VG Stuttgart, Urteil vom 22.10.2012 - 2 K 2898/09
Fundstelle
openJur 2013, 31970
  • Rkr:
Tenor

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 22.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums ... vom 01.07.2009 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Biogasanlage in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Er ist Eigentümer der Flst. 4171 bis 4174 ... Weg in ... . Die Grundstücke sind mit einem Wohnhaus und einem Wirtschaftsgebäude bebaut. Das Wohnhaus bewohnt der Kläger mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern. Ca. 500 m nördlich des klägerischen Grundstücks befindet sich ein Putenmastbetrieb mit zwei Ställen und ca. 1200 m nordwestlich ein Schweinemastbetrieb.

Die Beigeladene ... betreibt auf den Flst. Nrn. 2262 bis 2267 auf der dem Kläger schräg gegenüberliegenden Straßenseite die Biogasanlage. Die Entfernung des ersten Gebäudeteils der Biogasanlage zum klägerischen Grundstück beträgt ca. 30 m. Die Gesellschafter der Beigeladenen setzen sich aus Landwirten zusammen, die in der Umgebung der Biogasanlage ihre Höfe haben und die Substrate der Biogasanlage zuliefern. Der landwirtschaftliche Betrieb des Geschäftsführers der Beigeladenen liegt unmittelbar neben der Biogasanlage.

Am 10. Juli 2006 beantragte die Beigeladene eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Schon vor dieser wurde mit Bescheid vom 24. August 2006 der vorzeitige Beginn der Bauarbeiten für die Errichtung eines Fahrsilos sowie den Ausbau eines Feldweges zugelassen. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 wurde der vorzeitige Beginn der Bauarbeiten für die beiden Fermenter und den Nachgärbehälter zugelassen. Die Beigeladene erhielt am 22. Dezember 2006 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu Errichtung und Betrieb der streitgegenständlichen Biogasanlage.

Laut Genehmigungsbescheid besteht die Anlage im Wesentlichen aus folgenden Elementen:

– einem Fahrsilo mit einem Volumen von 10.923 m3,

– einer Vorgrube zur Güllesammlung mit einem Volumen von 250 m3,

– einem Fermenter 1 mit einem Volumen von 2.006 m3 mit einem Foliengasspeicher,

– einem Fermenter 2 mit einem Volumen von 2006 m3 mit einem Foliengasspeicher,

– einem Feststoffdosierer zum Transport des Substrats in die Fermenter,

– einem Nachgärbehälter mit einem Volumen von 2006 m3,

– einem Endlagerbehälter zur Lagerung des vergorenen Substrates mit einem Volumen von 4995 m3 (Faulsubstratlager),

– zwei BHKWs mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von 1346 kWh,

– einer Sickersaftgrube mit einem Volumen von 350 m3.

Unter Abschnitt III, Unterabschnitt Auflagen ist unter "D" Immissionsschutz Folgendes festgehalten:

"Die durch die Biogasanlage und durch andere gewerbliche Anlagen verursachten Geruchsimmissionen (Gesamtbelastung) dürfen nachstehende Immissionsrichtwerte nicht überschreiten:

 Wohn/Mischgebiete 0,10  landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich 0,15 Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten von Geruchsstunden."

In der Begründung des Bescheides wurde festgehalten, dass die Errichtung und der Betrieb der Biogasanlage einer Genehmigung bedurft habe. Das Genehmigungsverfahren sei im vereinfachten Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt worden.

Bei der Biogasanlage handele es sich zum einen um eine Anlage gemäß Nr. 1.4 Spalte 2 b) aa), weil die Gesamtfeuerungsleistung des Biogasmotors mit 1,3 MW die Mengenschwelle von 1 MW überschreite und zum anderen um eine Anlage nach Ziffer 9.3.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV, weil die Lagerkapazität des Gärrestespeichers (Faulsubstrat-Endlager) mit 4995 m3 den Schwellenwert von mehr als 2500 m3 überschreite. Das Vorhaben habe genehmigt werden können, da diesem keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen und insbesondere erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft bei plangerechter Errichtung und der Genehmigung entsprechendem Betrieb nicht hervorgerufen würden. Der Standort der geplanten Biogasanlage befinde sich ca. 275 m nördlich des bestehenden Gewerbegebietes am nördlichen Siedlungsrand von Kleinsachsenheim. Die bestehende Wohnbebauung befinde sich in mehr als 325 m Entfernung südlich der geplanten Biogasanlage. Aufgrund dieser Entfernung sei eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte für das Gewebegebiet und das Wohngebiet nicht zu erwarten.

Auch der Immissionswert für Gerüche werde eingehalten. Bei diesen Immissionswerten handele es sich um die relative Häufigkeit der Geruchsstunden im Jahr. Sollte es an mehr als 10 % bzw. 15 % der Geruchsjahresstunden zu Geruchswahrnehmungen kommen, sei in der Regel von einer erheblichen Belästigung auszugehen. Bei privilegierten landwirtschaftlichen Anwesen im Außenbereich seien aber auch Geruchshäufigkeiten bis zu 25 % aufgrund derzeitiger Rechtsprechung zulässig.

Die Verwaltungsakte bis hin zum Genehmigungsbescheid ist im Verlaufe des späteren Rechtsmittelverfahrens auf dem Postwege von dem Beklagten zur Klägervertreterin verlorengegangen. Einige wesentliche Teile der Akte (z. B. der Genehmigungsbescheid) konnten rekonstruiert werden.

In den vorhandenen Verwaltungsakten ist festgehalten, dass die Ehefrau des Klägers sich am 05. Februar 2007 erstmals über den Lärm beim Befüllen des Silos beschwert habe. Am 17. April 2007 kam die erste Geruchsbeschwerde der Ehefrau des Klägers bei der Behörde an und am 19.04.2007 hat sich der Kläger erstmals über Geruchsbelästigungen beschwert.

Die Biogasanlage wurde am 12. Mai 2007 fertiggestellt und ist am 25. Mai 2007 in den regulären Betrieb gegangen. Der Kläger erhielt erstmals – allerdings nur auszugsweise – im Rahmen einer Besprechung über weitere Beschwerden Einsicht in die Genehmigungsunterlagen. In der weiteren Folgezeit entstand dann ein Streit zwischen Kläger und Beklagtem über das Recht auf vollständige Akteneinsicht. Am 12. Oktober erhielt der Kläger zusammen mit seinem Rechtsanwalt Akteneinsicht. Am 12. November 2007 wurde vom Kläger Widerspruch eingelegt. Auf entsprechenden Antrag der Beigeladenen hat dann die Beklagte den Sofortvollzug ihrer Verfügung angeordnet, ohne dass dagegen Rechtsmittel eingelegt worden wäre.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 wurde der Widerspruch des Klägers u. a. wie folgt begründet:

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei fehlerhaft, da die schutzwürdige Wohnnutzung des Klägers in unmittelbarer Nähe zu der Biogasanlage überhaupt nicht in den behördlichen Abwägungsprozess mit einbezogen worden sei. Allein aufgrund des vollständigen Fehlens einer solchen Interessenabwägung sei die Genehmigung bereits gemäß den hier einschlägigen Vorschriften zur Ausübung des verwaltungsrechtlichen Ermessens nach § 35 Abs. 1 BauGB, § 6 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG rechtswidrig.

Die Biogasanlage sei baurechtlich unzulässig, weil es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB handele. Der Kläger sei aufgrund des geringen Abstands der Gesamtanlage insbesondere des Gärrestelagers zu seiner Wohnnutzung – der Abstand betrage an einigen Stellen nur 30 m – unzulässigen Geruchs-, Lärm- und Staubemissionen ausgesetzt.

Es bestehe insbesondere eine unzulässige Geruchsbelastung. Sowohl aus dem offenen Gärrestelager als auch aus den offenen Fahrsilos werde der Kläger einer unzulässigen Geruchsbelastung ausgesetzt. Dies gelte auch deshalb, weil die Genehmigungsauflage, dass der Abschnitt der Fahrsilos nach Gebrauch wieder zu verschließen sei, im gegenwärtigen Betrieb fortgesetzt nicht umgesetzt werde. Der Beklagte dulde offensichtlich die permanente Nichteinhaltung einer von ihm selbst gesetzten Auflage. Die in der Genehmigung festgesetzte zulässige Höchstgeruchsbelastung von 15 % der Jahresstunden würde damit weit überschritten. Schließlich sei die Biogasanlage im Störbetrieb nicht sicher.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Er sei zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Das Landratsamt ... habe als Termin der Bekanntgabe der Entscheidung an den Kläger den Tag der Akteneinsicht mit seinem damaligen Bevollmächtigten, den 27.10.2007, angenommen und den am 27.11.2007 eingegangenen Widerspruch als fristgerecht angesehen. Zwar habe der Widerspruchsführer – wie sich aus dem umfangreichen Mailverkehr mit dem Landratsamt ... ergebe – schon vor der Akteneinsichtnahme am 12.10.2007 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seines Nachbarn einschließlich einzelner Nebenbestimmungen gehabt. Ob daher schon zu einem früheren Zeitpunkt von einer Bekanntgabe des Bescheids ihm gegenüber ausgegangen werden könne, werde offen gelassen, da der Widerspruch auch dann noch innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eingegangen wäre. Der Widerspruch sei jedoch nicht begründet, da der Widerspruchsführer nur dann die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verlangen könne, wenn diese objektiv rechtswidrig sei und er hierdurch in eigenen Rechten verletzt werde. Das sei vorliegend nicht der Fall.

Es lägen schon keine Verfahrensmängel vor. Auch schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Lärmemissionen seien nicht gegeben. Der Widerspruchsführer könne sich auch nicht darauf berufen, dass er unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgesetzt werde. Das Landratsamt habe am 22.11.2007 eine Geruchsabschätzung erstellt und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Widerspruchsführer allenfalls in ca. 8,75 % der Jahresstunden Gerüche wahrnehme. Selbst wenn andere Gerüche, wie insbesondre die Gülleausbringung hinzukämen, dürfte die Grenze zu erheblichen Belästigungen nicht überschritten sein. Nach der Geruchsemissionsrichtlinie – GIRL – seien Geruchswahrnehmungen auf dem Grundstück mit einer Häufigkeit von <15 % der Geruchsstunden nicht als erhebliche Belastung zu bewerten. Am Standort der Anlage herrsche eine ausgeprägte West-Ost-Wetterlage vor. Bei privilegierten landwirtschaftlichen Anwesen seien im Außenbereich Geruchshäufigkeiten bis zu 25 % aufgrund der geltenden Rechtsprechung als zulässig angesehen worden. Eine relevante ständige Geruchsvorbelastung durch andere gewerbliche oder landwirtschaftliche Betriebe sei im Bereich der bestehenden Wohnbebauung des Widerspruchsführers nicht gegeben.

Ferner sei der Widerspruchsführer durch den Betrieb der Biogasanlage auch keinen unzulässigen Staubimmissionen ausgesetzt. In Ziffer 6.1.3 TA Luft werde für Schwebestaub sowohl ein Immissionsgrenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit, als auch ein Immissionsrichtwert zum Staubniederschlag zum Schutz vor erheblichen Belästigungen oder Nachteilen festgelegt. Bei beiden habe das Landratsamt festgestellt, dass vorliegend davon auszugehen sei, dass die Zusatzbelastung jeweils unterhalb der Irrelevanzschwelle liege.

Am 30. Juli 2009 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht ... Klage erhoben und verfolgt so sein Begehren weiter.

Zur Begründung wird umfänglichst vorgetragen und die bisher vorgetragenen Argumente weiter detailliert erörtert. Insgesamt seien die nachbarrechtlichen Belange des Klägers, der in unmittelbarer Nähe zu der Anlage mit seiner Familie wohne, nicht in ausreichendem Maße bei der behördlichen Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 5 Abs. 1 BImSchG mitberücksichtigt worden.

Zur Geruchsbelästigung wird wie folgt vorgetragen:

Das Landratsamt ... sei rechtlich verpflichtet gewesen, bereits im Genehmigungsverfahren ein Geruchsprognosegutachten zu der Geruchsbelastung des Grundstücks des Klägers durchzuführen. Dies sei versäumt worden. Eine solche Geruchsprognose hätte gerade aufgrund der engen räumlichen Nähe zwischen der Anlage und dem Wohnhaus Sinn gemacht. Die Pflicht zur Durchführung eines solchen Geruchsprognosegutachtens zur Abwägung nachbarlicher Belange sei bisher wiederholt in der Rechtsprechung bestätigt worden. Prüfungsmaßstab eines solchen Geruchsgutachtens hätte dabei die GIRL sein müssen, die auch von den baden-württembergischen Gerichten als Richtlinie zur Bewertung von Geruchsimmissionen anerkannt werde. Gemäß Ziff. 3.1 GIRL gelte für Dorfgebiete – und mit dieser Nutzung sei die Wohnnutzung des Klägers hier auch nach Abschnitt III D Nr. 2 der Genehmigung vergleichbar – eine Geruchsimmissionsgrenzwert von 15 % der Jahresstunden.

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens sei – nach Genehmigungserteilung – auch eine fehlerhafte Geruchsschätzung von Seiten der Genehmigungsbehörde erfolgt. Es gehe aus einer Stellungnahme hervor, dass die Biogasanlage im Jahr 2007 insgesamt 12 Mal durch Mitarbeiter des Landratsamts Ludwigsburg hinsichtlich der von der Anlage ausgehenden Geruchsemissionen überprüft worden sei. Selbst für diese nachträglich erfolgte Geruchsprognose im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bringe der Beklagte keine etwaigen Protokolle bei, die einen genaueren Aufschluss über die Messungen im Hinblick auf Mess-Tage, Mess-Orte und die Windrichtung erlaubten. Gleichwohl habe der Beklagte auf der Grundlage dieser ungenauen und nicht nachvollziehbaren "Mess-Begehungen" mit dem Programm GERDA Ausbreitungsberechnungen durchgeführt. Dass die daraus resultierende Prognose nicht einmal eine ungefähre Schätzung darstelle und daher sicherlich nicht den Anspruch erheben könne, die tatsächliche Belastung des Klägers bezüglich der vorhandenen Geruchsimmission abzubilden, liege auf der Hand. Die GERDA Ausbreitungsberechnung leide unter schweren fachlichen Mängeln.

Der Kläger beantragt,

die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts xx vom 22. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums ... vom 1. Juli 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass die Klage zwar zulässig aber nicht begründet sei. Der Kläger sei durch die erteilte Genehmigung vom 22.12.2006 nicht in seinen Rechten verletzt. Er trage vor, dass im Genehmigungsverfahren die Auswirkung der Biogasanlage auf sein Anwesen nicht berücksichtigt worden sei. Dies sei richtig und werde auch nicht bestritten. Weder vom Antragsteller, von der Stadt ..., noch von einer Fachbehörde sei auf diesen Immissionsort im Verfahren hingewiesen worden. Einwirkungen der Anlage auf das Wohnhaus des Klägers habe das Landratsamt ... aber überprüft, sobald dieser Immissionsort bekannt worden sei. Darüber hinaus seien sämtliche Belange des Klägers im Widerspruchsverfahren berücksichtigt und geprüft worden. Ein Ermessensausfall wie von der Klägervertreterin behauptet sei daher nicht gegeben.

Die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB seien nicht drittschützend. Von der Biogasanlage würden auch keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgehen. Eine Verletzung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sei daher nicht gegeben.

Nach der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL sei von erheblichen Belästigungen durch Gerüche dann auszugehen, wenn die Häufigkeit ihres Auftretens einen Wert von 10 % in Wohn/Mischgebieten und von 15 % in Gewerbe/Industriegebieten übersteige. In den Ausführungshinweisen der GIRL werde darauf hingewiesen, dass in landwirtschaftlich geprägten Gebieten im Außenbereich bei landwirtschaftlichen Gerüchen ein Immissionswert von 20 % der Jahresstunden vertretbar sei und einzelnen Wohnhäusern im Außenbereich nicht der Schutzanspruch eines Wohngebiets zukomme. Dem Landratsamt ... sei es aufgrund der Antragsunterlagen möglich gewesen, die Geruchsimmissionen der Biogasanlage auf das Anwesen des Klägers abzuschätzen. Zudem befänden sich im Landkreis ... mehrere Biogasanlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 370 kW und 500 kW, die damit leistungs- und emissionsseitig mit der hier streitigen Anlage vergleichbar seien. Bei den ersten Biogasanlagen seien im Hinblick auf die tangierten Bebauungen und die Neuartigkeit dieser Biogasanlagen Geruchsprognosen im Genehmigungsverfahren erstellt worden. Aus diesen sei ersichtlich, dass bei den im Landkreis ... vorherrschenden Windrichtungen und Windstärken (1. Hauptwindrichtung aus West und 2. aus Südost) am nordöstlich gelegenen Wohngebäude des Klägers keine Überschreitung des Immissionsrichtwertes für Geruch für 0,15 Jahresstunden zu erwarten sei. Die Biogasanlage sei im Jahr 2007 insgesamt 12 x durch Mitarbeiter des Landratsamtes überprüft worden, wobei der Schwerpunkt der Geruchsüberprüfung in den Monaten Juli und August 2007 gelegen habe. In Windrichtung, bis zu einem Abstand von 30 bis 50 m habe jeweils kein oder nur ein schwach modriger Geruch im Bereich des ... Weges auf Höhe des Wohngebäudes des Widerspruchsführers, ausgehend vom Substratendbehälter, festgestellt werden können. Von den übrigen möglichen Geruchsemissionsquellen wie offener Anschnitt, Fahrsilo, Fermenter, Abluft BHKW und Abluft aus Vorgruben seien keine Geruchsimmissionen an diesem vorgenannten Bereich festgestellt worden. Die Emissionen aus offenen Gärrestelagern (Substratendlager) landwirtschaftlicher Biogasanlagen würden stark von den eingesetzten Substraten und deren Lästigkeits-Grad, der Temperatur sowie der Ausbildung der Schwimmschicht abhängen. Bei entsprechend langen Verweilzeiten im Fermenter würden sich die Geruchsstoffimmissionen der Gärsubstrate in der Regel wesentlich vermindern und seien daher meist nur im Nahbereich der Anlage wahrnehmbar (Auszug aus VDI 3475 Blatt 4, Entwurf, Biogasanlagen in der Landwirtschaft). Geruchsstoffemissionen aus Motorenanlagen würden erfahrungsgemäß nur bei schlecht eingestellten Motoren und ungünstiger Abgasableitung auftreten (Auszug aus VDI 3475 Blatt 4, Entwurf, Biogasanlagen in der Landwirtschaft). Die Überprüfungen hätten ergeben, dass die Biogasanlage hinsichtlich der Geruchsimmissionen optimal im Sinne der VDI 3475 Blatt 4 gefahren werde.

Das Umweltministerium Baden-Württemberg habe ein EDV-Programm zur Abschätzung von Geruchsimmissionen aus Anlagen mit Ausbreitungsrechnung zur Verfügung gestellt. Für die Biogasanlage ... sei mit diesem EDV-Programm aufgrund der Basis bekannter Geruchsprognosen unterlegten Immissionsansätzen und einer für den Standort repräsentativen Windstatistik eine Ausbreitungsrechnung durchgeführt worden. Ergebnis der Ausbreitungsberechnung sei, dass hiernach am Wohngebäude des Klägers eine relative Geruchshäufigkeit von weniger als 10 % der Jahresstunden zu erwarten sei. Bei den von der Klägervertreterin angeführten zusätzlich belastenden Betrieben, einer Putenmastanlage sowie einer Schweinemastanlage handle es sich um einen Schweinestall in ca. 1500 m Entfernung und zwei Putenmastställe in ca. 500 m Entfernung. Der Schweinemaststall sei mit Entscheidung vom 02.07.2004 immissionsschutzrechtlich genehmigt worden. Die Geruchsemmissionen seien im damaligen Verfahren durch ein Ingenieurbüro gutachtlich untersucht worden. Für den Ort ... sei dabei eine Geruchsbelastung von ca. 2 % prognostiziert worden; somit sei das Irrelevanz-Kriterium erfüllt. Die streitige Biogasanlage befinde sich vom Schweinemaststall aus betrachtet in Richtung ... Vom Putenmastbetrieb liege keine Geruchsprognose vor. Diese Anlage unterliege nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht. Bei den Überprüfungen im Jahre 2007 und 2008 seien bei dem Kläger keine von diesen beiden Anlagen ausgehenden Geruchsimmissionen festgestellt worden. Das Regierungspräsidium ... habe im Widerspruchsverfahren im Übrigen die LUBW eingebunden, um die Geruchsabschätzung des Landratsamts ... zu überprüfen. Im Ergebnis ermittle die LUBW in einer Stellungnahme vom 24.06.2008 eine Geruchshäufigkeit von 7,7 % der Jahresstunden und selbst bei einer "worst case"-Betrachtung, die dabei als Extremfall eingestuft werde, eine jährliche Geruchshäufigkeit von maximal 14 %. Die LUBW als Anstalt des öffentlichen Rechts habe eine hohe Kompetenz bei der Beurteilung umweltrelevanter Sachverhalte. Der Hinweis der Klägervertreterin auf Ziffer 5.4.9.3.6 der TA-Luft 2002, wonach bei Anlagen zur Lagerung von Gülle nach Nr. 9.3.6 des Anhangs zur 4. BImSchV ein Mindestabstand von 300 m zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung einzuhalten sei, greife hier nicht, da der Kläger im Außenbereich neben einem landwirtschaftlichen Betrieb wohne. Ziffer 5.4.9.3.6 sei somit nicht einschlägig. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Nr. 9.3.6 mit Änderungsgesetz 2007 dahingehend geändert worden sei, dass hierunter nur noch Anlagen zur Lagerung von Gülle mit einem Fassungsvermögen ab 6.500 m3 fallen würden und nicht mehr, wie zum Zeitpunkt der Genehmigung der streitigen Anlage bereits ab 2500 m3. Damit sei von der Gesamtanlage nur noch das BHKW immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie trägt aber ebenfalls vor, dass die Klage unbegründet sei. Denn die angefochtenen Bescheide verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage wäre nur begründet, wenn der Kläger durch die angefochtene Genehmigung direkt in seinen eigenen Rechten verletzt wäre, wenn also die nach diesen Verwaltungsakten genehmigte Anlage subjektiv geschützte Belange des Klägers und seiner Familie beeinträchtigen würde. Das sei nicht der Fall. Im Übrigen seien die von der Klägervertreterin aufgeführten Gründe nicht stichhaltig. Dies wird weiter detailliert ausgeführt.

Das Verwaltungsgericht hat am 09.11.2011 nach einer mündlichen Verhandlung folgenden Beweisbeschluss erlassen:

"Es wird Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen,

ob der im immissionsschutzrechtlichen Bescheid vom 22. Dezember 2006 festgesetzte Geruchswert von 0,15 Jahresstunden auf den klägerischen Anwesen beim Betrieb der streitgegenständlichen Biogasanlage nach den Regeln der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) eingehalten werden kann und ob

dort die für Staub (PM-10) geltenden Grenzwerte nach der Tabelle 1 zu Nr. 4.2.1 TA-Luft und den für Staubniederschlag (nicht gefährdenden Staub) geltenden Grenzwert nach der Tabelle 2 zu Nr. 4.3.2 TA-Luft eingehalten werden können."

Mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens wurde der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Immissionsschutz Dr. ..., Tübingen, beauftragt, der am 27. Juli 2012 sein Gutachten in schriftlicher Form vorlegte und es in der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2012 näher erläuterte. Insoweit wird auf die Anlage zu/671 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Es bestand keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, wie es die Beigeladene beantragt. Der Beklagte hat zwar mit Verfügung vom 22.12.2012 der Beigeladenen aufgegeben, den Endlagerbehälter (Faulsubstratlager) auf seinem Betriebsgelände gasdicht zu verschließen. Eine Änderung des Streitgegenstandes des vorliegenden Verfahrens liegt damit noch nicht vor. Eine solche wird zwar möglicherweise durch eine die angefochtene Genehmigung verändernden nachträglichen Auflage erfolgen. Denn der Beigeladenen wurde gleichzeitig aufgegeben, einen immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag einzureichen, über den noch nicht entschieden wurde. Die Einzelheiten dieser Entscheidung sind aber noch völlig offen, sodass eine weitere Verzögerung des ohnehin schon lange beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahrens nicht hingenommen werden kann. Die Kammer übt deshalb ihr Ermessen nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO dahingehend aus, die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen.

Die zulässige Klage hat Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 22. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums ... vom 01.07.2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Sie werden daher aufgehoben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist in einem öffentlich-rechtlichen Nachbarstreit nicht in vollem Umfang auf ihre objektive Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Vielmehr kann eine Nachbarklage nur dann Erfolg haben, wenn die Genehmigung Vorschriften verletzt, die gerade den klagenden Nachbarn schützen sollen.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i. V. m. der drittschützenden Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG darf eine Anlage nur genehmigt werden, wenn sie keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen hervorruft. Schädliche Umwelteinwirkungen definiert § 3 Abs. 1 BImSchG als "Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen".

Ausgehend von diesem Maßstab ist der Kläger durch die Errichtung und den Betrieb Anlage in der genehmigten Form schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt. Dies gilt zwar – wie der Gutachter ausführte -nicht im Hinblick auf die geltend gemachte Staubbelastung, wohl aber im Hinblick auf die geltend gemachten Geruchsbelastungen.

Im Genehmigungsbescheid vom 22.06.2006 ist unter Abschnitt III Unterabschnitt Auflagen unter "D" Immissionsschutz 2. unter anderem festgehalten, dass die Biogasanlage gegenüber landwirtschaftlichen Anwesen im Außenbereich den immissionsrichtwert von 0,15 nicht überschreiten darf, wobei es sich bei den Immissionswerten um relative Häufigkeiten von Geruchsstunden handelt.

Mit dieser Formulierung wird ersichtlich auf die Regelungen der GIRL Bezug genommen. Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen zumutbar sind, bietet die GIRL in der Fassung der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte zwar keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, was bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt; sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 – Az.: 4 B 29.10 –, ZfBR 2010, 792). Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine- hinreichend verlässliche – Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen (vgl. z. B. OVG Schleswig, Beschl. v. 13.03.2006 – Az.: 1 LA 5/06 – juris). Die Vorgaben der TA-Luft und der VDI-Richtlinien 3471 und 3472, die bestimmte Mindestabstände vorsehen, sind hingegen für die Bewertung von Biogasanlagen ungeeignet, denn die darin maßgeblichen Parameter (Viehbestandszahlen und Haltungsbedingungen bzw. Tierlebendmasse) fehlen bei einer Biogasanlage und sind auch nicht etwa anderweitig bestimmbar (vgl. etwa hierzu NdsOVG, Beschl. v. 22.09.2010 – 12 ME 51/10NVwZ-RR 2011, 7).

Mit der bezeichneten Regelung im angefochtenen Bescheid wird zum Ausdruck gebracht, dass gerade betr. die nähere Umgebung der Anlage eine Begrenzung der Geruchsimmissionen verlangt wird. Damit werden die Interessen der Nachbarschaft in den Blick genommen. Das bedeutet nach der Auffassung der Kammer, dass der Bescheid hiermit u. a. erreichen und regeln will, dass der Wert von 0,15 auf das Grundstück des Klägers anzuwenden ist. Damit handelt es um eine drittschützende Nebenbestimmung, die gerade den Interessen des Grundstücksnachbarn zu dienen bestimmt ist.

Die angefochtenen Bescheide sind deshalb zu Lasten des Klägers rechtwidrig, weil der so festgesetzte Wert mit der Anlage in der genehmigten Form objektiv nicht einzuhalten ist. Dies hat die gerichtliche Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer ergeben. Es ist bei der erheblichen Differenz zwischen dem Umfang der tatsächlichen und der genehmigten Geruchsimmissionen auf dem Grundstück des Klägers auch nicht zu erwarten, dass mit geringfügigen Änderungen dieser Wert eingehalten werden kann. Die Verfügung des Beklagten vom 22.12.2012 zeigt, dass im Grunde eine grundlegende Änderung der Anlage erforderlich ist und sich gewissermaßen die Genehmigungsfrage neu stellt. Damit kann und muss der Kläger den Schutz eines richtigen Genehmigungsverfahrens erhalten.

Der Umfang der tatsächlichen Geruchsbelästigungen durch die Biogasanlage der Beigeladenen war im vorliegenden Verfahren streitig. Im Hinblick auf erkennbare methodische Unzulänglichkeiten (etwa keine Einhaltung von DIN Normen bei tatsächlich vorgenommenen Messungen oder unzulängliche Berücksichtigung von Vorbelastungen) hat das Gericht einen Sachverständigen bestellt und beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Juli 2012, das in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2012 mündlich erläutert wurde, hat der Sachverständige Dr. ... überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass am Wohnhaus des Klägers, und zwar an dessen Ostfassade, für die Gesamtbelastung eine maximale Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 0,26 zu ermitteln sei. Bezogen auf die von der GIRL vorgesehene flächenhafte Verteilung auf ein Grundstück ergebe dies, dass sich auf der Beurteilungsfläche für das Wohnhaus des Klägers eine jährliche Geruchswahrnehmungshäufigkeit von rd. 0,24 (Jahresgeruchsstundenanteil) ergebe. Der im Genehmigungsbescheid vom 22.12.2006 festgesetzte Immissionswert von 0,15 (Jahresgeruchsstundenanteil) für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich werde somit in beiden Fällen deutlich überschritten. Die Darlegungen des Gutachters sind nachvollziehbar und überzeugend. Sie entsprechen dem Stand der Wissenschaft und wurden auch von keinem Verfahrensbeteiligten in Frage gestellt.

Selbst wenn man der Auffassung der erkennenden Kammer bezüglich der nachbarschützenden Festsetzung von 0,15 im angefochtenen Bescheid nicht folgen wollte, ergibt sich die zu Lasten des Klägers festzustellende Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides aus anderen Gründen.

Aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich nämlich auch, dass durch den Betrieb der Anlage in der genehmigten Form am Wohnhaus des Klägers und seiner Familie jedenfalls eine Geruchswahrnehmungshäufigkeit von mehr als 0,20 Jahresstunden besteht. Eine solche Belastung ist ihm jedoch nach der Überzeugung der Kammer nicht zuzumuten.

Einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist erläuternd ausgeführt, es sei möglich, im Außenbereich "unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls" bei der Geruchsbeurteilung einen Wert bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen. Mithin wäre hier nach dem Regelwerk der GIRL eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dabei sind gemäß Ziffer 5 GIRL unter Berücksichtigung der bisherigen Prägung eines Gebietes durch eine bereits vorhandene ortsübliche Geruchsbelastung u. a. der Charakter der Umgebung, etwaige Nutzungsbeschränkungsvereinbarungen und die gegenseitige Pflicht zur Rücksichtnahme als Beurteilungskriterium heranzuziehen. Die Kammer hält im vorliegenden Fall einen Wert von 0,24 für den Kläger für nicht mehr hinnehmbar. Dies beruht zum einen darauf, dass vom Anwesen des Klägers selbst keine Geruchsbelästigungen ausgehen, weil der Kläger dort lediglich wohnt. Es handelt sich auch nicht um eine Umgebung in der sich landwirtschaftliche Betriebe unmittelbar aneinanderreihen. Ferner ist, wie sich aus Blatt 34 des Gutachtens des Sachverständigen ergibt, die Zusatzbelastung durch die Biogasanlage alleine auf 0,16 Geruchsstunden anzusetzen. Ein Wert, der für sich schon den Wert von 0,15 überschreitet. Auch im Hinblick darauf, dass die maximale Geruchsbelastung am Wohnhaus des Klägers selbst mit 0,26 festgestellt wurde, also einen Wert der über 0,25 liegt, der von der Rechtsprechung zum Teil ausdrücklich als Maximalwert angesehen wird (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25. März 2009 – Az.: 7 D 129/07.ME – BRS 74 Nr. 22), spricht im Hinblick auf die vorhandene Wohnbebauung kein sachlicher Grund dafür, den – fast Extremwert – von 0,24 zu billigen. Die Kammer sieht sich insoweit auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (vgl. Beschl. v. 27. Januar 2011 Az.: 12 LA 68/09 – Juris – RdNr. 14), wonach nur in sehr stark landwirtschaftlich geprägten Regionen in Einzelfällen, in denen ausschließlich die Interessen von Landwirtinnen und Landwirten oder Betreiberinnen und Betreibern von Tierhaltungsanlagen untereinander berührt sind, ein höherer Immissionswert als 20 v. H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit – zugelassen werden kann. Für das Grundstück des Klägers geht die Kammer deshalb von einer Zumutbarkeit von höchstens 0,20 Jahresstunden aus. Dieser Wert kann mit der Anlage in der genehmigten Form nicht erreicht werden, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt die angefochtenen Bescheide zu Lasten des Klägers rechtwidrig sind.

Die Klage hat nach alledem Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.