OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.03.2013 - 3 K 39/11
Fundstelle
openJur 2013, 29325
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 13 der Antragsgegnerin.

Sie ist Eigentümerin mehrerer Flurstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes. Drei Grundstücke sind mit Gebäuden bebaut und weisen eine Freifläche auf. Der Bebauungsplan setzt für die Freiflächen dieser Grundstücke überwiegend eine Nutzung als Grünfläche mit der Zweckbestimmung "Parkanlage (öffentlich)“ fest.

Am 17.02.2006 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin die Aufstellung von insgesamt zunächst 10 Bebauungsplänen, darunter den hier streitbefangenen. Eines der Plangebiete wurde im weiteren Verlauf des Verfahrens geteilt.

Am 24.01.2008 beschloss die Gemeindevertretung die Aufstellung der 2. Änderung und Ergänzung des Flächennutzungsplanes. Gleichzeitig billigte sie den Entwurf eines Rahmenplanes, der sodann zusammen mit der 2. Änderung des Flächennutzungsplanes Gegenstand eines Beteiligungsverfahrens war. Im Rahmen dieses Verfahrens nahm die Antragstellerin unter dem 04.04.2008 und unter dem 17.07.2008 Stellung.

Am 06.05.2008 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin den Rahmenplan und den Entwurf der 2. Änderung des Flächennutzungsplanes.

Am 16.10.2008 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin den Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 13. Der Beschluss wurde durch Aushang in der Zeit vom 03.11.2008 bis zum 19.11.2008 bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wurde auf die öffentliche Auslegung in der Zeit vom 18.11.2008 bis zum 18.12.2008 im Amt West-Rügen hingewiesen. In der Bekanntmachung hieß es: "Während dieser Auslegungsfrist können von jedermann Hinweise und Anregungen zum Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 13 schriftlich oder zur Niederschrift vorgebracht werden. Nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen werden bei der Beschlussfassung unberücksichtigt bleiben. Ein Antrag nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung ist unzulässig, soweit mit ihm Einwendungen geltend gemacht werden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden können."

Mit Schreiben des Amtes West-Rügen vom 30.10.2008 an die Träger öffentlicher Belange - einschließlich der Antragstellerin - wurden diese über die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanentwurfs gemäß § 3 Abs. 2 BauGB informiert. Gleichzeitig wurden sie im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB um Abgabe einer Stellungnahme zu dem Bebauungsplanentwurf bis zum 18.12.2008 gebeten.

Mit E-Mail vom 11.12.2008 beantragte die Antragstellerin "aufgrund der Vielzahl der Verfahren und der umfangreichen Unterlagen eine Fristverlängerung für die Abgabe ihrer Stellungnahmen für die 2. Änderung FNP und die 11 Bebauungspläne der Gemeinde Seebad Insel Hiddensee bis zum 09.01.2009". Ebenfalls mit E-Mail vom 11.12.2008 antwortete das Amt West-Rügen wie folgt: "Mit Ihrer Email vom 11.12.2008 beantragten Sie eine Fristverlängerung zur Abgabe Ihrer Stellungnahme im Rahmen der 2. Beteiligung zur 2. Änderung des FNP und der 1. Beteiligung zu den Bebauungsplänen Hiddensee gem. § 4 Abs. 2 BauGB. In den Kommentaren zu § 4 Abs. 2 BauGB wird von einer angemessenen Frist gesprochen. Eine Frist von einem Monat wird als angemessen eingeschätzt. Die nicht mögliche Einhaltung der genannten Frist durch Ihr Amt ist aus den von Ihnen genannten Gründen nachvollziehbar. Ihrem Antrag auf Fristverlängerung wird stattgegeben. Wir erwarten Ihre Stellungnahme zur Änderung des Flächennutzungsplanes und den Bebauungsplänen bis zum 09.01.2009."

Die Stellungnahme der Antragstellerin vom 09.01.2009 ging beim Amt West-Rügen per Post am 13.01.2009 ein. Auf dem Originalschreiben ist handschriftlich vermerkt "per Fax 09.01.09".

In ihrer Stellungnahme machte die Antragstellerin geltend, durch die sehr restriktive Ausweisung von Baugrundstücken und Baufenstern, die auch für die davon betroffenen Liegenschaften der Hansestadt Stralsund kaum Entwicklungsmöglichkeiten zulasse, weiche der Bebauungsplan von den Darstellungen des Flächennutzungsplanes deutlich ab, der in verschiedenen Teilbereichen insbesondere am „A.“ Entwicklungsspielräume sichere. Die Darstellung lasse auch befürchten, dass sie für alle erforderlichen grundstücksbezogenen Nutzungen einschließlich Freiraumnutzung nicht ausreichend dimensioniert seien. Aus der Planzeichnung sei nach wie vor nicht erkennbar, dass die besondere Erschließungssituation in Neuendorf so geordnet werden solle, wie es seinerzeit im gemeinsam entwickelten Zuordnungsplan vom 16.02.2001 ausgewiesen und im „Aufteilungsplan 1“ (B.) vom 09.07.2003 von der Antragsgegnerin und der Antragstellerin weiterentwickelt worden sei. Der Zuordnungsplan stelle aus der Sicht der Antragstellerin das mit der Antragsgegnerin einvernehmlich abgestimmte Ergebnis für eine geordnete städtebauliche Entwicklung in Neuendorf dar. Deshalb sei dieser Plan für Neuendorf als eine wesentliche Vorgabe der Bauleitplanung zu Grunde zu legen, da er außerdem auch die Interessen der Antragstellerin als Grundstückseigentümerin erheblich berühre.

Die Antragsgegnerin führte hierzu im Abwägungsprotokoll vom 05.05.2009 aus:

Auf Grund des geringen zur Verfügung stehenden Trinkwasserdargebots und der beschränkten Abwasserbehandlungskapazitäten könnten nur Baugebiete im gegebenen Rahmen ausgewiesen werden. Die vorliegende Bauleitplanung sei prinzipiell bestandsorientiert. Die angesprochenen zwischen der Antragstellerin und Antragsgegnerin getroffenen Vereinbarungen seien vor Erlass der Denkmalbereichsverordnung im Jahre 2005 getroffen worden, die gebiete, die Freiflächen von Bebauung und anderen Nutzungen freizuhalten. Letztlich führe die Antragstellerin eigentumsrechtliche Belange an. Sie sei aber als Nachbargemeinde und nicht auf Grund privater Besitztümer beteiligt worden.

Am 05.06.2009 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 13. Die Ausfertigung erfolgte am 08.09.2010. Der Bebauungsplan wurde durch Aushang vom 20.09. bis zum 08.10.2010 bekannt gemacht.

Am 14.09.2011 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag betreffend die Bebauungspläne Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 11 bis 15 gestellt. Der Senat hat mit Beschluss vom 16.09.2011 das Verfahren getrennt und hinsichtlich der einzelnen Bebauungspläne jeweils gesondert fortgeführt.

Die Antragstellerin trägt u.a. vor:

Der Antrag sei zulässig. Der Vorschrift des § 47 Abs. 2a BauGB könne nicht entnommen werden, dass die Präklusion automatisch eintrete. Bei der Abwägung dürften, wie sich auch aus § 4a Abs. 6 BauGB ergebe, auch verspätet vorgetragene Belange berücksichtigt werden. Dies habe die Antragsgegnerin auch getan. Im Übrigen seien die Einwände der Antragstellerin gegen die Planung der Antragsgegnerin seit langem und insbesondere vor Ablauf der Auslegungs- und Stellungnahmefrist bekannt gewesen, weil die Antragstellerin diese Einwände bereits früher im Aufstellungsverfahren und in anderen sachlich zusammenhängenden Planungsverfahren geltend gemacht habe. Eine Präklusion scheide auch wegen der hohen Bedeutung der eigentumsrechtlichen Belange der Antragstellerin aus.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 13 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt u.a. vor:

Eine Fristverlängerung könne im Rahmen des § 3 Abs. 2 BauGB nur durch Bekanntmachung erfolgen, nicht aber auf elektronischem Weg. Fristverlängerungen zu Gunsten einzelner Privater sehe das Gesetz nicht vor. Zudem sei die Verlängerung nur für die Beteiligung der Antragstellerin als Behörde ausgesprochen worden. Für die Antragstellerin hätten zwei Fristen gegolten: eine für die Beteiligung als Trägerin öffentlicher Belange und eine für die Beteiligung als Private. Erstere Frist sei verlängert worden, nicht aber die zweite. Die Ausführungen der Antragstellerin zur fehlenden Präklusion bezögen sich auf die Abwägung durch die Gemeinde und nicht auf die prozessuale Regelung des § 47 Abs. 2a VwGO. Die beiden Regelungen seien aber voneinander zu trennen. Die konkreten Eigentümereinwendungen seien der Antragsgegnerin erst durch die Stellungnahme mit Datum vom 09.01.2009 bekannt geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Verfahren 3 K 31, 35 und 36/11 und die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Vorgänge zum Rahmenplan, zur 2. Änderung des Flächennutzungsplans und zum Bebauungsplan Bezug genommen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg; er ist unzulässig. Die Antragstellerin ist mit ihren Einwendungen präkludiert, § 47 Abs. 2a VwGO.

Nach § 47 Abs. 2a VwGO ist der gegen einen Bebauungsplan gerichtete Antrag einer natürlichen oder juristischen Person unzulässig, wenn sie nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Die Vorschrift konkretisiert das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass bereits im Aufstellungsverfahren Mitwirkungsbefugnisse bestehen, die dem Ziel dienen, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial zuzuführen. Im Hinblick u.a. auf die Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und Verwaltungsgerichten sollen sachliche Einwendungen nicht ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden (BT-Drucks. 16/2496 S. 18). Mit der Forderung, dass Belange im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung geltend zu machen sind, will der Gesetzgeber eine lückenlose Zusammenstellung des Abwägungsmaterials gewährleisten und das öffentliche Interesse an der Vermeidung von - der Investitions- und Rechtssicherheit abträglichen - Abwägungsfehlern schützen (vgl. BT-Drucks. 16/2496 S. 11; zum Vorstehenden vgl. BVerwG, U. v. 24.03.2010 - 4 CN 3.09 - NVwZ 2010, 782; BVerwG, U. v. 18.11.2010 - 4 CN 3.10 - BVerwGE 138, 181 = NVwZ 2011, 441). Dabei verlangt die Vorschrift nur, dass der Antragsteller bei der Planaufstellung überhaupt rechtzeitig Einwendungen erhebt und jedenfalls eine dieser Einwendungen im Normenkontrollverfahren geltend macht. Der Antragsteller ist dann nicht gehindert, sich im Normenkontrollverfahren auch auf solche Einwendungen zu berufen, die er zuvor nicht geltend gemacht hat (BVerwG, U. v. 24.03.2010 - 4 CN 3.09 - NVwZ 2010, 782). Sind rechtzeitige Einwendungen nicht erhoben worden, so setzt der Eintritt der Präklusionsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO neben dem Hinweis auf den Einwendungsausschluss in der Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs voraus, dass diese Bekanntmachung fehlerfrei erfolgt und die öffentliche Auslegung des Planentwurfs ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

1. Die für die Geltendmachung der Einwendungen der Antragstellerin als Grundeigentümerin maßgebliche Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB lief im vorliegenden Fall vom 18.11.2008 bis zum 18.12.2008.

Die Auslegungsfrist beträgt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB einen Monat; die Auslegung des Planentwurfs in diesem Zeitraum ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen.

Die Art der ortsüblichen Bekanntmachung richtet sich nach kommunalrechtlichen Vorschriften (Gatz in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. Stand 11/12 § 3 Rn. 19). Gemäß § 9 Abs. 1 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin in der Fassung vom 02.02.2006 waren öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde durch Aushang an den dafür vorgesehenen Bekanntmachungstafeln vorzunehmen. Gemäß § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Hauptsatzung war die Bekanntmachung - in Einklang mit § 7 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung - mit Ablauf der Aushangfrist von 14 Tagen bewirkt, wobei der Tag des Aushangs und der Abnahme nicht mitzurechnen waren. Im vorliegenden Fall erfolgte die Auslegungsbekanntmachung durch Aushang in der Zeit vom 03.11. bis zum 19.11.2008; sie war daher in Anwendung der genannten Vorschriften mit Ablauf des 17.11.2008 bewirkt. Dass die Auslegung selbst bereits am 18.11.2008 begann, steht der Einhaltung der Wochenfrist des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB ("mindestens eine Woche vorher") nicht entgegen. Die Wochenfrist des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB beginnt im Falle der Bekanntmachung durch Aushang nicht erst dann zu laufen, wenn die ortsübliche Bekanntmachungsfrist abgelaufen ist. Vielmehr laufen die Bekanntmachungsfrist und die Wochenfrist des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nebeneinander. Grund dafür ist, dass durch das Baugesetzbuch lediglich eine in jedem Fall zu wahrende Mindestfrist geregelt werden soll, damit sich die Bürger auf die anschließende Offenlage einrichten können. Dieser Sinn und Zweck macht es nicht erforderlich, in der Bekanntmachungsfrist eine noch zusätzliche Zwischenfrist zu sehen (vgl. BVerwG, U. v. 07.05.1971 - 4 C 76.68 - BRS 24 Nr. 15; OVG Münster, U. v. 12.02.2009 - 7 D 19/08.NE - Juris Rn. 48).

2. Die im Rahmen des § 47 Abs. 2a VwGO maßgebliche Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB ist nicht zu Gunsten der Antragstellerin verlängert worden.

a) Die Fristverlängerung bis zum 09.01.2009, die das Amt West-Rügen für die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit E-Mail vom 11.12.2008 gewährte, bezog sich auf die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB und nicht auf die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB.

Der von der Antragstellerin am 11.12.2008 per E-Mail gestellte Fristverlängerungsantrag konnte seinem Wortlaut nach nicht eindeutig der Öffentlichkeitsbeteiligung oder der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zugeordnet werden. Nach dem Inhalt der Antwort-E-Mail des Amtes West-Rügen hat dieses den Antrag jedoch ausdrücklich auf § 4 Abs. 2 BauGB bezogen und ausdrücklich nach dieser Vorschrift eine Fristverlängerung gewährt. Der Satz „Ihrem Antrag auf Fristverlängerung wird stattgegeben.“ kann nicht isoliert von den vorangehenden Sätzen verstanden werden. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass auch die Frist zur Stellungnahme nach § 3 Abs. 2 BauGB verlängert werden sollte, ergeben sich aus der E-Mail des Amtes West-Rügen nicht.

Diese Zuordnung ist auch konsequent: Die Antragstellerin war vom Amt West-Rügen als Trägerin öffentlicher Belange angeschrieben worden. Ausschließlich hierauf bezog sich die im zweiten Abschnitt des Schreibens vom 30.10.2008 gesetzte Frist bis zum 18.12.2008. Der mit der Beteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB zugleich erfolgte Hinweis auf die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BauGB bedeutete nicht, dass die Antragsgegnerin davon ausgehen musste, dass der Fristverlängerungsantrag der Antragstellerin sowohl deren Beteiligung als Trägerin öffentlicher Belange als auch ihre Möglichkeit zur Äußerung im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung betreffen sollte.

b) Eine Verlängerung der Äußerungsfrist im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB mit der Folge einer Vermeidung der Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO zu Gunsten der Antragstellerin wäre im Übrigen in dieser Form rechtlich nicht möglich gewesen.

Allerdings mag die Auslegungsfrist des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der Begründung verlängert werden können, dass die im Gesetz geregelte Monatsfrist gesetzlich nicht zwingend ist, sondern nur eine Mindestfrist darstellt, so dass die Gemeinde den Entwurf des Bebauungsplans auch von vornherein für einen längeren Zeitraum auslegen kann (vgl. Gatz aaO Rn 18; Krautzberger aaO Rn. 44). Dann müsste die Verlängerung der Auslegungsfrist jedoch auch in der Form des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB bekannt gemacht werden, d.h. die Bekanntmachung der verlängerten Auslegungsfrist hätte mit dem Hinweis, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können, mindestens eine Woche vorher ortsüblich - d.h. durch öffentliche Bekanntmachung – zu erfolgen. Ferner müsste die Auslegung auch in diesem verlängerten Zeitraum fortdauern.

Darum geht es hier jedoch nicht. Eine Verlängerung der Auslegungsfrist ist nicht erfolgt und auch nicht beantragt worden. Eine isolierte Verlängerung der Frist zur Abgabe von Stellungnahmen unabhängig von der Dauer der Auslegung ist nicht möglich. Erst recht gilt dies für eine Verlängerung dieser Frist lediglich zu Gunsten eines einzelnen Privaten. Die Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung ist an die Dauer der Auslegung gekoppelt und gilt - dem Charakter der Öffentlichkeitsbeteiligung entsprechend - für alle Privaten gleichermaßen. Anders als bei den jeweils einzeln unmittelbar angeschriebenen Trägern öffentlicher Belange wäre es systemfremd, Einzelnen auf Antrag die Möglichkeit zu eröffnen, innerhalb einer verlängerten Frist vorzutragen; das Gesetz sieht dies nicht vor. In ihrer prozessualen Wirkung im Rahmen des § 47 Abs. 2a VwGO handelt es sich damit um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann.

3. Die Antragstellerin macht im Normenkontrollverfahren nur Einwendungen geltend, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung verspätet geltend gemacht hat, aber fristgerecht hätte geltend machen können.

Während der Auslegungsfrist vom 18.11.2008 bis zum 18.12.2008 hat die Antragstellerin keine Einwendungen geltend gemacht. Ihre Einwendungen, mit denen sie sich als Grundstückseigentümerin äußerte, sind vielmehr erst am 09.01.2009 und damit verspätet beim Amt West-Rügen eingegangen. Dass eine fristgerechte Geltendmachung nicht möglich gewesen wäre, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor. Im Gegenteil beruft sie sich darauf, entsprechende Einwendungen bereits zuvor in den Verfahren zur Aufstellung des städtebaulichen Rahmenplanes und zur Änderung des Flächennutzungsplanes geltend gemacht zu haben. Daraus ergibt sich, dass ihr dies auch im hiesigen Verfahren kurzfristig möglich gewesen wäre, zumal die Vermeidung der Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO nicht verlangt, dass alle Einwendungen geltend gemacht werden, und an das Vorliegen von Einwendungen keine hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2010 – 4 CN 3.10 – BverwGE 128, 181 = Juris Rn. 12).

Auf die Frage, ob die Antragsgegnerin die Einwände der Antragstellerin gegen den Planentwurf möglicherweise aus anderen Verfahren oder früheren Verfahrensschritten kannte oder diese Belange sich aufdrängen mussten, kommt es nicht an.

§ 47 Abs. 2a VwGO unterscheidet seinem Wortlaut nach nicht danach, ob die Einwendungen Belange betreffen, die für die planende Stelle ohne Weiteres als abwägungserheblich ersichtlich sind, oder Belange, die erst dadurch ins Blickfeld rücken, dass sie im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung von den Betroffenen geltend gemacht werden. Der Verzicht auf diese Differenzierung ist nach Sinn und Zweck der Norm beabsichtigt. Die Regelung hat zum Ziel, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial hinzuzufügen und im Hinblick auf die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und den Verwaltungsgerichten zu verhindern, dass sachliche Einwendungen ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden. Dieses Ziel ist nicht nur für den Fall relevant, dass abwägungsbeachtliche Belange erst aufgrund ihrer Geltendmachung durch Betroffene für die Gemeinde sichtbar werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass auch auf der Hand liegende Belange von der Gemeinde übersehen und nicht - wie geboten - in die Abwägung eingestellt werden. Mit der Forderung, dass solche Belange im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ebenfalls geltend zu machen sind, will der Gesetzgeber eine lückenlose Zusammenstellung des Abwägungsmaterials gewährleisten und das öffentliche Interesse an der Vermeidung von - der Investitions- und Rechtssicherheit abträglichen - Abwägungsfehlern schützen. Auch hätte § 47 Abs. 2a VwGO keinen eigenständigen, über den bisherigen Rechtszustand hinausgehenden Regelungsgehalt, wenn er nur Einwendungen erfasste, mit denen für die Gemeinde nicht sichtbare, der Planung widerstreitende Belange geltend gemacht würden. Bereits vor Inkrafttreten des § 47 Abs. 2a VwGO zum 01.01.2007 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags wegen fehlender Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) angenommen, wenn der Antragsteller einen Verstoß gegen das Abwägungsgebot wegen der Missachtung oder Fehlgewichtung eines Belangs rügte, der für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Bebauungsplan nicht erkennbar war. Eine weitergehende Bedeutung kommt der Präklusionsnorm des § 47 Abs. 2a VwGO mithin nur dann zu, wenn sie auch Einwendungen einschließt, die sich aufdrängende Belange zum Gegenstand haben. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber auf die Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beschränken wollte, sind nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2010 – 4 CN 3.10 – BVerwGE 128, 181 mwN).

Dass ein Antragsteller vor der Planaufstellung oder in einem anderen Verfahren Einwände gegen die Planung formuliert hat, kann nicht mit einer Einwendungserhebung iSv § 47 Abs. 2a VwGO gleichgesetzt werden. § 47 Abs. 2a VwGO bezieht sich ausdrücklich auf die öffentliche Auslegung in dem betreffenden Planaufstellungsverfahren. Der Zweck dieser Vorschrift kann nur dann erreicht werden, wenn sich jeder potentiell Planbetroffene im Rahmen des dafür vorgesehenen Beteiligungsverfahrens in die Planaufstellung einbringt. Ansonsten kann der Plangeber die abwägungsrelevanten Belange nicht so bündeln und berücksichtigen, wie §§ 47 Abs. 2a VwGO, 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB es ihm ermöglichen wollen. Selbst wenn ein betroffener Grundstückseigentümer sich im Vorfeld der Planung gegen diese ausgesprochen hat, muss für die Gemeinde nicht auf der Hand liegen, welche Belange dieser Eigentümer letztendlich gegen die Planung ins Feld führen will. Die Anschauungen dieses Grundstückseigentümers können sich wandeln und von der jeweiligen konkreten Ausgestaltung der Planung abhängen, die ihrerseits im Lauf des Aufstellungsverfahrens einem Wandel unterliegen kann. Würde dieser Grundstückseigentümer deshalb aus der Einwendungsobliegenheit entlassen, bestünde für die Gemeinde das Risiko, dass sie dessen konkrete Interessen bei der Abwägung verkennt und nicht mehr vor dem Satzungsbeschluss in die Entscheidung einstellen kann. Mit diesen konkreten Einwendungen wäre sie erst in einem nachfolgenden Normenkontrollverfahren konfrontiert und könnte auf sie wegen § 214 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BauGB nicht mehr ohne Weiteres mit einer verfahrensimmanenten Plankorrektur reagieren (OVG Münster, U. v. 19.12.2011 – 2 D 14/10.NE – DVBl 2012, 520 mwN; vgl. a. OEufach0000000005, U. v. 21.11.2012 – 3 K 10/11 – S. 14 f. mwN).

4. Auf die Rechtsfolge der Präklusion ist im Rahmen der Beteiligung ordnungsgemäß hingewiesen worden. Der Hinweis auf § 47 Abs. 2a VwGO in der Auslegungsbekanntmachung ist zutreffend. Er entspricht dem Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 2.Hs. BauGB, was trotz der von § 47 Abs. 2a VwGO abweichenden Formulierung unschädlich ist (BVerwG U. v. 27.10.2010 - 4 CN 4.09 - NVwZ 2011, 309).

Allerdings ist der Hinweis darauf, dass verspätete Stellungnahmen bei der Abwägung unberücksichtigt bleiben "werden", unzutreffend. Der Gesetzeswortlaut verlangt insoweit in § 3 Abs. 2 Satz 2, 2.Hs. BauGB den Hinweis, dass - wie es der materiellen Rechtslage entspricht, vgl. § 4a Abs. 6 Satz 1 BauGB - verspätete Stellungnahmen unberücksichtigt bleiben "können". Dieser Fehler betrifft aber nicht den Hinweis auf die Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO. Bei den beiden Präklusionshinweisen, die § 3 Abs. 2 Satz 2, 2.Hs. BauGB regelt, handelt es sich um unterschiedliche Bestimmungen, die unterschiedliche Verfahren betreffen und unterschiedliche Rechtsfolgen benennen. Sie sind auch zu verschiedenen Zeitpunkten in das Gesetz aufgenommen worden. Die Verpflichtung zum Hinweis auf die mit dem Ablauf der Auslegungsfrist verbundene materielle Präklusion nach Maßgabe des § 4a Abs. 6 BauGB ist mit dem EAG Bau vom 24.06.2004 (BGBl. I S. 1359) mit Wirkung zum 20.07.2004 eingeführt worden, die Verpflichtung zum Hinweis auf die formelle Präklusion gemäß § 47 Abs. 2a VwGO mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3316) mit Wirkung zum 01.01.2007. Die beiden Hinweise sind daher jeweils rechtlich getrennt zu behandeln, so dass sich die Fehlerhaftigkeit des Hinweises auf die eine Präklusion nicht auf den Hinweis auf die andere auswirkt.

5. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin verstößt es auch nicht gegen Treu und Glauben, ihr die Präklusionsbestimmung des § 47 Abs. 2a VwGO entgegen zu halten. Sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Antragsgegnerin habe das Recht verwirkt, sich auf die Unzulässigkeit der Verlängerung der Stellungnahmefrist nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu berufen, bzw. die Antragsgegnerin habe einen Vertrauenstatbestand dahin gehend geschaffen, dass sie die rechtliche Unzulässigkeit der Verlängerung der Frist des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht geltend machen werde. Im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin nicht befugt ist, über die Prozessvoraussetzung des § 47 Abs. 2a VwGO zu verfügen - Prozessvoraussetzungen sind grundsätzlich für die Beteiligten unverfügbar und müssen objektiv vorliegen – erscheint bereits zweifelhaft, ob überhaupt in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Anwendung des § 47 Abs. 2a VwGO wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ausscheiden kann (bejahend OVG Münster, U. v. 19.12.2011 – 2 D 14/10.NE – DVBl 2012, 520 mwN). Jedenfalls aber liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Insbesondere hat das Amt West-Rügen für die Antragsgegnerin nicht die Erklärung abgegeben, die Einwendungen der Antragstellerin als Private würden auch nach Ablauf der Stellungnahmefrist des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB berücksichtigt und eine Fristversäumung würde ihr im weiteren Verfahrensverlauf nicht entgegen gehalten.

Durch die Präklusionsfolge wird die Antragstellerin auch nicht rechtlos gestellt. Denn § 47 Abs. 2a VwGO gilt nur für das Normenkontrollverfahren, bezieht sich jedoch nicht auf die Inzidentkontrolle eines Bebauungsplanes im Rahmen eines Klageverfahrens, in dem um die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides gestritten wird (vgl. OVG Münster aaO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.