VG Bayreuth, Beschluss vom 13.06.2013 - B 1 S 13.365
Fundstelle
openJur 2013, 31958
  • Rkr:

Entziehung der Fahrerlaubnis;Verlust der Fahreignung wegen Betäubungsmittelkonsums;Methamphetaminkonzentration im Blut von 82,5 ng/ml;Behauptung unbewusster Aufnahme in Cola unglaubhaft;nach Bescheiderlass bei weiterer Kontrolle wieder Methamphetamin im Blut (9,3 ng/ml);Sofortvollzug interessengerecht;

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Bei-ordnung von Rechtsanwalt ... wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Dem am ...1986 geborenen Antragsteller wurde die Fahrerlaubnis der Klasse B erstmals am 06.08.2004 erteilt. Nach einem Entzug seiner Fahrerlaubnis im Mai 2007 wegen Nichtteilnahme an einem Aufbauseminar wurde dem Antragsteller im August 2007 die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und T/S wieder erteilt.

Mit am 26.03.2013 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben teilte die Polizeiinspektion Coburg mit, dass beim Antragsteller anlässlich einer routinemäßigen Verkehrskontrolle drogentypische Ausfallerscheinungen festgestellt worden waren. Der Antragsteller war am Sonntag, 03.02.2013 um 21.10 Uhr in Lautertal kontrolliert worden. Der Antragsteller willigte in einen Drogenschnelltest ein, konnte aber nicht urinieren. Eine gegen den Antragsteller angeordnete Blutentnahme wurde im Klinikum Coburg durchgeführt und ergab einen Wert von 82,5 ng/ml Methamphetamin und 11,7 ng/ml Amphetamin. Anlässlich der Kontrolle waren beim Antragsteller eine stark verlangsamte Pupillenreaktion sowie glasige und gerötete Augen festgestellt worden. Auf Nachfrage gab der Antragsteller an, keine Drogen konsumiert zu haben. Er habe zwei amerikanische Aspirin genommen und nach den Schilderungen der Polizei einen unaufhörlichen Redefluss gehabt.

Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Ulm vom 20.02.2013 ist nach den vorliegenden Ergebnissen der Blutuntersuchung von einer Meth-amphetamin-Aufnahme auszugehen. Das ebenfalls pharmakologisch wirksame Amphetamin dürfte im vorliegenden Fall metabolisch (Stoffwechselprodukt) aus Amphetamin durch Dealkylierung entstanden sein. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass der Messwert für Meth-amphetamin oberhalb des für eine Ahndung empfohlenen Grenzwertes (25 ng/ml) liege.

Mit Schreiben vom 02.04.2013 teilte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Coburg der Antragsgegnerin mit, dass es in dem gegen den Antragsteller eingeleiteten Bußgeldverfahren voraussichtlich nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis kommen werde.

Die Antragsgegnerin hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 04.04.2013 und 18.04.2013 zum beabsichtigten Entzug seiner Fahrerlaubnis an. Der Antragsteller ließ dem durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 16.04.2013 und 19.04.2013 entgegentreten.

Mit Bescheid vom 23.04.2013 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1). In Nummer 2 des Bescheids wurde dem Kläger aufgegeben, seinen Führerschein bis spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheides bei der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin abzugeben. Für den Fall, dass der Pflicht zur Abgabe des Führerscheins nach Nummer 2 des Bescheides nicht fristgerecht nachgekommen wird, drohte die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR an (Nr. 3). In Nummer 4 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Die Bescheidsgebühr wurde auf 200,00 EUR festgesetzt (Nr. 6).

In der Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, dass bereits die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) die Fahreignung nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ausschließe; dabei sei nicht erforderlich, dass ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluss im öffentlichen Straßenverkehr geführt worden sei. Die Antragsgegnerin gehe nach den polizeilichen Feststellungen und dem Ergebnis der chemisch-toxikologischen Blutuntersuchung aufgrund des Konsums von Amphetamin bzw. Methamphetamin (harte Drogen) vom Vorliegen eines Regelfalles im Sinne der Vorbemerkung 3 und Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV aus. Demzufolge sei die Fahrerlaubnis des Antragstellers ohne vorherige Einholung eines Fahreignungsgutachtens sofort zu entziehen. Ein Platz für Ermessen bleibe nicht, da beim Fehlen der Fahreignung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen sei. Nach den Feststellungen der Polizeiinspektion Coburg und dem Untersuchungsergebnis des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Ulm sei erwiesen, dass der Antragsteller unter akutem Drogeneinfluss am 03.02.2013 ein Kraftfahrzeug geführt habe. Soweit der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten habe vortragen lassen, dass dem Antragsteller unfreiwillig und ohne seine Kenntnis Betäubungsmittel in einer Flasche Cola zugeführt worden sein könnten, erscheine dies als reine Schutzbehauptung und sehr hypothetisch. Die versuchte schlüssige Darstellung eines möglichen Tatherganges, eine namentlich unbekannte Person habe sich aufgrund eines ausgesprochenen Platzverweises beim Ordnungsdienst rächen und diesen durch Verabreichung von Betäubungsmitteln in dessen Getränk in seiner Verteidigungsbereitschaft einschränken wollen, um hernach weiter Racheaktionen durchzuführen, höre sich in der Tat recht abenteuerlich an. Dadurch würden keine wirklich glaubhaften Umstände des Einzelfalls vorgetragen, die es rechtfertigen würden, von der strikten Bindungswirkung der Nummer 9.1 der Anlage 4 zur FeV abzuweichen. Sollte der Antragsteller, wie behauptet, noch nie Betäubungsmittel oder Drogen zu sich genommen haben, hätte er bei kritischer Selbstprüfung eine Wirkung dieses Betäubungsmittels bei sich verspüren müssen. Dies habe ihn jedoch nicht abgehalten, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Der Antragsteller sei vielmehr bereit gewesen, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise seinen eigenen Interessen unterzuordnen und die hieraus resultierende Verkehrsgefährdung in Kauf zu nehmen, da bei seiner Kontrolle am 03.02.2013 durch die aufnehmenden Beamten eindeutig drogentypische Merkmale wie stark gerötete und glasige Augen, verlangsamte Pupillenreaktion auf Lichteinfall und unaufhörlicher Redezwang dokumentiert worden seien. Weiter halte die Antragsgegnerin in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Anordnung der sofortigen Vollziehung für geboten. Dies sei notwendig, weil ein dringendes öffentliches Interesse daran bestehe, dass der Antragsteller nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme. Das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit sei hier vorrangig anzusehen. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung hätte zur Folge, dass der Antragsteller trotz seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen könne und somit eine konkrete Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer darstelle. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei daher im Interesse der Allgemeinheit für die Sicherheit im Straßenverkehr geboten; sie habe Vorrang vor den etwaigen Interessen des Betroffenen an der weiteren Teilnahme als Kraftfahrer am Straßenverkehr.

Mit am 23.05.2013 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 23.04.2013 erheben (Az. B 1 K 13.366) sowie um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen. Der Antragsteller habe die in der Blutprobe festgestellten Betäubungsmittel nicht (bewusst) eingenommen, er konsumiere überhaupt keine Betäubungsmittel. Der Antragsteller sei ehrenamtlich gelegentlich als Ordner tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe er in der Nacht vom 02.02.2013 auf den 03.02.2013 für einen Servicedienstleister bei der Veranstaltung „...“ in der Stadthalle ... als Ordner gearbeitet. Er sei im Eingangsbereich der Stadthalle innen eingesetzt gewesen. Während seines Dienstes, der bis in die frühen Morgenstunden gedauert habe, habe der Antragsteller eine 1-Liter-Flasche Cola auf einem in seinem Tätigkeitsbereich befindlichen Tisch stehen gehabt, um von dieser gelegentlich zu trinken. Die Flasche sei auch für Besucher der Veranstaltung frei zugänglich gewesen. Im Rahmen seines Arbeitseinsatzes habe der Antragsteller mehrfach die öffentlichen Toiletten im Eingangsbereich inspizieren müssen. Bei dieser Tätigkeit sei ihm die Sicht auf sein Getränk durch einen Absperrzaun versperrt gewesen. Zu später Stunde sei der Eingangsbereich nicht mehr durch Kollegen besetzt gewesen, wenn der Antragsteller sich zur Toiletteninspektion entfernt habe, d.h. er sei alleine im Eingangsbereich eingesetzt gewesen. Im Rahmen der Veranstaltung hätten gegen Störer der Veranstaltung mehrere Hausverbote seitens des Ordnungsdienstes ausgesprochen werden müssen. Unter anderem habe es Ärger mit einer nicht namentlich bekannten Person gegeben, welche auch im Zusammenhang mit Drogen bei vorherigen Veranstaltungen, an denen der gleiche Ordnungsdienst tätig gewesen sei, auffällig gewesen sei. Es bleibe nur zu vermuten, dass sich ein der Veranstaltung verwiesener Besucher am Ordnungsdienst habe rächen wollen und daher in einem unbeobachteten Moment Betäubungsmittel in die Getränkeflasche des Antragstellers gegeben habe. Damit würde der ständigen Rechtsprechung entsprechend ein detaillierter, in sich schlüssiger und glaubhafter Sachverhalt vorgetragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lasse. Es werde auch ein nachvollziehbares Motiv für die Handlungsweise des Dritten aufgezeigt. Insbesondere könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Eingabe von Betäubungsmitteln gar nur dazu dienen sollte, den Ordner in seiner Verteidigungsbereitschaft einzuschränken, um hernach weitere „Racheaktionen“ durchzuführen. Es liege nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass sich ein Besucher, der aufgrund auffälligen Verhaltens von einer Veranstaltung ausgeschossen werde, in seiner Ehre gekränkt oder aus sonstigen Gründen am Sicherheitsdienst rächen wolle. Dass die Möglichkeit der Zuführung der Betäubungsmittel in das Getränk des Antragstellers zumindest zu fortgeschrittener Stunde möglich gewesen sei, werde ebenfalls dargelegt.

Der Antragsteller habe niemals wissentlich Amphetamine konsumiert. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis lägen daher mangels bewussten Betäubungsmittelkonsums nicht vor. Entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin handele es sich keinesfalls um eine reine Schutzbehauptung. Es könne vom Betroffenen nicht verlangt werden, exakt zu benennen, wer wann welche Substanzen in sein Getränk gegeben habe, da der Antragsteller dann denklogisch das Getränk nicht zu sich genommen hätte, wenn ihm diese Umstände bekannt gewesen wären. Es sei auch keinesfalls jedem Menschen immanent, auf jegliche Art von Drogen mit Übelkeit, Erbrechen oder Bewusstlosigkeit zu reagieren, sofern er vormals nie Drogen gleich welcher Art konsumiert habe. Insbesondere sei hier zu berücksichtigen, dass Amphetamine aufputschende Wirkung hätten. Die von der Antragsgegnerin genannten Symptome seien dagegen für Amphetamine völlig untypisch und träten vielmehr bei körperlich abhängig machenden oder halluzinogenen Drogen wie Opiaten oder LSD auf. Bei Konsum von Amphetaminen seien diese medizinisch aber nicht indiziert. Der Antragsteller habe bei kritischer Selbstprüfung die Wirkung eines Betäubungsmittels nicht verspüren müssen. Folglich habe der Antragsteller auch nicht das Interesse der Allgemeinheit seinen eigenen Interessen untergeordnet. Aus „Jugendverfehlungen“ den Schluss zu ziehen, der Antragsteller bewege sich im Kreise der Betäubungsmittelkonsumenten und sei daher sicher über die Wirkungen und Rauschverläufe von Betäubungsmitteln informiert, sei verfehlt und gehe an der Sache vorbei. Es sei nicht nachvollziehbar, zu Lasten des Antragstellers aus einem Cannabis-Konsum vor acht Jahren auf einen heutigen Drogenkonsum des Antragstellers zu schließen. Überdies seien die Wirkungen von Cannabisprodukten mit der Wirkung von Amphetaminen nicht vergleichbar. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in der Zeit von Anfang 2008 bis Ende 2011 als Berufssoldat bei der Bundeswehr gearbeitet habe. Er sei dort als Lkw-Fahrer und im Fuhrparkmanagement eingesetzt gewesen. Da bei der Bundeswehr insbesondere die Berufskraftfahrer permanenter Kontrolle hinsichtlich ihrer Fahrtauglichkeit unterlägen, erscheine die Annahme der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei quasi dauerhaft Betäubungsmittelkonsument, fernliegend, wenn nicht gar abwegig. Es bleibe zu erwähnen, dass das Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen unerlaubten Erwerbs/Besitzes von Betäubungsmitteln eingestellt worden sei, weil ein Tatnachweis nicht mit der erforderlichen Sicherheit habe geführt werden können. Im eingeleiteten Bußgeldverfahren wegen Fahrens unter Einwirkung eines berauschenden Mittels sei bereits Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt worden. Die im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzantrags allein gebotene summarische Überprüfung führe bereits zur hinreichend verlässlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides. Ferner sei die Anordnung des sofortigen Vollzugs in unzulässiger Weise lediglich formelhaft erfolgt. Es bedürfe einer Güterabwägung, die auch die Interessen des Antragstellers am Fortbestand seiner Fahrerlaubnis in Betracht ziehe. Ausführungen hierzu lasse die angefochtene Entscheidung gänzlich vermissen.

Als Anlage ließ der Antragsteller eine Bestätigung eines Servicedienstleisters vorlegen, wonach er am 02.02.2013 in der Stadthalle in ... als Helfer/Ordner ehrenamtlich tätig gewesen sei.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 23.04.2013, Az. 32-52 E 33/2013, hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Entziehungsbescheids wiederherzustellen.

Ferner wurde (sinngemäß) beantragt,

dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt ... als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der angegriffene Verwaltungsakt sei rechtmäßig ergangen und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Darüber hinaus erweise sich die Anordnung des Sofortvollzugs ebenfalls als rechtmäßig, da unter Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Antragstellers, auch unter Berücksichtigung der in der Antragsschrift vorgetragenen Argumente, das öffentliche Interesse jedenfalls schwerer wiege. Hinsichtlich des angeordneten Sofortvollzugs seien hinreichende Ermessenserwägungen getroffen worden.

Ergänzend wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass laut Mitteilung der Polizeiinspektion Coburg vom 03.05.2013, bei der Antragsgegnerin am 22.05.2013 eingegangen, eine erneute Fahrt des Klägers unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln (Methamphetamin-Konzentration im Blut 9,30 ng/ml) am 04.03.2013 stattgefunden habe. Auch hier hätten drogentypische Auffälligkeiten wie glasige, leicht gerötete Augen und ein Ausziehen der Jacke trotz einer Außentemperatur von - 3°C durch die kontrollierenden Beamten festgestellt werden können.

Bereits am 30.04.2013 hatte der Antragsteller seinen Führerschein persönlich bei der Antragsgegnerin abgegeben.

Mit Schreiben vom 27.05.2013 teilte der Vorsitzende den Beteiligten eine erste vorläufige Einschätzung der Rechtslage mit und wies auf mehrere einschlägige Entscheidungen hin.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die übermittelte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

II.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht entsprechend § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage gegen den Bescheid vom 23.04.2013 voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen noch Folgendes auszuführen:

Erweist sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so muss ihm die Verwaltungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis entziehen. Im Hinblick auf den sicherheitsrechtlichen Charakter des Straßenverkehrsrechts ist bei der Beurteilung der Fahreignung die Vermeidung künftiger Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Teilnahme der zu beurteilenden Person am Straßenverkehr von wesentlicher Bedeutung. Dementsprechend liegt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Vorbemerkung 3 und Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV im Regelfall bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis – vgl. hierzu die speziellen Regelungen in Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV) Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer wie auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs schließt bereits die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) im Regelfall die Fahreignung gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV aus. Dabei ist nicht einmal erforderlich, dass ein Kraftfahrzeug nach Drogeneinnahme im öffentlichen Straßenverkehr geführt wurde, wie es hier beim Antragsteller der Fall war (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807; B.v. 14.2.2012 – 11 CS 12.28; B.v. 29.6.2010 – 11 ZB 08.3297; U.v. 21.4.2010 – 11 B 09.3229; B.v. 4.10.2010 – 11 ZB 09.2973 – juris - sowie die weitere im gerichtlichen Hinweisschreiben vom 27.05.2013 in Bezug genommene Rechtsprechung).

Legt man dies zugrunde, konnte die Antragsgegnerin aufgrund des durch das Ergebnis der Blutprobe nachgewiesenen Konsums der harten Droge Methamphetamin bzw. Amphetamin beim Antragsteller zu Recht vom Vorliegen eines Regelfalls im Sinne der Vorbemerkung 3 und der Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ausgehen und die Fahrerlaubnis ohne vorherige Einholung eines Fahreignungsgutachtens (vgl. § 11 Abs. 7 FeV) sogleich entziehen.

Soweit geltend gemacht wird, der Antragsteller habe nicht bewusst Betäubungsmittel eingenommen und diese müssten ihm in der Nacht vom 02.02.2013 auf den 03.02.2013 in eine Flasche Cola gemischt worden sein, handelt es sich nach Überzeugung der Kammer um eine reine Schutzbehauptung.

Beruft sich eine Person, in deren Körper ein Betäubungsmittel oder Abbauprodukte hiervon vorgefunden wurden, darauf, sie habe diese Droge unwissentlich eingenommen, so muss sie einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Da derartige Rauschmittel kostspielig und zudem illegal sind, spricht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel dadurch gegen ihren Willen zuführen, dass sie z.B. eine solche Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein für ihn bestimmtes Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Nach der einschlägigen Rechtsprechung kann derartigen Behauptungen nur dann Beachtlichkeit zuerkannt werden, wenn überzeugend aufgezeigt wird, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen und dass es ferner nahe liegt, dass diesem die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb (vgl. etwa BayVGH, B.v. 21.11.2012 – 11 CS 12.2171; B.v. 16.1.2012 – 11 ZB 11.2169; B.v. 24.3.2011 – 11 C 11.318 - juris).

Zunächst ist festzustellen, dass bereits der hier vorgetragene Geschehensablauf, wonach der Antragsteller als Folge seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Ordner bei einer Faschingsveranstaltung Opfer eines Racheakts von Besuchern dieser Veranstaltung geworden sein will, relativ konstruiert erscheint und in entscheidenden Punkten weitergehende Details vermissen lässt. Nach der Schilderung des Antragsstellers soll es insbesondere Ärger mit einer nicht namentlich bekannten Person gegeben haben, die auch bei vorherigen Veranstaltungen im Zusammenhang mit Drogen auffällig geworden sein soll. Insoweit kann die Kammer nicht nachvollziehen, dass ein Ordnungsdienst, der bei öffentlichen Veranstaltungen wiederholt Straftaten derselben Person im Zusammenhang mit Drogen registriert haben will und hiergegen beispielsweise mit Hausverboten vorgegangen sein möchte, keinerlei Personalien erhebt und ggf. die Polizei hinzuzieht, so dass eine Namhaftmachung der Person möglich wäre.

Jedenfalls fehlt es beim Antragsteller aber an der weiteren Voraussetzung, dass es in der konkreten Situation naheliegend erscheint, dass ihm die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt geblieben ist. Die im Blut des Antragstellers festgestellte Konzentration von Methamphetamin betrug am 03.02.2013 um 21:10 Uhr (immer noch) 82,5 ng/ml. Berücksichtigt man den natürlichen Abbauprozess im Körper, so hätte es sich bei der dem Antragsteller am Abend bzw. in der Nacht zuvor verabreichten Dosis somit um eine ganz erhebliche Menge an Methamphetamin handeln müssen, bei der es praktisch ausgeschlossen erscheint, dass dies beim Antragsteller – der nach seinem Vortrag niemals wissentlich Amphetamine konsumiere – nicht zu sehr deutlichen drogentypischen Auffälligkeiten bzw. angesichts fehlender Gewöhnung gar zu schweren Gesundheitsstörungen geführt hätte (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2011 – 11 CS 11.1527; B.v. 21.11.2012 – 11 CS 12.2171; B.v. 24.3.2011 – 11 C 11.318 - juris).

Ferner hätte es sich dem Antragsteller geradezu aufdrängen müssen, anlässlich der Polizeikontrolle, bei der ihm der Verdacht einer „Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG“ eröffnet wurde, auf den angeblichen Vorfall am Vorabend hinzuweisen. Stattdessen gab der Antragsteller auf dem von ihm unterschriebenen polizeilichen Protokoll an, in den letzten 24 Stunden keine Drogen eingenommen zu haben. Auch dies ist als weiterer Anhaltspunkt für eine nachträgliche Schutzbehauptung zu werten (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2010 - 11 ZB 09.2973 – juris).

Dafür, dass dem vorgetragenen Geschehensablauf zur angeblichen unwissentlichen Einnahme von Methamphetamin am 02./03.02.2013 auch keine Glaubwürdigkeit innewohnt, spricht mit aller Deutlichkeit schließlich der seitens der Antragsgegnerin geschilderte und aktenmäßig dokumentierte weitere Vorfall vom 04.03.2013. An diesem Tag war der Antragsteller als Führer eines Kraftfahrzeugs kontrolliert worden und zeigte (wiederum) drogentypische Auffälligkeiten. Die Analyse der Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm ergab eine Methamphetamin-Konzentration von 9,30 ng/ml; hinsichtlich Amphetamin konnten Spuren im Bereich der Nachweisgrenze ermittelt werden.

Es liegt auf der Hand, dass die am 04.03.2013 festgestellte Konzentration von Methamphetamin wegen des Abbaus dieser Stoffe im Körper naturwissenschaftlich nicht mit der (angeblich unwissentlichen) Zuführung desselben Betäubungsmittels am 02./03.02.2013 erklärt werden kann. Vielmehr spricht nach Lage der Dinge alles dafür, dass Anfang März 2013 eine weitere Einnahme desselben Stoffes (Methamphetamin) vorgelegen hat, die bereits für sich betrachtet – wie oben dargelegt – die Fahreignung des Antragstellers ausschließt.

Schließlich hat die Antragsgegnerin die Anordnung des Sofortvollzugs auch in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass sich in typisierten Fallkonstellationen die Begründung in zulässiger Weise darauf beschränken kann, die für die jeweilige Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Vollziehungsanordnung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese typische Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Insbesondere gilt dies im Bereich des hier einschlägigen Sicherheitsrechts. Bei Vorschriften zur Abwehr von Gefahren für die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs fällt das besondere öffentliche Vollzugsinteresse gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen.

Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 11 CS 07.2210; B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548 – juris).

Legt man dies zugrunde, können die Ausführungen der Antragsgegnerin auf Seite 5 des Bescheids vom 23.04.2013 in keiner Weise beanstandet werden, nachdem hier gerade – mit zutreffenden Erwägungen – die typischerweise im Falle einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Konsums von Betäubungsmitteln anzutreffende Interessenlage aufgezeigt wird.

Insgesamt überwiegt auch bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen eigenständigen Interessenabwägung des Gerichts das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs deutlich das Interesse des Antragstellers, vorerst weiterhin Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen zu dürfen.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach allem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 (Hälfte des Hauptsachestreitwertes) und 46.3 (Klasse B mit Unterklassen) des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Aufl. 2012, Anh. § 164, Rn. 14).

Gemäß §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraus, dass die betreffende Partei außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In der vorliegenden Sache wurde das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe glaubhaft gemacht, jedoch kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO von Anfang an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besaß. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird hierzu Bezug genommen.

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