OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.06.2013 - 6 U 27/13
Fundstelle
openJur 2013, 31223
  • Rkr:

1. Richtet sich der Unterlassungsantrag gegen die werbliche Darstellung eines Erzeugnisses, enthält die im Antrag wiedergegebene Darstellung jedoch nicht alle (für die Beurteilung möglicherweise maßgeblichen) Bestandteile der in der Werbung verwendeten Darstellung, fehlt es an der erforderlichen Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr für die mit dem Antrag angegriffene Verletzungshandlung.

2. Zur Frage, in welchem Umfang eine seit vielen Jahren mit großem Erfolg vertriebene Damenhandtasche (hier: Falttasche) unter dem Gesichtspunkt der Rufausnutzung gegen Nachahmungen geschützt ist.

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 20.12.2012verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu a) und c)(vgl. Abbildungen auf S. 2 und untere Abbildung auf S. 3 des Urteils vom 20.12.2012) wird zurückgewiesen; insoweit wird der Beschluss – einstweilige Verfügung vom 30.08.2012aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz des Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin zu ¼ und die Antragstellerin zu ¾ zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf €200.000,00 festgesetzt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich der Unterlassungsaussprüche zu a) und c) der einstweiligen Verfügung Erfolg; hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs zu b) ist sie unbegründet.

Der Antragstellervertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sich das mit dem Eilantrag weiterverfolgte Unterlassungsbegehren lediglich gegen die Werbung für die von der Antragsgegnerin angebotene Tasche richtet, in welcher der Taschenboden nicht erkennbar ist.

1.

Im Hinblick auf dieses beschränkte Verbotsziel steht der Antragstellerin der mit den Anträgen zu a) und c) geltend gemachte Unterlassungsanspruch deswegen nicht zu, weil es an der erforderlichen Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr fehlt. Zwar hat die Antragstellerin in die genannten Anträge Abbildungen aufgenommen, auf denen der Taschenboden nicht zu erkennen ist. Diese Abbildungen geben jedoch die angegriffenen konkreten Verletzungsformen nicht vollständig wieder.

Die Abbildung gemäß Antrag zu a) ist zwar im Internetauftritt der Antragsgegnerin enthalten. Aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten, den Internetauftritt vollständig wiedergebenden Anlage AG 19 ergibt sich jedoch, dass sich unmittelbar neben dieser Abbildung ein weiteres Foto der Tasche befindet, die deren Bodengestaltung deutlich erkennen lässt. Ebenso ist die Abbildung gemäß Antrag zu c) zwar im Katalog der Antragsgegnerin (Anlage ASt 15) auf den Seiten 18, 19 enthalten. Auf Seite 19 findet sich jedoch ein weiteres Foto, welches den Boden der Tasche zeigt. In beiden genannten Fällen stehen die jeweiligen Fotos mit dem deutlich erkennbaren Taschenboden in derart engem räumlichem Zusammenhang mit den in die Anträge zu a) und b) aufgenommenen Abbildungen, dass der Werbeadressat auch die Gestaltung des Taschenbodens zur Kenntnis nimmt. Damit fehlt es insoweit an einer auf die Darstellung der Tasche ohne Boden bezogenen Benutzungshandlung, so dass ein Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ausscheidet. Für eine Erstbegehungsgefahr, d.h. für die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin die Abbildungen gemäß Anträgen zu a) und c) künftig auch isoliert verwenden könnte, fehlen greifbare Anhaltspunkte.

2.

Dagegen hat die Berufung keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung gemäß Antrag zu b) richtet.

Die Abbildung gemäß Antrag zu b) ist auf den Seiten 3 und 4 des Katalogs der Antragsgegnerin (Anlage ASt 15) enthalten, ohne dass sich im räumlichen Zusammenhang damit eine weitere Darstellung findet, die den Taschenboden wiedergibt. Damit liegt eine Benutzungshandlung im Sinne des unter 1. erläuterten beschränkten Verbotsziels vor.

Insoweit steht - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls aus § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG zu.

a) Dem Taschenmodell „A“ kommt wettbewerbliche Eigenart zu. Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 25 – Handtaschen). Die Tasche der Antragstellerin weist Merkmale auf, die in ihrer Kombination besonders und originell wirken. Die Merkmalskombination ist durch die Trapezform, den Reißverschluss an der Oberseite, den reizvollen Material- und Farbkontrast eines Taschenkorpus aus Nylon einerseits und Besatzstücken und Henkel aus Leder andererseits, den Lederüberwurf und die Faltbarkeit gekennzeichnet. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.

Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, jedes einzelne dieser Merkmale sei auch im wettbewerblichen Umfeld zu finden. Entscheidend für den Gesamteindruck ist die Kombination der Gestaltungsmerkmale, wenn sie auch jeweils für sich genommen vorbekannt und geläufig sein mögen.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, das seit 1995 erhältliche Modell „B“ weise eine vergleichbare Merkmalskombination auf (Anlage AG1). Der Berufung ist zuzugeben, dass dieses Modell unter den vorgelegten Entgegenhaltungen „A“ am nächsten kommt. Eine entscheidende Abweichung liegt jedoch darin, dass das Nylonmaterial bei dieser Tasche ein Jacquardmuster aufweist. Es handelt sich um ein prägnantes Merkmal, das den Blick auf sich zieht und das Merkmal des Materialkontrasts weniger auffällig erscheinen lässt. Es verleiht der Tasche deshalb einen anderen Gesamteindruck (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. V. 7.6.2011, Anlage Ast 11.5).

Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, die wettbewerbliche Eigenart sei jedenfalls nachträglich durch das später entstandene Marktumfeld mit einer Vielzahl ähnlicher Produkte entfallen. Von einem Verlust der wettbewerblichen Eigenart ist auch beim Vorhandensein zahlreicher Kopien auf dem Markt nicht auszugehen, solange der Verkehr noch zwischen dem Original und den Nachahmungen unterscheidet ( BGHZ 138, 143, 149 - Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR 2007, 795 Rn. 28 – Handtaschen). Dass dies der Fall ist, hat die Antragsgegnerin selbst vorgetragen. Sie hat dargelegt, den hier maßgeblichen Verkehrskreisen – den modebewussten Kundinnen – sei das Modell „A“ bestens bekannt. Sie könnten es ohne weiteres von Fälschungen unterscheiden (Bl. 325, 517, 522 d.A.).

b) Das in der Werbeanzeige abgebildete Taschenmodell der Antragsgegnerin ist als Nachahmung einzustufen. Es weist hinreichende Ähnlichkeiten auf. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit kommt es auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte an. Denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 – Handtaschen; GRUR 2010, 80 Rn. 39 – LIKEaBIKE). Es ist weiter der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die in Rede stehenden Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden.

Es kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Ohne Erfolg behauptet die Antragsgegnerin mit der Berufung, ihre Tasche sei gar nicht trapezförmig, sondern rechteckig. Maßgeblich ist die im Klageantrag abgebildete Gestaltung. Hier ist die Oberkante der Tasche länger als die Unterkante. Sie ist damit trapezförmig. Ein Unterschied besteht in der Breite des Lederüberwurfs. Dieser Unterschied ist jedoch nach dem maßgeblichen Erinnerungsbild des Verkehrs nicht ausschlaggebend. Das gleiche gilt für die unteren Ecken, die bei der Antragsgegnerin abweichend vom Original einen Lederbesatz aufweisen. Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht diese Unterschiede bei seiner Beurteilung gewürdigt (vgl. S. 13 des Urteils). Der zusätzliche Lederbesatz reiht sich in den Materialmix aus Nylon und Lederapplikationen ein, den der Verkehr vom Original kennt. Er erzeugt daher keinen abweichenden Gesamteindruck. Es spricht viel dafür, dass auch die abweichende Bodengestaltung keine andere Beurteilung rechtfertigt. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Boden auf den allein streitgegenständlichen Werbeabbildungen nicht erkennbar ist.

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9a UWG erfüllt sind. Es liegt jedenfalls eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG vor. Unstreitig genießt die „A“-Tasche einen überragend hohen Bekanntheitsgrad. Sie verfügt über einen entsprechend guten Ruf. Die Annährung der Tasche der Antragsgegnerin geht über das bloße Erwecken von Assoziationen hinaus.

d) Bei Gesamtwürdigung aller Umstände stellt sich die Bewerbung der streitgegenständlichen Tasche als unlauter dar. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, genießt die „A“-Tasche einen hohen Grad an wettbewerblicher Eigenart. Sie hat damit einen weiten Schutzbereich. Die Anforderungen an den Grad der Nachahmung und die besonderen Umstände, die die Unlauterkeit begründen, sind entsprechend geringer. Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, der Verkehr wisse sehr genau, wie eine echte „A“ aussehe und erkenne daher die Unterschiede. Dieses Argument verfängt nicht. Der hohe Bekanntheitsgrad kann nicht zu einem geringeren Schutzumfang führen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dem Verkehr bekannte Erzeugnisse eher in Erinnerung bleiben, so dass das Publikum deshalb auch eher in einer Nachahmung das Original wiederzuerkennen glaubt (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 47 – Handtaschen). Der Tatbestand der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung setzt außerdem keine Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise voraus. Es reicht, dass die Vorstellung der Güte oder Qualität eines bestimmten Produkts auf ein anderes übertragen wird. Dies kann auf einer bloßen Annäherung an die fremde Leistung beruhen (vgl. BGH GRUR 2010, 1125 Rn. 42 - Femur-Teil).

e) Auf eine subjektive Nachahmung kommt es entgegen der Ansicht der Berufung für den allein gegenständlichen Unterlassungsanspruch nicht an (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 4 Rn. 9.68).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I, 97 I, 269 III, 2 ZPO. Insbesondere hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die Antragstellerin einen Teil des Verfügungsbegehrens, nämlich soweit es ursprünglich auch auf das Anbieten der Taschen in gegenständlicher Form gerichtet war, in erster Instanz zurückgenommen hat. Die Anschlussberufung der Antragstellerin ist gegenstandslos, da die Kostenentscheidung des Landgerichts von Amts wegen zu überprüfen war.