OLG Köln, Beschluss vom 28.05.2013 - 6 W 51/13
Fundstelle
openJur 2013, 32394
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 4. 2. 2013 - 224 O 180/12 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Antrag vom 4. 10. 2012 beantragte die Beteiligte zu 1), der Beteiligten zu 2) gemäß § 101 Abs. 9 UrhG zu gestatten, ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft zu erteilen über diejenigen Nutzer, denen im Zeitraum vom 27. 9. bis zum 3. 10. 2012 bestimmte IP-Adressen (Anlage ASt 1) zugewiesen worden waren. Zur Begründung führte die Beteiligte zu 1) aus, sie sei Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an dem Film "Extreme Pervers Nr. 1 - 18 Jahre und so verdorben (Junge Mädchen gefesselt und benutzt)", der in dem angegebenen Zeitraum unter den in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen illegal zum Herunterladen angeboten worden sei.

Das Landgericht erließ eine entsprechende Sicherungsanordnung, wies die Beteiligte zu 1) aber zugleich darauf hin, dass Bedenken gegen die beantragte Gestattung bestünden, da die Verwertung von pornographischen Gewaltdarstellungen nicht über § 101 Abs. 9 UrhG geschützt werden könne. Die Beteiligte zu 1) reichte daraufhin den Film zur Akte. Mit Beschluss vom 4. 2. 2013 wies das Landgericht den Antrag zurück. Zur Begründung führte es aus, die Inanspruchnahme sei unverhältnismäßig im Sinn des § 101 Abs. 4 UrhG, da die Verwertung des Films gemäß § 134 BGB rechtlich nicht geschützt sei. Zum Inhalt des Films führte das Landgericht aus:

"Der Film zeigt, wie eine Inaugenscheinnahme ergeben hat, wie z. Tl. heftige Schläge auf das Gesäß einer gefesselten Frau verübt werden. Auch wird das Anbringen von zwei Stromklemmen an den Brustwarzen gezeigt, das z. Tl. heftige Ziehen daran und dass Strom in die Brüste geleitet wird. Diese Handlungen sind Teil von auf sexuelle Erregung der Gefesselten und/oder der Peinigerinnen gerichtete Handlungen" (S. 2 des Beschlusses = Bl. 48r d. A.).

Mit diesem Inhalt verstoße der Film gegen § 184a StGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Mit ihrer zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt die Beteiligte zu 1) weiter das Ziel des Erlasses der Gestattungsanordnung. Zur Begründung führte sie aus, die Darstellerinnen in dem Film hätten an der Herstellung freiwillig mitgewirkt. Es liege auch keine Gewaltdarstellung im Sinn der §§ 131, 184a StGB vor, "denn die im streitgegenständlichen Werk wiedergegebenen Praktiken entsprechen mittlerweile weit verbreiteten Praktiken", wie dies unter anderem durch den Erfolg des Romans "Shades of Grey" belegt werde (Beschwerdebegründung vom 15. 4. 2013, S. 2 = Bl. 74 d. A.). Ferner beruft sie sich auf die Freiheit der Kunst.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dem Gestattungsantrag nicht stattgegeben.

1. Auf der Grundlage der von der Beteiligten zu 1) nicht angegriffenen Feststellungen zu dem Inhalt des Films hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Film eine gewaltpornographische Schrift gemäß §§ 184a, 11 Abs. 3 StGB darstellt. Gewaltpornographie im Sinn dieser Vorschriften umfasst Filme, die Gewalttätigkeiten zum Gegenstand haben, gleichgültig, ob es sich um die Darstellung eines tatsächlichen oder nur fiktiven Geschehens handelt. Der Vorschrift unterfallen auch Darstellungen solcher Gewalttätigkeiten, die etwa im Rahmen sadomasochistischer Handlungen einvernehmlich erfolgen (BGH, Urteil vom 15. 12. 1999 - 2 StR 365/99 - NStZ 2000, 307, 309). Für Gewalttätigkeiten ist ein aggressives, aktives Tun, durch das unter Einsatz physischer Kraft auf den Körper eines Menschen in einer dessen leibliche oder seelische Unversehrtheit beeinträchtigenden oder konkret gefährdenden Weise eingewirkt wird, erforderlich. Hierzu zählen auch sadistische Folterungen und Misshandlungen. Ob ein Film Gewalttätigkeiten zum Gegenstand hat, hängt von dem Gesamteindruck ab, den ein objektiver Betrachter gewinnen muss. Daran fehlt es zwar, wenn eine an sich gewalttätige Handlung durch die Art der Darstellung so relativiert oder verfremdet wird, dass sie insgesamt den Charakter einer Gewalttätigkeit verliert. Nicht erforderlich ist dagegen, dass auch der Eindruck der Echtheit vermittelt wird; um eine Darstellung von Gewalttätigkeiten handelt es sich daher auch, wenn die Szenen eines Filmes erkennbar gestellt und überdies schlecht gespielt sind (OLG Köln, Urteil vom 24. 6. 1980 - 1 Ss 284-285/80 - NJW 1981, 1458, 1459; Hilgendorf/Wolf, K & R 2006, 541, 544; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 184a Rn. 2; Leipziger Kommentar/Laufhütte/Roggenbruck, StGB, 12. Aufl. 2010, § 184a Rn. 4; Schönke/Schröder/Perron/Eisele, StGB, 28. Aufl. 2010, § 184 a Rn. 3; SK/Wolters, 136. Lfg. Oktober 2012, § 184a Rn. 3; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 20. 10. 1992 - 1 BvR 698/89 - BVerfGE 87, 209, 227 zu § 131 StGB). Es ist dabei nicht erforderlich, dass der gesamte Film solche Handlungen zum Gegenstand hat; es genügt, wenn einzelne Teile Gewalttätigkeiten wiedergeben und diese besondere Thematik gegenüber dem Gesamtinhalt nicht völlig zurücktritt (Kühl a. a. O.; MünchKomm/Hörnle, StGB, 2005, § 184a Rn. 6).

Allerdings werden in der Literatur auch einschränkende Auslegungen vertreten; so sollen einverständliche (sadomasochistische) Handlungen nicht in den Anwendungsbereich fallen (MünchKomm/Hörnle a. a. O. Rn. 8; unklar Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 184a Rn. 7) oder es wird vorgeschlagen, dass Darstellungen nicht von § 184a StGB erfasst werden, wenn die dargestellten Gewalttätigkeiten unterhalb der Schwelle des § 131 StGB (grausame oder unmenschliche Gewalt) bleiben (Fischer a. a. O. Rn. 7). Beide Ansätze haben, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung bislang keine Gefolgschaft gefunden. Auch der Senat folgt ihnen nicht. Insbesondere der Vorschlag, nur Gewalttätigkeiten im Sinn des § 131 StGB in den Anwendungsbereich des § 184a StGB fallen zu lassen, lässt sich mit dem unterschiedlichen Wortlaut der Vorschriften nicht vereinbaren. Soweit sich die Beteiligte zu 1) auf ein gewandeltes gesellschaftliches Verständnis beruft, so ist demgegenüber festzuhalten, dass es im Gegenzug gerade als eine vordringliche gesellschaftliche Aufgabe angesehen wird, medialen Rollenbildern - einschließlich Gewalt als Ausdruck der Auseinandersetzung oder als Mittel von Sexualität - entgegenzuwirken (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, 4. Aufl. 2012, S. 21).

In Anwendung dieser Maßstäbe bestehen auch nach Auffassung des Senats keine Zweifel daran, dass der Film mit dem vom Landgericht festgestellten, unter I. wiedergegebenen Inhalt Gewaltpornographie im Sinn des § 184a StGB zum Gegenstand hat. Angesichts der Aufmachung des Films kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die beschriebenen Gewalttätigkeiten hinter den sonstigen Inhalt des Films völlig zurücktreten.

b) Die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Kunstfreiheit, auf die sich die Beteiligte zu 1) beruft, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch der Jugendschutz, dem § 184a StGB dient, ist ein Rechtsgut von Verfassungsrang. Der Konflikt zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz kann nur durch eine einzelfallbezogene Abwägung gelöst werden. Dabei kommt keinem der beiden Verfassungsgüter von vornherein Vorrang vor dem jeweils anderen zu (BGH, Urteil vom 21. 6. 1990 - 1 StR 477/89 - NKW 1990, 3206). Insbesondere im Fall "harter" Pornographie im Sinn des § 184a StGB muss die Kunstfreiheit eher zurücktreten (MünchKomm/Hörnle, StGB, 2005, § 184a Rn. 10). Im vorliegenden Fall führt die Abwägung zwischen einem Produkt, das nach seiner Aufmachung und Bewerbung allein auf das Hervorrufen sexueller Erregung ohne jeglichen weitergehenden Anspruch abzielt, einerseits und der durch § 184a StGB beabsichtigten Ächtung sexueller Gewaltanwendung andererseits zu dem Ergebnis, dass hier Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einer Strafbarkeit des Verbreitens dieses Films nicht entgegensteht.

2. Die Frage, ob einem Antrag nach § 101 Abs. 9 UrhG der Erfolg zu versagen sein kann, wenn die Verbreitung des in Rede stehenden Films im Hinblick auf seinen Inhalt strafbar ist, hat der Senat bislang nicht entschieden (vgl. Beschluss vom 25. 5. 2011 - 6 W 97/11 - unveröffentlicht). Bei dem Beschluss vom 24. 1. 2013 (6 W 250/12), der den gleichen Film betraf, war dem Senat der Inhalt des Films - der in dem früheren Verfahren nicht zur Akte gereicht worden war - nicht mit den nunmehr ermittelten Einzelheiten bekannt.

Zwar können Urheberrechte auch an Werken entstehen, deren Herstellung gesetz- oder sittenwidrig ist (BGH, Urteil vom 23. 2. 1995 - I ZR 68/93 - GRUR 1995, 673, 675 - Mauer-Bilder). Damit ist aber noch keine Entscheidung darüber getroffen, inwieweit das Urheberrecht an solchen Werken ausgeübt werden kann (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 48). Im vorliegenden Fall steht ein Film in Rede, der weder verbreitet noch öffentlich zugänglich gemacht werden darf; selbst seine Herstellung, Vorrätighaltung und Anpreisung zum Zweck der Verbreitung unterfallen § 184a StGB und sind mithin verboten. Es ist damit kein rechtlich schützenswertes Interesse der Beteiligten zu 1) erkennbar, diesen Film zu verwerten. In einem solchen Fall fehlt einem auf § 101 Abs. 9 UrhG gestützten Antrag zumindest das Rechtsschutzinteresse, das als allgemeine Antragsvoraussetzung auch in Verfahren nach dem FamFG vorliegen muss. Diese fehlt, wenn der Antragsteller kein legitimes Interesse an der beantragten Entscheidung hat (Bahrenfuss/Rüntz, FamFG, 2009, § 23 Rn. 11; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Auflage 2011, § 23 Rn. 10; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 23 Rn. 33; Prütting/Ahn-Roth, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 23 Rn. 7; vgl. BayObLG, Beschluss vom 13. 6. 1996 - 3Z BR 91/96 - FamRZ 1997, 422).

Die Rechtsprechung des OLG Hamburg, auf die sich die Beteiligte zu 1) beruft, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Das OLG Hamburg hat in dem Urteil vom 10. 5. 1984 (3 U 28/94 - GRUR 1984, 663 - Video Intim) ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Vorführung der dort streitgegenständlichen Filme grundsätzlich zulässig war, da sie gerade nicht § 184 Abs. 3 StGB a. F. - der Vorgängervorschrift des § 184a StGB - unterfielen (a. a. O. S. 664). Dies steht im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des OLG Hamburg, nach der urheberrechtliche Ansprüche in Bezug auf pornographische Filme entfallen können, wenn die Grenze zur Strafbarkeit - unter anderem aus § 184 Abs. 3 StGB a. F. - überschritten wird (Urteil vom 3. 4. 1980 - 3 U 140/79 - GRUR 1980, 998, 999 - Tiffany).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, 84 FamFG.

Der Senat hat entsprechend §§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Frage, ob ein gewandeltes Verständnis eine von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Auslegung des § 184a StGB erfordert, wie es von Teilen der Kommentarliteratur vertreten wird, ist von grundsätzlicher Bedeutung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Sie ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichung einer in deutscher Sprache abgefassten und unterschriebenen Beschwerdeschrift eines bei dem Bundesgerichtshofs zugelassenen Rechtsanwalts bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: Bundesgerichtshof, 76125 Karlsruhe) einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, ist die Rechtsbeschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat zu begründen; diese Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses und kann auf Antrag durch den Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden.