksichtigung ihrer Flexibilität in Anpassung an die jeweilige Verfassungswirklichkeit ausgestaltet werden

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000, a.a.O., Juris Rn. 50 ff.).

3. Unter Berücksichtigung der Grundentscheidungen in der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung und der eben genannten, aus Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsätze sind besonders zu entschädigende Funktionsstellen jedenfalls dann mit Art. 11 Abs. 1 und 3, Art. 3 Abs. 1 LV sowie Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG vereinbar, wenn sie auf eine geringe Zahl und besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen begrenzt bleiben. Nur bei Wahrung dieser Grenzen können sie als angemessener Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen formeller Gleichheit der Abgeordneten und dem Erfordernis parlamentarischer Arbeitsstrukturen angesehen werden.

Trotz des Spannungsverhältnisses zwischen der Freiheit des Mandats und einer Einordnung in eine Fraktionsdisziplin ist anzuerkennen, dass Fraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag Koordinierungsaufgaben wahrnehmen, die angesichts der Vielzahl und Vielschichtigkeit der im Parlament zu behandelnden Regelungsbedürfnisse für die parlamentarische Arbeit unabdingbar sind. Einerseits besteht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Parlaments. Dies folgt schon aus der Notwendigkeit, für die parlamentarische Arbeit zeitgemäße Strukturen ausbilden zu können, die der Vielzahl, Bandbreite und Komplexität der Gegenstände der Gesetzgebung und Kontrolle Rechnung tragen. Andererseits ist der Gefahr zu begegnen, dass durch die systematische Ausdehnung von Funktionszulagen „Abgeordnetenlaufbahnen“ und Einkommenshierarchien geschaffen werden, die der Freiheit des Mandats abträglich wären. Der Ausgleich in diesem Spannungsverhältnis erfolgt durch die Begrenzung der Funktionszulagen auf eine geringe Zahl und besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich die oder der einzelne Abgeordnete bei der Ausübung ihres oder seines Mandats an sachfremden Gesichtspunkten wie an zusätzlichen Einkommenschancen orientiert

(zum Ganzen im Ergebnis ebenso zu Art. 38 GG: BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000, a.a.O., Juris Rn. 55 und 59 bis 61).

Die Einschätzung dessen, was besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen sind, wird bestimmt durch die Besonderheiten und Veränderungen der jeweils zu beurteilenden Parlamentswirklichkeit. Eine derart herausgehobene Stellung kann sich zudem nicht nur aus der Bedeutung für die politische Arbeit mit Blick auf die Außenwirkung, sondern auch aus der Binnenwirkung für die parlamentarischen Abläufe selbst ergeben.

II.

Nach diesem verfassungsrechtlichen Maßstab der Art. 11 Abs. 1 und 3 sowie Art. 3 Abs. 1 LV und der Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG sind die Abgeordnetenrechte der Antragstellerin und der Antragsteller zu 2 und 3 nicht verletzt.

1. Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber hat sich im Jahr 2006 insbesondere auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer erheblichen Verschlankung des Katalogs der Funktionszulagen entschlossen. Überdies sind seither mit der Reduzierung der Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten von vier auf zwei die Zahl der Funktionszulagen und die relative Höhe des Satzes der Zusatzentschädigung im Zuge von Einsparbemühungen verringert worden. Dies ist als Ausdruck einer aktualisierten Einschätzung des Landtages zu werten, welche Zusatzentschädigungen für die Aufrechterhaltung seiner Arbeitsfähigkeit erforderlich sind.

Das aktuell geltende System ist dadurch gekennzeichnet, dass zum Einen der Katalog derjenigen Funktionen, für die eine zusätzliche Entschädigung als essentiell für den parlamentarischen Betrieb angesehen wird, knapp gehalten ist. Ebenso ist die Zahl der zusatzvergütungsfähigen Funktionen einer jeden Fraktion gesetzlich auf eine geringe Zahl beschränkt. Zum Anderen ist den einzelnen Fraktionen jegliche Weiterungsmöglichkeit entzogen. Hierdurch sind die Transparenz und die Rechtfertigungspflicht aller Zulagen im gesamtparlamentarischen Prozess sichergestellt.

Der Landtag hat sich damit zugleich gegen die Möglichkeit der Vermehrung der Funktionszulagen durch die einzelnen Fraktionen entschieden. Ob auch in einem Modell, das Funktionszulagen auf der Grundlage rein fraktionsautonomer Entscheidungen ermöglicht, den Gefahren für Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten begegnet werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung

(zur Zulässigkeit eines solchen Modells vgl. den Bericht der vom Ältestenrat des Bundestages eingesetzten Unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts vom 19. März 2013, Bundestags-Drucksache 17/12500, S. 33)

Durch die in § 6 Abs. 2, 4, 5 und 6 AbgG getroffene Gesamtregelung ist sichergestellt, dass die Gesamtzahl der Funktionszulagen auch in Relation zur Zahl der Abgeordneten niedrig bleibt, da sich eine Schwankung nur durch die Zahl der im Landtag gebildeten Fraktionen ergeben kann. Eine solche Schwankung folgt wiederum in der Regel unmittelbar allein aus dem jeweiligen Wahlergebnis. Mit diesem Konzept wird einer breiten Praxis der Gewährung von Funktionszulagen entgegengewirkt und das Risiko der Bildung nicht sachgerechter Einkommenshierarchien und Abhängigkeiten minimiert. Der Landtag hat damit zugleich die in die grundsätzliche Gleichheit der Abgeordneten am wenigsten eingreifende Gestaltungsmöglichkeit gewählt, da eine Änderung wiederum nur durch einen Akt des Gesamtparlaments vorgenommen werden könnte. Die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der Freiheit des Mandats ist auf diese Weise so gering wie möglich ausgefallen

(vgl. zu diesem Minimierungsgebot BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., Juris Rn. 60 f., und dazu Landtags Drucksache 15/1500 vom 19. Dezember 2001, S. 34).

2. Die besondere Vergütung der Funktion einer Parlamentarischen Geschäftsführerin oder eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Fraktion beeinträchtigt nicht unangemessen die grundsätzliche Gleichheit der Abgeordneten. Es handelt sich um eine besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktion.

Zwar hat die Funktion der Parlamentarischen Geschäftsführerin und des Parlamentarischen Geschäftsführers bis heute, von der streitbefangenen Regelung der Zusatzentschädigung abgesehen, keinen Ausdruck in einem Rechtsakt des Gesamtparlaments gefunden. So ist es insbesondere nicht zu der von der Benda-Kommission angeregten klarstellenden Änderung des Art. 11 LV gekommen

(vgl. Landtags-Drucksache 15/1500 vom 19. Dezember 2001, S. 32 ff.).

Auch sonst lässt sich die Aufzählung der Zulageberechtigungen nicht durchgehend auf eine Erwähnung der jeweiligen Funktion in der Verfassung oder zumindest der Geschäftsordnung des Landtages (GO-LT, zuletzt geändert durch Geschäftsordnungsbeschluss vom 26. September 2012, GVOBl S. 704) stützen. Zwar werden die Präsidentin oder der Präsident und die Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten des Landtages in der Verfassung ausdrücklich erwähnt (Art. 14 Abs. 1 LV, die Beschränkung auf zwei Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten findet sich in § 3 Abs. 1 GO-LT). Die Fraktionen selbst sind mehrfach in der Landesverfassung erwähnt (Art. 12, 14 Abs. 4 und 5, Art. 18 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 und Art. 44 Abs. 2 Nr. 2). Die Fraktionsvorsitzenden werden in Art. 12 Abs. 2 LV und § 22 Abs. 1 Satz 3 GO-LT offenbar vorausgesetzt. Die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer finden eine solche Erwähnung aber an keiner Stelle. Das Gesetz über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag (zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Mai 1999, GVOBl S. 134) gibt ebenfalls keinen Hinweis darauf, dass eine Parlamentarische Geschäftsführerin oder ein Parlamentarischer Geschäftsführer ein unabdingbares organisatorisches Erfordernis wäre.

Einer solchen Klarstellung oder einer ausdrücklichen Regelung einklagbarer Rechte und Pflichten der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder des Parlamentarischen Geschäftsführers

(vgl. etwa Schmidt/ Weberink, MIP 2000, 71, 82 f.)

bedarf es jedoch nicht. Einerseits folgte auch aus einer ausdrücklichen Regelung von Aufgabenkreis und Befugnissen nicht ohne Weiteres die besondere Heraushebung einer politisch-parlamentarischen Funktion. So üben etwa Schriftführerinnen und Schriftführer aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 6 GO-LT eine definierte und nicht verzichtbare Aufgabe aus, können aber gleichwohl nicht als politisch besonders herausgehoben angesehen werden. Andererseits kann trotz fehlender gesetzlicher Aufgabenzuweisung eine gefestigte parlamentarische Übung im Landtag festgestellt werden. Hierzu hat sich das Gericht anhand der Materialien der Benda-Kommission und der Darstellungen des Landtages und der Fraktionen sowie des bestehenden innerfraktionellen Rechts (Geschäftsordnungen der Fraktionen) einen Eindruck von der aktuellen Parlamentswirklichkeit verschafft.

Das aktuelle Binnenrecht der Fraktionen und der Gruppe der Abgeordneten des SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag

- Geschäftsordnung der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag für die 18. Wahlperiode beschlossen am 8. Mai 2012

- Geschäftsordnung der Sozialdemokratischen Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 22. Oktober 2009

- Geschäftsordnung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Schleswig-Holsteinischen Landtag Stand November 2009

- Geschäftsordnung der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, zuletzt geändert durch Fraktionsbeschluss vom 8. März 2005

- Satzung der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, zuletzt geändert durch Fraktionsbeschluss vom 29. Januar 2013

- Geschäftsordnung des SSW im Landtag gemäß Beschluss vom 7. Mai 2012

enthält ausdrückliche Regelungen zu Aufgaben, Kompetenzen und Rechten der Parlamentarischen Geschäftsführung. Bis auf die Piratenfraktion etabliert das jeweilige Binnenrecht dabei jeweils einen Fraktionsvorstand, dem die Parlamentarische Geschäftsführerin oder der Parlamentarische Geschäftsführer angehört. Diese sind in allen Fällen in die Behandlung parlamentarischer Initiativen eingebunden, wobei allerdings die Verfahrensrechte der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer unterschiedlich ausfallen. Während beispielsweise nach der Satzung der Piratenfraktion für Kleine Anfragen lediglich auf die Geschäftsordnung des Landtages verwiesen wird, sollen diese bei den anderen Fraktionen in der Regel über die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer geleitet werden. Zustimmungserfordernisse oder Verfahren für Streitfälle sind nicht einheitlich geregelt. Inwieweit Einzelinitiativen aus Gründen der Fraktionsdisziplin in der Praxis angehalten werden, lässt sich dem Binnenrecht nicht entnehmen, allerdings deuten die Darstellungen nahezu aller Fraktionen darauf hin, dass ein Abgleich von Einzelinitiativen mit Fraktionszielen in der Regel gewünscht ist und dieser Abgleich insbesondere in das Aufgabenfeld der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer fällt.

In den Stellungnahmen aller Fraktionen, einschließlich der Stellungnahme der Piratenfraktion, werden – bei Unterschieden in den Einzelheiten – die erheblichen Anforderungen und vielfältigen Arbeitsfelder der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer deutlich. Es hängt zwar von der Größe und der Arbeitskultur der jeweiligen Fraktion ab, in welchem Maß sie Einfluss auf konkrete politische Prozesse haben, ob sie gar eine Fraktionsdisziplin im Abstimmungsverhalten gewährleisten sollen, oder inwieweit die Aufgaben eventuell auch auf mehrere Abgeordnete verteilt werden könnten. Insgesamt lässt sich aber die Aufgabenfülle der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer als solche und deren Bedeutung für die parlamentarischen Abläufe für Schleswig-Holstein feststellen. Weitgehend einheitlich ist auch der Unterschied zu den Fraktionsvorsitzenden dargestellt worden, denen eine primär auf die Außenbeziehungen einer Fraktion zielende Bedeutung beigemessen wird. Eine Aufgabenwahrnehmung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung oder der Fraktionen selbst kommt nach Auffassung aller Fraktionen allenfalls in Randbereichen in Betracht, da es zum Einen um politische Aufgaben geht und zum Anderen der Wert der Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer gerade auch darin besteht, als Abgeordnete „auf Augenhöhe“ in Fraktion und Gesamtparlament agieren zu können.

3. Danach führt die Wahrnehmung der Aufgaben der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder des Parlamentarischen Geschäftsführers im Schleswig-Holsteinischen Landtag zu einer solch raumgreifenden Beeinträchtigung der Mandatsausübung der jeweiligen Abgeordneten, dass eine Kompensation mittels einer zusätzlichen Vergütung keine ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Grundsatzes gleicher Entschädigung darstellt.

Zwar ist das Maß der Arbeitsbelastung grundsätzlich für die Bemessung der Abgeordnetenentschädigung unerheblich. Denn in den Fällen, in denen das Parlament nach seinem Selbstverständnis – wie in Schleswig-Holstein – als Vollzeitparlament arbeitet, muss bereits die allgemeine Abgeordnetenentschädigung alle Fälle erfassen, also ausreichen sowohl für diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Einkommen aus einem Beruf haben, als auch für diejenigen, die infolge des Mandats ihr Berufseinkommen ganz oder teilweise verlieren

(ebenso für Bundestagsabgeordnete BVerfG, Urteil vom 5. November 1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 40, 296 ff., Juris Rn. 41).

Es handelt sich um eine „Vollalimentation“

(vgl. zur Bundesebene BVerfG, Urteile vom 5. November 1975, a.a.O., und vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., Juris Rn. 55).

Daher ist beispielsweise auch der für eine Berufstätigkeit neben dem Mandat aufgewendete – oder eben nicht aufgewendete – Zeitaufwand unerheblich. Es steht den Abgeordneten von Verfassungs wegen frei, die Arbeit in Parlament, Fraktion, Partei und Wahlkreis nach eigenem Ermessen bis über die Grenze der Vernachlässigung ihrer Aufgabe hinaus einzuschränken

(so zu den Bundestagsabgeordneten BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 -2 BvE 1/06 u.a. -, BVerfGE 118, 277 ff., Juris Rn. 253 f. m.w.N.).

Die zusätzliche Entschädigung für einzelne besonders herausgehobene Funktionsträgerinnen und Funktionsträger rechtfertigt sich aber gerade nicht aus der damit einhergehenden zeitlichen Belastung, sondern aus der Beschränkung der grundsätzlichen Freiheit der Mandatsausübung infolge der Übernahme der Funktion. Diese resultiert aus der Fülle der ohne die Verfolgung eigener politischer Ziele anfallenden, zwingend zu erbringenden Aufgaben. Es entstehen zudem erhöhte Präsenzpflichten im Parlament und eine in vielfältiger Weise durch die parlamentarischen Abläufe vorgegebene hohe Zahl innerparlamentarischer Termine zusätzlich zu den von allen Abgeordneten wahrzunehmenden Verpflichtungen. Dies betrifft nach den insoweit übereinstimmenden Stellungnahmen der Fraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag etwa die Anwesenheit in Sitzungen zur Sicherstellung hinreichender Präsenz der Fraktion, gegebenenfalls die Organisation von Vertretungen oder auch die Übernahme der Stimmführerschaft. Daneben folgen aus der administrativen Leitung der Fraktion vielfältige Pflichten in Bezug auf die Auswahl und Führung der Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter einschließlich der Aufgaben der oder des Dienstvorgesetzten oder auch die Verwaltung der Fraktionsmittel.

Diese unausweichlich zu leistenden organisatorischen Aufgaben und der große Umfang fremdbestimmter Termine lassen den kompensierten Mehraufwand auch für Abgeordnete als nachvollziehbar erscheinen, die keine zusätzlich vergütete Funktion wahrnehmen. Es ist dabei aus den eingeholten Stellungnahmen deutlich geworden, dass sich die Aufgabe der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder des Parlamentarischen Geschäftsführers insoweit nicht nur hinsichtlich des zeitlichen Umfangs deutlich von heute in Schleswig-Holstein nicht mehr zusätzlich vergüteten Funktionen (etwa dem Ausschussvorsitz) unterscheidet. Die Parlamentarische Geschäftsführerin oder der Parlamentarische Geschäftsführer ist nicht nur in der Freiheit zur Gestaltung der persönlichen Mandatsausübung eingeschränkt, sondern muss oftmals unbequeme Aufgaben wahrnehmen, wenn im Rahmen der Fraktionsdisziplin Einzelinitiativen begrenzt oder kanalisiert werden müssen, oder bei fraktionsinternen Streitigkeiten zu politischen Linien Partei ergriffen werden muss. Entsprechendes gilt für streitige organisatorische Fragen. In der mündlichen Verhandlung wurde deshalb von Seiten mehrerer Fraktionen darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung der Aufgaben der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder des Parlamentarischen Geschäftsführers in der Vergangenheit durchaus auch negative Auswirkungen auf deren weitere politische Karriere gehabt hat.

4. Nach alledem war der Antrag zurückzuweisen. Die angefochtene Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 AbgG entspricht nach der Gesamtbetrachtung des Systems der Funktionsvergütungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 11 Abs. 1 und 3 sowie Art. 3 Abs. 1 LV und der Art. 38 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 3 GG

(im Ergebnis ebenso BVerfG, Beschluss vom 27. November 2007 - 2 BvK 1/03 -, BVerfGE 119, 302 ff., Juris Rn. 20, in einem obiter dictum zur aktuellen Rechtslage in Schleswig-Holstein).

III.

Das Gericht war nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 3 GG einzuholen. Eine solche Vorlagepflicht besteht, wenn das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Verfassungsgerichts eines anderen Landes abweichen will. Dies ist nicht der Fall.

1. Es kann dahinstehen, inwieweit den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts zur damaligen Rechtslage in Thüringen in seinem sogenannten „Zweiten Diätenurteil“ vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 - (BVerfGE 102, 224 ff.) auch unter Berücksichtigung von § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) bindende Wirkung zukommen könnte. Denn grundsätzlich obliegt dem Landesverfassungsgericht die Nachprüfung der vom Landesgesetzgeber in eigener Kompetenz erlassenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung. Es kann insofern nicht durch Feststellungen eines anderen Landesverfassungsgerichts zu einer anderen Landesverfassung gebunden werden – sei dies auch im konkreten Fall das in Organleihe für den Freistaat Thüringen funktional als Landesverfassungsgericht tätig gewordene Bundesverfassungsgericht

(für eine über den thüringischen Verfassungsraum hinausgehende Bindungswirkung des Urteils: von Arnim, Der Verfassungsbruch. Verbotene Extradiäten – Gefräßige Fraktionen, 2011, S. 67 ff.; P. Kirchhof, Zur Zulässigkeit parlaments- und fraktionsautonomer Funktionszulagen, gutachtliche Stellungnahme im Auftrag des Präsidenten des Landtages von Baden-Württemberg, September 2001, S. 11 ff.; Rau, JuS 2001, 755 <759>; Röper, DÖV 2002, S. 655 <660>; dagegen: Schmahl, AöR Bd. 130, 2005, S. 114 <118 f.>; Steiner, Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gewährung von Zulagen an Mitglieder des Bayerischen Landtags mit besonderen Funktionen innerhalb einer Fraktion erstattet im Auftrag der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Februar 2012, S. 25 f.; Trute in: von Münch, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 48 Rn. 25; Welti, DÖV 2001, S. 705 <710>).

2. Zudem hat das Gericht seiner Entscheidung aus der Landesverfassung abgeleitete Maßstäbe zu Grunde gelegt, die den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2000 zur Zulässigkeit von Funktionszulagen entwickelten Grundsätzen nicht widersprechen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Artikel 38 und 48 GG stets zum Anlass genommen, die Bedeutung von Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten zu betonen. Danach wird mit der durch das freie Mandat erfolgenden „Rückkopplung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk“

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., Juris Rn. 54)

zugleich die Brücke geschlagen vom das Wahlrecht beherrschenden strikt formalisierten Gleichheitssatz

(vgl. BVerfG, Urteil vom 9. April 1992 - 2 BvE 2/89 -, BVerfGE 85, 264 ff., Juris Rn. 156; Beschluss vom 22. Mai 2001 - 2 BvE 1/99 u.a. -, BVerfGE 104, 14 ff., Juris Rn. 22)

zur formellen Gleichheit der Abgeordneten, die ihrerseits die Freiheit des Mandats gewährleistet

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000, a.a.O., Juris Rn. 59 f.).

Die Gleichheit der Abgeordneten bedeutet, dass alle Abgeordneten eines Parlaments die gleichen Rechte und Pflichten haben; dies schließt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Parlamentsmitglieder bei der Willensbildung des Parlaments ein

(BVerfG, Urteile vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 ff., Juris Rn. 109 f. und vom 21. Juli 2000, a.a.O., Juris Rn. 56).

Ausnahmen von der Beachtung des streng egalitären Gleichheitssatzes sind nur in zwingenden Fällen zulässig

(so für das Grundgesetz: BVerfG, Urteile vom 12. Juli 1960 - 2 BvR 373/60 u.a. -, BVerfGE 11, 266 ff., Juris Rn. 22, vom 5. November 1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 40, 296 ff., Juris Rn. 42 und vom 10. April 1997 - 2 BvF 1/95 -, BVerfGE 95, 335 ff., Juris Rn. 138 ff.).

Der vom Bundesverfassungsgericht in seinem „Zweiten Diätenurteil“ hieraus abgeleitete Grundsatz, dass die Zahl der mit Zulagen bedachten Funktionsstellen auf wenige politisch besonders herausgehobene parlamentarische Funktionen zu beschränken ist

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 -, BVerfGE 102, 224 ff., Juris Rn. 55),

widerspricht nicht den aus Art. 11 Abs. 1 und 3 sowie Art. 3 Abs. 1 LV entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der Abgeordnetenvergütung in Schleswig-Holstein.

3. Hiervon zu trennen sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Zweiten Diätenurteil zu dem seinerzeit konkret zu beurteilenden Sachverhalt in Thüringen. Das Bundesverfassungsgericht hat für dieses Urteil im Schrifttum vielfältige Kritik erfahren

(vgl. die Nachweise in dem im Vorfeld dieses Verfahrens von den Antragstellern in Auftrag gegebenen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages, Landtags-Umdruck 18/309, GA S. 10 f. mit Fn. 33 sowie bei Steiner, Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gewährung von Zulagen an Mitglieder des Bayerischen Landtags mit besonderen Funktionen innerhalb einer Fraktion erstattet im Auftrag der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Februar 2012, S. 27 ff.).

Ein großer Teil dieser Einwände betrifft dabei das in Anwendung der gebildeten allgemeinen Maßstäbe gefundene Ergebnis des Gerichts, mit dem die ergänzende Entschädigung für die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer als mit der Landesverfassung Thüringens unvereinbar befunden wurde

(BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000, a.a.O. Juris Rn. 62, 69 ff.).

Da diese Ausführungen die konkrete Ausgestaltung der Abgeordnetenvergütung im thüringischen Landesrecht betreffen und maßgeblich auf die dortigen Verhältnisse, namentlich auf die Anzahl und die Art der zusätzlich entschädigten Funktionsstellen abheben, stellen sie keine Auslegung des Grundgesetzes, sondern eine Anwendung der aus dem Grundgesetz abgeleiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe auf den Einzelfall dar. Insoweit besteht eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG nicht. Wenn das Landesverfassungsgericht unter Anwendung der landesverfassungsrechtlichen Maßstäbe gleichen Inhalts für die konkrete Situation in Schleswig-Holstein zu einem anderen Ergebnis kommt, wird hierdurch eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 3 GG nicht ausgelöst.

IV.

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Eine Auslagenerstattung findet nicht statt, da es bereits an einem entsprechenden Antrag fehlt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

V.

Das Urteil ist einstimmig ergangen.