VG Freiburg, Beschluss vom 30.07.2013 - 4 K 1107/13
Fundstelle
openJur 2013, 33590
  • Rkr:

Es ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Übergangsvorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 des Landesglücksspielgesetzes, das am 29.11.2012 in Kraft getreten ist, deshalb verfassungswidrig ist, weil sie für Spielhallen, für deren Betrieb eine Erlaubnis nach § 33i GewO erst nach dem 28.10.2011 erteilt worden ist, bestimmt, dass nach dem 30.06.2013 eine weitere Erlaubnis nach § 41 Abs. 2 LGlüG (juris: GlSpielG BW) erforderlich ist

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung käme auch im Hinblick auf das nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zustehende Normverwerfungsmonopol nur in Betracht, wenn die einschlägigen Regelungen gerade im Hinblick auf die besondere Übergangsproblematik für die besondere Gestaltung des Falles der Antragstellerin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt wären

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt vier Spielhallen zu je zwölf Geldspielgeräten in einem zuvor als Halle genutzten Gebäude. Die Baugenehmigung für diese Nutzung wurde am 07.07.2011 erteilt. Auf Antrag vom 07.11.2011 wurde der Antragstellerin mit Bescheid vom 30.01.2012 die Erlaubnis nach § 33i GewO zum Betrieb von vier Spielhallen in dieser Örtlichkeit erteilt. In weniger als 500 m Entfernung (Luftlinie) befindet sich eine weitere Spielhalle.

Nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 15.12.2011 (GlüStV 2011) am 01.07.2012 und des Landesglücksspielgesetzes (LGlüG) am 29.11.2012 beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.02.2013 (GAS 105) beim Antragsgegner die Fortführung des Betriebes bzw. die angemessene Verlängerung der Übergangsregelung über den 30.06.2013 hinaus bzw. vorsorglich, ihr ab dem 01.07.2013 Erlaubnisse nach § 41 Abs. 1 LGlüG zu erteilen. Mit Bescheid vom 10.04.2013, in der Folgezeit ersetzt durch Bescheid vom 10.06.2013, lehnte der Antragsgegner den Antrag ab.

Am 17.06.2013 hat die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz beantragt, zu deren Begründung sie im wesentlichen vorträgt: Der Bescheid des Antragsgegners verstoße gegen Grund- und EU-Verfassungsrecht und sei deshalb nichtig. Es fehle schon an der gesetzgeberischen Kompetenz des Landes für die Neuregelungen. Die Neuregelungen seien nicht notwendig, zumutbar und erforderlich, sie brächten zur Suchtprävention nichts. Des weiteren fehlten angemessene Übergangs- und Härteregelungen sowie Regelungen über Entschädigungen aufgrund Enteignung bzw. enteignungsgleichen Eingriffen. Es gebe schließlich eine sehr unterschiedliche Ausgestaltung der Regelungen in den einzelnen Bundesländern, was schon beweise, dass die sehr stringenten Regelungen in Baden-Württemberg nicht notwendig und erforderlich seien.

II.

Der Hauptantrag der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr die mit Anträgen vom 26.02.2013 beantragten Spielhallenerlaubnisse für die vier Spielhallen in ... (vorläufig) zu erteilen, ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind sowohl der Anspruch, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch), als auch die Gründe, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, auch nicht auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache). Das Gericht darf im Grundsatz nur die Lage offen halten, um zu vermeiden, dass das Recht bis zu einer Klärung im Klageverfahren untergeht oder seine Durchsetzung wegen des Zeitablaufs mit wesentlichen Nachteilen verbunden ist. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist daher nur möglich, wenn sie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rdnr. 14; VG Augsburg, Beschluss vom 14.11.2010 - Au 5 E 10.1818 -, juris; VG Freiburg, Beschluss vom 09.04.2013 - 2 K 163/13 -).

Ob diese Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache hier grundsätzlich erfüllt sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Antragstellerin hat jedenfalls das - gerade in einem solchen Fall erforderliche - Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht im Sinne der §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Streitentscheidend ist hierbei nicht, ob der Glücksspielstaatsvertrag der Länder in seiner geänderten, am 01.07.2012 in Kraft getretenen Fassung und das am 29.11.2012 in Kraft getretene Landesglücksspielgesetz insgesamt oder ob jedenfalls die hier anzuwendenden Vorschriften in jeder Hinsicht verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Denn der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung käme auch im Hinblick auf das nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zustehende Normverwerfungsmonopol nur in Betracht, wenn die einschlägigen Regelungen gerade im Hinblick auf die besondere Übergangsproblematik für die besondere Gestaltung des Falles der Antragstellerin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt wären (vgl. hierzu ausführlich VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2013 - 6 S 857/13 -). Davon vermag die Kammer jedoch derzeit nicht auszugehen.

Rechtsgrundlage für die am 26.02.2013 beantragten Erlaubnisse ist § 41 Abs. 1 des am 29.11.2012 in Kraft getretenen baden-württembergischen Landesglücksspielgesetzes - LGlüG - vom 20.11.2012 (GBl. S. 604). Danach ist bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich (vgl. § 53 Abs. 1 LGlüG und ausführlich VG Freiburg, Beschluss vom 13.12.2012 - 3 K 2074/12 -, juris, wonach § 33 i Abs. 1 GewO für einen Anspruch auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis mit dem Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 01.07.2012 und des folgenden Landesglücksspielgesetzes - LGlüG - vom 20.11.2012 nicht mehr anwendbar ist; vgl. weiterhin vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 09.04.2013 - 2 K 163/13 -, nachfolgend VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2013 - 6 S 857/13 -; VG Freiburg, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 K 212/13 -, juris). Danach bedarf der Betrieb einer Spielhalle (zu deren Begriffsbestimmung siehe § 40 LGlüG) der Erlaubnis nach diesem Gesetz, die die Erlaubnis nach § 33 i der Gewerbeordnung ersetzt und die Erlaubnis nach Artikel 1 § 24 Absatz 1 Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag mit umfasst. Die Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle ist zu versagen, wenn unter anderem die Voraussetzungen nach § 42 LGlüG nicht erfüllt sind (§ 41 Abs. 2 Nr. 2 LGlüG). Spielhallen müssen hiernach einen Abstand von mindestens 500 m Luftlinie, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür, untereinander haben (§ 42 Abs. 1 LGlüG). Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ist zudem ausgeschlossen (§ 42 Abs. 2 LGlüG).

Vorliegend treffen die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 LGlüG - unstreitig - nicht zu, und auch nach § 42 Abs. 2 LGlüG ist eine Erlaubnis ausgeschlossen (vgl. § 41 Abs. 2 Nr. 2 LGlüG). Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelungen in §§ 41 und 42 LGlüG sind dabei bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar. Insbesondere der Einwand der Antragstellerin, die Regelungen seien unverhältnismäßig und verstießen gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG, überzeugt - bezogen auf den Prüfungsmaßstab einer hinreichend offensichtlichen Verfassungswidrigkeit - hier nicht. Vielmehr spricht nach vorläufiger Beurteilung manches dafür, dass der in § 42 Abs. 1 LGlüG vorgesehene Mindestabstand sowie der in § 42 Abs. 2 LGlüG vorgesehene Ausschluss einer Erlaubnis bei einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen durch den hiermit verfolgten Zweck, die Spielsucht zu bekämpfen, grundsätzlich gerechtfertigt sein könnte (so auch VG Freiburg, Beschlüsse vom 16.01.2013 - 2 K 2508/12 -, vom 09.04.2013 - 2 K 163/13 - und vom 25.04.2013 - 5 K 212/13 -, juris; vgl. außerdem VG Freiburg, Beschluss vom 13.12.2012, a.a.O.).

Aus der Übergangsregelung des § 51 Abs. 4 Satz 2 LGlüG ergibt sich voraussichtlich nichts anderes. Diese Vorschrift setzt voraus, dass dem Betreiber der Spielhalle nach dem 28.10.2011, aber jedenfalls vor Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 01.07.2012 (vgl. § 29 Abs. 4 S. 3 GlüÄndStV) eine Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle erteilt worden ist. In diesem Fall ist eine Erlaubnis nach § 41 LGlüG nach dem 30.06.2013 erforderlich. Anhaltspunkte für die Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 51 Abs. 4 LGlüG sind dabei nach summarischer Prüfung - entgegen den Ausführungen der Antragstellerin - nicht ersichtlich. Bereits der Glücksspieländerungsstaatsvertrag enthält in § 29 Abs. 4 GlüÄndStV eine mit § 51 Abs. 4 LGlüG - soweit hier maßgeblich - inhaltlich übereinstimmende Übergangsvorschrift. Zweck der Übergangsvorschrift in § 29 Abs. 4 GlüÄndStV und auch von § 51 Abs. 4 LGlüG ist es dabei, dem Vertrauens- und Bestandsschutzinteresse der Betreiber in Abwägung mit den in §§ 24, 25 GlüÄndStV bzw. §§ 41, 42 LGlüG verfolgten Allgemeinwohlzielen angemessen Rechnung zu tragen (vgl. LTDrucks 15/1570, S. 93). Dagegen soll sie nicht die Neukonzessionierung unter Zurückstellung der mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag verfolgten Allgemeinwohlinteressen (u. a.: Eindämmung der Glücksspiel- und Wettsucht, vgl. § 1 Nr. 1 GlüÄndStV) erleichtern (so ausführlich VG Freiburg, Beschluss vom 13.12.2012, a.a.O.). Dies dürfte nicht zu beanstanden sein.

Ohne dass es danach noch entscheidend wäre, ist im vorliegenden Fall auch kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot erkennbar. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat in dem Beschluss vom 13.12.2012 - 3 K 2074/12 -, juris, ausgeführt: „… Die Anwendung der §§ 24, 25 GlüÄndStV bzw. §§ 41, 42 LGlüG führt zu einer sogenannten unechten Rückwirkung. Neu in Kraft getretene Normen wirken dabei für die Zukunft auf einen bereits in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt im Sinne einer Verschlechterung der Rechtsposition ein. Das ist grundsätzlich zulässig, sofern nicht im Einzelfall Gründe des Vertrauensschutzes eine andere Beurteilung gebieten (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239). Da der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag bereits am 15.12.2011 beschlossen worden ist und in den Kreisen der Spielhallenbetreiber aufgrund der intensiven Diskussionen über das Glücksspielrecht bekannt war, dass mit seinem Inkrafttreten im Sommer 2012 zu rechnen ist, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin schutzwürdig auf die Fortgeltung des § 33 i GewO vertraut haben könnte …“ Dem ist auch für den vorliegenden Fall nichts hinzuzufügen, die Kammer schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 09.04.2013 - 2 K 163/13 -, nachfolgend VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.06.2013 - 6 S 857/13 -; VG Freiburg, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 K 212/13 -, juris).

Der von der Antragstellerin außerdem geltend gemachte Hilfsantrag entspricht der Sache nach dem Rechtsschutzziel des Hauptantrags, weshalb auf die insoweit ergangenen Ausführungen verwiesen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs, NVwZ 2004, 1327). Die Kammer sieht keinen Anlass, den Streitwert im Hinblick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens zu reduzieren, da mit der Entscheidung die Hauptsache faktisch vorweggenommen wird.