BGH, Urteil vom 06.12.2001 - I ZR 214/99
Fundstelle
openJur 2010, 7563
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 6. Juli 1999 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg -1. Zivilkammer -vom 30. September 1998 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist Rechtsanwalt in R..

Die Beklagte, das Zweite Deutsche Fernsehen (Anstalt des öffentlichen Rechts), strahlte am 8. August 1996 die Fernsehsendung "WISO" aus, die sich mit dem Thema "Urlaub" befaßte. Die Sendung, in der die Zuschauer unter Einblendung der Rufnummer aufgefordert wurden anzurufen, begann mit folgendem Beitrag des Redakteurs O.:

"Wir reden über das Reisen. Wir reden jetzt über das Recht von Urlaubern -genauer von Pauschalurlaubern -, sich für Mängel im Urlaub entschädigen zu lassen.

Wir geben Ihnen jetzt gleich hier im Studio Ratschläge -Voraussetzung: Sie rufen uns an.

Ich sag nochmal die Telefonnummer: , .

Jetzt zeigt uns zunächst F. Z., wie ein fiktiver Urlauber mit allen Mitteln und Tricks versucht, aus den Urlaubsreisen so viel Geld wie möglich herauszuholen. Danach wird's ernst, wir geben Ihnen am Telefon Auskunft."

Im Verlauf der Sendung stellten vier Zuschauerinnen und Zuschauer den Redakteuren O. und Z. der Beklagten telefonisch und für die Fernsehzuschauer hörbar Fragen zu ihren Reiseerlebnissen und zur Möglichkeit der Reisepreisminderung, die einer der Redakteure beantwortete.

Der Kläger sieht in der Gestaltung der Sendung einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz. Hierzu hat er geltend gemacht, die Beklagte habe in der Sendung vom 8. August 1996 sowie in einer weiteren Sendung vom 21. Juli 1997 ohne Erlaubnis geschäftsmäßig Rechtsberatung angeboten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Fernsehsendungen die Erteilung von Rechtsrat anzukündigen, insbesondere wenn dies mit folgenden Worten geschieht:

"Redakteur O.:

Wir reden über das Reisen. Wir reden jetzt über das Recht von Urlaubern -genauer von Pauschalurlaubern -, sich für Mängel im Urlaub entschädigen zu lassen.

Wir geben Ihnen jetzt gleich hier im Studio Ratschläge -Voraussetzung: Sie rufen uns an.

Ich sag nochmal die Telefonnummer: , .

Jetzt zeigt uns zunächst F. Z., wie ein fiktiver Urlauber mit allen Mitteln und Tricks versucht, aus den Urlaubsreisen so viel Geld wie möglich herauszuholen. Danach wird's ernst, wir geben Ihnen am Telefon Auskunft."

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, in der Sendung vom 8. August 1996 habe die Redaktion die eingegangenen ungefähr 100 Anrufe von Zuschauern überprüft, um häufig vorkommende Reisereklamationen zu ermitteln. In der Sendung seien vier Zuschauer mit typischen Problemen zu Wort gekommen, die beispielhaft erörtert worden seien. Es liege deshalb weder eine konkrete Rechtsberatung im Einzelfall vor noch sei diese angekündigt worden.

Schließlich hat sich die Beklagte auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 823 Abs. 2, § 1004 BGB und § 1 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG bejaht. Hierzu hat es ausgeführt:

Der Beklagten sei es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Fernsehsendungen anzukündigen, Rechtsrat zu erteilen, insbesondere wenn dies mit den im Antrag wiedergegebenen Worten geschehe.

Die Vorschrift des Art. 1 § 1 RBerG diene auch den Interessen der Rechtsanwaltschaft an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit ihrer Berufsgruppe, um ihr ein ausreichendes Arbeitsfeld gegenüber Personen zu sichern, die über keine Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten verfügten. Der Kläger sei klagebefugt, da die Sendung der Beklagten auch in R. am Kanzleisitz des Klägers ausgestrahlt worden sei.

Die Beklagte habe bereits durch die Ankündigung, Rechtsberatung im Einzelfall zu erteilen, gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen. Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes sei es, Rechtsuchende vor Nachteilen und Schädigungen durch nicht sachkundige Personen und die Rechtsanwaltschaft vor Konkurrenz zu schützen, die keinen im Interesse der Rechtspflege gesetzten Schranken unterlägen. Gegen diesen Schutzzweck verstoße es, unerlaubte Rechtsberatung anzubieten. Die Bestimmung des Art. 1 § 1 RBerG sei eine wertbezogene Norm, deren Verletzung die Sittenwidrigkeit i.S. des § 1 UWG begründe.

Die Beklagte habe durch die im Antrag wiedergegebenen Worte ihres Redakteurs in der Sendung vom 8. August 1996 die Erteilung von Rechtsberatung angekündigt, ohne die erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Die Zuschauer, die unter Einblendung von Rufnummern darauf hingewiesen worden seien, sie erhielten am Telefon Auskunft, hätten unter diesen Umständen die Einleitung des Redakteurs nur so verstehen können, sie erhielten nach Schilderung ihres Falles und erforderlichenfalls gezielten Nachfragen, unabhängig davon, ob ihr Problem in der Öffentlichkeit im Rahmen der Sendung behandelt werde, Antwort auf ihre individuellen Fragen.

Die Beklagte habe geschäftsmäßig und zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Sie habe mehrfach aufklärende Sendungen über Rechtsfragen mit Zuschauerbeteiligung ausgestrahlt. Die Gestaltung der Fernsehsendungen sei geeignet, ihren Absatz gegenüber Mitkonkurrenten zu begünstigen. Das Anbieten der Rechtsberatung könne den Absatz der im Ausstrahlungsgebiet tätigen Rechtsanwälte beeinträchtigen. Der Unterlassungsanspruch sei nicht verjährt. Durch das der Beklagten auferlegte Verbot werde ihr Grundrecht auf Rundfunkfreiheit nicht berührt. Auch Medienunternehmen könne nicht gestattet werden, gegen das Rechtsberatungsgesetz, das wichtigen Gemeinwohlinteressen diene, zu verstoßen. Der Informationsauftrag der Beklagten erfordere nicht, Rechtsfragen von Zuschauern am Telefon zu erörtern.

II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.

1.

Das Berufungsgericht ist -ohne dies ausdrücklich anzuführen -zutreffend davon ausgegangen, daß der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt ist. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht so undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 -I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 -Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGHZ 144, 255, 263 -Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 26.10.2000 -I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 = WRP 2001, 400 -TCM-Zentrum; Urt. v. 9.11.2000 -I ZR 167/98, GRUR 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 -HerzKreislauf-Studie).

Diesen Anforderungen genügt der Unterlassungsantrag auch, soweit er sich von der konkret beanstandeten Verletzungsform löst. Der Antrag, der dagegen gerichtet ist, daß die Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Fernsehsendungen ankündigt, Rechtsrat zu erteilen, wird durch den die beanstandete Verletzungsform aufgreifenden "insbesondere"-Zusatz ausreichend konkretisiert. Von dem Unterlassungsbegehren erfaßt wird danach die Ankündigung, Anrufer in Fernsehsendungen über die Rechtslage in ihrem näher dargestellten Fall zu unterrichten.

2.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nicht gegeben.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings entgegen der Ansicht der Revision zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger als unmittelbar betroffener Wettbewerber nach § 1 UWG sachbefugt ist.

Als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenen Handlung betroffen sind grundsätzlich diejenigen Mitbewerber anzusehen, die zu dem Verletzer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, daß das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urt. v. 5.10.2000 -I ZR 210/98, GRUR 2001, 258 = WRP 2001, 146 -Immobilienpreisangaben; Urt. v. 5.10.2000 -I ZR 237/98, GRUR 2001, 260 = WRP 2001, 148 -Vielfachabmahner; Großkomm./Erdmann, § 13 UWG Rdn. 13 f.; Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 23 Rdn. 6 f.).

Davon ist im Streitfall auszugehen. Denn die Beklagte hat in der auch am Kanzleisitz des Klägers in R. ausgestrahlten Sendung vom 8. August 1996 mit der Ankündigung, auf Anrufe im Studio hin Ratschläge zu Mängeln von Pauschalurlaubsreisen zu geben, trotz ihrer andersartigen Branchenzugehörigkeit als Fernsehanstalt im Verhältnis zum Kläger gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises angeboten und ist dadurch in Wettbewerb zum Kläger getreten.

Ohne Erfolg macht die Revision demgegenüber geltend, der Kläger habe keine konkrete Beeinträchtigung darzulegen vermocht, weil praktisch ausgeschlossen sei, daß ihm durch die Sendung der Beklagten nur ein Mandat entgangen sei. Für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist jedoch nicht der Nachweis erforderlich, daß dem Kläger aufgrund der Fernsehsendung tatsächlich Mandate entgangen sind. Ausreichend ist, daß der Wettbewerbsverstoß der Beklagten den Kläger -wie vorliegend gegeben -im Absatz seiner Dienstleistungen unmittelbar behindern kann. Das ist angesichts der bundesweiten Ausstrahlung des Programms der Beklagten der Fall.

b) Mit Recht wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, mit dem beanstandeten Verhalten habe die Beklagte gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstoßen. Diese hat durch den im Klageantrag wiedergegebenen Beitrag des Redakteurs O. keine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten angeboten.

Eine -erlaubnispflichtige -Besorgung fremder Rechtsangelegenheiteni.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete Rechtsverhältnisse zu gestalten (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.1989 -I ZR 30/87, GRUR 1989, 437, 438 = WRP 1989, 508 -Erbensucher; Urt. v. 18.5.1995 -III ZR 109/94, NJW 1995, 3122; Urt. v. 30.3.2000 -I ZR 289/97, GRUR 2000, 729, 730 = WRP 2000, 727 -Sachverständigenbeauftragung, jeweils m.w.N.). Dabei reicht zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nach § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG bereits das Erbieten zur Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung ohne entsprechende Erlaubnis aus (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1987 -I ZR 100/86, GRUR 1987, 373 = WRP 1987, 462 -Rentenberechnungsaktion; Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rdn. 205). Zweck des Art. 1 § 1 RBerG ist es auch, die Rechtsuchenden vor ungeeigneten Beratern zu schützen (vgl.

BVerfGE 97, 12, 30). Dieser Schutzzweck wird berührt, wenn -unerlaubt -Rechtsberatung auch nur angeboten wird, weil dadurch die Gefahr begründet wird, der Empfänger des Angebots werde sich an einen nicht ausreichend qualifizierten Rechtsberater wenden.

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die mit der Einblendung und Ansage von Telefonnummern verbundene Ankündigung des Redakteurs in der Fernsehsendung "Wir geben Ihnen am Telefon Auskunft" werde vom angesprochenen Verkehr dahin verstanden, daß wegen der Vielzahl der Anrufe zusätzlich zur Sendung ein Telefonservice mit einer kostenlosen Beratung über Rechtsfragen zu Reisemängeln im Einzelfall von der Beklagten angeboten werde. Ob in der anschließenden Sendung durch die Art und Weise der Beantwortung der wenigen durchgeschalteten Anrufe tatsächlich Rechtsberatung im Einzelfall erfolge, spiele keine Rolle. Habe die Beklagte nicht die Absicht, am Telefon Auskunft zu erteilen, würden die anrufenden Zuschauer in ihrer Erwartung getäuscht. Die Beklagte wäre in diesem Fall gemäß § 3 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Die von der Revision angegriffene tatrichterliche Beurteilung ist zwar im Revisionsverfahren nur eingeschränkt nachprüfbar. Die Prüfung ist im Streitfall darauf beschränkt, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht. Das ist nicht der Fall, wie der Senat aufgrund des der Entscheidung zugrundeliegenden unstreitigen Sachverhalts und des Parteivortrags selbst beurteilen kann.

Die Beklagte hat einen telefonischen Rechtsberatungsservice für alle Anrufer unabhängig von der Schaltung von Zuschaueranrufen in die laufende Sendung weder ausdrücklich angekündigt noch ist ein solches Angebot der vom Berufungsgericht festgestellten Gestaltung der gesamten Sendung zu entnehmen. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß es erkennbar Zweck der an die Zuschauer gerichteten Aufforderung der Beklagten war, allgemein interessierende Fälle in die Sendung zu bringen, damit diese durch das Anschauungsmaterial lebensnah gestaltet werden konnte. Da die Dienstleistung der Fernsehanstalten in erster Linie in der Ausstrahlung von Fernsehsendungen besteht und nicht in der Einrichtung eines Rechtsberatungsservice, bedurfte es ohne ausdrückliche Ankündigung besonderer Anknüpfungspunkte für den angesprochenen Verkehr, aus denen er entnehmen konnte, daß die Beklagte für Anrufer einen derartigen Service unabhängig von der Schaltung der Telefonanrufe in die laufende Sendung eingerichtet hatte. Eine ausdrückliche Ankündigung der Beklagten ist nicht erfolgt. Denn neben der vom Berufungsgericht herausgestellten Erklärung "Wir geben Ihnen am Telefon Auskunft", hatte der Redakteur der Beklagten darauf hingewiesen, die Ratschläge würden "gleich hier im Studio" gegeben. Allein der Umstand, daß wegen der Vielzahl der Anrufe erwartungsgemäß nicht alle, sondern nur ein geringer Teil der Anfragen in der Sendung beantwortet werden konnte, reicht nicht aus, von der Einrichtung eines telefonischen Rechtsberatungsservice neben der Schaltung der Anrufer in die laufende Sendung auszugehen.

bb) Die Verurteilung zur Unterlassung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 ZPO).

Die Ankündigung der Beklagten an Zuschauer der WISO-Sendung vom 8. August 1996, öffentlich in der laufenden Sendung Rechtsrat auf ihre individuellen Fragen zu erhalten, stellt kein Angebot dar, fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die in Zeitungen und Zeitschriften an die gesamte Leserschaft gerichtete allgemeine Rechtsbelehrung über juristische Fragen aufgrund einer (fingierten) Anfrage anhand eines typischen Sachverhalts von allgemeinem Interesse zulässig ist, weil nicht die Rechtsberatung im konkreten Fall im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1955 -I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 -Ratgeber; Urt. v. 13.2.1981 -I ZR 63/79, GRUR 1981, 529, 530 = WRP 1981, 385 -Rechtsberatungsanschein).

Ob die Erteilung von Rat zu Rechtsverhältnissen in Medien aufgrund eines konkreten Falles als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz aufzufassen ist (so Henssler/Prütting, BRAO, Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 6; Henssler/ Holthausen, EWiR 1999, 419, 420; Rennen/Caliebe Art. 1 § 1 Rdn. 21; Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Rdn. 50 f., 53; König, Rechtsberatungsgesetz, S. 71; Hirtz, EWiR 1998, 853, 854) oder die Darstellung und Besprechung eines typischen Sachverhalts anhand eines konkreten Falles zulässig ist, wenn nicht der Einzelfall im Vordergrund steht (in diesem Sinn: OLG Dresden AfP 1996, 180; OLG Köln NJW 1999, 504, 505 f.; Flechsig, ZUM 1999, 273, 275; Prinz/Peters, Medienrecht, Rdn. 238), ist umstritten.

Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung wird vom Bundesgerichtshof auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abgestellt, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Eine -erlaubnispflichtige - Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 RBerG liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Daher ist zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache, daß nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne daß die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden (BGH, Urt. v. 25.6.1998 -I ZR 62/96, GRUR 1998, 956, 957 = WRP 1998, 976 -Titelschutzanzeigen für Dritte; BGH GRUR 2000, 729, 730 -Sachverständigenbeauftragung; vgl. auch Großkomm.UWG/Teplitzky, § 1 Rdn. G 119).

Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung, ob durch die konkrete Gestaltung einer Fernsehsendung gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen wird, entsprechend heranzuziehen (vgl. hierzu auch: Rennen/Caliebe Art. 1 § 1 RBerG Rdn. 23). In die Abwägung sind die das Rechtsberatungsgesetz tragenden Belange des Gemeinwohls einzubeziehen, den einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden (vgl. BVerfGE 97, 12, 27; BVerfG NJW 2000, 1251). Dabei ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen.

Weiter ist zu berücksichtigen, daß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Rundfunkfreiheit gewährleistet, die der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient (vgl. BVerfGE 90, 60, 87). Die sich aus allgemeinen Gesetzen ergebenden Grenzen des Grundrechts der Freiheit der Berichterstattung durch Presse und Rundfunk muß im Licht dieses Grundrechts gesehen werden. Die allgemeinen Gesetze sind daher aus der Erkenntnis der Bedeutung dieses Grundrechts auszulegen und so in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 71, 206, 214). Die Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit muß zudem geeignet und erforderlich sein, den Schutz des allgemeinen Gesetzes -hier des Rechtsberatungsgesetzes - zu bewirken.

Im Streitfall werden die Schutzgüter des Rechtsberatungsgesetzes durch die Gestaltung der Sendung der Beklagten vom 8. August 1996 nicht in relevanter Weise betroffen. Das Angebot zur Erteilung von Rechtsrat ist wegen der Konzentration auf die laufende Sendung mit einer Dauer von 30 Minuten auf wenige Fälle beschränkt. Für die Zuschauer der Sendung ist erkennbar, daß es sich wegen dieser Beschränkung um die Besprechung allgemein interessierender Fälle handeln wird und der Rechtsrat aufgrund des mit der Sendung verbundenen Zeitdrucks und der fehlenden Möglichkeit, sämtliche Aspekte des Falles einschließlich der schriftlichen Vertragsunterlagen in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen, nicht abschließend sein kann und deshalb unverbindlich bleiben muß. Können die Anrufer und Zuschauer einer Fernsehsendung der im Streitfall in Rede stehenden Art nicht erwarten, umfassend informiert und beraten zu werden, liegt keine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes vor.

Wegen der erkennbar nicht abschließenden Beurteilung des Falles in einer Fernsehsendung werden weder der Schutz des einzelnen oder der Allgemeinheit vor ungeeignetem fachlichen Rat betroffen noch werden bei der außerordentlich beschränkten Zahl der Anrufer (vier Anrufer) die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe auch nur tangiert. Vielmehr steht bei der Erteilung von Rechtsrat in typischen allgemein interessierenden Fällen im Rahmen einer Rundfunk- oder Fernsehsendung die allgemeine Unterrichtung der Zuschauer und nicht die Erteilung von Rechtsrat im konkreten Fall im Vordergrund, auch wenn einzelne Anrufer die Gelegenheit erhalten, ihren Fall darzustellen und sie hierzu eine Auskunft erhalten. Davon mag es Ausnahmen geben, etwa wenn die individuelle Rechtsberatung in einer Sendung in den Mittelpunkt gestellt wird. Dafür ist bei dem Angebot der Beklagten, Ratschläge zu Mängeln bei Pauschalurlauben in der beanstandeten Sendung zu erteilen, im Streitfall jedoch nichts ersichtlich.

Liegt in der Ankündigung der Beklagten in der Sendung vom 8. August 1996, Anrufern Ratschläge zu Mängeln im Zusammenhang mit Pauschalurlaubsreisen zu erteilen, kein Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, scheidet ein auf § 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch aus.

Aus demselben Grund kann das Unterlassungsbegehren auch nicht auf § 823 Abs. 2, § 1004 BGB i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG gestützt werden.

III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben, auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.