OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.05.2013 - 2 A 3009/11
Fundstelle
openJur 2013, 28205
  • Rkr:
Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und der Beigeladene jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und der Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Am 18. Februar 2010 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von Leerstandshallen und einer Bügelei in Lagerhallen für einen Logistikbetrieb auf dem Grundstück A.-------straße 25 (Gemarkung Q. P. , Flur 2, Flurstücke 198, 302/123, 935, 1008, 1009; im Folgenden: Vorhabengrundstück). Der Baugenehmigung, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1. März 2010 zugestellt wurde, sind u. a. folgende Auflagen und Hinweise beigefügt:

"UWS 1

Auflagen:

Die dem Bauvorhaben zugrunde liegende "Prognose von Schallimmissionen der DEKRA C. vom 14. Oktober 2009 ist einschließlich der überarbeiteten Betriebsbeschreibung des Ingenieurbüros S. vom 28. Dezember 2009 verbindlicher Bestandteil der Genehmigung mit nachfolgenden Festsetzungen:

 Die maximale Umschlagkapazität für Paletten an der Hallennordseite wird auf 10 Lkw/Tag festgelegt unter der Bedingung, dass vor Betriebsaufnahme die drei Andockschleusen zum Zwecke des Schallschutzes mit einer Torrandabdichtung ausgestattet sind.

 Die maximale Umschlagkapazität von Kartonagen per Hand beträgt für die sieben Andockschleusen an der Hallenostseite 20 Lkw/Tag ...

Hinweise:

UWS 4

Nachtbetrieb und Nachtanlieferung sind ausdrücklich nicht vorgesehen und aufgrund der Schallprognose nicht zulässig.

UWS 5

Sollten trotzdem Lkw zur Nachtzeit eintreffen, ist durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass diese im Bereich der Straße "M. " parken."

In der Betriebsbeschreibung vom 28. Dezember 2009 wird ausgeführt, die Tätigkeit der Spedition des Beigeladenen in Q. P. umfasse die Einlagerung und Kommissionierung von Handelswaren zur Weiterverteilung an die Wareneingangslager verschiedener Handelsketten und das eigene Warenverteilzentrum in N. bzw. in C1. . Es handele sich vornehmlich um allgemeines Kaufmannsgut aus dem Non-Food Bereich. Lebens- und Futtermittel würden nur in Ausnahmefällen gelagert. Eine Nachtanlieferung sei nicht vorgesehen. Sollten trotzdem Lkw in der Nacht zu dem Betriebsgelände fahren wollen, könnten diese laut Aussage der Stadt Q. P. an der Straße M. parken. Die Stadt Q. P. beabsichtige, an der K.---straße ein Schild anzubringen, das die Einfahrt für Lkw zwischen 22 und 6 Uhr untersage. Das nächtliche Parken an der K.---straße werde mittels bepflanzter Betonringe verhindert.

Der genehmigte Lageplan zeigt, dass das Vorhabengrundstück von der K.---straße aus über drei Ein- bzw. Ausfahrten anfahrbar ist. Auf dem Grundstücksstreifen zwischen den Lagerhallen und der K.---straße verzeichnet der Lageplan verschiedene Pflanzkübel. Vor dem Lager 3 und der Warenannahme befindet sich im nördlichen Betriebsbereich eine "Be- und Entladezone I". Die "Be- und Entladezone II per Hand" liegt im östlichen Betriebsbereich zwischen den Lagern 5 und 7.

Das Vorhabengrundstück hat folgende Genehmigungshistorie: Am 3. Juli 2002 erteilte der Beklagte der Firma G. International GmbH eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Möbelhauses in eine Textilaufbereitungsfirma. Nach der genehmigten Baubeschreibung umfasste der Betrieb das Bügeln, das "auf Bügel hängen", die Qualitätsabnahme und die Kommissionierung von Kleidung in der Zeit zwischen 6 und 20 Uhr. Als Geräuschimmissionen wurden "normaler Liefer- und Abtransportverkehr durch Lkw" sowie ein Pkw-Verkehr durch Mitarbeiter angegeben. Zuvor war das Gelände von der Firma Möbel I. als Möbelhaus genutzt worden. Die Entwicklungen des baulichen Bestands auf dem Vorhabengrundstück zeigen etwa die Bauvorlagen zu den Baugenehmigungen vom 6. September 1968, vom 29. April 1971 und vom 23. Februar 1979, als der Neubau einer Ausstellungshalle für das Möbelhaus genehmigt wurde. Ein weiterer Lageplan und Grundriss vom 26. September 1986 lässt erkennen, dass der bauliche Bestand des Vorhabengrundstücks sich seither nicht verändert hat.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks K.---straße 41. Sein Grundstück liegt den Einfahrten zum Vorhabengrundstück - durch die K.---straße getrennt - nördlich gegenüber. Weder das Grundstück des Klägers noch das Vorhabengrundstück liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Wie der Ortstermin des Berichterstatters des Senats am 18. September 2012 gezeigt hat, befinden sich nördlich der K.---straße sowohl Wohnhäuser als auch Gewerbebetriebe wie ein metallverarbeitender Betrieb im Haus K.---straße 45 bis 47 und - weiter östlich - eine Näherei im Haus K.---straße 33. Wegen der weiteren Ergebnisse des Ortstermins wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Der Kläger hat am 1. April 2010 Klage erhoben.

Zur Begründung hat er unter Vorlage von Lichtbildern von Januar 2011 im Wesentlichen vorgetragen: Die Baugenehmigung setze ihn unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen aus. Ferner führe der durch den genehmigten Logistikbetrieb verursachte Lkw-Verkehr auf der K.---straße zu untragbaren Verkehrsverhältnissen. Die Erschließung sei nicht gesichert. Die K.---straße sei in ihrem beengten Ausbauzustand nicht geeignet, den Lkw-Verkehr von und zu dem Speditionsbetrieb des Beigeladenen aufzunehmen. Nach der Betriebsaufnahme habe sich die Lage vor Ort dramatisch entwickelt, nachdem der Beigeladene nunmehr auch für die Firma M1. Waren einlagere und vertreibe. Die Organisation und Verteilung übernehme die Firma T. Logistik. Zahlreiche Speditionen aus verschiedenen europäischen Ländern stünden an, bildeten Lkw-Schlangen und warteten teilweise die ganze Nacht. Der sich rückstauende Verkehr - bei "M1. -Aktionen" häufig in zweistelliger Zahl - gehe auf der K.---straße in Warteposition und lasse im Winter die Motoren laufen. Die Stell- und Warteplätze vor dem Speditionsbetrieb seien nichts anderes als Stellplätze, die durch den Betrieb der Spedition erforderlich würden und auf die § 51 Abs. 7 BauO NRW anzuwenden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 18. Februar 2010 zur Nutzungsänderung von Leerstandshallen und einer Bügelei in Lagerhallen für einen Logistikbetrieb auf dem Grundstück A.-------straße 25 in Q. P. aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, die Baugenehmigung verstoße nicht zu Lasten des Klägers gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der genehmigte Betrieb setze den Kläger keinen unzumutbaren Geräuschimmissionen aus. Dies bestätige eine Messung durch die DEKRA vom 7. Juni 2011, die in einem Messbericht von 24. Oktober 2011 dokumentiert sei. Dieser Messbericht spreche bei der Beschreibung des Betriebs des Beigeladenen auch von sog. "Sonderaktionen", die vier bis fünf Mal im Jahr stattfänden. Dann könne das Lkw-Aufkommen bis zu 100 Lkw am Tag betragen. Auch die Erschließung des Vorhabengrundstücks über die K.---straße sei ausreichend gesichert. Die Verkehrsverhältnisse hätten sich zwischenzeitlich entspannt. Es sei ein Halteverbot eingerichtet worden. Betonringe vor dem Vorhabengrundstück verhinderten, dass dort Lkw abgestellt werden könnten.

Der Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 15. November 2011 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die angefochtene Baugenehmigung aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung verstoße zu Lasten des Klägers gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Das Gebot der Rücksichtnahme erfordere angesichts der besonders beengten Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück sowie auf der K.---straße Vorkehrungen in der Baugenehmigung, dass nicht eine Vielzahl von Lkw das Vorhabengrundstück gleichzeitig anfahre.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2012 hat der Senat die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf seinen Zulassungsantrag weiterhin im Kern vor, die Baugenehmigung verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhabengrundstück sei seit mehr als 50 Jahren mit gewerblich genutzten Gebäuden bebaut, die einige Jahrzehnte als Möbelhaus mit angegliedertem Lager gedient hätten. Die Ladezonen seien seit annähernd 30 Jahren unverändert vorhanden. Dies habe sich auch nicht durch die im Jahre 2002 für eine Textilaufbereitungsfirma erteilte Baugenehmigung geändert. Dieses Unternehmen habe Textilien vornehmlich in Containern geliefert bekommen und dann für den Verkauf im Einzelhandel aufbereitet und neu konfektioniert. Auch diese Firma habe die vorhandenen Ladezonen genutzt und diese mittels Lkw über die K.---straße angefahren. Nachdem der Beigeladene das Objekt erworben habe, sei diese Nutzung im August 2009 eingestellt worden. Demgegenüber begrenze erstmalig die streitgegenständliche Baugenehmigung die Zahl der möglichen Lkw-Frequentierungen und somit im Ergebnis auch die maximale Zahl der Lkw-Bewegungen pro Tag.

Auch der Beigeladene nimmt zur Begründung seiner Berufung auf seinen Zulassungsantrag Bezug. Er trägt vor, die Baugenehmigung sei nicht rücksichtslos. Wie der Beklagte in seinem Zulassungsantrag zutreffend ausgeführt habe, sei die Nachbarschaft durch das Vorhabengrundstück erheblich situationsvorbelastet. Die von dem Kläger vorgelegten Fotos über den Lkw-Verkehr an der K.---straße bezögen sich auf eine Sondersituation, die einmalig Anfang Januar 2011 vorgelegen habe.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er trägt im Grundzug ergänzend vor, die Genehmigungsakten hinsichtlich der vormaligen Nutzung des Vorhabengrundstücks bestätigten, dass dort zuvor keine Nutzungsformen genehmigt gewesen seien, die im Hinblick auf die Störungsintensität an das heranreichten, was heute dort genehmigt sei. Hervorzuheben sei die Nutzungsänderungsgenehmigung von Möbelhaus in Textilaufbereitung. Der dabei genehmigte Verkehr lasse sich mit einer Speditions- und Logistikfirma, wie sie heute betrieben werde, nicht vergleichen. Zusätzlich werde auf neue Lichtbilder aus dem Jahre 2012 verwiesen, die die Verkehrssituation auf der K.---straße veranschaulichten. Diese Fotos dokumentierten, dass der genehmigte Betrieb zu untragbaren Verkehrsverhältnissen auf der K.---straße führe. Dies zeigten auch die Ladelisten, die er angefertigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses sowie des Parallelverfahrens - 2 A 3010/11 - und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen haben keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 18. Februar 2010 zur Nutzungsänderung von Leerstandshallen und einer Bügelei in Lagerhallen für einen Logistikbetrieb auf dem Grundstück A.-------straße 25 (Gemarkung Q. P. , Flur 2, Flurstücke 198, 302/123, 935, 1008, 1009) verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist in nachbarrechtsrelevanter Weise entgegen § 37 Abs. 1 VwVfG NRW unbestimmt und verstößt schon deswegen zugleich zum Nachteil des Klägers gegen das hier in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme (dazu 1.). Darüber hinaus verletzt die Baugenehmigung das Rücksichtnahmegebot zu Ungunsten des Klägers, weil der genehmigte Logistikbetrieb des Beigeladenen auf der K.---straße unmittelbar vor dem Grundstück des Klägers K.---straße 41 zu unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen führt (dazu 2.).

1. Die Baugenehmigung vom 18. Februar 2010 ist in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt. Schon aus diesem Grund ist sie im Verhältnis zu dem Kläger auch rücksichtslos.

Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.

Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 35, m. w. N.

Gemessen daran wird die streitige Baugenehmigung den an sie zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen nicht gerecht, was zu einem eigenständigen Abwehrrecht des Klägers führt. Die Baugenehmigung lässt Merkmale des Vorhabens des Beigeladenen unreglementiert, deren Regelung es nach Lage der Dinge zwingend bedurft hätte, um den genehmigten Betrieb absehbar im Verhältnis zum Kläger nachbarrechtskonform auszugestalten. Konkret hätte die Baugenehmigung den durch sie auf der K.---straße hervorgerufenen Zu- und Abfahrtverkehr von Lkw zu und von dem Vorhabengrundstück hinreichend effektiv steuern müssen, um für die Anlieger unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der K.---straße durch überbordenden Lkw-Verkehr zu vermeiden. Ein dieses Ziel erreichendes Regelungsprogramm beinhaltet die Baugenehmigung indessen nicht.

Die Baugenehmigung gestattet dem Beigeladenen ausweislich der Auflage

UWS 1 in Verbindung mit der Schallimmissionsprognose vom 14. Oktober 2009 und der überarbeiteten Betriebsbeschreibung vom 28. Dezember 2009 die Abfertigung von grundsätzlich insgesamt 30 Lkw am Tag. Des Weiteren gehören zu dem genehmigten Betriebsumfang des Logistikbetriebs auch sog. "Sonderaktionen", die in dem Messbericht der DEKRA vom 24. Oktober 2011 als zum regelmäßigen Betrieb des Beigeladenen gehörig geschildert sind. Danach führen "Sonderaktionen" dazu, dass vier bis fünf Mal bis zu 100 Lkw am Tag be- bzw. entladen werden.

Diesen von ihr potentiell hervorgerufenen Lkw-Verkehr steuert die Baugenehmigung nicht bzw. nicht hinreichend wirksam. Sie beschränkt sich auf den Hinweis UWS 5, der Beigeladene solle durch "organisatorische Maßnahmen" sicherstellen, dass entgegen der Baugenehmigung zur Nachtzeit eintreffende Lkw im Bereich der westlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Straße "M. " parkten. Davon abgesehen will der Beklagte durch die in dem genehmigten Lageplan verzeichneten Betonringe auf dem Grundstücksstreifen vor dem Betriebsgelände und der K.---straße erreichen, dass Lkw dort weder zur Nachtzeit abgestellt werden, um auf den Betriebsbeginn um 6 Uhr zu warten, noch zu anderen Tageszeiten.

Dieses - teils rechtlich unverbindliche, teils unklare, jedenfalls aber lückenhafte und auch in der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2013 nicht ergänzte - Regelungsprogramm ist mit Blick auf die von dem genehmigten Logistikbetrieb auf der K.---straße erwartbar und typischerweise verursachten Verkehrsauswirkungen in mehrerlei Hinsicht unzureichend. Denn diese Auswirkungen tangieren aus der Genehmigungssituation ersichtlich materiellrechtlich das Rücksichtnahmegebot und bedürfen daher der (weitergehenden) Bestimmung in der Baugenehmigung.

Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann ausnahmsweise auch dann zu bejahen sein, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolgedessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2011

- 2 A 2580/09 -, juris Rn. 66, Urteil vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 -, juris Rn. 96, Beschlüsse vom 15. November 2005 - 7 B 1823/05 -, BRS 69 Nr. 168 = juris Rn. 21, und vom 31. August 2000 - 10 B 1052/00 -, juris Rn. 6, Urteil vom 10. Juli 1998 - 11 A 7238/95 -, BRS 60 Nr. 123 = juris Rn. 28.

Eine derartige Ausnahmesituation kann hier auf der K.---straße infolge der Baugenehmigung ohne Weiteres entstehen, ohne dass die Genehmigung dem regulativ (hinreichend) entgegenwirkt. Die Baugenehmigung hat solchermaßen nach ihrem Regelungsumfang das Potential, jederzeit unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der K.---straße zu verursachen.

Für die dem genehmigten Logistikbetrieb zugehörenden sog. "Sonderaktionen", bei denen der Lkw-Verkehr von und zu dem Vorhabengrundstück auf eine Frequentierung von bis 100 Lkw am Tag ansteigen kann, gilt dies ohne Weiteres. Ohne Eingrenzung und Lenkung eines solchen Verkehrs können auf der K.---straße genehmigungsbedingt städtebaulichen Missstände auftreten, welche die Benutzbarkeit der K.---straße für den übrigen Verkehr offenkundig zeitweise nahezu aufzuheben geeignet sind.

Dass der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die besagten "Sonderaktionen" hätten nur in der Anfangsphase seines Standorts an der A.-------straße 25 stattgefunden, ändert an dieser Einschätzung nichts. Der Beigeladene wollte gleichwohl nicht verbindlich darauf verzichten, je nach Auftragslage auch in Zukunft vergleichbare "Sonderaktionen" durchführen zu können. Nach seinem eigenen Bekunden in der mündlichen Verhandlung geht es dem Beigeladenen vor allem darum, für die Gestaltung seines Betriebs eine größtmögliche Flexibiltät zu erhalten. Dies ist wirtschaftlich gesehen nachvollziehbar, hat aber die Rechtsfolge, dass die Baugenehmigung im Hinblick auf die fehlende organisatorische Begrenzung des betriebsbedingten Lkw-Verkehrs defizitär bleibt.

Das Potential, auf der K.---straße unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse herbeizuführen, hat die Baugenehmigung aber auch im "Normalbetrieb", wenn pro Tag bis zu 30 Lkw abgefertigt werden. Sie lässt es im "worst case" zu, dass die in der Auflage UWS 1 bezeichneten insgesamt 30 Lkw innerhalb eines kurzen Zeitraums, etwa zu Beginn der genehmigten Betriebszeit um 6 Uhr das Vorhabengrundstück anfahren. Aber auch wenn - was von der Genehmigung gleichfalls gedeckt wäre und zudem als realistisches Betriebsszenario erscheint - nur 10 oder 15 Lkw das Vorhabengrundstück zur gleichen Zeit ansteuern sollten, kann es auf der - wie die Ortsbesichtigung am 18. September 2012 ergeben hat - für diesen Verkehr nicht ausgelegten K.---straße jederzeit zu unzumutbaren Verkehr- und Erschließungsverhältnissen kommen. Die K.---straße ist gerade breit genug, dass zwei Lkw knapp aneinander vorbeifahren können. Treffen mehrere Lkw gleichzeitig in der Nähe des Vorhabengrundstücks ein, ist die K.---straße durch sich stauende Lkw gleichsam verstopft. Überdies können gefährliche Verkehrssituationen entstehen, wenn einander ausweichende bzw. aneinander vorbeirangierende Lkw Teile des Bürgersteigs in Anspruch nehmen (müssen).

Mag auch bei realistischer Betrachtung und auch nach den von dem Kläger überreichten (Lade-)Listen nicht von einem täglichen kritischen Zusammentreffen mehrerer Lkws zu einer bestimmten Tageszeit auszugehen sein, so ist es doch sowohl möglich als auch wahrscheinlich, dass die höchste Lkw-Frequenz typischerweise in den frühen Morgenstunden auftritt, wenn Lkw Waren anliefern und/oder von dem Beigeladenen, der zur Zeit schwerpunktmäßig für einen Lebensmittelhersteller tätig ist, eingelagerte Waren aufnehmen, um diese noch vor Ladenöffnung oder kurz danach an Einzelhandelsbetriebe zu verteilen. Eine gleichmäßige Verteilung des Lkw-Aufkommens über den Tag ist jedenfalls in der Baugenehmigung nicht festgeschrieben und auch kein sich als realistisch(er) aufdrängendes Betriebsszenario. Dies hat auch der Beigeladene weder im Ortstermin am 18. September 2012 noch in der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2013 behauptet. Im Ortstermin schilderte er einen typischen Betriebsablauf im Gegenteil dahingehend, eine regelhafte Verteilung der Be- und Entladetätigkeiten über den Tag lasse sich nicht seriös angeben, weil Aufträge mitunter spontan und stoßweise abgearbeitet werden müssten.

Der Hinweis UWS 5 in der Baugenehmigung behebt das Bestimmtheitsdefizit nicht. Zum einen ist er für den Beigeladenen rechtlich unverbindlich. Zum anderen lässt er offen, welche "organisatorischen Maßnahmen" der Beklagte zur Lenkung des Lieferverkehrs vor Augen hat und beschränkt sich überdies auf die Fälle, in denen Lkw zur Nachtzeit eintreffen. Zum Verkehrsgeschehen während der Betriebszeit von 6 Uhr bis 22 Uhr verhält er sich nicht. Gleichermaßen unverbindlich ist das von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochene Leitsystem, das das Vorhabengrundstück anfahrende Lkw offenbar durch Schilder auf einen nahegelegenen Parkplatz umleiten will, um Staus in der Umgebung des Vorhabengrundstücks zu vermeiden.

Die von dem Beklagten ebenfalls zur Verteidigung der Baugenehmigung ins Feld geführte Möglichkeit, den An- und Abfahrtverkehr nach Erlass der Baugenehmigung durch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zu regeln, ist aus der Sicht des nachbarrechtlichen Bestimmtheitsgebots irrelevant. Die Baugenehmigung bescheinigt nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben mit öffentlichrechtlichen Vorschriften übereinstimmt und zur Betriebsaufnahme freigegeben ist. Anders als ein Bebauungsplan kann sie nicht mit dem Topos der Konfliktverlagerung auf spätere Zulassungsebenen arbeiten. Sie muss die durch sie hervorgerufenen Konflikte abschließend bewältigen und darf nicht in - wie hier - nachbarrechtsrelevanten Problemlagen darauf setzen, diese würden eventuell durch spätere Verwaltungsentscheidungen gelöst. Des Weiteren bewältigen etwa Park- und Halteverbote für Lkw an der K.---straße die aufgeworfene Verkehrs- und Erschließungsproblematik auch nicht hinreichend zuverlässig. Lässt man die Frage der tatsächlichen Effektivität solcher Verbote in der Praxis beiseite, können sie jedenfalls nicht die Verkehrslagen auf der K.---straße entschärfen, die entstehen, wenn zahlreiche Lkw das Vorhabengrundstück nacheinander in langsamer Fahrt anfahren und es zugleich zu engen Vorbeifahrten von Lkw kommt, welche die K.---straße gänzlich ausschöpfen und dazu noch Teile des Gehwegs. In diesem Zusammenhang schaffen auch die Betonringe auf dem Grundstücksstreifen zwischen dem Betriebsgelände und der K.---straße keine Abhilfe. Sie lassen sich von Lkw umfahren - wie die von dem Kläger beigebrachten Fotos zeigen - und führen allenfalls dazu, dass wartende Lkw unter Missachtung von Park- und Halteverboten auf die Verkehrsfläche der K.---straße selbst ausweichen.

Dass der Verweis des Beklagten auf nicht konkretisierte "organisatorische Maßnahmen" bzw. verkehrsregelnde Anordnungen zur Steuerung des Lkw-Lieferverkehrs der Baugenehmigung in der spezifischen Genehmigungssituation nicht zu einer dem Rücksichtnahmegebot genügenden Bestimmtheit verhilft, versinnbildlicht das von dem Kläger übermittelte Schreiben des Beklagten an den Beigeladenen vom 15. März 2012. Der Beklagte spricht dort wiederum von "organisatorischen Vorgaben für ankommende Lkw", die der Beigeladene konsequent zu beachten und umzusetzen habe. Er legt aber nicht offen, wo diese Vorgaben niedergelegt sind und welchen Gehalt sie im Einzelnen haben sollen. Aufgrund der Unschärfe der Baugenehmigung tendiert der Beklagte augenscheinlich dazu, den Nachbarschutz auf die Überwachungsebene zu verschieben. Dort muss der Nachbarschutz gegen die genehmigungsbedingten Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der K.---straße indes leer laufen, weil der Beklagte es versäumt hat, die nachbarrechtsrelevanten Merkmale des genehmigten Vorhabens festzuschreiben, anhand derer er als Bauaufsichtsbehörde kontrollieren könnte, ob der Beklagte seinen Logistikbetrieb - gerade was das Lkw-Aufkommen anbelangt - genehmigungskonform und insgesamt (nachbar-)rechtmäßig betreibt.

Organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen sind auch in einer Baugenehmigung regelbar. Dies zeigt der Rückschluss aus Nr. 7.4 TA Lärm, wonach betriebsbedingter Zu- und Abfahrtverkehr auf der öffentlichen Straße dem Vorhabenträger unter bestimmten Voraussetzungen zuzurechnen ist und die Betreiberpflicht zu Verminderungsmaßnahmen organisatorischer Art auslöst. Welche Maßnahmen das sein können, kann für den vorliegenden Fall nicht allgemein und abschließend gesagt werden. Dies hängt zuallererst von einer hinreichend bestimmten Ausgestaltung des Vorhabens durch den Vorhabenträger selbst ab, das die Genehmigungsbehörde durch Auflagen oder andere Nebenbestimmungen nicht wesentlich (in ein "aliud") verändern darf, um dem Bauherrn kein Vorhaben aufzudrängen, das er nicht will.

Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 2 B 385/11 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks, m. w. N.; Hellhammer-Hawig, in: Schönenbroicher/Kamp, BauO NRW, 1. Auflage 2012, § 75 Rn. 78 und Rn. 21 ff.

Aus diesem Grund wäre der Beigeladene in einem ersten Schritt aufgerufen, sein Logistikvorhaben so konkret neu zu beschreiben, dass es dem Beklagten möglich wäre, dieses auch mit Blick auf seine Verkehrsauswirkungen belastbar nachbarrechtlich zu prüfen und ggf. ein geeignetes Auflagenprogramm zu entwickeln, das die Verkehrsauswirkungen des Vorhabens hinreichend effektiv eingrenzt, ohne es in ein "aliud" zu verwandeln.

2. Im Anschluss daran, aber gleichwohl selbständig tragend ist die Baugenehmigung dem Kläger gegenüber im Weiteren auch deshalb im Sinne von § 34Abs. 1 Satz 1 BauGB rücksichtlos, weil die von der Genehmigung ermöglichte unzumutbare Verkehrs- und Erschließungssituation auf der K.---straße ihn in seiner eigenen Grundstücksposition betrifft.

Die unter 1. beschriebenen genehmigungsinduzierten unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der K.---straße können direkt vor dem klägerischen Grundstück auftreten, das den drei (nördlichen) Zufahrten zu dem Vorhabengrundstück unmittelbar gegenüber liegt.

Die Zumutbarkeitsschwelle ist nicht mit Blick auf die Genehmigungshistorie des Vorhabengrundstücks entscheidungserheblich zum Nachteil des Klägers herabgesenkt. Zum einen würden die nunmehr durch die Baugenehmigung vom 18. Februar 2010 zugelassenen Lkw-Verkehre auf der K.---straße nicht schon dadurch hinnehmbar, dass der Lkw-Verkehr auf der K.---straße schon beim Betrieb der Firma G. seit dem Jahr 2002 - oder noch länger - unzumutbar gewesen wäre. Der Kläger muss eine Vorbelastung der K.---straße mit Lkw-Verkehr nur bis zu einem gewissen Grad akzeptieren; untragbare Verkehrs- und Erschließungszustände muss er nicht lediglich deshalb weiter tolerieren, weil sie jetzt nach einer genehmigten Nutzungsänderung des Vorhabengrundstücks fortgesetzt werden.

Vgl. in diesem Zusammenhang für die Verwirkung: OVG NRW, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 2558/10 -, S. 11 f. des amtlichen Umdrucks.

Zum anderen gibt es aber auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die Firma G. einen ähnlichen Lkw-Verkehr mit sich gebracht hat wie der Logistikbetrieb des Beigeladenen. Zwar war nach den vorliegenden Genehmigungsunterlagen auch die Firma G. mit der Kommissionierung und dem Umschlag von Waren befasst. In den seinerzeit genehmigten Bauvorlagen ist aber nur von "normalem Liefer- und Abtransportverkehr durch Lkw" sowie einem Pkw-Verkehr durch Mitarbeiter die Rede. Dies spricht dafür, das der Logistikbetrieb des Beigeladenen von seinem Lkw-Aufkommen her von wesentlich anderer Qualität ist. So ist der Warenumschlag der Hauptzweck des Betriebs des Beigeladenen. Die Firma G. hat dagegen nicht nur Waren umgeschlagen, sondern offenbar auch Textilien aufbereitet und gebügelt. Ein weiteres Indiz für eine vormals geringere Lkw-Frequenz ist schließlich, dass keine Informationen vorliegen, dass sich die Nachbarschaft bereits gegen den Betrieb der Firma G. gewehrt hätte. Wäre dieser Betrieb ähnlich verkehrs- und lärmintensiv wie der Betrieb des Beigeladenen gewesen, hätte dies jedoch nahegelegen.

Zuletzt kann ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten des Klägers nicht mit dem Argument verneint werden, untragbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der K.---straße seien nur vereinzelt zu beobachten. Wie unter 1. ausgeführt, grenzt die streitbefangene Baugenehmigung die von ihr ermöglichte erhebliche Lkw-Frequenz nicht hinreichend effektiv ein. Sowohl formell genehmigungsrechtlich als auch bei realistischer Betrachtung kann es potentiell täglich zu einem für den Kläger unzumutbaren Lkw-Verkehr auf der K.---straße kommen, und dies auch dann, wenn man die sog. "Sonderaktionen" innerhalb des Betriebs des Beigeladenen außen vor lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.