VG Braunschweig, Urteil vom 16.04.2013 - 6 A 64/11
Fundstelle
openJur 2013, 29651
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht auf der gesamten Strecke des Altewiekrings sowie des Hagenrings im Stadtgebiet der Beklagten.

Der Altewiekring bzw. der Hagenring sind im Stadtzentrum der Beklagten gelegene Bundesstraßen (B 1 / B 4 / B 248) mit in jeder Fahrtrichtung mindestens zwei Fahrspuren und einer Fahrbahnbreite von insgesamt jeweils circa 7 Metern pro Fahrtrichtung. Der Altewiekring und der Hagenring gehen ineinander über und haben zusammen eine Länge von circa 1,9 Kilometern. Ausweislich der Verkehrsmengenkarte der Beklagten mit Bearbeitungsstand vom Juni 2009 (Anlage 2 zum Schreiben der Beklagten vom 31. Oktober 2012) betrug die durchschnittliche Verkehrsbelastung im Werktagsverkehr zwischen 29.200 Kfz täglich im südlichen Bereich zwischen der Leonhardstraße und der Helmstedter Straße und bis zu 38.200 Kfz täglich nördlich der Gliesmaroder Straße. Die werktägliche Spitzenbelastung betrug nach der Verkehrszählung der Beklagten aus dem Jahr 2009 im südlichen Teilstück zwischen der Leonhardstraße und der Helmstedter Straße circa 2.550 Kfz pro Stunde, in dem sich unmittelbar anschließenden Teilstück nördlich der Helmstedter Straße circa 2.750 Kfz pro Stunde (Bl. 91 f. GA). Die Auswertung von auf dem Altewiekring zwischen den Einmündungen Fasanenstraße und Berg- bzw. Rankestraße installierten Verkehrsmessstellen ergab für jeweils zwei Dienstage im Oktober, November und Dezember 2012 für die werktägliche Spitzenstunde Belastungen zwischen 1.963 bis 2.295 Kfz pro Stunde (vgl. Beiakte G).

Parallel zur Fahrbahn verlaufen auf dem Hochbord in beiden Richtungen Rad- und Fußwege. Die Wege sind – vermutlich seit Jahrzehnten – durch das Verkehrszeichen 241 als benutzungspflichtig ausgewiesen. Unterlagen über das erstmalige Anordnen der Benutzungspflicht sind bei der Beklagten nicht (mehr) vorhanden.

In weiten Teilen des Altewiek- und des Hagenrings liegen zwischen der Fahrbahn und dem Radweg parallel zur Fahrbahn Parkbuchten für Kfz. Hieran schließt sich, durch einen Bordstein getrennt, zunächst der Rad- und anschließend der Gehweg an. Zwischen Fahrbahn bzw. Parkbucht und Radweg liegt teilweise ein Sicherheitstrennstreifen. Der Sicherheitstrennstreifen verläuft höhengleich zum Radweg. Er hat – deutlich erkennbar – einen anderen Belag als der Radweg. In ihn sind feste Einbauten aufgenommen (vgl. Foto Ü1, Ü5 der Beiakte D). Zum Teil sind die Fahrbahn bzw. die Parkbuchten und der Radweg durch einen Grünstreifen voneinander getrennt (vgl. Ü4 der Beiakte D). Schließlich finden sich Abschnitte, in denen der Radweg und die Fahrbahn bzw. die Parkbuchten nur durch Kantsteine voneinander abgegrenzt sind (vgl. Ü2 der Beiakte D).

In der Regel sind der Rad- und der Gehweg durch einen zwischenliegenden Begrenzungsstreifen voneinander getrennt. Der Begrenzungsstreifen verläuft höhengleich zum Rad- und Gehweg und unterscheidet sich von diesen durch seine Farbe und häufig durch den Belag. Überwiegend schließt der Begrenzungsstreifen zum Radweg hin durch einen schmalen Trennstein mit allenfalls geringfügiger Höhe ab (vgl. Bilder 2 ff. der Beiakte D). Der Begrenzungsstreifen hat überwiegend eine Breite einschließlich des Trennsteins von circa 40 Zentimetern (vgl. Bild 6 der Beiakte D), ist teilweise, insbesondere, wenn kein Trennstein verbaut ist (vgl. Bild 10 Beiakte D), auch schmaler, teilweise breiter bis zu circa 50 Zentimetern (vgl. Bild 2 der Beiakte D). An manchen Stellen sind Rad- und Fußweg nicht durch einen Begrenzungsstreifen voneinander getrennt (vgl. Bild 1 der Beiakte D).

Die Beklagte und der Kläger haben jeweils die Breiten der vorhandenen Rad- und Gehwege gemessen und die Messungen durch Fotos umfangreich dokumentiert (vgl. Beiakten D und F). Hinsichtlich der Angaben zu den gemessenen Breiten besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit; insbesondere hat die Beklagte die Messergebnisse des Klägers anerkannt (vgl. Bl. 120 der Gerichtsakte). Die Beteiligten sind jedoch unterschiedlicher Auffassung darüber, ob und ggf. inwieweit neben der reinen Verkehrsfläche weitere Flächen, insbesondere Begrenzungsstreifen zum Radweg und Sicherheitsräume in Richtung Fahrbahn, in der „lichten Breite“ des Radweges zu berücksichtigen sind. Nach den Messergebnissen liegt die Breite der reinen Verkehrsfläche der Radwege überwiegend im Bereich zwischen circa 135 bis 175 Zentimeter. Soweit Sicherheitsräume zur Fahrbahn bzw. zu den Parkbuchten vorhanden sind, beträgt deren Breite in der Regel circa 20 bis 50 Zentimeter. An insgesamt sieben Abschnitten, die sich insbesondere im Bereich von Bushaltestellen befinden, beträgt die Breite der Verkehrsfläche des Radweges zzgl. vorhandener Sicherheitsräume in Richtung Fahrbahn sowie vorhandener Begrenzungsstreifen zum Gehweg weniger als 150, aber mehr als 100 Zentimeter (vgl. S. 29, 30, 36, 41 f., 45, 48, 62 der Beiakte F bzw. Bilder Nr. 1, 3, 4, 17 der Beiakte D). Diese Passagen sind zwischen 25 und 55 Metern lang (vgl. Bl. 85 der Gerichtsakte). Wegen der Einzelheiten der Messergebnisse wird auf die Beiakten D und F sowie Bl. 98 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Der Kläger wohnt im Stadtgebiet der Beklagten in der Nähe des Altewiekrings und des Hagenrings. Mit Schreiben vom 17. September 2010 an die Beklagte beantragte der Kläger, die auf der gesamten Strecke des Altewiek- sowie des Hagenrings durch das Verkehrszeichen 241 beiderseits angeordnete Radwegebenutzungspflicht aufzuheben.

Mit Bescheid vom 29. November 2010 – zur Post gegeben am 9. Februar 2011 – lehnte die Beklagte den Antrag ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Nach Überprüfung der verkehrlichen Gegebenheiten sei die mit Verkehrszeichen Nr.  241 angeordnete Radwegebenutzungspflicht aufrechtzuerhalten. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO seien Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten sei. Besondere Umstände könnten sich aufgrund verkehrlicher Erfordernisse ergeben. In dem fraglichen Bereich sei mit circa 30.000 bis 38.000 Pkw täglich eine extrem hohe Kfz-Belastung festzustellen. Ein nicht unerheblicher Anteil hiervon sei Schwerlast- bzw. Busverkehr. Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO (im Folgenden: VwV-StVO), dort II. Nr. 2 Buchst. a) cc), solle als Voraussetzung für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht die lichte Breite, d.h. der befestigte Verkehrsraum zuzüglich des Sicherheitsraumes, in der Regel durchgehend mindestens 1,50 Meter betragen. Hierbei handele es sich nicht um eine starre Mindestvorgabe. Punktuelle Unterschreitungen der Regelbreite seien hinzunehmen. Zur Breite des eigentlichen Radweges seien hierbei die Breiten der Sicherheitsräume zu addieren. Der streitgegenständliche Radweg weise hiernach im Bereich von Bushaltestellen nur wenige Abschnitte mit einer lichten Breite von weniger als 1,50 Metern auf. Die lichte Breite liege dort jedenfalls über einem Meter. Sie habe die Gefahren, die sich bei einem Befahren der Fahrbahn für Radfahrer ergäben, mit den Gefahren, die für Radfahrer aus dem Befahren des im weitaus überwiegenden Teil den Anforderungen an die Breite genügenden Radweges resultieren, gegeneinander abgewogen und halte die Radwegebenutzungspflicht aufrecht.

Hiergegen hat der Kläger am 9. März 2011 Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:

Als Radfahrer benutze er des Öfteren die Radwege entlang des Hagen- und des Altewiekrings. Die durch die Verkehrszeichen Nr. 241 angeordnete Pflicht, diese zu befahren, sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.

Es sei bereits fraglich, ob die Benutzungspflicht überhaupt wirksam angeordnet sei. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten enthalte keine Unterlagen über das erstmalige Anordnen der Radwegebenutzungspflicht. Weil deswegen davon auszugehen sei, dass die Verkehrszeichen vor der Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung im Jahr 1997 aufgestellt worden sind, zu einem Zeitpunkt, als bereits kraft gesetzlicher Regelung die Verpflichtung bestanden habe, vorhandene Radwege zu benutzen, hätten sie zu diesem Zeitpunkt nur einen deklaratorischen Inhalt gehabt. Somit sei mit den Verkehrszeichen von Anfang an keine Regelungswirkung bezweckt gewesen; eine Regelungswirkung hätten sie deswegen auch nicht nachträglich, im Zuge der Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung im Jahr 1997, erhalten. Es handele sich seiner Ansicht nach nur um „Schein-Verwaltungsakte“.

Die Entscheidung der Beklagten, die Radwegebenutzungspflicht anzuordnen bzw. aufrechtzuerhalten, sei rechtswidrig. § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO setze für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht eine Gefahrenlage voraus, die auf die besonderen örtlichen Verhältnisse zurückzuführen sei und das allgemeine Verkehrsrisiko erheblich übersteige. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen setze eine sorgfältige einzelfallbezogene Prüfung der Verkehrssituation voraus. Dies habe die Beklagte unterlassen. In ihrem Verwaltungsvorgang fänden sich keine Belege für eine systematische Überprüfung der Verkehrssituation.

Die von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO geforderte besondere Gefahrenlage sei nicht gegeben. Bei dem Altewiekring und dem Hagenring handele es sich um ganz gewöhnliche innerstädtische Straßen ohne erkennbare Besonderheiten. Die Beklagte verweise insofern zu Unrecht auf eine Verkehrsbelastung mit circa 30.000 bis 38.000 Kfz täglich sowie auf den Umstand, dass es sich um Bundesstraßen mit hoher Verkehrsbedeutung handele. Denn eine hohe Verkehrsbelastung und eine überörtliche Verkehrsbedeutung seien keine Umstände, die als solche eine Gefahr im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO begründeten. Nach den Ergebnissen der Unfallforschung bringe die Aufhebung von Radwegebenutzungspflichten innerorts jedenfalls auf Straßen mit einer Verkehrsbelastung mit bis zu 50.000 Kfz/täglich Sicherheitsvorteile gegenüber deren Beibehaltung.

Die Anordnung, die Radwege am Altewiek- und am Hagenring benutzen zu müssen, sei des Weiteren deshalb rechtswidrig, weil diese Radwege nicht hinreichend breit seien. Schon nach Rn. 21 der VwV-StVO sei eine Radwegbreite von mindestens 1,50 Meter erforderlich. Entgegen der Einschätzung der Beklagten handele es sich insoweit nicht bloß um eine unverbindliche Empfehlung, sondern um zwingendes Recht. Dieses Mindestmaß von 1,50 Metern gelte zudem nur für geringste Radverkehrsaufkommen. Auf den in Rede stehenden Radwegen sei aber ein hohes Radverkehrsaufkommen festzustellen. Hiervon gehe auch die Beklagte aus, die den Radverkehr dort als „bedeutend“ mit einigen 10.000 Radfahrern pro Jahr bewerte. Diese Einschätzung sei plausibel, zumal der Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen mit mehr als 20 Prozent in Braunschweig überdurchschnittlich hoch sei. Erforderlich seien deswegen bereits nach den Vorgaben der VwV-StVO Radwegebreiten, die über das Mindestmaß von 1,50 Metern hinausgingen.

Unabhängig hiervon seien die Vorgaben der VwV-StVO zu den erforderlichen Radwegebreiten von denjenigen der „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) (Ausgabe 2010; im Folgenden: ERA 2010) abgelöst. Kraft dynamischer Verweisung in Rn. 13 der VwV-StVO habe der Gesetzgeber die Vorgaben der ERA 2010 zu geltendem Recht erklärt. Sie seien zudem als Stand der Technik und wissenschaftlichen Erkenntnis maßgeblich. Hiernach betrage das Mindestregelmaß bereits für die reine Verkehrsfläche 2,00 Meter Breite und nur bei geringer Radverkehrsstärke 1,60 Meter. Dass die Vorgaben der VwV-StVO nicht länger beachtlich seien, folge auch daraus, dass sie sich ausdrücklich (Rn. 23) nur auf einspurige Fahrräder bezögen. Nach der StVZO dürften Fahrräder und Radanhänger aber bis zu 1 Meter breit sein. Derart breite Fahrräder bzw. Gespanne seien heutzutage nicht mehr ungewöhnlich. Die hierfür benötigten Radwegebreiten seien nur in den Vorgaben der ERA 2010 berücksichtigt.

Die Radwege am Altewiek- und am Hagenring wiesen die hiernach erforderlichen Breiten regelmäßig nicht auf. Es sei insoweit die reine Verkehrsfläche der Radwege zu betrachten. Auch wenn die VwV-StVO – anders als die ERA 2010 – auf die lichte Breite der Radwege abstellte, sei es nach dem Sinn und Zweck ausgeschlossen, dass insoweit nicht überfahrbare Flächen wie Kant- und Begrenzungssteine zur Fahrbahn berücksichtigt würden. Vorhandene Sicherheitstrennstreifen könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie die nach den ERA 2010 erforderlichen Breiten aufwiesen. Dies sei bei den Radwegen am Altewiek- und am Hagenring regelmäßig nicht der Fall. Die Begrenzungsstreifen zum Gehweg seien nach Nr. 11.1.5 der ERA 2010 (S. 78) ausschließlich in der lichten Breite des Gehwegs zu berücksichtigen. Die Beklagte berücksichtige sie deswegen zu Unrecht in der lichten Breite der Radwege.

Selbst nach den Messungen der Beklagten gebe es mehrere Stellen, beispielsweise aber nicht nur im Bereich der Bushaltestellen, an denen die lichte Breite des Radweges 1,50 Meter unterschreite. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte insoweit auf Ausnahmetatbestände nach der VwV-StVO (dort Rn. 22). Die dort genannten Voraussetzungen seien nicht gegeben. Bei den Bushaltestellen handele es sich nicht um kurze Engstellen i.S.d. VwV-StVO, die Beklagte habe die verkehrliche Situation nicht sorgfältig überprüft, das Festhalten an der Radwegebenutzungspflicht sei nicht erforderlich und auch die Verkehrssicherheit sei nicht gewahrt, weil die Bushaltestellen nicht den Vorgaben der ERA 2010 entsprächen. Selbst wenn die Radwegebenutzungspflicht nur an diesen Passagen zu Unrecht angeordnet sei, müsse sie wegen des Erfordernisses einer stetigen Führung des Radweges (Rn. 25 der VwV-StVO) in der gesamten Länge des Altewiek- und des Hagenrings aufgehoben werden.

Die Radwegebenutzungspflicht sei auch rechtswidrig, weil die Radwege nicht hinreichend breite Sicherheitsräume zu angrenzenden Verkehrsflächen aufwiesen. Nach der Tabelle 9 (S. 25) der ERA 2010 sei vom Fahrbahnrand ein Sicherheitstrennstreifen von mindestens 50 Zentimetern Breite erforderlich, von parkenden Fahrzeugen in Längsaufstellung (wie dies am Altewiek- und am Hagenring häufig der Fall sei) von mindestens 75 Zentimetern und von Einbauten und sonstigen Hindernissen von mindestens 25 Zentimetern. Weil diese Sicherheitsräume bei den Radwegen am Altewiek- und am Hagenring nur unzureichend vorhanden seien, seien die Radwege nicht sicher und dürfe eine Radwegebenutzungspflicht für diese nicht angeordnet werden. Ein hinreichend breiter Sicherheitsraum bzw. eine Hindernisfreiheit auf dem Radweg seien – auch nach Rn. 17 der VwV-StVO – absolute Mindestvoraussetzungen eines Radwegs, dessen Benutzung verpflichtend vorgeschrieben werde.

Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie in ihrer Entscheidung im Wesentlichen nur das Verkehrsaufkommen auf der Fahrbahn und die Breiten der Radwege berücksichtigt, zahlreiche weitere nach der VwVO-StVO sowie den Vorgaben der ERA 2010 relevante Kriterien jedoch unberücksichtigt gelassen habe. So habe die Beklagte beispielsweise nicht berücksichtigt, dass die neben den Radwegen gelegenen Gehwege nicht die erforderlichen Breiten aufwiesen. Maßgeblich seien insoweit die Vorgaben der Empfehlungen für Fußgängeranlagen der FGSV aus dem Jahr 2002 (im Folgenden: EFA 2002), auf die die ERA 2010 verwiesen. Hiernach müssten die Gehwege Breiten von mindestens 6,50 Meter haben, tatsächlich seien es aber oftmals nur 2 Meter.

Ermessensfehlerhaft sei es auch, dass die Beklagte sich zur Begründung der Radwegebenutzungspflicht darauf berufe, dass es viele Knotenpunkte und Einmündungen bzw. Abzweigungen gebe. In der Unfallforschung sei anerkannt, dass gerade diese Umstände die Risiken des Radfahrens auf gesondert geführten Radwegen gegenüber dem Fahren auf der Fahrbahn erhöhten. Dies komme auch in Rn. 26 der VwV-StVO zum Ausdruck.

Die vorhandenen Radwege entsprächen hinsichtlich weiterer Gesichtspunkte nicht den Vorgaben der ERA 2010, weswegen ihre Benutzung nicht verpflichtend vorgeschrieben werde könne. So seien beispielsweise die Mittelinseln regelmäßig zu kurz. Nach Nr. 2.2.5 der ERA 2010 (S. 18) solle eine Aufstellfläche regelmäßig mindestens 3 Meter lang sein und soll ihre Länge jedenfalls 2,50 Meter nicht unterschreiten. Die vorhandenen Mittelinseln seien oftmals kürzer als 2 Meter. Die Einlassung der Beklagten, aufgrund der Ampelschaltungen sei ein Aufstellen auf der Mittelinsel nicht erforderlich, stehe bereits im Widerspruch dazu, dass regelmäßig Ampeln für den Radverkehr auf den Mittelinseln angebracht seien. Die Beklagte habe somit gerade davon abgesehen, für die gesamte Straßenbreite nur eine Ampel einzurichten. Entgegen den Vorgaben der ERA 2010 (4.3.2 = S. 38) seien die Furten der Radwege an den Einmündungen oftmals nicht markiert und würden die Radwege nicht bis auf 50 Zentimeter an die Straße herangeführt. Schließlich habe die Beklagte durch das – rechtswidrige – Aufstellen von Grünpfeilen für einmündende Straßen, beispielsweise im Bereich der Helmstedter Straße, die Gefahren für den Radverkehr erhöht. Auch deswegen dürfe sie die Benutzung der Radwege nicht verpflichtend anordnen.

Die angeordnete Radwegebenutzungspflicht sei schließlich unverhältnismäßig, weil in der Verkehrsunfallforschung anerkannt sei, dass mit der Aufhebung einer Radwegebenutzungspflicht bis zu einer verkehrlichen Belastung von bis zu 50.000 Kfz auf der Fahrbahn generell ein Sicherheitsgewinn, jedenfalls aber keine Verschlechterung der Sicherheit einhergehe. Dies ergebe sich beispielsweise aus dem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft 184 (Alrutz u.a., Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern, Juni 2009, im Folgenden: BASt 184, dort 9.3.2. = S. 113).

Die Beklagte habe es unterlassen, eine andere Führung des (Rad-)Verkehrs ernsthaft zu erwägen. So sei insbesondere zu prüfen, ob auf dem Altewiek- und dem Hagenring Tempo 30 anzuordnen oder ein Radfahrstreifen auf der Fahrbahn einzurichten sei. Jedenfalls sei – entsprechend der bewussten gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO – das Fahren auf der Fahrbahn zuzulassen, wenn die vorhandenen Radwege nicht sicher seien.

Die Beklagte behandele schließlich vergleichbar gelagerte Sachverhalte unterschiedlich. So sei beispielsweise auf dem Bohlweg und der Kastanienallee im Gebiet der Beklagten bei vergleichbaren verkehrlichen Belastungen die Benutzung der Radwege nicht verpflichtend vorgeschrieben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. November 2010 zu verpflichten, die Radwegebenutzungspflicht auf der gesamten Strecke zu beiden Seiten des Altewiekrings und des Hagenrings aufzuheben, und sie zu verurteilen, die dort aufgestellten Verkehrszeichen Nr. 241 zu entfernen,

hilfsweise, die Beklage unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. November 2010 zu verpflichten, über den Antrag vom 17. September 2010 auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht auf der gesamten Strecke zu beiden Seiten des Altewiekrings und des Hagenrings unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert: Sie habe den Antrag auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht zu Recht abgelehnt. In ihre Ermessensentscheidung habe sie alle relevanten Umstände einbezogen und gegeneinander abgewogen. Die von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzte besondere Gefahrenlage sei gegeben. Bei dem Hagenring/Altewiekring handele es sich um eine vierspurige, in den Kreuzungsbereichen sechsspurige Straße. Die Verkehrsbelastung sei mit 30.000 bis 38.000 Kraftfahrzeugen werktäglich außerordentlich hoch. Mit circa 1.600 bis 1.700 Fahrzeugen täglich sei ein hoher Anteil hiervon Schwerlastverkehr (Lkw und Busse). Zusätzliche Gefahren für den Radverkehr, aber auch den Kfz-Verkehr, resultierten aus den zahlreichen Kreuzungen, Abzweigungen und Bushaltestellen. Dies führe zu häufigen Fahrbahnwechseln der Kraftfahrzeuge. Ließe sie das Radfahren auf der Fahrbahn zu, resultierten zusätzliche Gefahren daraus, dass Kraftfahrzeuge aus den parallel zur Straße verlaufenden Parkbuchten auf diese einführen.

Die Radwege seien hinreichend breit. Sie orientiere sich insoweit maßgeblich an der Vorgabe der VwV-StVO, wonach der Radweg in der Regel eine lichte Breite von 1,50 Metern aufweisen solle. Zwar merke der Kläger richtigerweise an, dass sich die VwV-StVO insoweit nur auf einspurige Fahrräder beziehe. Hieraus ergebe sich aber nichts für das Anliegen des Klägers. Nach der VwV-StVO solle das Fahren auf der Fahrbahn bei breiteren Fahrrädern in der Regel nicht beanstandet werden, wenn die Benutzung des Radweges nach den Umständen des Einzelfalles unzumutbar sei. Grundsätzlich gelte die Radwegebenutzungspflicht jedoch für alle Fahrräder. Erschwernisse, die auf die Bauart eines Fahrrades zurückzuführen seien, fielen nicht in ihren Verantwortungsbereich.

Entgegen der Ansicht des Klägers sei nicht davon auszugehen, dass die nach der VwV-StVO regelmäßig erforderliche lichte Breite von 1,50 Metern im Hinblick auf parallel zum Radweg parkende Pkw zu erhöhen sei. Die Vorgabe der VwV-StVO dürfte vielmehr auch insoweit sachgerecht sein, zumal derjenige, der aus einem Fahrzeug aussteigt, sich nach § 14 Abs. 1 StVO so verhalten müsse, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Zu einem Radweg hin dürfe eine Fahrzeugtür deswegen nur langsam, „zentimeterweise“, geöffnet werden. Auch sei der Radfahrer gehalten, sich vorsichtig zu verhalten, wenn er sehe, dass eine Fahrzeugtür geöffnet werde. Entsprechendes gelte in Bezug auf Einbauten. Es gebe nur ausnahmsweise Einbauten mit einem geringeren Abstand als 25 Zentimeter zum Radweg. Sofern dies aus Platzgründen erforderlich sei, sei es zumutbar, dass die Radfahrer in diesen Bereichen besondere Sorgfalt walten ließen. Ungeachtet dessen werde die Beklagte solche Einbauten, die mit relativ geringem Aufwand umgesetzt werden können, an andere Stellen versetzen, wenn dies möglich und vertretbar sei. Insbesondere bei Beleuchtungsmasten mit Betonfundament sei dies aber allenfalls im Zuge anderer Baumaßnahmen wirtschaftlich vertretbar möglich.

Bei der Messung der lichten Breite der Radwege seien Trennsteine und der Sicherheitsraum (Rasenkantsteine und Borde, abseits derer eine andere Funktionsfläche verläuft) einzubeziehen. Dies berücksichtigt, gebe es nur wenige Stellen, an denen die lichte Breite der Radwege 1,50 Meter unterschreite. Soweit dies – insbesondere im Bereich der Bushaltestellen – der Fall sei, stimme dies mit den Vorgaben der VwV-StVO überein, weil die Unterschreitung des Regelmaßes hiernach an Engstellen ausnahmsweise zulässig sei, wenn es aufgrund der örtlichen Verhältnisse erforderlich und angemessen sei.

Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der verkehrlichen Belastung des Altewiek- und des Hagenrings sei es nach dem Maßstab, den das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 16. April 2012 – 3 B 62/11 – beschrieben habe, nicht zu beanstanden, wenn sie die umstrittene Radwegebenutzungspflicht aufrechterhalte. Dies müsse erst Recht gelten, weil in dem Verkehrsunfallbericht der Polizeiinspektion Braunschweig für den Zeitraum von Januar 2011 bis Ende August 2012 keine Unfälle mit Radfahrerbeteiligung festzustellen seien, die auf eine zu geringe Breite der Radwege zurückzuführen seien, und sich aus dem Bericht der BASt Nr. 184 (dort S. 120) ergebe, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anlagenbreite und der Sicherheit von Radfahrern in Längsrichtung nicht habe nachgewiesen werden können.

Der Kläger dringe nicht mit dem Einwand durch, die Radwegebenutzungspflicht sei aufzuheben, weil die Radwege in verschiedener Hinsicht nicht den Anforderungen der ERA 2010 entsprächen. Hinsichtlich der Länge der Mittelinseln weise sie darauf hin, dass die Ampeln für Radfahrer grundsätzlich so geschaltet seien, dass ein Warten auf der Mittelinsel nicht erforderlich würde, weil die Grünphase der zweiten Ampel erheblich, circa 8 Sekunden, länger geschaltet sei als die der ersten Ampel. Dies gelte allerdings nur, soweit der Radweg in der Richtung, für die er freigegeben ist, benutzt werde. Unabhängig hiervon sei die Ausgestaltung der Mittelinseln nach den Vorgaben der ERA 2010 sicherlich sinnvoll. Sie sei aber aufgrund der räumlichen Situation nicht in der Lage, die Mittelinseln zulasten des sonstigen Verkehrs breiter auszubilden als bisher. Fehlende Furtmarkierungen werde sie nachbessern. Soweit der Kläger „Grünpfeilregelungen“ beanstande, weise sie darauf hin, dass sie nicht sämtliche Gefahrensituationen auszuschalten vermöge, die für Radfahrer dadurch entstehen können, dass gebotene Sorgfaltspflichten missachtet werden. Ihr sei kein Unfallgeschehen in Zusammenhang mit einer Grünpfeilregelung bekannt.

Indem der Kläger darauf verweise, dass mit dem Aufheben einer Radwegebenutzungspflicht bei Straßen bis zu 50.000 Kfz täglich mit einem Sicherheitsgewinn für die Radfahrer verbunden sei, zitiere er die Studie BASt 184 unrichtig. Dort heiße es (S. 73): „Die Entwicklung der Zahl aller Unfälle in den beiden Straßengruppen unterscheidet sich nicht signifikant. Das statistische Verfahren des „Vorher-Nachher-Vergleichs mit Kontrollgruppe“ ergibt keine Wirkung der Aufhebung der Benutzungspflicht auf die Unfallentwicklung“.

Sie habe abweichende Führungen des (Rad-)Verkehrs erwogen. Diese seien im Ergebnis abzulehnen. Die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf dem Altewiek- und dem Hagenring auf 30 km/h würde den Verkehrsfluss behindern und Stauungen verursachen. Dies sei mit der verkehrlichen Bedeutung und der erforderlichen verkehrlichen Leistungsfähigkeit dieser Straßen nicht vereinbar. Die Anlage eines Radfahrstreifens auf der Fahrbahn sei ebenfalls keine realisierbare Alternative zur Radwegebenutzungspflicht, weil dies aus Platzgründen zur Folge hätte, dass sich die Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr reduzieren würden, was wiederum mit der verkehrlichen Bedeutung der Straßen nicht vereinbar sei. Die Anlage eines Schutzstreifens auf der Fahrbahn sei hingegen nicht geeignet, den von ihr beschriebenen Gefahren, die sich für Radfahrer bei einer Benutzung der Fahrbahn ergeben, sicher entgegenzuwirken.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich der Beiakten verwiesen.

Gründe

A. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig (vgl. zu der Bewertung der Verpflichtungsklage als sachgerechter Klageart auch VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 32 ff.).

Nicht statthaft ist hingegen eine Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer mit den Verkehrszeichen Nr. 241 verbundenen Aussage zur Radwegebenutzungspflicht im Bereich des Altewiek- und des Hagenrings. Denn der Kläger dringt nicht mit dem Einwand durch, bei den verkehrsrechtlichen Anordnungen der Verkehrszeichen Nr. 241, gegen die er sich wendet, handele es sich um bloße „Schein-Verwaltungsakte“ ohne wirksame Regelung. Indem die Beklagte die Verkehrszeichen über das Jahr 1997 hinaus im Straßenverkehr belassen hat, ist die mit den Verkehrszeichen seitdem einhergehende Anordnung der Radwegebenutzungspflicht vom Willen der Beklagten umfasst und den Verkehrsteilnehmern gegenüber bekannt gemacht, sodass alle Voraussetzungen des § 35 VwVfG für einen wirksamen Verwaltungsakt erfüllt sind (vgl. auch VG Ansbach, U. v. 18.06.2012 – AN 10 K 11.01571 –, juris Rn. 34).

Ebenfalls unzulässig wäre eine Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Die mit den Verkehrszeichen Nr. 241 verbundene Anordnung der Radwegebenutzungspflicht gegenüber dem Kläger ist nämlich bestandskräftig geworden. Ein Verkehrszeichen ist ein Verwaltungsakt und wird mit Aufstellung gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem dieser ihn mit der nach § 1 StVO gebotenen Sorgfalt eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers erstmalig hätte wahrnehmen können (vgl. VG Oldenburg, U. v. 13.01.2012 – 7 A 2094/11 –, n.v., m.w.N.; VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 34 ff.; VG Freiburg, U. v. 15.03.2007 – 4 K 2130/07 –, juris Rn. 19 ff.). Es ist davon auszugehen, dass für den Kläger, der seit Ende des Jahres 2002 in der Nähe des Altewiek- und des Hagenrings wohnt, eine solche erstmalige Kenntnisnahmemöglichkeit bereits länger als ein Jahr vor Klageerhebung im März 2011 zurückgelegen hat, sodass eine Anfechtungsklage nach § 74 Abs. 1 VwGO – auch unter Berücksichtigung der nach § 58 Abs. 2 VwGO auf ein Jahr verlängerten Klagefrist – nicht fristgerecht erhoben wäre.

Der Kläger hat dementsprechend seinen ursprünglichen Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2012 im Sinne einer Verpflichtungsklage präzisiert.

Eine Verpflichtungsklage ist zulässig, auch wenn die (erstmalige) Anordnung der Radwegebenutzungspflicht bestandskräftig geworden ist (so auch VG Hannover, U. v. 23.07.2003 – 11 A 5004/01 – n.v., bestätigt durch Nds. OVG, B. v. 05.12.2003 – 12 LA 467/03 –, juris Rn. 4; VG Berlin, U. v. 12.11.2003 – 11 A 606.03 –, juris Rn. 18; VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 41). Eine Klagebefugnis für die Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben. Insoweit braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob hierfür ein qualifiziertes Betroffensein des Klägers von der umstrittenen Radwegebenutzungspflicht zu fordern ist (so Nds. OVG, B. v. 05.12.2003 – 12 LA 467/03 –, juris Rn. 6 f.; VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 50; offengelassen vom VG Berlin, U. v. 12.11.2003 – 11 A 606.03 –, juris Rn. 19; für die Anfechtungsklage verneinend: BVerwG, U.v. 21.08.2003 – 3 C 15/03 –, juris Rn. 13 ff.). Denn der Kläger hat glaubhaft bekundet, regelmäßig mit dem Fahrrad entlang des Hagenrings und des Altewiekrings zu fahren und von der Radwegebenutzungspflicht – qualifiziert im Sinne der Rechtsprechung des Nds. OVG – betroffen zu sein.

B. Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Antrags vom 17. November 2010, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2010 ist ermessensfehlerhaft und deswegen rechtswidrig; er verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, die Radwegebenutzungspflicht aufzuheben, ist die Klage unbegründet.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung ist § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO. Anspruchsgrundlage sind hingegen nicht die Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten (§§ 48, 49 VwVfG). Diese sind bei der Aufhebung von Verkehrszeichen nicht anwendbar (vgl. Nds. OVG, B. v. 05.12.2003 – 12 LA 467/03 –, juris Rn. 11 ff.; VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 59).

Zur Anwendbarkeit von § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO bezüglich eines auf Aufhebung einer Radwegebenutzungspflicht gerichteten Begehrens sowie

zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18. November 2010 (3 C 42/09, juris Rn. 17 ff.) wie folgt ausgeführt:

„Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter - also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs - erheblich übersteigt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, der durch die Anfügung von § 45 Abs. 9 StVO zwar modifiziert und ergänzt, nicht aber ersetzt worden ist (vgl. Urteil vom 5. April 2001 - BVerwG 3 C 23.00 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41), können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten.

Die Radwegebenutzungspflicht nach Zeichen 240 (Gemeinsamer Fuß- und Radweg) ist - ebenso wie bei Zeichen 237 (Radfahrer) und Zeichen 241 (Getrennter Rad- und Fußweg) - eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und eine Beschränkung der Benutzung der Straße im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Diese Zeichen bedeuten nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a StVO, dass Radfahrer die für sie bestimmten Sonderwege nutzen müssen. Dem entspricht § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO; danach müssen Radfahrer Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet ist. Kehrseite dieses Nutzungsgebotes ist das Verbot für Radfahrer, auf den so gekennzeichneten Strecken die Fahrbahn zu benutzen.  … Das Verkehrszeichen begründet zwar kein Verbot der Benutzung der Straße (zu der auch Radwege zählen), wohl aber einen Ausschluss der Fahrradfahrer von der Benutzung der Fahrbahn und damit eine Beschränkung in Bezug auf die allgemeine Verkehrsregel, dass Fahrzeuge einschließlich Fahrräder die Fahrbahn benutzen (§ 2 Abs. 1 StVO).

Ist § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO anwendbar, scheidet damit zugleich § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO als Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht aus. Als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung konkretisiert und verdrängt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (vgl. Urteile vom 23. September 2010).

§ 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt (vgl. Urteile vom 5. April 2001 a.a.O. und vom 23. September 2010). In solchen Fällen dient die Trennung von motor- und muskelbetriebenen Fahrzeugen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. Beschluss vom 31. Mai 2001 - BVerwG 3 B 183.00 - Buchholz 442.151 § 2 StVO Nr. 2). Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO können - wie der Senat im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsbeschränkungen und Lkw-Überholverboten bereits entschieden hat - bei verkehrsbehördlichen Maßnahmen insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. zuletzt Urteile vom 23. September 2010). Diese Grundsätze sind auch in Bezug auf die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht anwendbar.“

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.

Nach diesem Maßstab liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO vor. Eine auf den besonderen örtlichen Verhältnissen beruhende erhebliche Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ergibt sich aus der überdurchschnittlich hohen Belastung des Hagenrings und des Altewiekrings mit Kraftfahrzeugverkehr sowie aus dem mit circa 1.600 bis 1.700 Fahrzeugen täglich sehr hohen Anteil an Schwerlastverkehr. Die örtliche Verkehrsbelastung kann – wie zuvor dargelegt und entgegen der Rechtsauffassung des Klägers – tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO sein und die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht ausfüllen (vgl. BayVGH, U. v. 06.04.2011 – 11 B 08.1892 –, juris Rn. 36). Der Altewiekring und der Hagenring zählen zu den am stärksten befahrenen Hauptverkehrsstraßen im Stadtgebiet der Beklagten. Ausweislich der Verkehrsmengenkarte der Beklagten mit Bearbeitungsstand vom Juni 2009 wird die hier festzustellende Verkehrsbelastung mit Ausnahme der Bundesautobahnen im Stadtgebiet nur an wenigen anderen Stellen erreicht und nur vereinzelt noch übertroffen. Die Kammer teilt deswegen nicht die Einschätzung des Klägers, bei den Straßen handele sich um ganz gewöhnliche innerstädtische Straßen ohne erkennbare Besonderheiten.

Die besondere Gefährlichkeit der überdurchschnittlich hohen örtlichen Verkehrsbelastung auf dem Altewiekring und dem Hagenring lässt sich auch anhand der von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) herausgegebenen „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (Ausgabe 2010; im Folgenden: ERA 2010) belegen. Auch wenn die Verfasser der ERA 2010 nicht legitimiert sind, die Aussagen der Straßenverkehrs-Ordnung authentisch zu interpretieren, ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B. v. 16.04.2012 – 3 B 62/11 –, juris Rn. 20 m.w.N.) anerkannt, dass die dort getroffenen Aussagen bei der gerichtlichen Einschätzung einer Gefährdungslage als aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisquelle ergänzend berücksichtigt werden können, zumal die FGSV ihre Anwendung als Stand der Technik empfiehlt und die VwV-StVO hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen auf diese verweist (vgl. I Nr. 5 VwV-StVO = Rn. 13).

Nach Nr. 2.3.3 (S. 19) der ERA 2010 hängt die Eignung bestimmter Führungsformen des Radverkehrs im Wesentlichen von der Stärke und der Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs ab. In Abhängigkeit von der Kfz-Belastung für den Fahrbahnquerschnitt in der werktäglichen Spitzenstunde und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (bzw. einer tatsächlich gemessenen Geschwindigkeit, sofern diese deutlich darunter liegt) lassen sich vier Belastungsbereiche unterscheiden. Legt man eine Geschwindigkeit von 50 km/h zugrunde, sind vierstreifige Straßen – wie der Altewiekring und der Hagenring – ab einer Belastung von (im Fahrbahnquerschnitt) circa 1.600 Kfz in der werktäglichen Spitzenstunde dem Belastungsbereich III und ab circa 2.250 Kfz dem Bereich IV zuzuordnen (vgl. Bild 8, S. 19 ERA 2010), wobei die Übergänge zwischen den Belastungsbereichen keine harten Trennlinien sind. Hiernach ist davon auszugehen, dass der Altewiekring und der Hagenring dem Grenzbereich zwischen den Belastungsbereichen III und IV zuzuordnen sind. Nach den Ergebnissen der Verkehrszählung der Beklagten für den südlichen Bereich des Altewiekrings zwischen der Leonhardstraße und der Helmstedter Straße, der nach der Verkehrsmengenkarte aus dem Jahr 2009 (Bl. 91 f. der Gerichtsakte) die niedrigste tägliche Gesamtbelastung des Altewiekrings und des Hagenrings aufweist, lag die werktägliche Spitzenbelastung bei über 2.500 Kfz / Stunde und somit im Belastungsbereich IV. Für das sich in nördlicher Richtung anschließende Teilstück des Altewiekrings zwischen der Helmstedter Straße und der Franz-Trinks-Straße bzw. der Bienenstraße, bei dem die tägliche Gesamtbelastung nach der Verkehrsmengenkarte um circa 2.000 Kfz täglich erhöht ist, lag die Spitzenbelastung mit über 2.700 Kfz / Stunde noch darüber. Andererseits hat die (aktuellere) Auswertung der Verkehrsmessstellen im Bereich des Altewiekrings südlich der Jasperallee für jeweils zwei Dienstage im Oktober, November und Dezember 2012 „nur“ Verkehrsbelastungen in der Spitzenstunde zwischen circa 1.960 und 2.290 Kfz pro Stunde ergeben, die dem Belastungsbereich III bzw. dem Grenzbereich zum Belastungsbereich IV zuzuordnen sind. Im Belastungsbereich IV ist nach Nr. 2.3.3 der ERA 2010 (S. 20) die getrennte Führung von Rad- und Kfz-Verkehr aus Sicherheitsgründen grundsätzlich geboten. Im Belastungsbereich III kann das Trennen des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr aus Sicherheitsgründen erforderlich sein. Mischverkehr mit Kraftfahrzeugen auf der Fahrbahn soll nur bei günstigen Randbedingungen zur Anwendung kommen. Ungünstig ist insoweit ein hoher Anteil von Schwerlastverkehr (vgl. Tabelle 8, S. 18, der ERA 2010). Angesichts des mit täglich circa 1.600 bis 1.700 Fahrzeugen sehr hohen Anteils an Schwerlastverkehr ist die Trennung der Verkehre grundsätzlich geboten und ist deswegen von einer Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auszugehen, auch wenn man eine Verkehrsbelastung im Bereich III bzw. dem Grenzbereich zwischen den Bereichen III und IV zugrunde legt.

Dennoch ist die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 29. November 2010, die Radwegebenutzungspflicht aufrechtzuerhalten, rechtswidrig, weil sie das ihr nach § 45 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 StVO eröffnete Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 StVO vor, hat die Straßenverkehrsbehörde grundsätzlich einen Ermessensspielraum, wie sie die Konfliktlage bewältigt. In ihrer Ermessensentscheidung hat sie die betroffenen bzw. widerstreitenden Interessen der verschiedenen Arten von Verkehrsteilnehmern unter Berücksichtigung der relevanten örtlichen Gegebenheiten umfassend gegeneinander abzuwägen und die Konfliktlage für alle Verkehrsteilnehmer zumutbar aufzulösen (vgl. auch VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 66 und 91; VG Ansbach, U. v. 14.12.2009 – AN 10 K 09.00581 –, juris Rn. 23 f.). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Allerdings ist die Straßenverkehrsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung darüber, ob eine mit dem Verkehrszeichen Nr. 241 angeordnete Radwegebenutzungspflicht aufgehoben werden soll, grundsätzlich zunächst an die Vorgaben der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) gebunden (vgl. Nds. OVG, B. v. 05.12.2003 – 12 LA 467/03 –, juris Rn. 14 ff. m.w.N.). Die Verwaltungsvorschrift soll – im Rahmen der Bundesaufsicht bei landeseigenem Vollzug von Bundesrecht – gewährleisten, dass verkehrsbehördliche Anordnungen im ganzen Bundesgebiet nach den gleichen Grundsätzen erfolgen. Es handelt sich dabei im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die eine einheitliche Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite sicherstellen soll. Die Straßenverkehrsbehörde kann im Ergebnis der Abwägung auch von den Vorgaben der VwV-StVO abweichen. Dies setzt aber einen atypisch gelagerten Sachverhalt voraus (vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 114 Rn. 15), eine aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse nochmals deutlich gesteigerte Gefährdung der Radfahrer bei Benutzung der Fahrbahn (vgl. BayVGH, U. v. 06.04.2011 – 11 B 08.1892 –, juris Rn. 38) bzw. eine Gefährdungssituation auf der Fahrbahn, die auch mit Blick auf einen den Vorgaben der VwV-StVO nicht genügenden Ausbauzustand des Radwegs nicht hinnehmbar ist (BVerwG, B. v. 16.04.2012 – 3 B 62/11 –, juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben erweist sich die Entscheidung der Beklagten, die Radwegebenutzungspflicht am Altewiekring und am Hagenring aufrechtzuerhalten, zum derzeitigen Zeitpunkt in mehrfacher Hinsicht als ermessensfehlerhaft.

Die Beklagte hat in ihre Ermessensentscheidung nicht eingestellt, ob am Altewiek- und am Hagenring ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der Breite der neben den Radwegen gelegenen Gehwege sowie zu Art und Ausmaß des dort vorhandenen Fußgängerverkehrsaufkommens hat die Beklagte (vgl. Bl. 57 der Gerichtsakte) keine Feststellungen getroffen und zu den Messungen der Gehwegbreiten durch den Kläger vom November 2012 (Beiakte F) und der von ihm gerügten Unterschreitung der erforderlichen Mindestbreiten trotz Aufforderung durch das Gericht nicht Stellung genommen. Die Beklagte hat diesen für die Ermessensentscheidung über die Aufrechterhaltung der Radwegebenutzungspflichten relevanten Gesichtspunkt im Ergebnis überhaupt nicht berücksichtigt. Schon deshalb ist die Entscheidung der Beklagten ermessenfehlerhaft, zumal nach Rn. 9 der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 Satz 2 benutzungspflichtige Radwege nur angeordnet werden dürfen, wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr vorhanden sind.

In ihrer neuerlichen Ermessensentscheidung wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, dass die vorhandenen Gehwege nach den Messungen des Klägers vom 10. November 2012, deren Richtigkeit die Beklagte nicht bestreitet, jedenfalls teilweise nicht ausreichend breit sind und den Vorgaben der VwV-StVO deswegen nicht entsprechen. Zwar macht die VwV-StVO keine konkreten Vorgaben zur erforderlichen Breite von Gehwegen. Nach Nr. 3.4 der ERA 2010 (S. 25) ist allerdings bereits von einer regelmäßig erforderlichen Mindestbreite von Gehwegen von 2,30 Metern auszugehen, die die Begegnung zweier Passanten ermöglicht und kleinstmögliche Sicherheitsräume zu angrenzender Bebauung und zum Radweg beinhaltet. Die Gehwege am Altewiek- und am Hagenring unterschreiten bereits dieses Mindestmaß an den Messpunkten Nr. 7, 9, 10, 12, 14, 17, 23, 24, 27, 28, 29, 31, 32 und 37 (jeweils nach der Dokumentation des Klägers vom 10. November 2012 = Beiakte F).

Darüber hinaus wird die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen zu berücksichtigen haben, dass hinsichtlich der Anlage von Gehwegen speziellere technische Regelwerke als die ERA 2010 die regelmäßig erforderliche Mindestbreite von Gehwegen nach den konkreten örtlichen Verhältnissen über das Mindestmaß von 2,30 Metern hinaus erhöhen können. In Betracht kommt insoweit insbesondere eine Orientierung an den „Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen“ der FGSV aus dem Jahr 2002 (im Folgenden: EFA 2002) bzw. der „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ der FGSV aus dem Jahr 2006 (im Folgenden: RASt 06). Vergleichbar zu den ERA 2010 sind die Vorgaben der EFA 2002 bzw. der RASt 06 aktuelle und spezifische wissenschaftliche Erkenntnisquellen und geben den Stand der Technik wieder. Hinzu kommt, dass die VwV-StVO in Rn. 13 hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen auf die ERA 2010 und diese hinsichtlich der Frage, ob ausreichende Breiten im Sinne von Rn. 9 der VwV-StVO gegeben sind, wiederum auf die Vorgaben der EFA 2002 bzw. der RASt 06 verweist (Nr. 2.3.6 = S. 21 der ERA 2010). Nach den RASt 06 (S. 35) sind jedenfalls in Geschäftsstraßen die Mindestmaße der Gehwegbreiten zu erhöhen. Nach der Tabelle 2 der EFA 2002 wäre im Hinblick auf die überwiegend gemischte Wohn- und Geschäftsnutzung am Altewiek- und am Hagenring mit überwiegend 3 bis 5 Geschossen in jedenfalls mittlerer Dichte, die Nutzung der Fahrbahn durch häufig frequentierte Busverbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs sowie die starke Verkehrsbelastung auf der Fahrbahn eine regelmäßige Gehwegbreite von jedenfalls 4 Metern geboten. Diese wird, soweit ersichtlich, am Altewiek- und am Hagenring jedenfalls ganz überwiegend nicht erreicht. Jedenfalls wird die Beklagte bei ihrer neuerlichen Ermessensentscheidung zu berücksichtigen haben, dass aus der erhöhten Bebauungsdichte am Altewiek- und am Hagenring, der z.T. auch gewerblichen Nutzung sowie der intensiven Nutzung der Fahrbahn ein über das regelmäßig erforderliche Mindestmaß von 2,30 Metern hinaus erhöhter Platzbedarf für den Fußgängerverkehr, beispielsweise aus einem größeren Bedarf an Aufenthaltsflächen sowie in den Gehweg ragenden Auslagen der gewerblichen Nutzung, resultieren kann, und dass nach Nr. 3.4 der ERA 2010 die Kombination von Mindestmaßen der Rad- und Gehwegbreiten vermieden werden soll.

Zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass das Anordnen bzw. Aufrechterhalten einer Radwegebenutzungspflicht nicht in jedem Fall zwingend voraussetzt, dass die vorhandenen Gehwege die nach den technischen Regelwerken gebotenen Breiten aufweisen. Vielmehr hat die Behörde – wie zuvor bereits dargelegt – die Belange der betroffenen Verkehrsteilnehmer umfassend gegeneinander abzuwägen, insoweit vorhandene Gehwegbreiten und eine hieraus gegebenenfalls resultierende Konfliktlage zu berücksichtigen und den Konflikt – insbesondere in Hinblick auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs – für alle Beteiligten zumutbar aufzulösen. Insoweit ist – wie zuvor bereits dargelegt – im Einzelfall auch ein Abweichen von Vorgaben technischer Regelwerke denkbar.

Ermessensfehlerhaft ist des Weiteren die Art und Weise, in der die Beklagte den Umstand berücksichtigt hat, dass es zu beiden Seiten des Altewiek- und des Hagenrings zahlreiche Einmündungen, Kreuzungen und Grundstückszufahrten gibt. Die Beklagte hat den Sachverhalt diesbezüglich nur unzureichend ermittelt und keine Feststellungen zu Art und Anzahl der Knotenpunkte und Grundstückszufahrten sowie zu Art und Ausmaß des dort stattfindenden Verkehrs getroffen. Weil aber ein wesentliches Gefahrenmoment der Führung des Radverkehrs im Seitenbereich darin liegt, dass im Bereich von Knotenpunkten und Grundstückszufahrten Rad- und Kraftfahrzeugverkehr einander oftmals nur unzureichend und spät wahrnehmen können, ist dieses Kriterium in der Auswahl der geeigneten Führungsform bzw. der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht von grundsätzlich großer Relevanz. Dementsprechend ist es nach Rn. 25 und Rn. 26 der VwV-StVO Voraussetzung für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht, dass die Linienführung des Radweges insbesondere an Kreuzungen, Einmündungen und verkehrsreichen Grundstückszufahrten sicher gestaltet ist, weil das Abbiegen an Kreuzungen und Einmündungen sowie das Einfahren an verkehrsreichen Grundstückszufahrten mit Gefahren verbunden ist. Dies deckt sich mit den Vorgaben der ERA 2010, wonach es umso mehr gegen eine Führung des Radverkehrs im Seitenraum (auf einem Radsonderweg) spricht, je mehr Einmündungen und Zufahrten es gibt und je höher die Zahl der dort ein- und abbiegenden Fahrzeuge ist (vgl. Nr. 2.3.5 = S. 21). Dass die Beklagte ihre Ermessenserwägungen mit Schriftsatz vom 7. Juli 2011 (Bl. 23 der Gerichtsakte) ergänzt und dargelegt hat, die zahlreichen Kreuzungen und Einmündungen sprächen für eine Führung im Seitenbereich, widerspricht dieser Bewertung seitens der ERA 2010. Dies macht die Entscheidung der Beklagten zusätzlich ermessensfehlerhaft. Es ist darüber hinaus derzeit nicht ersichtlich, dass die Radwege am Altewiek- und am Hagenring dem in Rn. 26 Satz 3 der VwV-StVO beschriebenen Erfordernis genügen, wonach der Radverkehr rechtzeitig vor einer Kreuzung oder Einmündung im Sichtfeld des Kraftfahrzeugverkehrs zu führen und die Radwegeführung an der Kreuzung oder Einmündung darauf abzustimmen ist. Vielmehr legen die vom Kläger eingereichten Fotos Nr. 2, 3, 7, 13, 14 und 24 vom 10. November 2012 (Beiakte F) die Annahme nahe, dass die parallel zur Fahrbahn gelegenen Parkbuchten für Pkw regelmäßig bis nah an Einmündungen und Zufahrten heranreichen und deswegen der Radverkehr in diesen Bereichen nicht rechtzeitig und ausreichend im Sichtfeld des Kraftfahrzeugverkehrs geführt wird. Es ist deswegen zweifelhaft, ob allein das von der Beklagten angekündigte Anbringen bislang fehlender Furtmarkierungen im Bereich von Knotenpunkten und Zufahrten (vgl. insoweit Rn. 26 Satz 4 der VwV-StVO i.V.m. Rn. 3 ff. der VwV-StVO zu § 9 Abs. 2 StVO) genügt, um den Anforderungen der VwV-StVO zu entsprechen. Die ERA 2010 sehen insoweit eine Reihe weiterer Möglichkeiten vor, um das Unfallrisiko in derartigen Gefahrbereichen zu reduzieren (vgl. bspw. S. 37 ff., 44 ff., 50 ff. der ERA 2010). Hiermit wird sich die Beklagte im Rahmen ihrer neuerlichen Ermessensentscheidung sachgerecht auseinandersetzen müssen.

Ermessensfehlerhaft ist es schließlich, dass die Beklagte von einer ausreichenden Breite der vorhandenen Radwege am Altewiekring und am Hagenring stets – ohne Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten – ab einem lichten Maß von mindestens 1,50 Metern ausgegangen ist. Dass die ausreichende Breite von Radwegen ein für die Frage ihrer Benutzungspflicht relevantes Kriterium ist, ist unmittelbar plausibel und folgt zudem aus der VwV-StVO. Nach Rn. 17 der VwV-StVO ist unter anderem Voraussetzung für die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht, dass der vorhandene Radweg ausreichend breit ist. Zwar sieht Rn. 21 der VwV-StVO vor, dass die lichte Breite des Radweges im Fall der durch das Zeichen Nr. 241 angeordneten Radwegebenutzungspflicht in der Regel durchgehend mindestens 1,50 Meter betragen soll. Dieses Mindestmaß ist bezüglich der Radwege am Altewiek- und am Hagenring jedoch im Hinblick auf die regelmäßig längsseitig neben dem Radweg vorhandenen Parkbuchten für Pkw zu erhöhen. Nach Rn. 17 Satz 2 der VwV-StVO bestimmt sich die erforderliche (lichte) Breite des Radweges unter anderem nach der Art und Intensität der Umfeldnutzung. Längsseitiges Parken neben einem Radweg ist eine gefahrenträchtige Art der Umfeldnutzung (vgl. insoweit auch Alrutz u.a., „Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern“, 2009, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft V 184, im Folgenden: BASt V 184, S. 3) und kann – jedenfalls, wenn es in so intensivem Ausmaß wie am Altewiek- und am Hagenring stattfindet – eine Erhöhung des grundsätzlich erforderlichen Mindestmaßes der (lichten) Radwegebreiten rechtfertigen.

Hinsichtlich des Ausmaßes, in dem die nach der VwV-StVO regelmäßig erforderliche lichte Radwegbreite von 1,50 Meter zu erhöhen ist, ist eine Orientierung an entsprechenden Vorgaben der ERA 2010 bzw. der RASt 06 und infolgedessen eine Erhöhung in der Größenordnung von circa 50 Zentimetern möglich. Die technischen Regelwerke sehen als Mindestmaß der Breite eines Sicherheitsraums gegenüber zu beiden Seiten an den Radweg angrenzenden Nutzungen 25 Zentimeter vor. Gegenüber parkenden Fahrzeugen in Längsaufstellung ist ein gegenüber diesem Mindestmaß um 50 Zentimeter auf insgesamt 75 Zentimeter verbreiterter Sicherheitsraum geboten (vgl. Nr. 4.6 sowie Bild 19 und Tab. 3 der RASt 06 = S. 28 bzw. Bild 3 i.V.m. Nr. 3.4 der ERA 2010 = S. 16 und S. 25). Es ist sachgerecht, diese Vorgabe der technischen Regelwerke jedenfalls ihrer ungefähren Größenordnung nach auf das nach der VwV-StVO gebotene Mindestmaß der lichten Radwegbreite im Falle längsseitig parkender Kraftfahrzeuge zu übertragen. Die Kammer legt insoweit zugrunde, dass sich das in der VwV-StVO (für ein einspuriges Fahrrad, vgl. Rn. 23 der VwV-StVO) beschriebene Mindestmaß lichter Radwegbreite von 1,50 Metern auf einen Meter reine Verkehrsfläche zzgl. 25 Zentimetern an Sicherheitsräumen zu beiden Seiten zusammensetzt. Die VwVO-StVO macht hierzu zwar keine ausdrückliche Angabe. Nach den Vorgaben der ERA 2010 bzw. der RASt 06 als aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisquellen sind diese Breiten der Verkehrsfläche und der Sicherheitsräume unter Berücksichtigung der Grundbreite eines Fahrrades, der erforderlichen Bewegungsspielräume sowie der kleinstmöglichen Sicherheitsräume zu den zu beiden Seiten an den Radweg angrenzenden Nutzungen für das Fahren mit einem einspurigen Fahrrad regelmäßig mindestens erforderlich (vgl. Nr. 4.6 sowie Bild 19 und Tab. 3 der RASt 06 = S. 28 bzw. Bild 3 i.V.m. Nr. 3.4 der ERA 2010 = S. 16 und S. 25). Angesichts dessen liegt es nahe, der Vorgabe der VwV-StVO zur regelmäßig erforderlichen lichten Radwegbreite von 1,50 Metern eine Aufteilung auf einen Meter Verkehrsfläche zzgl. 25 Zentimetern Sicherheitsraum zu beiden Seiten zugrunde zu legen. Dies entspricht der Zielrichtung der VwV-StVO, die Mindestmaße für die lichte Radwegebreite vorgibt, die das Fahren auf einem Radweg – bei gegebener Gefährdungslage auf der Fahrbahn – als regelmäßig (noch) zumutbar erscheinen lassen. In ihrer neuerlichen Ermessenentscheidung wird die Beklagte deswegen den wegen des längsseitigen Parkens neben dem Radweg grundsätzlich erhöhten Raumbedarf für den Radweg zu berücksichtigen haben. Allein mit dem Hinweis darauf, dass auch unter Berücksichtigung des längsseitigen Parkens eine lichte Breite von 1,50 Meter sachgerecht sei, weil aus einem Fahrzeug aussteigende Personen nach § 14 Abs. 1 StVO äußerste Vorsicht walten lassen müssen, genügt die Beklagte dem Erfordernis umfassender und sachgerechter Abwägung sämtlicher relevanter Belange jedenfalls nicht.

Außerdem wird die Beklagte in ihrer neuerlichen Ermessensentscheidung im Hinblick darauf, ob die vorhandenen Radwege hinreichend breit sind, zu berücksichtigen haben, dass sich die Mindestvorgabe in Rn. 21 der VwV-StVO mit 1,50 Meter lichter Breite nach Rn. 23 der VwV-StVO ausdrücklich nur auf einspurige Fahrräder bezieht. Nach den technischen Regelwerken der ERA 2010 bzw. der RASt 06 (vgl. Bild 3 der ERA 2010 = S. 16 entspricht Bild 19 der RASt 06 = S. 28) ist jedoch anerkannt – und dies ist ohne Weiteres plausibel –, dass mehrspurige Fahrräder bzw. Gespanne mit einem Anhänger einen gegenüber einspurigen Fahrrädern (um circa 30 cm) erhöhten Raumbedarf haben. Da nach § 21 Abs. 3 Sätze 2 und 3 StVO solche Anhängergespanne zur Beförderung von Kindern ausdrücklich zugelassen sind und mehrspurige Fahrräder bzw. Anhängergespanne im innerstädtischen Bereich von Braunschweig und damit auch im Bereich des Altewiek- und des Hagenrings zum alltäglichen Erscheinungsbild zählen, liegt es nahe, von einer regelmäßig ausreichenden Breite der Radwege erst dann auszugehen, wenn sie dem (um circa  30 Zentimeter erhöhten) Raumbedarf auch mehrspuriger Fahrräder bzw. Anhängergespanne genügen. Der Hinweis der Beklagten, die Radwegebenutzungspflicht gelte zwar grundsätzlich auch für solche Räder bzw. Gespanne, sich insoweit ergebende Erschwernisse bei der Benutzung der vorhandenen Radwege, die auf die (von einem einspurigen Fahrrad abweichende) Bauart zurückzuführen seien, fielen jedoch nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten, ist jedenfalls sachwidrig und ermessensfehlerhaft. Auch der pauschale Hinweis darauf, dass das Führen breiterer Fahrräder außerhalb des benutzungspflichtigen Radweges nach Rn. 23 der VwV-StVO in der Regel nicht beanstandet werden soll, wenn die Benutzung des Radweges nach den Umständen des Einzelfalles nicht zumutbar sei, genügt den Erfordernissen an eine sachgerechte Ermessensentscheidung und Abwägung der betroffenen Belange nicht.

Die Kammer weist in Bezug auf die beiden Absätze zu den nach der VwV-StVO regelmäßig erforderlichen Radwegebreiten zur Klarstellung – erneut – darauf hin, dass das Anordnen oder Aufrechterhalten einer Radwegebenutzungspflicht nicht zwingend voraussetzt, dass sämtliche Vorgaben der VwV-StVO zur Breite der Radwege eingehalten sind. Eine Radwegebenutzungspflicht kann auch rechtmäßig sein, wenn nicht sämtliche Vorgaben der VwV-StVO gewahrt sind. Neben dem „Ausnahmefall“ einer besonderen Gefährdungssituation setzt dies aber jedenfalls voraus, dass sich die Straßenverkehrsbehörde – anders als die Beklagte – des Abweichens vom Regelfall bewusst gewesen ist und das Abweichen im Rahmen der nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO erforderlichen Abwägung sachgerecht begründen kann.

Zu Recht hat die Beklagte allerdings bei der Berechnung der lichten Breite der vorhandenen Radwege sowohl die Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn einschließlich der Kant- und Bordsteine als auch die Begrenzungsstreifen zu den sich anschließenden Gehwegen berücksichtigt. Die VwV-StVO definiert den Begriff der lichten Breite nicht. Nach Nr. 2.2.1 der ERA 2010 (S. 16) setzt sich die lichte Breite aus dem Verkehrsraum sowie den Sicherheitsräumen zusammen, die Radwege von angrenzenden Verkehrsflächen abgrenzen. Der – zur Fahrbahn gelegene – Sicherheitstrennstreifen eines Radweges zählt hiernach ausdrücklich zu dessen lichter Breite. Er dient der Aufnahme des Sicherheitsraumes sowie der festen Einbauten. Die Kammer sieht keinen Grund, die Breite der Kantsteine nicht zum Sicherheitsraum zu zählen, weil sie die gleiche Funktion erfüllen wie ein auf andere Weise angelegter Sicherheitstrennstreifen. Sie dienen der Abgrenzung der verschiedenen Verkehrsarten und der Aufnahme der festen Einbauten und können, weil sie auf gleicher Höhe wie der Radweg verlaufen, von Fahrrädern grundsätzlich befahren werden. Auch die zwischen den Rad- und den Gehwegen gelegenen Begrenzungsstreifen zählen zum Sicherheitsraum und somit – entgegen der Ansicht des Klägers – zur lichten Breite der Radwege. Hierfür spricht nicht nur, dass die ERA 2010 sie in Nr. 2.2.1 (S. 16) im Zusammenhang mit den Sicherheitsräumen der Radwege erwähnt. Insbesondere erfüllen sie auch die gleiche Funktion wie die Sicherheitstrennstreifen: Sie grenzen durch einen Sicherheitsraum den Rad- gegenüber einem andersartigen Verkehr, dem Fußgängerverkehr, ab und dienen der Aufnahme fester Einbauten. Dem steht nicht entgegen, dass die Begrenzungsstreifen nach Nr. 11.1.5 der ERA 2010 (S. 78) zum Gehweg bzw. zu dessen lichter Breite zählen. Um zur Ermittlung der lichten Breite des Radweges berücksichtigt werden zu können, muss eine Fläche nicht zur Radverkehrsanlage selbst zählen. Dies ist auch bei Sicherheitstrennstreifen nicht der Fall (vgl. Nr. 2.2.1 der ERA 2010, S. 16). Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, weswegen Begrenzungsstreifen nicht zur lichten Breite sowohl eines Gehweges als auch eines Radweges zählen sollten. Ihre abgrenzende und schützende Funktion erfüllen sie für beide Verkehrswege. Dass Begrenzungsstreifen ausschließlich zur lichten Breite von Gehwegen zu zählen sind, lässt sich Nr. 11.1.5 der ERA 2010 nicht entnehmen.

Die Kammer hält es des Weiteren mit den Vorgaben der VwV-StVO für vereinbar, dass die vorhandenen Radwege im Bereich der Bushaltestellen an insgesamt 5 Passagen (vgl. Nr. 5, Nr. 11, Nr. 16 bzw. Nr. 17, Nr. 20, Nr. 23 der Dokumentation des Klägers vom 10. November 2012, Beiakte F) auf der Länge von 25 bis 55 Metern geringere lichte Breiten als 1,50 Meter aufweisen. Die lichte Breite beträgt in diesen Passagen – einschließlich des Begrenzungsstreifens zum Gehweg – mindestens einen Meter. Die VwV-StVO sieht in Rn. 22 vor, dass ausnahmsweise und nach sorgfältiger Prüfung an kurzen Abschnitten unter Wahrung der Verkehrssicherheit von den Mindestmaßen der lichten Breite abgewichen werden kann, wenn es aufgrund der örtlichen oder verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist. Dies ist hinsichtlich der Passagen im Bereich der Bushaltestellen der Fall. Die Unterschreitung des Mindestmaßes der lichten Breite ist im Hinblick auf den zusätzlichen Platzbedarf der Bushaltestellen den verkehrlichen Verhältnissen geschuldet; es ist nach den verfügbaren Flächen nicht möglich, die Radwege dort auf der ursprünglichen Breite fortzuführen. Nach Nr. 3.10 der ERA 2010 (S. 33) ist es bei geringem Platzangebot im Bereich von Bushaltestellen zulässig, auf einer Länge von bis zu 50 Metern die Breite des Radweges auf bis zu einem Meter zu verringern. Diese Vorgabe ist bis auf die geringfügige Überschreitung von 5 Metern Länge in einem Fall gewahrt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Verhältnismäßigkeit und die Verkehrssicherheit in diesen Bereichen trotz der sehr schmalen Radwege gewahrt sind, weil alle Beteiligten in den nur kurzen Passagen nach § 1 StVO zu besonderer Rücksicht verpflichtet sind (vgl. Sächsisches OVG, B. v. 10.07.2012 – 3 A 945/10 –, juris Rn. 18).

Die wegen der zuvor dargelegten Mängel ermessensfehlerhafte Entscheidung der Beklagten verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dass die Beklagte ermessensfehlerhaft entschieden hat, ist nicht im Ergebnis unerheblich. Insbesondere scheidet eine Rechtsverletzung des Klägers nicht deswegen aus, weil die Radwegebenutzungspflicht zwingend beizubehalten und jede andere Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft wäre (sog. Ermessensreduzierung auf Null).

Eine derartige Ermessensreduzierung folgt insbesondere nicht daraus, dass die Verkehrsbelastung auf der Fahrbahn des Altewiek- und des Hagenrings sowie der hohe Anteil an Schwerlastverkehr eine Trennung des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr nach den Vorgaben der ERA 2010 grundsätzlich gebieten. Dem steht bereits entgegen, dass eine Trennung der Verkehre in verschiedener Weise möglich ist. Alternativ zu der vorhandenen Situation des – benutzungspflichtigen – Radsonderwegs im Seitenbereich der Straße kommt alternativ jedenfalls auch eine fahrbahnseitige Führung des Radverkehrs (insbesondere in Form eines Radfahrstreifens) in Betracht (vgl. Tabelle 8 der ERA 2010, S. 18). Die Entscheidung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 2 StVO muss sich auf die Auswahl der konkret geeigneten Führungsform erstrecken und die nach den örtlichen Gegebenheiten relevanten Umstände angemessen berücksichtigen. Dies hat die Beklagte in ihrer Entscheidung, die Radwegebenutzungspflicht auf den vorhandenen Radwegen aufrechtzuerhalten, bislang nicht nachvollziehbar getan. Kriterien für die Entscheidung über die geeignete Führungsform finden sich in Nr. 2.3.5 der ERA 2010 (S. 20 f.), und als Anhaltspunkt für eine überschlägige Bewertung der verschiedenen Parameter kann die Tabelle 30 der ERA 2010 (S. 93) dienen, die Punktwerte für die Abwägung zwischen einer fahrbahnseitigen Führung und der Führung im Seitenbereich vorgibt. Es ist nicht ersichtlich ist, dass hiernach nur die vorhandene Führungsform oder nur die fahrbahnseitige Führung in Betracht zu ziehen ist. Auch wenn mangels Feststellungen der Beklagten gegenwärtig nicht alle Parameter abschließend bewertet werden können, fällt das Ergebnis einer überschlägigen Betrachtung anhand der Tabelle nicht eindeutig für oder eindeutig gegen eine der in Betracht kommenden Führungsformen aus. Auch im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, dass die Einrichtung eines Radfahrstreifens auf der Fahrbahn mit der hohen verkehrlichen Bedeutung des Altewiek- und des Hagenrings nicht vereinbar sei, ist nicht von einer Ermessensreduzierung auszugehen. Zwar darf die Beklagte in ihre Ermessensentscheidung die verkehrliche Bedeutung der Straßen für den Pkw-Verkehr einstellen. Soweit die Beklagte allerdings darauf verweist, dass die Einrichtung eines Radfahrstreifens dazu führen würde, dass ein Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr entfallen würde, wird sie auch berücksichtigen müssen, dass in weiten Teilen zu beiden Seiten des Altewiek- und des Hagenrings Parkflächen für Pkw vorhanden sind, die – eventuell teilweise – auch für den fließenden Verkehr aktiviert werden könnten. Diese ausschließlich dem (ruhenden) Kraftfahrzeugverkehr zur Verfügung zu stellen bzw. zu belassen, muss zwar nicht von vornherein ermessensfehlerhaft sein. Die Beklagte wird sich im Rahmen ihrer verkehrspolitischen Gesamtabwägung aber sachlich begründet hiermit auseinandersetzen müssen, soweit sie dem Radverkehr unter Hinweis darauf, dass sie die vorhandenen Radwege wegen der beengten räumlichen Verhältnisse nicht anforderungsgerecht ausbauen könne, verpflichtend vorschreiben möchte, Radwege zu benutzen, die den Mindestanforderungen der VwV-StVO nicht entsprechen.

Unabhängig von der Frage der geeigneten Führungsform spricht gegen eine Reduzierung des Ermessens der Beklagten im Sinne einer Beibehaltung der vorhandenen Verkehrssituation aber insbesondere, dass die vorhandenen Radwege, wie zuvor dargelegt, in verschiedener Hinsicht die Vorgaben der VwV-StVO an die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht derzeit nicht erfüllen. Die Beklagte wird deswegen zu erwägen und für ihre neuerliche Ermessensentscheidung zu berücksichtigen haben, ob sich die Abweichungen von den Vorgaben der VwV-StVO beseitigen oder jedenfalls reduzieren lassen. Soweit Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen von Verkehrsteilnehmern wie Kfz-Fahrern, Radfahrern und Fußgängern bestehen und sich durch (bauliche) Veränderungen nicht beseitigen lassen, sind die unterschiedlichen Interessen insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit und auch die Leichtigkeit des Verkehrs gegeneinander abzuwägen und ist die Konfliktlage für alle Beteiligten zumutbar aufzulösen. Insoweit wird die Beklagte, wenn sie an der baulichen Situation der verschiedenen Verkehrswege im Bereich des Altewiek- und des Hagenrings nichts Wesentliches ändern möchte, auch die ersatzlose Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht am Altewiek- und am Hagenring zu erwägen haben bzw., sofern sie die Radwegebenutzungspflicht aufrechterhalten möchte, jedenfalls nachvollziehbar und sachgerecht begründen müssen, weshalb dem Radverkehr die Verpflichtung, die vorhandenen Radwege zu benutzen, zumutbar ist, ohne dass die Mindeststandards nach der VwV-StVO gewahrt sind.

Die erkennende Kammer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie es für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht nicht für zwingend erforderlich hält, dass die Radwege in sämtlichen Belangen den Anforderungen der ERA 2010 entsprechen. Hiergegen spricht bereits, dass die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO eine andere Zielrichtung hat als sie den Vorgaben der ERA 2010 innewohnt. Die ERA 2010 beschreiben auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse (idealtypisch) die Anlage von Radverkehrswegen mit dem Ziel, Gefahren für den Rad- und sonstige Verkehre so weit wie möglich zu reduzieren. Bei der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht hat die Verkehrsbehörde hingegen in einer gegebenen besonderen Gefährdungssituation bei Benutzung der Fahrbahn abzuwägen, ob dem Radverkehr die verpflichtende Benutzung eines Radweges zugemutet werden kann, weil hiermit geringere Gefahren als bei der Benutzung der Fahrbahn einhergehen, sodass die Radwegebenutzungspflicht im Ergebnis der Verkehrssicherheit dient. Deswegen dringt der Kläger auch nicht mit dem Einwand durch, die Vorgaben der VwV-StVO zu den erforderlichen Mindestbreiten eines Radweges seien durch diejenigen der ERA 2010 abgelöst, sodass regelmäßig mindestens 2 Meter reiner Verkehrsfläche erforderlich seien. Denn die Vorgabe der ERA 2010 bezieht sich auf Radwege, die Überholvorgänge ermöglichen sollen (vgl. 3.4 = S. 25 ERA 2010). Die Möglichkeit zu überholen ist aber nicht in jedem Fall zwingende Voraussetzung dafür, dass die Abwägung der verschiedenen Gefährdungslagen im Rahmen von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zugunsten einer Radwegebenutzungspflicht ausfallen kann. Für Radfahrer ergibt sich – wie für andere Verkehrsteilnehmer auch – zudem weder aus der StVO noch aus anderen Bestimmungen ein Anspruch auf ein ungehindertes Fortkommen mit der maximal zulässigen Geschwindigkeit. Vielmehr folgt aus dem in § 1 StVO verankerten Rücksichtnahmegebot, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer an die Verkehrsverhältnisse anpassen muss (vgl. Sächsisches OVG, B. v. 10.07.2012 – 3 A 945/10 -, juris Rn. 18; VG Gelsenkirchen, U. v. 01.12.2009 – 14 K 5458/08 –, juris Rn. 108; VG Göttingen, U. v. 27.11.2003 – 1 A 1196/01 –, juris Rn. 51). Den Vorgaben der ERA 2010 lassen sich andererseits aber oftmals Anhaltspunkte für eine möglichst gefahrenarme Führung des Radverkehrs entnehmen bzw. Abweichungen von den Vorgaben können Anhaltspunkte für Gefahrenpotenziale anzeigen. Ist dies der Fall, muss die Straßenverkehrsbehörde sich mit diesen Gefahrenpotenzialen im Rahmen der Entscheidung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO begründet auseinandersetzen.

Das Ermessen der Beklagten ist – aus inhaltlich vergleichbaren Erwägungen wie zuvor dargelegt – schließlich auch nicht dahin gehend (auf Null) reduziert, dass nur die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht in Betracht kommt. Die Klage ist deswegen im Hauptantrag abzuweisen, weil der Kläger (derzeit) keinen gebundenen Anspruch gegen die Beklagte auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht hat. Die Beklagte hat wie zuvor dargelegt einen weiten verkehrspolitischen Ermessens- und Entscheidungsspielraum, wie sie die verkehrliche Konfliktsituation im Bereich des Altewiek- und des Hagenrings regelt. Dieser ist nicht von vornherein darauf beschränkt, (unter Beibehaltung der derzeitigen baulichen Situation) die Radwegebenutzungspflicht aufzuheben. Das erkennende Gericht folgt insoweit insbesondere nicht dem Einwand des Klägers, die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht sei zur Reduzierung von Straßenverkehrsgefahren in jedem Fall ungeeignet, sondern stets gefährlicher als das Fahren auf der Fahrbahn. Diese Einschätzung des Klägers ergibt sich bereits nicht aus dem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen V 184. Die Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die Autoren der Studie selbst darauf verweisen, dass sich bei Aufhebung einer Radwegebenutzungspflicht keine signifikante Veränderung der Unfallentwicklung ergeben habe (S.73). Unabhängig hiervon steht dem die Einschätzung der (aktuelleren) ERA 2010 entgegen, wonach die Führung auf einem Radsonderweg im Seitenbereich im Einzelfall geboten sein kann. Schließlich hat der Gesetzgeber die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht als im Einzelfall taugliches Mittel der Gefahrenabwehr weiterhin anerkannt.

Die erkennende Kammer konnte die Klage im Hauptantrag abweisen, ohne den hilfsweisen Beweisanträgen des Klägers entsprechen zu müssen. Die Beweisanträge waren abzulehnen.

Soweit der Kläger beantragt hat, es solle durch Augenschein Beweis darüber erhoben werden, dass 1. die streitgegenständlichen Radwege nicht die in der VwV-StVO genannten Mindestbreiten hätten, dass 2. die streitgegenständlichen Radwege nicht die in den ERA 2010 genannten Mindestbreiten hätten, dass 3. die streitgegenständlichen Radwege nicht die in den ERA 2010 vorgesehenen Schutzstreifen zu Autoparkflächen auf der einen Seite und Gehwegen auf der anderen Seite hätten, dass 4. die streitgegenständlichen Radwege in ihrer Linienführung nicht eindeutig und nicht stetig seien, dass 5. die streitgegenständlichen Radwege in ihrer Linienführung für Ortsfremde nicht eindeutig erkennbar seien, dass 6. die streitgegenständlichen Radwege nicht sicher benutzt werden könnten, dass 7. die Verkehrsfläche der streitgegenständlichen Radwege nicht nach den allgemeinen Regeln der Baukunst und Technik gebaut und unterhalten sei und dass es 8. in den streitgegenständlichen Straßen nicht durchgehend ausreichend Flächen für den Fußgängerverkehr gebe (vgl. Bl. 140 f. der Gerichtsakte), sind die Beweisanträge bereits in entsprechender Anwendung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als unzulässig abzulehnen, weil sie nicht auf die Feststellung von umstrittenen Tatsachen abzielen. Der Ausbauzustand der Radwege, ihre Linienführung und die Breiten ihrer Bestandteile sind von den Beteiligten umfassend vermessen bzw. durch Fotos dokumentiert. Streit über tatsächliche Aspekte besteht insoweit ausdrücklich nicht zwischen den Beteiligten. Soweit die Anträge vielmehr – als zu beweisende Umstände – implizieren, dass die vorhandenen Radwege von den Vorgaben der ERA 2010 bzw. der VwV-StVO abweichen, zielen sie auf (rechtliche) Bewertungen ab, die originär dem erkennenden Gericht obliegen und eines Beweises durch eine Inaugenscheinnahme nicht zugänglich sind (vgl. hierzu Vierhaus, Beweisrecht im Verwaltungsprozess, Rn. 148). Die Anträge zu 4., 5., 6. und 7 sind darüber hinaus auch deswegen unzulässig, weil die zu beweisenden „Tatsachen“ nicht hinreichend bestimmt benannt sind. Der Kläger hat weder Punkte noch Abschnitte der Radwege am Altewiek- und am Hagenring, auf die sich seine Beweisanträge beziehen sollen, konkret benannt. Dies wäre für die hinreichend bestimmte Behauptung einer zu beweisenden Tatsache (vgl. zu diesem Erfordernis Vierhaus, a.a.O., Rn. 55 f. m.w.N.) erforderlich gewesen, weil nach dem Inhalt der Beweisanträge nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie auf die Radwege in ihrer gesamten Länge bezogen sein sollen.

Soweit der Kläger beantragt hat, es solle durch Augenscheinseinnahme in die Evaluationsstudie der Bundesanstalt für Straßenwesen „Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern“, BASt V 184, Bergisch Gladbach 2009, die Tatsachen bewiesen werden, dass mit der Aufhebung von Radwegebenutzungspflichten in Deutschland bei ansonsten gleich bleibenden Randbedingungen regelmäßig keine Verschlechterung der Verkehrssicherheit für Radfahrer einhergehe, und umgekehrt, dass die Anordnung/Beibehaltung von Radwegebenutzungspflichten selbst auf hochbelasteten Straßen bis zu einer täglichen Verkehrsbelastung von 50.000 Kfz/Tag auf der Strecke zwischen den Knotenpunkten (also ohne Berücksichtigung wesentlicher Gefahrenmomente der Führung im Seitenraum in den Knotenpunkten) keinerlei Sicherheitsgewinn bringe (vgl. Bl. 141 der Gerichtsakte), musste die erkennende Kammer dem Antrag schon deshalb nicht entsprechen, weil die vom Kläger angeführte Studie (BASt V 184) dem Gericht vorgelegen hat und „in Augenschein“ genommen sowie bei der Entscheidung über die Klage berücksichtigt wurde.

Soweit der Kläger schließlich sinngemäß beantragt hat, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens solle bewiesen werden, „dass die streitgegenständlichen Radwege und Straßenabschnitte keine verkehrssicherheitsrelevanten Besonderheiten aufweisen gegenüber jenen Radwegen und Straßenabschnitten, die in der Evaluationsstudie der Bundesanstalt für Straßenwesen „Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern“, BASt V 184, Bergisch Gladbach 2009 untersucht wurden“, musste die Kammer dem Beweisantrag nicht entsprechen, weil der Antrag die zu beweisende Tatsache mit dem Begriff der „verkehrssicherheitsrelevanten Besonderheiten“ nicht hinreichend bestimmt bezeichnet hat und dieser zudem eine (rechtliche) Bewertung beinhaltet, die originär dem Gericht obliegt.