OLG Celle, Beschluss vom 03.06.2013 - 17 WF 107/13
Fundstelle
openJur 2013, 28667
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht Lüneburg vom 9. Oktober 2012 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 22. Mai 2013 teilweise dahingehend geändert, dass die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Lüneburg (37 F 35/12 UE) vom 11. Juli 2012 von der Antragstellerin an den Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012 festgesetzt werden.

II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf die Gebührenstufe bis 600 €.

Gründe

I.

Im zugrunde liegenden Verfahren hat die Antragstellerin den Antragsgegner auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2012 hat der Antragsgegner beantragt, die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.588,71 € festzusetzen. Darin sind neben der unstreitig angefallenen Verfahrensgebühr (439,40 €) und Termingebühr (405,60 €) sowie einer Telekommunikationspauschale (20 €) insbesondere Fahrtkosten des Rechtsanwalts von E. nach L. (180 €), Abwesenheitsgeld (60 €), Übernachtungskosten (104 €), jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, sowie Fahrtkosten des Antragsgegners (150 €) enthalten.

Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüneburg vom 9. Oktober 2012 sind die von der Antragstellerin an den Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 1.438,71 € nebst Zinsen festgesetzt worden. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Fahrtkosten des Antragsgegners nicht erstattungsfähig seien, weil er sich zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung in L. aufgehalten habe. Der Antragsgegner, der in E. wohnt, unterhält in L. eine Zweitwohnung, von welcher aus er zur Arbeit nach W. fährt. Die anwaltlichen Reisekosten seien aber erstattungsfähig, weil die Zuziehung eines am (Haupt-)Wohnsitz geschäftsansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die anwaltlichen Reisekosten die fiktiven Kosten eines Unterbevollmächtigten am Ort des Verfahrensgerichts übersteigen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Amtsgericht durch den Abhilfebeschluss vom 22. Mai 2013 die von der Antragstellerin an den Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 1.234,03 € nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat das Amtsgericht die anwaltlichen Fahrtkosten, das Abwesenheitsgeld und die Übernachtungskosten um jeweils die Hälfte auf insgesamt 172 € zuzüglich Umsatzsteuer reduziert, weil am 20. Juni 2012 in diesem Verfahren und in dem Scheidungsverfahren terminiert war und weil die anwaltlichen Reisekosten jeweils zur Hälfte in den beiden Verfahren zu berücksichtigen seien.

Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass der Antragsgegner seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in L. habe. Er sei verpflichtet gewesen, sich durch einen ortsansässigen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Zumindest sei er verpflichtet gewesen, für den Termin einen Unterbevollmächtigten zu beauftragen, weil dies kostengünstiger gewesen wäre. Außerdem rügt sie, dass die Hotelkosten nicht erstattungsfähig seien, weil die Reise am Tag der Verhandlung hätte angetreten werden können und müssen. Die Hotelkosten seien der Höhe nach nicht angemessen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache führt die Beschwerde zu einer weiteren Reduzierung der festgesetzten Kosten.

Nach § 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 91 Abs. 2 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu erstatten. Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassen ist und auch am Ort des Verfahrensgerichts nicht wohnt, sind nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist.

Insoweit folgt aus dem Verfahrensrechtsverhältnis ein Kostenschonungsgebot (BeckOK/Jaspersen/Wache ZPO § 91 Rdn. 119). Jeder Beteiligte ist verpflichtet, die Kosten der Verfahrensführung, die im Falle des Sieges vom Gegner erstattet werden sollen, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner berechtigten Belange vereinbaren lässt (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007, XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257; BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007, VI ZB 21/06, NJW 2007, 3723). Maßgeblich ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (BGH, Beschluss vom 9. September 2004, I ZB 5/04, NJW-RR 2004, 1724). In diesem Zusammenhang ist ein objektiver Maßstab anzulegen, d.h. es darf weder auf individuelle Wissenslücken und Fähigkeiten abgestellt werden noch auf ein diesbezügliches Verschulden (BGH, Beschluss vom 23. November 2006, I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 f.). Diese Sichtweise dient auch dem Zweck, das Kostenfestsetzungsverfahren nicht mit übermäßigen Differenzierungen über die Erstattungsfähigkeit zu belasten (BGH, Beschluss vom 9. September 2004, I ZB 5/04, NJW-RR 2004, 1724).

Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei ist in der Regel als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzusehen, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (BGH Beschluss vom 23. März 2004, VIII ZB 145/03, FamRZ 2004, 866 m.w.N.; BGH Beschluss vom 21. Januar 2004, IV ZB 32/03, BGHReport 2004, 706 f.; BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, VIII ZB 30/02, FamRZ 2003, 441). Dies gilt selbst dann, wenn sie sich gelegentlich am Ort des Prozessgerichts aufhält (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2004, XII ZB 182/03, NJW-RR 2004, 1216) oder wenn sie dort eine Zweigniederlassung unterhält (BGH, Beschluss vom 3. März 2005, I ZB 24/04, NJW-RR 2005,922).

Im vorliegenden Fall unterhält der Antragsgegner seinen Hauptwohnsitz zwar in E.. Der Hauptwohnsitz stellt auch grundsätzlich ein für das Kostenfestsetzungsverfahren taugliches objektives Kriterium einer Privatpartei dar. Entscheidend ist hier aber, dass der Antragsgegner auch im Bezirk des Verfahrensgerichts einen Wohnsitz unterhält und dass er sich nicht nur gelegentlich sondern werktags ständig am Ort des Verfahrensgerichts aufhält. Es wäre ihm ohne zusätzliche Anstrengungen möglich gewesen, einen Rechtsanwalt im Bezirk des Verfahrensgerichts zu beauftragen. Aus den konkreten Lebensumständen ergab sich somit die Obliegenheit, einen Rechtsanwalt am Ort des ständigen Aufenthaltsortes zu beauftragen.

Dass der Antragsgegner seinen Rechtsanwalt bereits vorgerichtlich mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zwar ist es im Allgemeinen günstiger, den vorgerichtlich eingeschalteten Rechtsanwalt auch mit der Verfahrensvertretung zu beauftragen, denn die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts (Nr. 2300 VV) wird nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angerechnet. Für die Frage der Notwendigkeit, einen auswärtigen Rechtsanwalt einzuschalten, ist jedoch nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich die Frage stellt, welcher Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung mandatiert werden soll, sondern auf den der Beauftragung des Rechtsanwalts mit der außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Partei (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007, VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071). Im Streitfall war schon zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts absehbar, dass es zu einem gerichtlichen Verfahren in L. kommen würde. Der Antragsgegner hätte daher bei vernünftiger und kostenbewusster Wahrnehmung seiner Belange, seine werktägliche Anwesenheit in L. und W. genutzt, um dort einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 FamGKG.