LG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2009 - 1 O 35/08
Fundstelle
openJur 2013, 32435
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, ein Architekt, ist Eigentümer des Hauses A , welches in der Einflugschneise des Flughafens B (Lärmzone 2) liegt und im Jahr 1937/38 erbaut wurde. Die Beklagte ist Betreiberin des Flughafens. Die Abflugroute wurde mit Betriebsgenehmigung vom 09.11.2005 genehmigt. Die Beklagte leistete dem Kläger bereits Zuschüsse für Dämmaßnahmen an den Fenstern und der Bedachung des Hauses. Der Kläger gab daraufhin am 29.05.2007 eine Abgeltungserklärung ab. Mit der Klage begehrt der Kläger Aufwendungsersatz für Dämmung der Außenwände seines Hauses durch eine Vorsatzschale. Die Beklagte hat die Kostenübernahme abgelehnt.

Der Kläger macht für die Dämmung der hofseitigen Außenwand 4.000,00 € und für die Dämmung der straßenseitigen Außenwand 5.300,00 € geltend. Insoweit wird auf die die eingereichten Rechnungen (Bl. 20-25 d.A.) Bezug genommen. Der Kläger behauptet, das Mauerwerk seines Hauses weise eine Vielzahl von durchgehenden Rissen auf, die die Belästigung durch Fluglärm im Innenraum des Gebäudes deutlich erhöhten. Eine Abdichtung der Risse sei erforderlich, um den Fluglärm abzuwehren. Die Risse seien konstruktionsbedingt bzw. durch Kriegseinwirkungen entstanden. Sogar Wespen hätten bereits in den Rissen genistet. Eine Wärmedämmung durch Beseitigungsmaßnahmen trete nur als Nebeneffekt ein. Mit Schriftsatz vom 28.05.2009 behauptet der Kläger, das Haus liege in einem Tagschutzgebiet.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass überhaupt Risse am Haus vorhanden seien, die Dämmung erforderlich sei. Die Kosten werden in der Höhe bestritten. Die Beklagte behauptet, das Verfüllen der Risse sei ausreichend. Die vorhandenen Risse seien dem Risikobereich des Klägers zuzuordnen. Der Kläger müsse sich im Rahmen der Vorteilsausgleichung den eingeforderten Betrag vollständig anrechnen lassen, da er ein Wärmeverbundsystem erhalten habe. Außerdem sei nicht ersichtlich, ob dem Kläger die Kosten für die Dämmung der straßenseitigen Außenwand überhaupt entstanden seien. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung, da die Außenwand bereits 1977 gedämmt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift hat ein Eigentümer, der eine Einwirkung zu dulden hat, einen angemessenen Ausgleich in Geld fordern, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

Eine Sperrwirkung für Ansprüche des Klägers aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ergibt sich aus der im Verfahren nach § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG erteilten Betriebsgenehmigung. Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Immissionen im Vorfeld ein spezifisches Verfahren im nachbarlichen Bereich vorsieht, in dem die Rechte des Einzelnen berücksichtigt werden können, so sind diese Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB tritt dahinter zurück (BGH, NJW 2005, 660, 662). Hat sich etwa eine Behörde im Rahmen eines förmlichen Planfeststellungsverfahrens mit der Frage der erforderlichen aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen bezogen auf das benachbarte Eigentum umfassend auseinandergesetzt, so ist damit dem Eigentumsschutz der Anlieger Genüge getan. Ist der betroffene Eigentümer der Meinung, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Schutz seines Eigentums im Hinblick auf mögliche Schallschutzmaßnahmen nicht genügend Rechnung trägt, so kann er im Wege der Anfechtung des Beschlusses Ergänzungen durchsetzen. Sieht er hiervon ab, muss er sich, wenn nicht ein Verfahren nach § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG auf nachträgliche Anordnung von Maßnahmen bei nicht voraussehbaren Wirkungen des Vorhabens in Betracht kommt, mit der Bestandskraft der Ablehnung weiter gehender Schallschutzmaßnahmen abfinden. Für einen Anspruch auf eine für passive Schallschutzmaßnahmen zu verwendende Entschädigung besteht bei einer solchen Sachlage auch unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs, der sich aus dem allgemeinen Aufopferungsanspruch herleitet, kein Bedürfnis und kein Raum (vgl. BGH, NJW 2005, 660, 661; OLG B , Urt. v. 15.12.2008, Az. I-9 U 189/07). Der Betriebsgenemigung vom 09.11.2005 ist zwar kein förmliches Planfeststellungsgenehmigungsverfahren vorausgegangen. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend für den Ausschluss von Ansprüchen aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist vielmehr, ob der einzelne Anwohner in einem förmlichen Verwaltungsverfahren Gelegenheit hatte, Einwände und Anregungen vorzubringen, und ob Fragen des Lärmschutzes geprüft und die widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen worden sind (vgl. OLG B , Urt. v. 15.12.2008, Az. I-9 U 189/07). Dass das geschehen ist, stellt auch der Kläger nicht in Zweifel.

Aus der Genehmigung selbst kann der Kläger hier keine Rechte ableiten. Er hat nicht ausreichend dargelegt, in welchem Gebiet sein Haus liegt. Bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.05.2005 war unstreitig, dass das Haus in einer Lärmschutzzone 2 liegt, was nicht näher spezifiziert wurde. Im vom Kläger als Anhang zum Schriftsatz vom 27.05.2008 vorgelegten Teil-Ausdruck der Internetpräsenz der Beklagten (Bl. 63 d.A.) betreffen die vom Kläger vorgenommenen Unterstreichungen verschiedene Gebietstypen, so dass hieraus keine Anhaltspunkte gewonnen werden konnten. Zu eigenen Nachforschungen ist das Gericht nicht angehalten. Soweit der Kläger erstmalig im Termin und im Schriftsatz vom 28.05.2009 ausführt, das Haus liege in einem Tagschutzgebiet und dazu einen Auszug aus der Betriebsgenehmigung vom 09.11.2005 vorlegt, wird das Vorbringen nach § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Nach der freien Überzeugung des Gerichts beruht die Verspätung des Vorbringens auf grob nachlässiger Verletzung der Prozessförderungspflicht aus § 282 ZPO. Der Kläger hat mit dem neuen Vorbringen auf einen Schriftsatz der Beklagten vom 06.01.2009 Stellung bezogen und damit mehrere Monate verstreichen lassen. Auch der Termin vom 07.05.2009 wurde bereits durch Beschluss vom 28.01.2009 bestimmt, der auch einen Hinweis enthalten hat. Würde das Vorbringen berücksichtigt werden, wäre ein weiterer Termin notwendig. Einen Grund für die Verspätung hat der Kläger, obschon die Beklagte die Verspätung im Termin gerügt hat, nicht vorgebracht. Angesichts dessen, dass der Kläger selbst diesen Punkt für einen maßgeblichen Unterschied zum von der Beklagten vorgelegten Urteil des OLG B vom 15.12.2008 (Az. I-9 U 189/07) hält und nach seinen Ausführungen Beweiserhebungen nötig wären. In Abwägung der beiderseitigen Interessen gibt das Gericht hier den Interessen der zügigen Prozessführung den Vorrang; eine Überbeschleunigung ist nicht ersichtlich. Das Vorbringen ist zudem auch unsubstantiiert. Nähere Belege für seine Behauptung, das Haus liege in einem Tagschutzgebiet, trägt der Kläger nicht vor. Die zitierte Betriebsgenehmigung vom 09.11.2005 hat der Kläger nur auszugsweise vorgelegt, so dass das Gericht sie nicht eingehend prüfen kann, zumal der Punkt 9.1 der Betriebsgenehmigung eingeleitet ist mit den Worten „Die unter III. genannte Auflage Nr. 9 wird wie folgt ergänzt“. Im Weiteren hat der Kläger auch nie dargelegt, dass die Lärmbelastung in seinem Haus dauerhaft 55 dB (A) überschreite.

Ein Anspruch scheidet aber auch deshalb aus, weil die Beschädigungen des Hauses die Risikosphäre des Klägers betreffen. Nach dem Schutzzweck der §§ 9 Abs. 2 LuftVG, 10 Abs. 3 FluglärmschutzG, der sich aus dem Wortlaut - „zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke […] notwendig“ und „erforderliche Schallschutzmaßnahmen“ – ergibt und auch für die Auslegung der daraufhin ergangenen Betriebsgenehmigung zugrunde zu legen ist, müssen die Maßnahmen erforderlich und notwendig gewesen sein. Dabei ist wegen der Allgemeingültigkeit ein objektiver Maßstab anzulegen. Die Beklagte als Betreiberin der Anlage hat nur Aufwendungen für diejenigen Maßnahmen zu erstatten, die zum Ausgleich von Nachteilen dienen, die gerade auf den Betrieb zurechenbar zurückzuführen sind. Dabei ist der Beklagten – auch angesichts der Vielzahl der möglichen Anspruchsteller – die Erstattung zum Ausgleich von Nachteilen, die auf besondere bauliche Eigenschaften des Hauses selbst zurückzuführen sind, jedenfalls dann nicht zuzumuten, wenn die Eigenschaften besonders aus dem Rahmen des üblicherweise Auszugleichenden fallen. Auch nach dem Vortrag des Klägers selbst entstanden die von ihm behaupteten Risse durch Besonderheiten des Baus selbst sowie durch Kriegseinwirkungen. Nach der vom Kläger, der Architekt ist, selbst gefertigten Gebäudezustandsbeschreibung vom 25.04.1961 (Bl. 43 ff. d.A.) sei das Haus wegen seines Lehmgrundes besonders erschütterungsempfindlich, auch gegen Straßenverkehr, weise infolge Kriegseinwirkungen und „fehlerhafter Konstruktion“ durchgehend Risse in Deckenplatten, Betonböden, Wänden und Giebel sowohl im Keller/Fundament, Erdgeschoss sowie im Dachgeschoss auf. Insoweit ist der Kläger selbst zur Instandhaltung seines Eigentums angehalten (vgl. BVerwG, Beschl. V. 21.01.2008, 4 B 50/07, BeckRS 2008 32125, Rn 16). Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 254 BGB, der einen Ersatzanspruch beschneidet, sofern ein Verhalten des Geschädigten bei der Schadensentstehung oder Haftungsausfüllung mitwirkt. Bei einem Entschädigungsanspruch, der wie hier ein spezieller Aufopferungsanspruch, kein Verschulden voraussetzt, ist auch beim Geschädigten kein Verschulden zu fordern; es genügt eine besondere Sachgefahr (Heinrichs in Palandt, BGB, Rn. 7, 11 zu § 254). Diese erscheint hier schon nach dem Klägervortrag als weit überwiegend.

Auch aus anderen Anspruchsgrundlagen sind Ansprüche nicht ersichtlich.

Auch aus anderen Anspruchsgrundlagen sind Ansprüche nicht ersichtlich.

Einer Entscheidung über den Zinsanspruch bedurfte es daher nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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