LG Bielefeld, Urteil vom 20.06.2012 - 8 O 19/12
Fundstelle
openJur 2013, 27930
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Stromversorgungsstörung, welche sich am 22.09.2011 auf dem Grundstück der Kläger, B. x in N., ereignet hat. Die Beklagte ist eine lokale Stromnetzbetreiberin mit Sitz in N..

Im Erdreich auf dem Grundstück der Klägerin sind Niederspannungskabel der Beklagten verlegt. Im Bereich der heutigen Garageneinfahrt der Kläger, wo auch die Kabel der Beklagten entlanglaufen, wurde zur Verlegung von TV-Anschlüssen vor etwa 20 Jahren eine sogenannte "Horizontalbohrung" durchgeführt. Hierbei wurde offenbar das Stromkabel der Beklagten unbemerkt beschädigt.

Am 22.09.2011 ereignete sich auf einem der im Erdreich der Kläger verlegten Niederspannungskabel eine sogenannte "Nullleiterunterbrechung" verbunden mit einem Kurzschluss. Diese "Nullleiterunterbrechung" ist auf die Beschädigung des auf dem Grundstück der Kläger verlegten Stromkabels zurückzuführen.

Die Klägerin zu 2. bemerkte um die Mittagszeit während des Staubsaugens eine Stromstörung. Sie versuchte sodann, den im Keller angebrachten Schutzschalter zu betätigen. Dies blieb jedoch ohne Erfolg.

Als die Klägerin zu 2. wieder in die Wohnung zurückkehrte, bemerkte sie, dass der Fernseher in der Küche und der Anrufbeantworter im Wohnzimmer qualmten. Weiterhin waren die Lampen, ein Radio und die elektronischen Steuerungen für das Garagentor und den Wintergarten-Sonnenschutz ausgefallen.

Die Kläger verständigten daraufhin die Firma N., deren Mitarbeiter L. einen Überspannungsschaden an den betroffenen technischen Geräten feststellte. Herr L. informierte den Notdienst der Beklagten. Die Mitarbeiter des Notdienstes stellten die Stromversorgung provisorisch mittels eines Notkabels wieder her.

Am 23.09.2011 wurde das Erdreich auf dem Grundstück der Kläger durch eine von der Beklagten beauftragte Firma C. zur Ermittlung der Schadensursache freigelegt. Hierbei wurde ein Teil der Versorgungsleitung ausgetauscht und das beschädigte Teil entnommen (vgl. dazu die Lichtbild-Ausdrucke Blatt 37, 42, 60, 61 d. A.). Das Erdreich wurde sodann wieder aufgeschüttet und verpflastert. Nach dem Abschluss der Arbeiten kam es zu einem Abrutschen des Erdreichs im Bereich der Garagenauffahrt der Kläger. Die Abrutschung der dort verlegten Pflastersteine betrug etwa 2,5 cm. Dies beruhte auf einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten durch die Firma C.. Die Kläger forderten die Beklagte zunächst erfolglos auf, die Abrutschung zu beseitigen. Sie ließen die Pflasterung Ende März 2012 selbst nachbessern.

Die Kläger bestimmen den ihnen durch die Nullleiterunterbrechung entstandenen Schaden wie folgt:

a)

durch überspannungsbedingte Reparatur/Neuanschaffung

laut Rechnungen der

Firma N. vom 03.11.2011 1.048,66 EURO

Firma N. vom 15.11.2011 371,40 EURO

Firma Heine vom 12.10.2011 605,71 EURO

Firma D. vom 07.10.2011 1.395,93 EURO

b)

Kosten laut Kostenvoranschlag der Firma Kruse

vom 02.11.2011 636,00 EURO

c)

eigene Arbeitsleistung im Zuge von Aufräumarbeiten

(15 Stunden): 450,00 EURO

4.507,70 EURO

Die Beklagte führt unstreitig keine vorsorglichen und nicht anlassbezogene Kontrollen der erdverlegten Stromkabel auf eventuelle Beschädigungen hin durch.

Sie hat die Kläger - wie auch andere Netzanschlussnutzer - nicht darüber aufgeklärt, dass eine vorsorgliche Kontrolle der Kabel nicht stattfindet und es - aus unterschiedlichen Gründen - zu Spannungsstörungen und Überspannungsschäden an technischen Geräten kommen kann, die an das Stromnetz angeschlossen sind. Die Beklagte hat insbesondere nicht darüber aufgeklärt, dass sich derartige Überspannungsschäden durch verschiedene technische Überspannungsschutzmaßnahmen, zum Beispiel durch Stromschutzadapter oder durch die Installation eines "gestaffelten Überspannungsschutzes" abwenden lassen.

Auf ihrer Internetseite weist die Beklagte unter der Rubrik "Blitzschutz" unter anderem auf folgendes hin:

Was nicht jeder Laie weiß: Ein Blitzableiter schützt das Haus, nicht aber

den sündhaft teuren Flachbildschirm-Fernseher, die neue Waschma-

schine oder den PC. Anders als "normale" Stromverbraucher wie Glüh-

lampe oder Kühlschrank halten modere Elektronikgeräte wenig aus und

reagieren empfindlich auf Überspannungen, wie sie zum Beispiel bei

einem Gewitter entstehen können.

...

Überspannungen kommen über das Stromversorgungsnetz in der Steck-

dose an. Einen einfachen Schutz für teure und wichtige Geräte bieten

daher Schutzadapter für die Steckdose. An sie wird das Gerät angeschlos-

sen. Sicherer noch: Man schützt neben dem Netzkabel zugleich das An-

tennenkabel für den Fernseher. Oder, bei einer Telefonanlage, auch das

Telefon- oder ISDN-Kabel. Für diese Geräte gibt es spezielle Kombi-

adapter. Sie bieten Überspannungssicherheit für alle Leitungen von

außen. Experten raten, zusätzlich einen Überspannungsschutz im Siche-

rungskasten an zu bringen. Das Ganze nennt sich "gestaffelter Überspan-

nungsschutz". Für die Installation im Sicherungskasten muss allerdings

ein Elektriker kommen. Aber der weiß dann auch, wie viele Geräteadapter

sinnvoll sind und vor allem, welche etwas taugen. Wenige spezialisierte

Hersteller bieten komplette Gebäudesets an, in denen bereits alle

Komponenten für den gestaffelten Überspannungsschutz enthalten sind.

Die Kläger haben nach dem Vorfall vom 22.09.2011 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinerlei Überspannungsschutzmaßnahmen getroffen.

Sie sind der Ansicht, dass die Beklagte die Versorgungsleitung regelmäßig hätte kontrollieren müssen, was auch zumutbar gewesen sei.

Die Beklagte habe die Kläger einer erheblichen Gefahr ausgesetzt, indem sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass die Versorgungsleitungen von ihr nicht regelmäßig kontrolliert werden.

Die Kläger sind zum Zeitpunkt der Klageerhebung davon ausgegangen, dass zur Durchführung der Arbeiten im Zusammenhang mit dem abgerutschten Erdreich ein Betrag in Höhe von 1.500,00 € für die Kosten der Sanierung der Auffahrt anfallen würde.

Sie haben mit der am 01.02.2012 zugestellten Klage unter anderem den Antrag angekündigt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche

materiellen Schäden aus dem Vorfall vom 22.09.2011 zu erstatten.

Nachdem die Kläger im März 2012 die Pflasterung selbst haben nachbessern lassen, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2012 den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.507.70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 11.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sie bereits keine Pflichtverletzung begangen habe, da sie als Netzbetreiberin - unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 11 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), § 6 Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) - keine Wartungs- und Kontrollpflichten für erdverlegte Stromkabel treffe und solche Pflichten wirtschaftlich auch nicht zumutbar seien.

Die Beklagte ist ferner der Auffassung, dass sie keine Pflicht treffe, die Netzanschlussinhaber vorsorglich darauf hinzuweisen, dass eine Kontrolle der erdverlegten Kabel nicht stattfindet und die mögliche Gefahr einer Überspannung besteht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 23.05.2012 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und ihres eigenen Vortrags keinen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten.

I.

Den Klägern steht im Ergebnis kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 4.507,70 € aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu.

1.

Zwischen den Parteien besteht aufgrund der berechtigten Nutzung des Netzanschlusses durch die Kläger ein gesetzliches Anschlussnutzungsverhältnis nach §§ 3 Abs. 2 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV), 18 Abs. 1 ENWG. Die Kläger sind berechtigte Anschlussnutzer, die Beklagte ist Netzbetreiberin des regionalen Stromversorgungsnetzes.

2.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt nahe. Die Beklagte hat, wie bei jedem Schuldverhältnis, bei dem zwischen den Parteien bestehenden gesetzlichen Anschlussnutzungsverhältnis neben den Haupt- und Nebenleistungspflichten auch Nebenpflichten zu erfüllen.

Eine Verletzung von leistungsbezogenen Pflichten steht im Streitfall nicht in Frage.

Allerdings kommt die Verletzung einer Nebenpflicht in Betracht.

Zwar traf die Beklagte keine Pflicht, die erdverlegten Stromkabel in regelmäßigen Abständen vorsorglich und nicht anlassbezogen zu kontrollieren und zu warten. Es spricht allerdings viel dafür, eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten anzunehmen.

Der Inhalt von Nebenpflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB kann nicht pauschal bestimmt werden. Ihr Inhalt und Umfang hängen maßgeblich vom jeweiligen Vertragszweck, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben ab. Sie beinhalten regelmäßig Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten der Vertragsparteien, um Schäden von sonstigen Rechtsgütern der jeweils anderen Vertragspartei abzuwenden.

a)

Soweit es um mögliche Überspannungsschäden bei den Anschlussnutzern durch fehlerhaft verlegte und/oder beschädigte Stromkabel geht, würde die Beklagte als Stromnetzbetreiber der vorgenannten Verpflichtung durch eine regelmäßige Kontrolle und Wartung der erdverlegten Stromkabel genügen. Für Stromnetzbetreiber ergibt sich eine solche Pflicht dem Grunde nach unmittelbar aus § 11 Abs. 1 ENWG, wonach die Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflichtet sind, ein sicheres und leistungsstarkes Energieversorgungsnetz aufrechtzuerhalten, zu kontrollieren und bei Bedarf zu warten.

Allerdings kann für Stromnetzbetreiber eine nicht anlassbezogene, vorsorgliche Kontroll- und Wartungspflicht nicht angenommen werden. Eine solche wäre wirtschaftlich unzumutbar. Die Pflichten der Stromnetzbetreiber aus § 11 Abs. 1 ENWG stehen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Für die allgemeinen Schutzpflichten des Schuldners aus § 241 Abs. 2 BGB kann nichts anderes gelten. Demnach müssen Wartungsarbeiten nur in einem Umfang durchgeführt werden, soweit dies für den Netzbetreiber wirtschaftlich zumutbar ist. Die regelmäßige Kontrolle erdverlegter Stromkabel würde aber voraussetzen, dass sämtliche Kabel in regelmäßigen Abständen vom Erdreich freigelegt, dann kontrolliert und gegebenenfalls gewartet werden müssten. Später müssten die Kabel dann wieder mit Erde bedeckt und das Erdreich neu aufgeschüttet und gegebenenfalls verpflastert werden. Dieser Aufwand wäre mit wirtschaftlich unzumutbaren hohen Kosten (die im Endeffekt auf die Anschlussinhaber umgelegt werden müssten) verbunden.

b)

Es spricht allerdings viel dafür, dass die Beklagte die Anschlussnutzer gerade im Hinblick auf die fehlende regelmäßige Kontrolle und Wartung der erdverlegten Stromkabel darüber aufklären muss, dass es aus ganz unterschiedlichen Ursachen zu Spannungsstörungen kommen kann. Überspannungsschäden können dabei, wie allgemein bekannt sein dürfte, nicht nur durch Blitzschlag (auch in einer gewissen Entfernung zum betroffenen Grundstück), sondern auch durch beschädigte Kabel verursacht werden, wobei die Beschädigung - wie der Streitfall zeigt - bereits längerer Zeit zurückliegen kann und - unabhängig vom Zeitablauf - ein Schadensverursacher möglicherweise nicht zuverlässig ermittelt werden kann.

Für die Annahme einer Aufklärungspflicht sprechen folgende Erwägungen:

Die Aufklärungspflicht ist eine besondere Ausprägung der vertraglichen Schutzpflicht. Sie verpflichtet die Vertragsparteien regelmäßig dazu, gerade über solche Umstände aufzuklären, hinsichtlich derer der andere Vertragsteilnehmer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben redlicherweise eine Aufklärung erwarten darf. Grundsätzlich muss der fachkundige Vertragsteil den Vertragspartner über solche Umstände aufklären, die für diesen entscheidungserheblich sind oder die Gefahren für dessen Integritätsinteresse begründen können und von denen der andere Teil keine Kenntnis hatte. Der "wissende" Vertragsteil muss seinen "unwissenden" Vertragspartner über mögliche Risiken informieren (vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom 15.11.2006 - XII ZR 63/04 - NZM 2007, 144).

Gemessen an diesen Grundsätzen würde eine Aufklärungspflicht im Streitfall dann nicht bestehen, wenn sie ersichtlich solche Umstände beträfe, die für jeden durchschnittlichen Anschlussbenutzer klar auf der Hand liegen müssen.

So muss es zwar jedem durchschnittlichen Stromnutzer aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung klar sein, dass erdverlegte Stromkabel nicht vorsorglich und ohne Anlass fortwährend und wirtschaftlich zumutbar kontrolliert werden können. Auch ist es für jeden durchschnittlichen Anschlussinhaber naheliegend, dass es bei dem Betrieb des Stromnetzes stets zu Stromunterbrechungen und Stromausfällen kommen kann.

Ob von einem durchschnittlichen Stromverbraucher darüber hinaus die Kenntnis verlangt werden kann, dass es aufgrund eines beschädigten Stromkabels zu Spannungsstörungen mit einem derartigen Ausmaß wie im Streitfall kommen kann, dass dadurch nahezu alle an das Stromnetz angeschlossenen technischen Geräte beschädigt oder unbrauchbar gemacht werden können, kann letztlich offen bleiben.

Denn ein durchschnittlicher Stromverbraucher wird in aller Regel nicht den erforderlichen Sachverstand besitzen, um die von ihm mit Strom betriebenen Geräte wirkungsvoll und zuverlässig durch den Einbau technischer Überspannungsschutzmaßnahmen hinreichend zu schützen. Dies wird allein dadurch deutlich, dass es Überspannungsschutzmaßnahmen in verschiedenem Umfang gibt. Sie reichen von einfachen Stromschutzadaptern zum Schutz einzelner wichtiger Endgeräte, wie zum Beispiel Computer, TV oder Telefonanlage, bis hin zu einem sogenannten "gestaffelten Überspannungsschutz". Hierbei können zur Maximierung der Schutzwirkung Überspannungsschutzmaßnahmen zusätzlich noch direkt am Sicherungskasten installiert werden. Diese Kenntnis setzt jedoch hinreichendes Fachwissen voraus und geht über den Kenntnisstand eines durchschnittlichen Anschlussinhabers weit hinaus.

Auch die Beklagte geht, wie die ausführlichen und detaillierten Hinweise auf ihrer Internetseite zeigen, offenbar davon aus, dass der Anschlussbenutzer nicht ohne Weiteres die erforderlichen Kenntnisse von Ursache und Auswirkungen möglicher Überspannungen und dem erforderlichen Schutz gegen dadurch bedingte Schäden hat. Sie weist im Zusammenhang mit Überspannungsschäden aufgrund eines Blitzeinschlages ausdrücklich auf verschiedene Schutzmöglichkeiten hin, zitiert den Rat von "Experten" und hält die Zuziehung eines Elektrikers für erforderlich. Soweit die Beklagte ihre Hinweise allein auf mögliche Schäden durch einen Blitzschlag beschränkt, ist anzumerken, dass es angezeigt wäre, den Anschlussinhaber auch auf andere - in den Auswirkungen vergleichbare - Ursachen für Überspannungen hinzuweisen.

Für eine Aufklärungspflicht der Beklagten spricht in diesem Zusammenhang auch, dass von einem durchschnittlichen Anschlussinhaber nicht die Kenntnis erwartet werden kann, dass eine Haftung der Beklagten für Schäden an ihren Stromkabeln auch dann nicht besteht, wenn ein bei einem Anschlussinhaber eingetretener Schaden nicht seinem Verantwortungsbereich, sondern dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzuordnen ist. Da ein Versicherungsschutz für Überspannungsschäden außerhalb des Blitzeinschlages vielfach nicht möglich ist, liegt auf der Seite des Anschlussinhabers ein hohes Schadensrisiko vor. Die Beklagte könnte als "wissender" Vertragsteil ohne großen Aufwand auf dieses Risiko hinweisen und es dann dem Anschlussinhaber überlassen, ob überhaupt und in welchem Umfang er sich gegen mögliche Schäden absichern will.

3.

Ob und insbesondere in welchem Umfang die Beklagte die Anschlussnutzer auf das erhebliche Schadensrisiko hinweisen muss, kann im Streitfall letztlich dahinstehen, da der von den Klägern geltend gemachte Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten der Beklagten eingetreten wäre.

Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und einem möglichen Schadenseintritt voraus. Bei der Verletzung einer Aufklärungspflicht scheidet ein Anspruch dann aus, wenn der Schaden selbst bei einer erfolgten Aufklärung gleichwohl eingetreten wäre (vgl. dazu den Überblick bei Palandt - Grüneberg, 71. Auflage, § 280 BGB, Rz 39).

Für die Kläger streitet dabei nicht die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die Vermutung, dass sich ein Geschädigter grundsätzlich "aufklärungsrichtig" verhalten hätte, wenn die Aufklärung durch den Pflichtigen auch tatsächlich erfolgt wäre, greift nur dann ein, wenn für den Geschädigten nach den Umständen und infolge der Aufklärung nur eine bestimmte und vernünftige Reaktionsmöglichkeit bestanden hätte (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 05.02.2009 IX ZR 6/06, NJW 2009, 1591). Die Vermutung setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des aufklärungspflichtigen Vertragsteils und dem Verhalten des Vertragspartners typischerweise gegeben ist. Es müssten somit Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen.

Im Streitfall bestand für die Kläger vor dem Schadensfall eine solche typische Situation nicht. Die Entscheidung für die Installation von Überspannungsschutzmaßnahmen wäre mit Kosten verbunden gewesen, deren Umfang vom Ausmaß der Überspannungsschutzmaßnahmen abhängig war. Ohne die Installation hätte das Risiko eines Schadenseintritts mit darauf beruhenden Folgekosten für Reparatur oder Ersatz beschädigter Geräte bestanden. Eine "zwingende" Notwendigkeit für eine der beiden Entscheidungsmöglichkeiten gab es nicht. Die eine Möglichkeit wäre sofort mit Kosten verbunden gewesen, hätte aber den Eintritt eines Schadensfalls verhindern können; die andere Möglichkeit hätte keine Kosten verursacht und (nur) das Risiko beinhaltet, dass beim Eintritt eines Schadensfalls Kosten in ungewisser Höhe hätten erspart werden können. Eine Vermutung für ein bestimmtes "vernünftiges" menschliches Verhalten gibt es dabei nicht.

Das Verhalten der Kläger nach dem Schadensfall lässt allerdings den Schluss zu, dass die Kläger auch bei einer von der Beklagten vorgenommenen Aufklärung keine Überspannungsschutzmaßnahmen getroffen hätten.

Die Kläger haben nach dem Ereignis vom 22.09.2011 nach ihren eigenen Angaben davon Kenntnis erlangt, dass es Möglichkeiten des Überspannungsschutzes gibt. Sie haben gleichwohl bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Gebrauch davon gemacht und keinerlei Schutzmaßnahmen vorgenommen, um sich vor einer eventuellen erneuten Überspannungsstörung zu schützen und mit diesem Schutz kostspielige Schäden an ihren technischen Geräten zu vermeiden.

Die Kläger haben ihre Entscheidung also dahin getroffen, die für die Installation von Überspannungsschutzmaßnahmen entstehenden Kosten nicht aufzuwenden und sich stattdessen dem (erneuten Risiko) möglicher Überspannungsschäden auszusetzen. Damit liegt der Schluss nahe, dass sich die Kläger bei (unterstellter) Aufklärung vor dem Schadensfall nicht anders verhalten hätten.

4.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert ebenfalls an dem fehlenden Ursachenzusammenhang zwischen einer möglichen Pflichtverletzung der Beklagten und einem Schaden der Kläger.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.

Im Umfang der Klageabweisung haben die Kläger als unterlegene Partei die Kosten zu tragen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf den ursprünglich angekündigten Feststellungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt haben, trifft die Kostenlast gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte. Dies entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen.

Der Feststellungsantrag wäre bei einer streitigen Entscheidung zulässig und begründet gewesen. Eine Auslegung des Antrags auf der Grundlage des Sachvortrags der Kläger ergibt, dass der Antrag sich (allein) auf mögliche Schäden durch die Absackung des Grundstücks infolge der von der Firma C. vorgenommenen Grabungsarbeiten zur Schadensbeseitigung an dem Stromkabel bezog.

Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Kläger rechtfertigt sich daraus, dass aufgrund der bereits erfolgten Abrutschung des Erdreiches im Bereich ihrer Garageneinfahrt eine nicht fernliegende Möglichkeit von späteren Folgeschäden gegeben war.

Den Klägern hätte auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zugestanden. Nach der am 22.09.2011 bei den Klägern aufgetretenen Stromstörung war es erforderlich und unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots aus § 11 Abs. 1 ENWG für die Beklagte auch zumutbar, das beschädigte Stromkabel auf dem Grundstück der Kläger zu warten und instand zu setzen. Da die Beklagte die Firma C. mit der Erledigung der Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten beauftragt hatte, haftet die Beklagte gemäß § 278 BGB für eine von der Firma C. begangene Pflichtverletzung. Eine solche liegt im Streitfall darin begründet, dass die Firma C. die ihr übertragenen Arbeiten nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat, so dass es zum Abrutschen des Erdreichs kam. Das Verschulden der Beklagten wird gemäß §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 278 BGB vermutet.

Bei der Kostenquote hat das Gericht berücksichtigt, dass die Kläger bis zur Teilerledigung in Bezug auf die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten des Rechtsstreits mit einem höheren Anteil (Verhältnis des Feststellungsantrags zum Gesamtstreitwert) obsiegt hätten als es dem Anteil ihres Obsiegens nach der Teilerledigung (Verhältnis des Kosteninteresses bezüglich des erledigten Teils zum verbleibenden Gesamtstreitwert) entspricht.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.