OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2013 - 6 W 1/13
Fundstelle
openJur 2013, 27412
  • Rkr:
Tenor

Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert bis 3.000 €.

Gründe

I.

Der Beklagte fügte dem Kläger im Dezember 2008 vorsätzlich eine Stichwunde zu. Wegen dieser Tat wurde er mit Urteil des Landgerichts Münster vom 30. 6. 2009 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Kläger machte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29. 1. 2010 Schmerzensgeldansprüche gegen ihn geltend und forderte ihn unter Fristsetzung auf, die Ansprüche dem Grunde nach schriftlich anzuerkennen. In einem Telefonat mit dem anwaltlichen Vertreter des Klägers erkannte der Beklagte daraufhin die Ansprüche an.

Unter dem 7. 2. 2012 begehrte der Kläger zunächst bei dem Landgericht Bielefeld, das das Verfahren an das Landgericht Münster abgegeben hat, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen. Zur Höhe äußerte er eine Vorstellung von 20.000 €. Der Beklagte beantragte die Zurückweisung des Antrags, erhob Einwendungen gegen die Sachverhaltsdarstellung des Klägers und vertrat die Auffassung, angemessen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von allenfalls 4.000 €.

Das Landgericht bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe und führte im Rahmen der Begründung aus, ein Schmerzensgeld sei in Höhe von 7.500 € angemessen.

Nachdem der Kläger erklärt hatte, in Höhe der Prozesskostenhilfebewilligung, also in Höhe eines Betrages von 7.500 €, solle Klage erhoben werden, stellte das Landgericht die Klage zu und ordnete das schriftliche Vorverfahren an. Innerhalb der ihm gesetzten Frist erkannte der Beklagte den Klageantrag an. Das Landgericht hat ihn daraufhin mit Anerkenntnisurteil vom 16. 11. 2012 zur Zahlung von 7.500 € nebst Zinsen verurteilt und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung der Kostenentscheidung hat es ausgeführt, der Beklagte habe ein sofortiges Anerkenntnis i. S. d. § 93 ZPO abgegeben. Das PKH-Verfahren bleibe bei dieser Beurteilung außer Betracht.

Gegen diese Kostenentscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 30. 11. 2012 eingelegten sofortigen Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen des § 93 ZPO lägen nicht vor, da der Beklagte die Klageforderung nicht sofort anerkannt habe. Er habe immerhin im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren die Zurückweisung des Antrags beantragt, was keinen Raum mehr für ein sofortiges Anerkenntnis lasse.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

II.

Die nach § 99 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits waren nach § 91 Abs. 1 ZPO dem unterlegenen Beklagen aufzuerlegen. Entgegen der Annahme des Landgerichts liegen die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vor.

Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklage den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.

Ob ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift noch möglich ist, wenn der Beklagte in einem vorangegangenen Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren die Zurückweisung des klägerischen Antrags beantragt hat (verneinend etwa OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1584) kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob zur Anwendung des § 93 ZPO bei einer Geldschuld neben dem Anerkenntnis die sofortige Leistung des geschuldeten Betrages hinzukommen muss (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl. § 93 Rdnr. 6 "Geldschulden").

Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen hier schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.

Ein Schuldner gibt Veranlassung zur Klage, wenn er eine fällige Forderung trotz Aufforderung durch den Gläubiger nicht bezahlt (BGH, NJW 1979, 2040), so dass der Gläubiger annehmen muss, er werde ohne Klageerhebung nicht zu seinem Ziel kommen (Zöller-Herget, § 93 Rdnr. 3).

Im Streitfall hat der Kläger seinen Schmerzensgeldanspruch bereits mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29. 1. 2010 geltend gemacht, wenngleich nicht beziffert. Der Beklagte erkannte zwar den Anspruch durch mündliche Erklärung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers dem Grunde nach an, gab aber weder das geforderte schriftliche Anerkenntnis ab noch leistete er Zahlungen. Spätestens mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine auf Schmerzensgeld gerichtete Klage, der dem Beklagten zugegangen ist, gab der Kläger für den Beklagten unzweideutig zu verstehen, dass er nunmehr Zahlung des angemessenen Betrages verlange. Auch diese Aufforderung nahm der Beklagte nicht zum Anlass, selbst den von ihm für angemessen gehaltenen Betrag von 4.000 € zu zahlen oder dem Kläger einen Vollstreckungstitel zukommen zu lassen. Der Kläger musste unter diesen Umständen davon ausgehen, dass der Beklagte entweder nicht zahlungswillig oder angesichts der Tatsache, dass der inhaftierte Beklagte seinerseits Prozesskostenhilfe beantragt hatte, nicht zahlungsfähig sei. Sein Ziel, ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen zu erlangen, konnte der Kläger danach ohne die Einleitung eines auf Erwirkens eines Urteils gerichteten Klageverfahrens nicht erreichen.

Selbst wenn man in der unterbliebenen Zahlung nach Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs im Jahre 2010 noch keine Veranlassung zur Klageerhebung sehen wollte, muss dies angesichts der klaren Forderung im PKH-Verfahren und des oben dargestellten Verhaltens des Beklagten darauf anders beurteilt werden. Bei der Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat, ist sein Verhalten bis zur Klageerhebung maßgeblich. Diese erfolgte hier erst mit der Zustellung der Klage nach Beschränkung der Vorstellungen des Klägers zur Angemessenheit des begehrten Schmerzensgeldes.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergeht nach § 91 Abs. 1 ZPO.