LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.01.2013 - L 11 EG 2693/12
Fundstelle
openJur 2013, 28929
  • Rkr:

Später als drei Wochen nach Ablauf eines Kalenderjahres im Folgejahr (hier: April 2011) ausbezahlte Gehaltsnachzahlungen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden, bleiben für die Bemessung des Elterngeldes unberücksichtigt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.05.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Im Streit steht die Höhe des Elterngeldes für das Kind F. C. B. (im Folgenden: F).

Die im Jahr 1969 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter des am 05.01.2011 geborenen F. Sie lebt mit F und dem am 28.04.2007 geborenen Kind E. H. in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht F selbst. Sie ist seit Juni 1998 bei der T. S. S. G. GmbH abhängig beschäftigt.

Vor der Geburt von F bezog die Klägerin vom 01.12.2009 bis 25.04.2010 Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit. Anschließend bezog sie bis 25.10.2010 aufgrund einer nicht schwangerschaftsbedingten Erkrankung Krankengeld und einen Krankengeldzuschuss von ihrem Arbeitgeber. Insgesamt bezog sie von ihrem Arbeitgeber in diesem Zeitraum laufende Einkünfte (ohne Einmalzahlungen in Form von Urlaubsgeld, geldwertem Vorteil und Tantiemen) in Höhe von 15.796,09 EUR brutto, auf die Steuern in Höhe von 3.222,25 EUR und Sozialabgaben in Höhe von 1.565,16 EUR entfielen (= 11.008,68 EUR netto). Ab dem 26.10.2010 zahlte der Arbeitgeber zunächst kein Arbeitsentgelt mehr. Bereits ab dem 13.09.2010 unterlag die Klägerin einem individuellen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG), dem keine schwangerschaftsbedingte Erkrankung zugrundelag. Ab dem 09.12.2010 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich.

Nach der Geburt von F war die Klägerin nicht erwerbstätig. Sie bezog noch bis 17.03.2011 Mutterschaftsgeld. Im Abrechnungsmonat April 2011 erhielt die Klägerin nach einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung von ihrem Arbeitgeber Gehalt nachgezahlt für die Monate September 2010 bis einschließlich März 2011. Im Lohnsteuerabzugsverfahren wurden die Nachzahlungen als sonstige Bezüge behandelt. Die Nachzahlungen wurden dem Gesamtbrutto des Monats April 2011 zugeordnet. Folgende Nachberechnungen ergaben sich:

Monat BezeichnungBruttoSteuernSozialversicherungSeptember 2010Gehalt1.943,78 EUR0,00 EUR512,74 EUROktober 2010Gehalt3.523,17 EUR0,00 EUR854,57 EURNovember 2010Gehalt4.597,00 EUR0,00 EUR854,57 EURDezember 2010Gehalt/Mutterschaftsgeld2.332,41 EUR0,00 EUR223,40 EURJanuar 2011Mutterschaftsgeld1.544,73 EUR0,00 EUR0,00 EURFebruar 2011Mutterschaftsgeld1.395,24 EUR0,00 EUR0,00 EURMärz 2011Mutterschaftsgeld847,11 EUR0,00 EUR0,00 EUR

Am 11.03.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von F. Dabei gab sie an, dass ihr Arbeitgeber seit dem 13.09.2010 kein Arbeitsentgelt mehr bezahlt habe, obwohl sie Anspruch darauf habe. Sie habe deshalb Klage gegen ihren Arbeitgeber erhoben. Auch der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld sei Teil des Rechtsstreits. Mit Bescheid vom 19.04.2011 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den vierten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von monatlich 631,94 EUR. Nach Vorlage der Arbeitgeberbescheinigung über den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, werde der Elterngeldanspruch für die Lebensmonate 1 bis 3 überprüft. Hiergegen legte die Klägerin am 17.05.2011 vorsorglich Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 01.06.2011 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den dritten Lebensmonat in Höhe von 366,93 EUR. Am 18.08.2011 gingen bei der Beklagten die nachträglich geänderten Gehaltsabrechnungen für die Monate September 2010 bis einschließlich März 2011 ein. Mit Änderungsbescheid vom 09.09.2011 stellte die Beklagte fest, dass sich unter Berücksichtigung der geänderten Gehaltsabrechnungen keine Änderung des Bescheides vom 01.06.2011 ergebe. Im Lohnsteuerabzugsverfahren steuerrechtlich als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen könnten bei der Berechnung des Elterngeldanspruches nicht berücksichtigt werden. Hiergegen legte die Klägerin am 23.09.2011 mit der Begründung Widerspruch ein, das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass für den Bemessungszeitraum nachgezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung Berücksichtigung finden müsse. Daran habe sich durch die Neufassung des Gesetzes nichts geändert. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2011 (zugestellt am 10.10.2011) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde angegeben, die angeführte Rechtsprechung sei nach Änderung des Gesetzes nicht mehr maßgebend. Nach der Neufassung des § 2 Abs 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei allein die Behandlung der Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge ausschlaggebend. Ob es sich um Nachzahlungen von eigentlich laufenden Bezügen für das vergangene Jahr handele, sei irrelevant.

Am 10.11.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, die Beklagte müsse das verspätet bezahlte Arbeitsentgelt bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigen. Die Klägerin habe den Anspruch auf das nachgezahlte Entgelt während des Bemessungszeitraums erworben. Die verspätete Zahlung sei allein vom Arbeitgeber zu vertreten. Dass die Klägerin gezwungen gewesen sei, ihr Arbeitsentgelt gerichtlich geltend zu machen, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Das BSG habe bereits entschieden, dass für den Bemessungszeitraum nachgezahltes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sei. Der Gesetzgeber habe dies nicht ändern wollen. Die geänderte Norm in § 2 Abs 7 BEEG beziehe sich allein auf Bezüge, die sich aus der Perspektive des Bemessungszeitraums als periodenfremde Einnahmen darstellten. Solche Einkünfte stünden vorliegend nicht in Rede. Die Beklagte berücksichtige nicht den Sinn und Zweck der Regelung sowie die Systematik des Gesetzes. Danach sei § 2 Abs 7 BEEG teleologisch zu reduzieren. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand sei damit nicht verbunden, da auch für die verspäteten Zahlungen Lohn- und Gehaltsabrechnungen vorlägen. Eine Nichtberücksichtigung sei aus Gleichheitsgründen nicht zulässig.

Mit Urteil vom 23.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, aus der aktuellen Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass mit der Neuregelung des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG eine inhaltliche Änderung erfolgt sei, so dass die bisherige Rechtsprechung zur alten Fassung für die Neureglung keine Anwendung finden könne. Aus der Gesetzesbegründung gehe eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zum modifizierten Zuflussprinzip neu gefasst habe. Angesichts des eindeutigen Wortlauts und der Gesetzesbegründung könne eine Berücksichtigung des nachgezahlten Arbeitsentgelts nicht erfolgen. Der Klägerin sei zwar zuzugestehen, dass dies eine Härte darstelle. Der Gesetzgeber habe jedoch diese Fallkonstellation im Blick gehabt und zuungunsten der Elterngeldberechtigten entschieden. Da es sich beim Elterngeld um eine steuerfinanzierte und nicht beitragsfinanzierte Leistung handele, besitze der Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.06.2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung ihre Argumentation wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen, in der Gesetzesbegründung werde die vorliegende Konstellation nicht erwähnt. Es sei dem Gesetzgeber darum gegangen, nur Einkünfte, die dem Bemessungszeitraum zuzuordnen sind, zu berücksichtigen und solche, die zwar in diesem gezahlt würden, sich aber nicht auf ihn bezögen, auszunehmen. Nach Sinn und Zweck der Reglungen sei das Einkommen zugrundezulegen, das die Mutter typischerweise verdiene. Es sei kein Grund ersichtlich, rechtswidrig verspätete Zahlungen hiervon auszunehmen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.05.2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 01.06.2011 und den Bescheid vom 09.09.2011, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2011, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin höheres Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des am 05.01.2011 geborenen Kindes F. C. B. unter Berücksichtigung des für den Bemessungszeitraum nachgezahlten Arbeitsentgelts zu gewähren,

hilfsweise die Beklagte zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.04.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 01.06.2011 und der Bescheid vom 09.09.2011, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2011, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (< BEEG >; Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748).

Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im Bezugszeitraum vom 05.01.2011 bis 04.01.2012 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit dem am 05.01.2011 geborenen F in einem Haushalt, betreute und erzog ihn und übte während des streitigen Zeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.

Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 09.12.2010, gültig ab 01.01.2011, BGBl I 1885). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.§ 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300,00 EUR vor. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven im Inland zu versteuernden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 EUR war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 EUR unterschreitet, auf bis zu 100 % (§ 2 Abs 2 Satz 1 BEEG). Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt (§ 2 Abs 3 Satz 1 BEEG). Als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist dabei nach § 2 Abs 3 Satz 2 BEEG höchstens der Betrag von 2.700,00 EUR anzusetzen.

Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG) unterliegt den Einschränkungen des § 2 Abs 7 Sätze 5 bis 7 BEEG. Danach bleiben ua Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist. Unter Anwendung dieser Regelungen fällt der Monat Dezember 2010 nicht mit in den Bemessungszeitraum, da die Klägerin ab dem 09.12.2010 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Das ab dem 13.09.2010 bestehende Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG führt dagegen nicht zu einer Verschiebung des Zeitraums für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens. Denn das Gesetz verlangt nicht lediglich ein Beschäftigungsverbot, sondern eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung und einen darauf zurückzuführenden Einkommensverlust. Nach ihren eigenen Angaben war die Klägerin ab dem 13.09.2010 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Darüber hinaus fehlt es an einem kausalen Wegfall des Einkommens. Sie hat für diese Monate Gehalt von ihrem Arbeitgeber erhalten. Eine zeitlich verzögerte Auszahlung genügt für die Annahme eines Wegfalls nicht. Damit reicht der Bemessungszeitraum vom 01.12.2009 bis 30.11.2010.

Nach § 2 Abs 7 Satz 1 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchstabe a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt (§ 2 Abs 7 Satz 2 BEEG). Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil (§ 2 Abs 7 Satz 3 BEEG). Grundlage der Einkommensermittlung sind nach § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG ua die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.

Unter Anwendung dieser Regelungen ist im Bemessungszeitraum lediglich das laufende Bruttoeinkommen der Klägerin in Höhe von 15.796,09 EUR anzusetzen. Die im Bemessungszeitraum zugeflossenen einmaligen Einnahmen (Urlaubsgeld, geldwerter Vorteil und Tantieme) und das im April 2011 nachgezahlte Arbeitsentgelt für die Monate September bis November 2010 können nicht berücksichtigt werden. Denn insoweit handelt es sich um im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen im Sinne des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG.

In Bezug auf die im Bemessungszeitraum einmaligen, anlassbezogenen Zahlungen (Urlaubsgeld, geldwerter Vorteil und Tantiemen) ergibt sich bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des BEEG, dass der Gesetzgeber solche Einnahmen in das Bemessungseinkommen nicht mit einfließen lassen wollte. Die Bemessung des Elterngeldes sollte sich an dem zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen ausrichten (BT-Drs 16/1889 S 21), um insbesondere auch Reduzierungen des Elterngeldanspruchs durch den Zufluss einmaliger Bezüge in der Zeit nach der Geburt des Kindes zu vermeiden (BT-Drs 16/2785 S 37). Dieser Wille des Gesetzgebers hat in der zum 01.01.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG seinen Niederschlag gefunden. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Damit sollten die Auswirkungen der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 03.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden (BSG 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R, juris). Wörtlich wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/3030 S 48 zu Art 13 der Entwurfsfassung) ausgeführt:

Die Neufassung des Satzes 2 dient zum einen der Sicherstellung einer verwaltungspraktikablen Feststellbarkeit von sonstigen Bezügen im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38a Absatz 1 Satz 3 und § 39b des Einkommensteuergesetzes als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen sind bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen (anders zur bisherigen Rechtslage: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 3/09 R, betreffend Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von R § 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 LStR 2008, die für Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgen und deswegen als sonstige Bezüge versteuert werden).

Zum anderen werden durch die Regelung des neuen Satzes 2 pauschal besteuerte Einnahmen nicht berücksichtigt. Dies bewirkt, dass nur Einnahmen, die von der Antrag stellenden Person zu versteuern sind, bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden.

Der Wortlaut des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG (...als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen ...) macht im Zusammenhang mit der Regelung in § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG (Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.) deutlich, dass es für die Zeit ab 01.01.2011 entscheidend darauf ankommt, wie der Arbeitgeber die Bezüge steuerrechtlich behandelt hat. Ob die Beklagte (und im Klageverfahren das Gericht) dennoch auch weiterhin verpflichtet ist, genau zu prüfen, ob es sich bei den Zahlungen des Arbeitgebers um sonstige Bezüge oder um laufenden Arbeitslohn handelt, ist fraglich, weil dies eine Abkehr von der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten und auch vorgeschriebenen verwaltungspraktikablen Feststellung wäre, kann aber im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn diese Prüfung besteht nach der Rechtsprechung des BSG nur in den Fällen, in denen bestimmte Zahlungen mindestens zweimal im Bemessungszeitraum erfolgten (Urteil vom 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R, juris). Das Urlaubsgeld, der geldwerte Vorteil und die im März 2010 einmalig gewährten Tantiemen, die jeweils in den Gehaltsabrechnungen als sonstiger Bezug behandelt werden (getrennte Lohnsteuerberechnung für Einmalbezüge), wurden im Bemessungszeitraum nur einmal gezahlt.

Nichts anderes gilt für das im April 2011 nachgezahlte Arbeitsentgelt für die Monate September bis November 2010. Das BSG hatte zur alten Fassung des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG entschieden (Urteil vom 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, juris-RdNr 36f), dass die Besonderheiten nicht zu berücksichtigen seien, die sich aus dem Umstand ergeben, dass die Lohnsteuer Jahreslohnsteuer ist und sich nach dem Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezieht, bemisst, da § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG allein auf den Begriff der sonstigen Bezüge verweise und nicht auf die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahren ergeben sich aus § 39b EStG. Er bestimmt in Abs 5 Satz 1, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein länger als der Zahlungszeitraum laufender Abrechnungszeitraum als Zahlungszeitraum behandelt und die Lohnsteuer bei der Lohnabrechnung einbehalten werden kann. Nach § 39b Abs 5 Satz 2 EStG gilt dies allerdings nicht, wenn der Lohnabrechnungszeitraum fünf Wochen übersteigt oder die Lohnabrechnung nicht innerhalb von drei Wochen nach dessen Ablauf erfolgt. Da die Lohnsteuer gemäß § 38a Abs 1 Satz 1 EStG Jahreslohnsteuer ist, die sich nach dem im Kalenderjahr bezogenen Jahresarbeitslohn bemisst, bedeutet dies für Abrechnungen, die sich auf den Lohnzahlungszeitraum Dezember beziehen und erst im Januar des Folgejahres vorgenommen werden, dass diese steuerrechtlich nur dann noch dem Dezember (Lohnzahlungszeitraum) zuzuordnen sind, wenn sie innerhalb der ersten 3 Wochen des Januars erfolgen. Dieser gesetzlichen Regelung folgt R 115 Abs 2 Nr 8 Satz 2 LStR (= R 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nr 8 LStH), worin Nachzahlungen als sonstiger Bezug bezeichnet werden, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt. Dies führt dazu, dass zu spät ausgezahlte Nachzahlungen von Arbeitslohn gemäß § 38a Abs 1 Satz 3 EStG als sonstige Bezüge dem folgenden Kalenderjahr zuzuordnen und entsprechend lohnsteuermäßig zu behandeln sind. Diese Besonderheit des Lohnsteuerabzugsverfahrens war für die Berechnung des Elterngeldes nach der alten Fassung des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG nicht relevant, da das Gesetz allein auf den Begriff der sonstigen Bezüge verwies (BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, juris-RdNr 36f).

Anders als die alte Fassung des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG nimmt die Neureglung nunmehr das Lohnsteuerabzugsverfahren in Bezug. Dies hat zur Folge, dass erst später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres im Folgejahr erfolgten Gehaltszahlungen für die Bemessung des Elterngeldes unberücksichtigt zu bleiben haben (so ausdrücklich BSG 18.08.2011, B 10 EG 5/11 R, juris-RdNr 32 und BSG 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R, juris-RdNr 62; LSG Niedersachsen-Bremen 18.07.2012, L 2 EG 21/11, juris). Aus den Gesetzesmaterialen ergibt sich, dass gerade die zitierte Rechtsprechung des BSG zur alten Fassung mit der Neuregelung korrigiert werden sollte. In der Gesetzesbegründung wird nicht nur die Entscheidung des BSG vom 03.12.2009 (B 10 EG 2/09 R) aufgeführt, sondern auch ausdrücklich die Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von R § 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nr 8 LStR 2008, die für Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgen und deswegen als sonstige Bezüge versteuert werden, genannt (vgl BT-Drucks aaO). Die Änderung soll eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherstellen und damit eine Vereinfachung der Elterngeldberechnung bewirken (vgl BT-Drucks aaO).

Der Wortlaut der Neuregelung ist eindeutig und einer Auslegung dahingehend, dass nachträglich für den Bemessungszeitraum ausbezahlte Gehaltsnachzahlungen mit einzubeziehen sind, obwohl sie im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden, nicht zugänglich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des dokumentierten gesetzgeberischen Willens, der sich auch im Wortlaut der geänderten Norm niedergeschlagen hat. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ergibt sich daraus nicht. Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl BVerfG 7.12.2010, 1 BvR 2628/07, juris-RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen (BSG 17.02.2011, B 10 EG 17/09 R, juris-RdNr 68 mwN, zur Verfassungsmäßigkeit des Anknüpfens an das im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes bezogene Einkommen aus Erwerbstätigkeit). Die Unterscheidung nach der steuerlichen Behandlung lässt sich mit der angeführten Verwaltungspraktikabilität hinreichend sachlich begründen. Zutreffend ist zwar, dass nachträglich erstellte bzw korrigierte Gehaltsabrechnungen eine Zuordnung des Arbeitsentgelts zum Bemessungszeitraum ohne größeren Aufwand ermöglichen. Aufgrund der Versteuerung als sonstige Bezüge außerhalb des Bemessungszeitraums ist die Höhe der Steuern für die einzelnen Monatsentgelte dagegen nicht ohne Weiteres erkennbar. Im Fall einer Berücksichtigung wären die Steuern von der Beklagten selbst zu berechnen. Zudem ermöglicht die Nichtberücksichtigung solcher Zahlungen eine beschleunigte Bewilligung von Elterngeld in endgültiger Höhe. Schließlich widerspricht die gesetzliche Neuregelung auch nicht Sinn und Zweck des Elterngeldes, das sich an dem vorgeburtlichen Einkommen orientieren soll, das dem Elternteil zur Verfügung stand. Arbeitsentgelt, das im Bemessungszeitraum - wenn auch zu Unrecht - nicht zugeflossen ist, hat die individuelle vorgeburtliche Lebenssituation gerade nicht geprägt (allg zu Sinn und Zweck des Elterngeldes vgl BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, juris-RdNr 32f).

Damit hat die Beklagte der Elterngeldberechnung zutreffend ein vorgeburtliches Einkommen von 15.796,09 EUR abzüglich Steuern in Höhe von 3.222,25 EUR, Sozialabgaben in Höhe von 1.565,16 EUR und Werbungskostenpauschale zugrundegelegt. Ob - wie die Beklagte annimmt - nur anteilig elf Zwölftel der Werbungskostenpauschale nach § 9a Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchstabe a EStG (in der für die Jahr 2009 und 2010 gültigen Fassung) in Höhe von 843,37 EUR (920,00 EUR : 12 x 11) abzusetzen ist, da die Klägerin die Einkünfte nicht in einem Jahr, sondern in elf Monaten erwirtschaftet hat, kann offen bleiben. Denn die Rechenweise der Beklagten gereicht der Klägerin vorliegend nur zum Vorteil. Unter Ansatz des von der Beklagten angesetzten Betrages errechnen sich höhere vorgeburtliche Einkünfte, nämlich insgesamt in Höhe von 10.165,31 EUR, dh monatlich durchschnittlich 847,11 EUR.

Da nachgeburtlich keine Einkünfte erzielt wurden, ist eine Differenzberechnung nicht vorzunehmen (§ 2 Abs 3 BEEG). Aufgrund der Unterschreitung von 1.000,00 EUR ist der Prozentsatz von 67 % gemäß § 2 Abs 2 BEEG um je 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, dh für je 2,00 EUR des Differenzbetrages von 152,89 EUR (1.000,00 EUR - 847,11 EUR) um 0,1 Prozentpunkte, also um 7,6 Prozentpunkte zu erhöhen (76 x 0,1 = 7,6). Dies ergibt einen Anspruchsfaktor von 74,6 %. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Zahlbetrag von 631,94 EUR (74,6 % aus 847,11 EUR). Hiervon sind das bis 17.03.2011 zustehende Mutterschaftsgeld sowie der Arbeitgeberzuschuss nach § 14 MuSchG in Abzug zu bringen, wobei in diesem Zusammenhang unerheblich ist, dass der Arbeitgeberzuschuss erst im April 2011 an die Klägerin ausbezahlt wurde. Allein entscheidend für die Anrechnung ist, dass entsprechende Leistungen der Mutter zustehen (vgl § 3 Abs 1 BEEG). Insgesamt errechnen sich somit keine höheren Zahlbeträge als die in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesenen Zahlungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.