OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.08.2013 - 1 U 69/13
Fundstelle
openJur 2013, 34142
  • Rkr:

Wird ein Demonstrationsteilnehmer wegen des Fehlverhaltens eines anderen Demonstrationsteilnehmers und einer unglücklichen Verkettung von Umständen von einem Polizeihund gebissen, so kommt wegen des immateriellen Schadens eine Entschädigung nach allgemeinen Aufopferungsgrundsätzen in Betracht.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. Januar 2013verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen (3 O354/12) abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 300 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Oktober 2012 zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 46,41 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 9/10 und das beklagte Land 1/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil die Revision nicht zugelassen wurde und ein Rechtsmittel gegen das Urteil deshalb bei einer Beschwer der Parteien von jeweils nicht über 20.000 Euro unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, § 544 ZPO).

II.

1. Die Berufung ist zum Teil begründet.

Der Kläger kann vom beklagten Land nach aufopferungsrechtlichen Grundätzen eine Entschädigung in Höhe von 300 Euro verlangen, weil er bei einer Demonstration vom …. Oktober 2011 in O1 durch einen Polizeihund gebissen und verletzt wurde.

a. Zwar hat das Landgericht einen Amtshaftungsanspruch des Klägers gegen das beklagte Land zu Recht mit der Begründung verneint, eine Sorgfaltspflichtverletzung des Polizeibeamten, der bei der Demonstration vom …. Oktober 2011 den Hund geführt hatte, sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils verwiesen werden. Die vom Kläger dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch:

aa. Das Landgericht ist auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen A, B, C und D zu der Überzeugung gelangt, dass der Zeuge A den von ihm bei dem streitgegenständlichen Einsatz geführten Polizeihund ordnungsgemäß mit einem Maulkorb ausgestattet und den Sitz dieses Maulkorbs vor dem Einsatz nochmals überprüft hatte, der Maulkorb nur deswegen seitlich verrutschte, weil ein Demonstrationsteilnehmer den Hund trat, und der Zeuge A den Maulkorb baldmöglichst wieder richtig anbrachte. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Beweiswürdigung begründen und eine andere Wertung als richtiger erscheinen lassen könnten, sind weder dem Berufungsvorbringen des Klägers zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Hiernach hat das Landgericht eine Amtspflichtverletzung des Zeugen A im Sinne der §§ 839 Abs. 1 Satz 2, § 833 BGB zu Recht verneint.

bb. Insoweit war es auch nicht geboten, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob ein ordnungsgemäß angebrachter Maulkorb überhaupt verrutschen kann. Zum einen hatte der Kläger eine solche Behauptung - entgegen seiner Darstellung in der Berufungsbegründung - in seiner Klageschrift nicht auf- und unter Beweis gestellt. Zum anderen hat der Zeuge A im Einzelnen erläutert, dass dem von ihm geführten Hund bei der streitgegenständlichen Demonstration derart gegen den Kopf getreten worden war, dass bei ihm noch mehrere Tage nach dem Vorfall eine Schiefstellung von Ohr und Kopf vorlag. Hiernach war eine massive Einwirkung auf den Maulkorb erfolgt, die dessen Verrutschen - auch bei ordnungsgemäßer Anbringung -ohne weiteres erklärt. Dafür, dass es sich bei den Bekundungen des Zeugen A um reine Schutzbehauptungen gehandelt haben könnte, wie der Kläger meint, fehlt es an jeglichen konkreten Anhaltspunkten.

b. Jedoch kann der Kläger wegen der erlittenen Bissverletzung vom beklagten Land nach aufopferungsrechtlichen Grundätzen eine Entschädigung in Höhe von 300 Euro verlangen.

aa. Nach dem von der Rechtsprechung aus §§ 74, 75 der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts (Einl. ALR) abgeleiteten, inzwischen gewohnheitsrechtlich verfestigten Aufopferungsgedanken kann derjenige, dem durch einen Eingriff der Staatsgewalt in eines seiner nach Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Lebensgüter ein Sonderopfer auferlegt wurde, eine Entschädigung verlangen (vgl. Staudinger/Wurm, BGB 2012, § 839 Rn. 498 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage, § 28 Rn. 1 ff.). Eine gesetzliche Regelung hat der Aufopferungsgedanke in den Polizeigesetzen der Länder erfahren, unter anderem in § 64 Abs. 1 Satz 2 HSOG. Nach dieser Vorschrift ist demjenigen, der durch eine rechtswidrige Polizeimaßnahme einen Schaden erleidet, ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Für Polizeimaßnahmen, die - wie der streitgegenständliche Polizeihundeeinsatz - rechtmäßig erfolgten, kommt nur ein allgemeiner Aufopferungsanspruch in Betracht (dazu, dass der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen seines verfassungsrechtlichen Ranges durch einfachgesetzliche Regelungen zwar ausgestaltet, aber nicht beseitigt oder wesentlich beschränkt werden kann, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage, § 28 Rn. 1).

bb. Der Kläger wurde als Teilnehmer einer Demonstration von einem von dem Zeugen A geführten Polizeihund gebissen. Die Bissverletzung stellte einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte körperliche Unversehrtheit des Klägers dar. Dieser Eingriff war zwar nicht Ziel des Polizeieinsatzes: Der Polizeihund war nicht etwa zu dem Zweck eingesetzt, störende Demonstrationsteilnehmer zu verletzen, sondern so trainiert, dass er Personen durch Anspringen zurückhalten und dadurch tätliche Auseinandersetzungen und Verletzungen von Personen gerade vermeiden helfen sollte; der Hund handelte in dem Moment, als er den Kläger biss, auch nicht auf Befehl des Zeugen A. Zwar hatte der Zeuge dem Hund zuvor befohlen, den Kläger anzuspringen, weil dieser - in einer Situation, in der Tätlichkeiten zwischen Demonstrations- und Veranstaltungsteilnehmern drohten - entgegen der polizeilichen Anweisung nicht weitergegangen war. Nach diesem Anspringen war der Kläger aber zurückgewichen und hatte sogar versucht, andere, aggressive, Demonstrationsteilnehmer zur Einhaltung der polizeilichen Anordnungen zu bewegen, indem er sich zwischen diese und den Polizeihund stellte und mit ausgebreiteten Armen zu ihnen sprach; erst in dieser Situation wurde er von hinten in den Arm gebissen, nachdem ein anderer Demonstrationsteilnehmer den Maulkorb des Hundes zur Seite getreten hatte. Der Hundebiss war also kein von dem Polizeibeamten beabsichtigter Eingriff, sondern eine ungewollte Nebenfolge des Polizeihundeeinsatzes; die Verletzung des Klägers beruhte auf einer unglücklichen Verkettung von Umständen nach dem Fehlverhalten eines unbesonnenen Demonstrationsteilnehmers. Gleichwohl ist der Eingriff dem beklagten Land zu-zurechnen, weil sich durch die Bissverletzung eine mit dem Einsatz des Polizeihundes verbundene besondere Gefahr verwirklicht hat, weshalb der Eingriff als unmittelbare Folge des Polizeihandelns zu werten ist (dazu, dass die Unmittelbarkeit keines formales, sondern ein wertendes Zurechnungskriterium bildet, vgl. Staudinger/Wurm, BGB 2012, § 839 Rn. 462 ff.).

cc. Die vom Kläger erlittene Bissverletzung stellt ein Sonderopfer dar.

Die Verletzung war erheblich und musste ärztlich behandelt werden. Sie überschritt auch die allgemeine Opfergrenze, weil sie über das hinausging, was der einzelne nach dem Willen des Gesetzgebers hinzunehmen hat (zu den Voraussetzungen, unter denen bei rechtmäßigen Eingriffen auf gesetzlicher Grundlage ein entschädigungspflichtiges Sonderopfer anzunehmen ist, vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Februar 1956, BGHZ 20, S. 61 ff. = NJW 1956, S. 629; Staudinger/Wurm, BGB 2012, § 839 Rn. 503):

(1) Die dem streitgegenständlichen Polizeieinsatz zugrundeliegenden polizeirechtlichen Vorschriften sehen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit eines Demonstrationsteilnehmers grundsätzlich nicht vor. Dementsprechend hat auch der Zeuge A bekundet, eine Anweisung zum Einsatz eines Polizeihunds ohne Maulkorb sei allenfalls dann möglich, wenn auch Schusswaffen eingesetzt würden. Der Zeuge A hat eingehend geschildert, welch großer Wert bei der Arbeit mit Polizeihunden sowohl in der Ausbildung als auch in der täglichen Praxis darauf gelegt werde, dass der schützende Maulkorb dem einzelnen Tier gut angepasst werde und jeweils fest sitze; der Zeuge hat ferner erläutert, dass ein „Abtreten“ des Maulkorbs bislang noch nicht vorgekommen und auch bei späteren Versuchen im Training nicht gelungen sei; auch der von dem Zeugen berichtete Umstand, dass der betroffene Hund noch mehrere Tage nach dem Tritt eine Schiefstellung von Ohr und Kopf hatte, deutet auf eine massive Einwirkung und einen außergewöhnlichen Ablauf. Schließlich hat der Zeuge D, der an der Demonstration vom …. Oktober 2011 teilgenommenen hat, bestätigt, sie - die Demonstrationsteilnehmer - hätten keine Angst gehabt, dass der Hund sie beißen würde, da er ja durch einen Maulkorb gesichert gewesen sei, sondern nur, dass er sie beim Anspringen kratzen könnte. Nach allem hatte ein Teilnehmer der streitgegenständlichen Demonstration zwar u. U. leichtere Blessuren durch ein von dem Polizeihundeführer rechtmäßig befohlenes Anspringen hinzunehmen, nicht aber schwerer wiegende Verletzungen durch einen Hundebiss.

(2) Ein Sonderopfer des Klägers ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil er die Si-tuation, in der es zu dem Hundebiss gekommen ist, selbst verursacht hat (dazu, dass die Opfergrenze weit hinausgeschoben sein kann, wenn sich der Betroffene dem Eingriff in einer ihm zurechenbaren Weise ausgesetzt hat, vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 1973, BGHZ 60, S. 302 ff. = NJW 1973, S. 1322, 1324 zur Verletzung eines Untersuchungsgefangenen durch einen Mithäftling). Zwar hat sich der Kläger insoweit selbst in Gefahr gebracht, als er sich - ohne ausreichenden Sicherheitsabstand, zudem abgewandt und mit ausgebreiteten Armen - vor den Hund stellte, um andere Demonstrationsteilnehmer zu beschwichtigen. Dabei musste er aber nicht damit rechnen, dass einer der Demonstrationsteilnehmer den Maulkorb des Hundes zur Seite treten und der Hund ihn daraufhin beißen würde; das Fehlverhalten dieses anderen Demonstrationsteilnehmers hat der Kläger auch nicht zu verantworten.

dd. Das vom Kläger erbrachte Sonderopfer wird nicht bereits durch anderweitige Regelungen bestimmungsgemäß aufgefangen und ausgeglichen (zur Subsidiarität des Aufopferungsanspruchs gegenüber allen übrigen Anspruchsgrundlagen des öffentlich-rechtlichen Schadensausgleichs vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. November 1958, BGHZ 28, S. 297 ff. = NJW 1959, S. 334, 335; Urteil vom 31. Januar 1966, BGHZ 45, S. 58 ff. = NJW 1966, S. 1021, 1027; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage, § 28 Rn. 6). Insbesondere findet das Opferentschädigungsgesetzt (OEG) im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil die Verletzung des Klägers nicht auf einem rechtswidrigen Angriff beruht, sondern als ungewollte Nebenfolge eines rechtmäßigen Polizeieinsatzes entstanden ist.

ee. Nach bisheriger Rechtsprechung sehen die allgemeinen Aufopferungsgrundsätze nur einen Ausgleich materieller Schäden vor. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 13. Februar 1956 (BGHZ 20, S. 61 ff. = NJW 1956, S. 629 ff.; Urteil vom 3. November 1958, BGHZ 28, S. 297 ff. = NJW 1959, S. 334, 335; siehe auch Urteil vom 31. Januar 1966, BGHZ 45, S. 58 ff. = NJW 1966, S. 1021, 1026; Urteil vom 6. Juni 1966, BGHZ 45, S. 290 ff. = NJW 1966, S. 1859, 1861; Urteil vom 8. Juli 1971, NJW 1971, S. 1881, 1883) hat der Bundesgerichtshof diese - seines Erachtens wegen der Wertung des Art. 2 Abs. 2 GG unbefriedigende - Beschränkung mit der damalsent-gegenstehenden Gesetzeslage erklärt: Das Schadensersatz- und Entschädigungsrecht sei beherrscht von dem in § 253 BGB festgelegten Grundsatz, dass ein Ausgleich in Geld nur für vermögensrechtliche (materielle) Einbußen verlangt werden könne.

Nur ganz ausnahmsweise gewähre das Gesetz in den Fällen der §§ 847, 1300 BGB eine billige Entschädigung auch wegen eines Nichtvermögensschadens (vgl. NJW 1956, S. 630). Der Grundsatz, dass nur für vermögensrechtliche Nachteile Ent-schädigung zu gewähren sei, präge auch die Bestimmungen der §§ 74, 75 Einl. ALR sowie die speziellen aufopferungsrechtlichen Regelungen. Die Gesamtheit dieser Regelungen lasse auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass eine Entschädigung für immaterielle Schäden ausschließlich in den Fällen der §§ 847, 1300 BGB gewährt werden solle. Obwohl Art. 2 Abs. 2 GG heute die Schutzwürdigkeit von Leben, Gesundheit und Freiheit besonders betone, müsse es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, aus der in der Verfassung zum Ausdruck gekommenen Ordnung der Werte der einzelnen Lebensgüter gegebenenfalls Folgerungen für eine andersartige Regelung des Entschädigungsrechts zu ziehen und den in § 253 BGB normierten Grundsatz, der heute nicht mehr allseits befriedigen könne, zu verlassen (ebenda).

Inzwischen hat der Gesetzgeber der wertsetzenden Bedeutung des Art. 2 Abs. 2 GG Rechnung getragen und den in der früheren Fassung des § 253 BGB normierten Grundsatz aufgehoben. Nach der am 1. August 2002 in Kraft getretenen Neuregelung in § 253 Abs. 2 BGB kann wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, ein billige Entschädigung in Geld verlangt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat die Neuregelung für die darin genannten Verletzungen einen einheitlichen und übergreifenden Anspruch auf Schmerzensgeld geschaffen, der nicht mehr danach unterscheidet, auf welchem Rechtsgrund die Haftung beruht (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2001, BT-Drucks. 14/7752, S. 14, 24).

Der Anspruch auf Schmerzensgeld werde auf den Bereich der Gefährdungshaftung und der vertraglichen Haftung erweitert. Aus diesem umfassenden Charakter der Regelung erkläre sich ihr neuer Standort im Allgemeinen Teil des Schuldrechts (ebenda, S. 24).

Dementsprechend sehen auch die spezialgesetzlichen Aufopferungsansprüche nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG) und dem HSOG sehen eine Entschädigung für immaterielle Nachteile vor.

Die Gesamtheit dieser Regelungen lässt nunmehr auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass vor allem bei Körperverletzungen grundsätzlich eine Entschädigung für immaterielle Schäden gewährt werden soll. Die Gesetzeslage steht der Gewährung eines Ausgleichs für immaterielle Nachteile im Rahmen des allgemeinen Aufopferungsanspruchs daher nicht mehr entgegen, sondern fordert sie in den Fällen des § 253 Abs. 2 BGB sogar. Deshalb gebietet die Wertung des Art. 2 Abs. 2 GG nunmehr eine entsprechende Anpassung der allgemeinen Aufopferungsgrundsätze (dazu, dass der Bundesgerichtshof selbst bei Eigentumsverletzungen Aufopferungsentschädigung in Form vollen Schadensersatzes gewährt, wenn der Eingriff zu Substanzeinbußen geführt hat, vgl. Urteil vom 4. Juli 1997, NJW-RR 1997, S. 1374 f.; Urteil vom 11. Juni 1999, BGHZ 142, S. 66 ff. = NJW 1999, S. 2896, 2897; Urteil vom 1. Februar 2008, NJW 2008, S. 992 f., juris Rn. 9). Die Literatur hat diesen Schritt allerdings noch nicht vollzogen (vgl. Staudinger/Wurm, BGB 2012, § 839 Rn. 512 am Ende; Tremml/Karger, Der Amtshaftungsprozess. 3. Auflage Rn. 369; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage, § 28 Rn. 15).

ff. Nach allem ist dem Kläger wegen der von ihm erlittenen Bissverletzung eine Entschädigung zu gewähren.

(1) § 308 Abs. 1 ZPO steht der Zubilligung einer Entschädigung nach Aufopferungs-grundsätzen nicht entgegen, weil auch eine solche Entschädigung in Form einer Geldzahlung erfolgt und der Kläger eine Geldzahlung begehrt; sie ist Gegenstand der Klage, da ein Amtshaftungsanspruch und ein aus demselben Sachverhalt hergeleiteter Entschädigungsanspruch prozessual einen einheitlichen Streit- und Entscheidungsgegenstand bilden (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Dezember 2004, BGHZ 161, S. 305 ff. = NJW 2005, S. 748 ff., juris Rn. 8; Urteil vom 3. Juli 1997, BGHZ 136, S. 182 ff. = NJW 1997, S. 3432, 3433 zum Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff).

(2) Ausweislich des von ihm vorgelegten Arztbriefs hat der Kläger unter anderem eine sechs Zentimeter lange Fleischwunde davongetragen, bei der neben einer sorgfältigen Wundreinigung eine „Adaption der Wundränder mit Steristrips“ durchgeführt wurde. Wegen der mit der Bissverletzung verbundenen Schmerzen und Beeinträchtigungen erscheint die Zubilligung einer Entschädigung von 300 Euro angemessen; dabei ist mit zu berücksichtigen, dass der Kläger bei seinem unter cc. (2) geschilderten Verhalten - wenn auch aus achtenswerten Gründen - das Gebot der Eigensicherung unzureichend beachtet hat. Die Entschädigung bringt zum Ausdruck, dass die vom Kläger infolge eines Polizeieinsatzes bei einer Demonstration erlittene Verletzung von der Rechtsordnung nicht gewollt ist, auch wenn ihm insoweit kein staatliches Unrecht, sondern ein Unglück widerfahren ist.

c. Unter Zugrundelegung der berechtigten Klageforderung kann der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 46,41 Euro verlangen.

d. Die Bestimmung einer gesonderten Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 19. August 2013 war nicht veranlasst, da dieser Schriftsatz keinen entscheidungserheblichen neuen Tatsachvortrag enthält. Auf die in dem Schriftsatz erörterten aufopferungsrechtlichen Grundsätze und damit verbundene materiell-rechtliche und prozessrechtliche Fragen hat der Senat die Parteien bereits durch Beschluss vom 5. August 2013 hingewiesen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.