OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.11.2010 - 1 L 152/10
Fundstelle
openJur 2013, 46796
  • Rkr:

Eine Streitigkeit über die Erhebung von Kammerbeiträgen für die IHK ist keine Abgabenangelegenheit i. S. d. § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle - 7. Kammer - vom 9. September 2010 ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO keinen dem Erfordernis des § 67 Abs. 4 VwGO genügenden Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.

Der durch Herrn Dipl.-Finanzwirt A. gestellte Zulassungsantrag vom 17. Oktober 2010, der bereits nicht erkennen lässt, ob Herr A. im eigenen Namen oder in Vertretung der Klägerin und wenn letzteres der Fall sein sollte, ob er als Prozessbevollmächtigter oder als die Klägerin vertretender Geschäftsführer oder Gesellschafter aufgetreten ist, ist unter jeder in Betracht kommenden Konstellation unzulässig. Dabei geht der Senat bei verständiger Würdigung des Antrages vom 17. Oktober 2010 davon aus, dass Herr A. jedenfalls nicht in eigenem Namen tätig geworden ist, da Mitgliedsbeiträge der Klägerin streitig sind, er im erstinstanzlichen Verfahren gleichermaßen (gleicher Briefkopf/kein Vertretungshinweis) aufgetreten ist, inhaltlich aber die Interessen der Klägerin vertreten hat, zudem mit Blick auf seine fehlende Betroffenheit in eigenen Rechten, weil die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 12. März 2010 und 10. Mai 2010 an die Klägerin gerichtet sind. Eine Antragsstellung von Herrn A. im eigenen Namen wäre im Übrigen unzulässig, da zur Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich nur die Verfahrensbeteiligten (gemäß § 63 VwGO) der Vorinstanz berechtigt sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Vorb. § 124 Rdnr. 34) und Herr A. nicht zum Kreis der Verfahrensbeteiligten gehört.

Ist mithin davon auszugehen, dass der Zulassungsantrag vom 17. Oktober 2010 im Namen der Klägerin gestellt wurde, ist dieser unzulässig, weil weder die Klägerin, vertreten durch Herrn A. als Geschäftsführer und/oder Gesellschafter, noch Herr A. als Prozessbevollmächtigter der Klägerin aufgrund seiner Funktion als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer nach § 67 Abs. 4 Satz 7, Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO vertretungsbefugt sind und beide nicht die generelle Vertretungsbefugnis eines Rechtsanwaltes oder Rechtslehrers an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO besitzen. Der Hinweis auf eine Kooperation mit Rechtsanwälten im Briefkopf des Herrn A. ist unbeschadet ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung und der Frage, ob sie sich auch auf die Klägerin bezieht, rechtlich unbeachtlich, da Gegenstand des Unternehmens der Klägerin laut Handelsregisterauszug vom 17. August 2009 (vgl. Bl. 1 der Beiakte A) allein die "steuerliche Beratung von natürlichen und juristischen Personen im Sinne des Steuerberatungsgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung" ist und die Klägerin als juristische Person des privaten Rechts (§ 13 Abs. 1 GmbHG) jedenfalls nicht durch eine natürliche Person mit Befähigung zum Richteramt gehandelt hat.

Die Klägerin kann sich auch nicht nach § 67 Abs. 4 Satz 7 i. V. mit Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO durch einen Steuerberater oder vereidigten Buchprüfer vertreten lassen; Herr A. ist nicht vertretungsbefugt im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Denn die vorliegende Streitigkeit über die Erhebung von Kammerbeiträgen für die IHK ist keine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO. Unter Abgabenangelegenheiten im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO sind nur Rechtsstreitigkeiten zu fassen, welche Steuer- und Monopolsachen im Sinne des § 1 Abs. 1 StBerG betreffen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 29.04.2010 - 3 Bf 368/09.Z - juris). Die Erhebung eines Mitgliedsbeitrags für eine IHK stellt keine Steuersache im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 StBerG dar (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 24.01.2005 - 4 E 1437/04 - juris).

Soweit der Begriff der "öffentlichen Abgaben" im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch Beiträge erfasst, hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nicht an diese Regelung, sondern mit Blick auf den angesprochenen Personenkreis an die steuerrechtliche Prägung des Begriffs der Abgabe anknüpfen wollen. Bereits die Regelung in § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO i. d. F. des Gesetzes vom 01.11.1996 (BGBl. I, S. 1626, gültig ab 01.01.1997), mit der erstmals in Abgabenangelegenheiten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als Prozessbevollmächtigte vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wurden, war in diesem Sinne auszulegen (so OVG Hamburg, Beschl. v. 29.04.2010, a. a. O., m. w. N., juris; OVG NRW, Beschl. v. 24.01.2005, a. a. O., m. w. N., juris; Bayerischer VGH, Urt. v. 22.06.2007 - 7 N 06.480 - m. w. N., juris). Dafür sprechen zum einen die Gesetzesmaterialien, wonach die Regelung in § 67 VwGO entsprechend Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erfolgen sollte (BT-Drs. 13/3993, S. 11 zu Nr. 4), der seinerseits eine entsprechende Vertretungsbefugnis von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern vor dem Bundesfinanzhof unter anderem in durch Finanzbehörden verwalteten Abgabenangelegenheiten vorsah (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dieser steuerrechtlich geprägten Auslegung des Begriffs der Abgabenangelegenheiten entspricht auch die Gegenäußerung der Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des 6. Änderungsgesetzes zur VwGO (BT-Drs. 13/4069, S. 1 zu Nr. 5), wonach "Abgabenangelegenheiten ... typischerweise Materien (sind), in denen Steuerpflichtige auch vor den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten von Angehörigen der steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe vertreten werden." Gestützt wurde diese Auslegung des § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO (i. d. F. v. 01.11.1996) zudem durch den Umstand, dass Steuerberater eine geschäftsmäßige entgeltliche und unentgeltliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten außerhalb der in §§ 31 Abs. 1, 33 StBerG festgelegten Grenzen nicht erlaubt war und ein Verstoß mit dem damals noch in Kraft befindlichen Rechtsberatungsgesetz vermieden werden sollte (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 29.04.2010, a. a. O.; OVG NRW, Beschl. v. 24.01.2005, a. a. O.).

Mit der Neufassung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO durch Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840, gültig ab dem 01.07.2008) ist eine inhaltliche Änderung des Begriffs der "Abgabenangelegenheit" nicht erfolgt. Der geänderte Normenaufbau sollte keine Änderung des geltenden Rechtszustandes zur Folge haben (so BT-Drs. 16/3655, S. 97 zu Nr. 2, zu Abs. 2). Auch der Hinweis, dass es für Notare und Patentanwälte keiner Regelung bedürfe, weil die Vertretung vor den Verwaltungsgerichten nicht zu ihrem gesetzlich geregelten Aufgabenbereich zähle (vgl. BT-Drs. 16/3655, a. a. O.), weist auf die Anknüpfung des in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO berechtigten Personenkreises an seinen steuerrechtlichen Aufgabenbereich hin. Mit der Neufassung der Norm wurde lediglich der Kreis der Prozessbevollmächtigten um weitere zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Personen erweitert (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 29.04.2010, a. a. O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).