OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.01.2012 - 1 O 197/11
Fundstelle
openJur 2013, 46834
  • Rkr:

1. Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Gewerbeuntersagungsverfügung ist die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.

2. Steuerschätzungen sind im Rahmen des § 35 GewO nicht anders zu würdigen, als eine Steuerschuld, die sich aus dem exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergibt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 3. Kammer - vom 6. Dezember 2011 hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, wird nicht schlüssig in Frage gestellt.

Der Einwand des Klägers, die derzeitigen Steuerschulden gegenüber dem Finanzamt könnten, weil die Steuerveranlagung auf Schätzungen seines Umsatzes beruhe, der in Wirklichkeit nicht vorgelegen habe, seine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht begründen, ist nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Gewerbeuntersagungsverfügung ist die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier bei Erlass des Widerspruchsbescheides des Landkreises C. Land vom 14. April 2011. Spätere Entwicklungen können nur in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.06.1995 - 1 B 83.95 -, juris; OVG LSA, Beschl. v. 19.03.2010 - 1 L 38/10 -). Es kommt mithin nicht darauf an, in welcher Höhe das Finanzamt nach Klärung der streitigen Fragen die Steuerschuld gegenüber dem Kläger künftig festsetzen wird. Steuerneufestsetzungen erlangen erst mit Erlass der Bescheide des Finanzamtes rechtliche Bedeutung. Zuvor festgesetzte, auch auf Schätzungen beruhende Steuerschuldbeträge sind bis zu ihrer Abänderung nach §§ 162 Abs. 2, 361 Abs. 1 AO voll gültig und vollziehbar (OVG LSA, Beschl. v. 06.08.2010 - 1 L 112/10 -, juris). Müssen Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt werden, so ist die auf dieser Grundlage festgesetzte Steuerschuld nicht von anderer rechtlicher Qualität und daher im Rahmen des § 35 GewO nicht anders zu würdigen als eine Steuerschuld, die sich aus exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergibt (so BVerwG, Beschl. v. 29.01.1988 - 1 B 164.87 -, juris).

Mit Blick auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt erweist sich auch das klägerische Vorbringen im Zusammenhang mit gegenüber der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft H. bestehenden Zahlungsrückständen als nicht entscheidungsrelevant. Auf die noch nicht rechtskräftige Eingruppierung des Klägers in eine Gefahrtarifstelle nach dem SGB VII kommt es nicht an; etwaige, künftig günstige Auswirkungen einer gerichtlichen Aufhebung der Veranlagungsbescheide vom 16. November 2006 auf rückständige Beiträge, Säumniszuschläge und die Beitragsvorschussrate, wie sie im Schreiben der BG Bau vom 25. Mai 2009 aufgelistet wurden, muss der Kläger ggf. in einem Wiedergestattungsverfahren geltend machen. Umstände, die bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 einer Pflicht des Klägers zur Zahlung der Rückstände bei der BG Bau entgegen gestanden bzw. diese suspendiert haben, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Übrigen geht die Beschwerdeschrift auf die im angefochtenen Beschluss erwähnte mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers - wie sie durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 11. März 2009 zum Ausdruck kommt - mit keinem Wort ein. Mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann ein Untersagungsgrund sein, wenn hierdurch die für eine ordnungsgemäße Berufsausübung erforderlichen Geldmittel nicht zur Verfügung stehen. Da der Kläger noch im Rahmen seines Prozesskostenhilfeantrages in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 17. Juni 2011 angegeben hat, dass sein Lebensunterhalt durch seine Lebensgefährtin und teilweise durch seine Mutter bestritten werde und er selbst über keinerlei Einkommen und Vermögen verfüge, dürfte auch rund zwei Monate früher, im für die Gewerbeuntersagung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, kein Anlass für die Annahme bestanden haben, dass sich die finanzielle Situation des Klägers seit Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 11. März 2009 wesentlich verbessert hat. Es ist nicht ersichtlich, wie der Kläger ohne ausreichende finanzielle Mittel sein Gewerbe ordnungsgemäß betreiben will.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).