VG Würzburg, Beschluss vom 24.06.2013 - W 5 S 13.456
Fundstelle
openJur 2013, 30382
  • Rkr:

Haltungsverbot für Pyrenäischen Hirtenhund; (nächtliches) Hundegebell; Antrag auf Abänderung eines Eilbeschlusses; keine andere Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache; maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei Anfechtungsklage

Tenor

I. Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 8. August 2012 Nr. W 5 S 12.660 wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Abänderungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2012 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller, den Hund der Rasse Pyrenäischer Hirtenhund (mit der Steuermarke Nr. ...) auf dem Gebiet des Antragsgegners zu halten (Nr. 1), verpflichtete den Antragsteller, den Hund bis spätestens Donnerstag, 9. August 2012, 12:00 Uhr, an eine zuverlässige Privatperson oder in ein Tierheim abzugeben sowie dem Antragsgegner bis Donnerstag, 9. August 2012, 12:00 Uhr, einen schriftlichen Nachweis der Abgabe vorzulegen (Nr. 2) und untersagte bis zur endgültigen Erledigung der Anordnung in Nr. 1 die Haltung des Hundes im Freien (Nr. 4). Für den Fall der nicht rechtzeitigen Abgabe des Hundes drohte der Antragsgegner an, den Hund im Wege der Ersatzvornahme wegzunehmen und entweder einer geeigneten Privatperson oder einem Tierheim zu übergeben und zu übereignen. Die Kosten für diese Maßnahme, die vorläufig auf 250,00 EUR veranschlagt würden, habe der Antragsteller zu tragen (Nr. 3). Für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung in Nr. 4 des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 5). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 4 wurde angeordnet (Nr. 6). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

2.

Hiergegen ließ der Antragsteller Klage erheben, über die bislang noch nicht entschieden worden ist (Nr. W 5 K 12.659). Den zugleich eingebrachten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 8. August 2012 (Nr. W 5 S 12.660) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. September 2012 (Nr. 10 CS 12.1946) zurück. Auf die Begründung der Beschlüsse wird Bezug genommen.

3.

Am 31. Mai 2013 ließ der Antragsteller sinngemäß beantragen,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. August 2012 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 23. Juli 2012 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Antragsteller sei es zwischenzeitlich gelungen, seinem Hund das undefinierte und ständige Bellen abzuerziehen, wozu wohl auch beigetragen habe, dass der am 27. August 2010 geborene Hund zwischenzeitlich „erwachsen“ geworden sei. In der Zeit, in der der Hund gestört habe, sei er erst wenige Monate alt und ein „Hundebaby“ gewesen, das einer Erziehung noch nicht zugänglich gewesen sei. Es liege daher nunmehr ein völlig anderer Sachverhalt vor, als dies bei Erlass des Bescheides der Fall gewesen sei. Es erstaune, dass bei der Sachverhaltsfeststellung im Eilverfahren dem Umstand in keiner Weise Rechnung getragen worden sei, dass es sich noch um ein „Hundebaby“ gehandelt habe, dem man das „Schreien“ ebenso wenig „aberziehen“ könne wie einem Menschenbaby. Allein deswegen könne der Vorwurf der Unzuverlässigkeit gegen den Antragsteller nicht aufrechterhalten werden. Aufgrund der Bestätigung des Zoo-Fachhandels P... GmbH vom 29. April 2013 und des Gutachtens des Sachverständigen R... S...l vom 27. September 2012 stehe fest, dass es sich jetzt um einen ruhigen, liebevollen und freundlichen Hund handele. Es werde ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu beantragt, dass der streitgegenständliche Hund jetzt ein ruhiger und freundlicher Hund sei, von dem keine Störungen mehr ausgingen. Entsprechend seien auch die Nachbarn des Antragstellers aufgrund dieser veränderten Umstände wieder bereit, den Hund beim Antragsteller zu akzeptieren, wie sich aus der vorgelegten Unterschriftensammlung mit insgesamt 50 Unterschriften ergebe. Diesen geänderten Umständen habe auch das Gericht Rechnung zu tragen. Jedenfalls jetzt wäre der Bescheid vom 23. Juli 2012 verfassungswidrig. Dies sei allerdings auch bereits bei Erlass des Bescheids der Fall gewesen, weil die Ursachen, die zu dem störenden Bellen geführt hätten (junger Hund im Entwicklungsstadium) nicht berücksichtigt worden seien.

Die Antragsgegnerin ließ beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausgangsentscheidung sei der Hund bereits zwei Jahre alt gewesen. Hunde würden üblicherweise nach etwa zwölf Monaten „erwachsen“, spätestens aber nach 24 Monaten. Fehler in der Erziehung oder im Wesen, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgemerzt seien, änderten sich in aller Regel nicht mehr. Hieran ändere auch die vorgelegte Stellungnahme des Herrn S...l, dessen Sachverständigeneigenschaft nicht nachvollziehbar sei, nichts. Der Antragsteller habe entgegen dem Bescheid sowie der Gerichtsentscheidung im vorläufigen Verfahren Ende Dezember 2012 und im Januar 2013 den Hund auf dem Grundstück gehalten. Zu diesem Zeitraum lägen wieder entsprechende Anwohnerbeschwerden vor. Die auf der vom Antragsteller vorgelegten Unterschriftenliste vorhandenen Nachbarunterschriften, die zum großen Teil unleserlich seien, stammten gerade nicht von unmittelbaren Nachbarn des Antragstellers. Die unmittelbaren Nachbarn, die sich noch im Januar über das Bellen des Hundes, das teilweise nachts um 04:00 Uhr stattgefunden habe, beklagt hätten, hätten gerade keine Unterschrift geleistet. Völlig unrichtig sei der Sachvortrag, zum Zeitpunkt der Störungen habe es sich um ein wenige Monate altes Hundebaby gehandelt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung sei der Hund zwei Jahre alt und somit vollständig erwachsen gewesen. Die Bestätigung eines Zoo-Fachhandels sei nicht geeignet, die Störungen, die noch im Januar 2013 bestanden hätten, in irgendeiner Art und Weise zu relativieren. Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ein Sachverständigengutachten einzuholen, verbiete der Charakter dieses Verfahrens. Veränderte Umstände seien von Antragstellerseite nachzuweisen. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.

4.

Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor. Die Akten der Verfahren W 5 S 12.660 und W 5 K 12.659 wurden beigezogen.

II.

Der zulässige Abänderungsantrag ist nicht begründet.

Das Gericht kann nach § 80 Abs. 7 VwGO Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit abändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Als Änderung der Umstände ist jede Änderung der für die Beurteilung der Entscheidungsvoraussetzungen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblichen Gesichtspunkte anzusehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80, RdNr. 197). Eine solche Änderung liegt zugunsten des Antragstellers freilich nicht vor.

Die summarische Überprüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren erforderlich und ausreichend ist, ergibt auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen Vortrags des Antragstellers, dass die erhobene Anfechtungsklage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Soweit der Antragsteller sich auf Änderungen der Sachlage nach Bescheiderlass beruft, ist sein Vortrag nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache zu rechtfertigen. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob die vom Antragsteller geltend gemachte Änderung der Sachlage tatsächlich vorliegt, da diese jedenfalls nicht in der Lage ist, die im Hauptsacheverfahren zu überprüfende Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts noch zu beeinflussen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80, RdNr. 197). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei der Anfechtungsklage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (Kopp/ Schenke, a.a.O., § 113, RdNr. 33). Die Frage der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts wird im Regelfall durch eine spätere Änderung der Sach- und Rechtslage nicht berührt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer sicherheitsrechtlichen Anordnung kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Gefahrenprognose an. Maßgeblich ist der Kenntnisstand der Sicherheitsbehörde und deren Einschätzung im Zeitpunkt des Tätigwerdens (zu einer sicherheitsrechtlichen Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG vgl. Bengl/ Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18, RdNr. 59). Eine Anordnung ist daher nur dann als rechtswidrig aufzuheben, wenn es bereits im Zeitpunkt der sicherheitsbehördlichen Entscheidung aufgrund unzureichender Tatsachenermittlungen oder einer unzutreffenden Bewertung der erhobenen Tatsachen an einer konkreten Gefahr fehlte, die Gefahrenprognose also von Anfang an unrichtig war (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18, RdNr. 60). Ergeben sich erst im Nachhinein Anhaltspunkte, die die Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen zweifelhaft erscheinen lassen, so führt dies nicht zur nachträglichen Rechtswidrigkeit der Anordnung, sondern allenfalls zur Verpflichtung der Sicherheitsbehörde, die Gefahrenlage erneut zu überprüfen und die getroffenen Anordnungen gegebenenfalls entsprechend Art. 8 Abs. 3 LStVG, Art. 49 BayVwVfG den neuen Verhältnissen anzupassen. Eine Aufhebung „ex nunc“ durch das Gericht wegen nachträglich eingetretener Umstände kommt nicht in Betracht; der Betroffene muss sich insofern zuerst an die Gemeinde wenden (Bengl/Berner/Emmerig, a.a.O., Art. 18, RdNr. 60). Veränderungen im Verhalten des streitgegenständlichen Hundes nach dem 23. Juli 2012 sind daher von vornherein nicht geeignet, der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 23. Juli 2012 zum Erfolg zu verhelfen.

Darüber hinaus wird die Behauptung des Antragstellers, er habe dem Hund das „undefinierte und ständige Bellen“ aberzogen und der Hund sei inzwischen „erwachsen“ geworden, durch die für den Zeitraum Dezember 2012/Januar 2013 vorliegenden Nachbaraufzeichnungen widerlegt. Die Stellungnahme der spanischen Hundeschule vom 27. September 2012 zum Verhalten des Hundes ist - unabhängig von deren fachlicher Bewertung - insofern ebenfalls unbehelflich, da das Bellverhalten des streitgegenständlichen Hundes nach Erstellung dieser Stellungnahme während der kurzzeitigen Aufenthalte des Hundes auf dem Grundstück des Antragstellers nach Beobachtung der unmittelbaren Nachbarn des Antragstellers offensichtlich gegenüber dem vor Bescheiderlass festgestellten Verhalten immer noch keine wesentliche Verbesserung zeigte.

Die Bestätigung des Zoo-Fachhandels vom 29. April 2013 zum Verhalten des Hundes sowie die vorgelegten Nachbarunterschriften lassen keine unmittelbaren Rückschlüsse hinsichtlich der Gefahrenprognose der Hundehaltung des Antragstellers zu und sind deshalb auch nicht geeignet, diese Beurteilung zu ändern.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht kein Anlass für das Gericht, ein Sachverständigengutachten zum Verhalten des Hundes einzuholen. Die Entscheidung ergeht aufgrund der von den Beteiligten vorgelegten oder sonst sofort oder doch innerhalb angemessener Zeit verfügbaren („präsenten“) Beweismittel, von glaubhaft gemachten Tatsachen oder auch nur überwiegenden Wahrscheinlichkeiten (Kopp/Schenke, a.a.O., § 80, RdNr. 125).

Das Argument des jugendlichen Alters des Hundes, welcher nach den eigenen Angaben des Antragstellers im Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits annähernd zwei Jahre alt war, wurde von Seiten des Antragstellers bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgebracht, so dass es sich hierbei nicht um einen veränderten oder einen im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemachten Umstand handelt. Im Abänderungsverfahren wird allein die Fortdauer der im Anordnungsverfahren getroffenen Entscheidung überprüft, nicht deren ursprüngliche Richtigkeit.

Der Antrag des Antragstellers auf Abänderung des Beschlusses vom 8. August 2012 konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG, Nr. 35.2 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 04, 1327).