OLG Köln, Urteil vom 11.04.2013 - 24 U 176/12
Fundstelle
openJur 2013, 27160
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Oktober 2012 (Az. 21 O 40/12) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der vom Landgericht zugesprochene Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Aufklärungspflichten betreffend die Risiken der Kommanditbeteiligung an der C GmbH & Co. KG zu. Der Kläger ist nicht ordnungsgemäß über das Risiko des Verfalls der Police bei Nichtzahlung der Prämien, das Risiko einer verlängerten Prämienzahlungspflicht (sog. Langlebigkeitsrisiko) und die Gefahr des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB aufgeklärt worden. Auf die zutreffende Begründung des Landgerichts wird verwiesen. Die Berufung der Beklagten gibt noch zu folgenden Ergänzungen Anlass:

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Vortrag des Klägers zu den Aufklärungspflichtverletzungen ausreichend substanziiert. Es genügt schon, wenn der Anleger - wie hier - die behaupteten Versäumnisse in ihrem inhaltlichen Kerngehalt wiedergibt (BGH, Urteil vom 06.12.2012 - III ZR 66/12, juris Rn. 15).

Zwar ist auch - wie von der Beklagten geltend gemacht - eine Aufklärung durch einen rechtzeitig vor Vertragsabschluss übergebenen Prospekt möglich. Ob der Prospekt am Zeichnungstag vor oder nach dem Vertragsabschluss übergeben worden ist, hat das Landgericht aber zu Recht offen gelassen. Auch eine Übergabe des Prospekts im Laufe des Beratungsgesprächs, aber noch vor der Zeichnung, hätte nicht genügt. Eine solche Übergabe im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zeichnung wäre nicht so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung, dass sich der Kläger mit dem Inhalt eines mehr als 140 Seiten umfassenden Prospekts noch hätte vertraut machen können (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2012 - XI ZR 262/10, Rn. 21, für einen 101 Seiten umfassenden Prospekt). An der fehlenden Rechtzeitigkeit der Übergabe des Prospekts ändern auch die vom Kläger unterschriebenen Erklärungen nichts, mit denen er bestätigt hat, ihm sei ausreichend Zeit für die Lektüre des Prospekts eingeräumt worden bzw. den Prospekt tatsächlich gelesen und verstanden zu haben. Solche Klauseln, welche die Beweisposition des Vertragspartners durch Tatsachenbestätigungen verschlechtern sollen, sind gemäß § 309 Nr. 12 b) BGB unwirksam. Der Begriff der "Änderung der Beweislast" umfasst mehr als nur das nach dem Wort "insbesondere" aufgeführte Regelbeispiel der "Auferlegung der Beweislast" gemäß § 309 Nr. 12 a) BGB. Auch die Erschwerung der Beweisführung für den beweispflichtigen Vertragspartner des Verwenders durch eine Tatsachenbestätigung stellt eine unzulässige "Änderung der Beweislast" im Sinne des § 309 Nr. 12 b) BGB dar (BGH, Urteil vom 28.01.1987 - IVa ZR 173/85, juris Rn. 25-26; Becker in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Edition: 26 Stand: 01.08.2012, § 309 BGB Rn. 2; Grüneberg in: Palandt, 72. Auflage 2013, § 309 BGB Rn. 108). Die Ausnahme des § 309 Nr. 12 S. 2 BGB betrifft nur ein gesondert unterschriebenes oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehenes Empfangsbekenntnis. Alle darüber hinaus gehenden formularmäßigen Tatsachenbestätigungen sind unwirksam.

Eine mündliche Aufklärung des Klägers über das Risiko des Verfalls der Police bei Nichtzahlung der Prämien, das Risiko einer verlängerten Prämienzahlungspflicht (sog. Langlebigkeitsrisiko) oder die Gefahr des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB ist im ersten Rechtszug bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht behauptet worden. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast wäre es Sache der Beklagten gewesen, vorzutragen, wie im Einzelnen hinsichtlich dieser Risiken mündlich beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 105/06, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 17.12.2009 - III ZR 31/08, juris Rn. 22). Das ist unzweifelhaft nicht geschehen. Der in der mündlichen Verhandlung der Beklagten vom Landgericht eingeräumte Schriftsatznachlass diente lediglich der Erwiderung auf den Schriftsatz des Klägers vom 21. August 2012 und nicht zu einem neuen eigenen Tatsachenvortrag. Die im Schriftsatz der Beklagten vom 11. September 2012 erstmals aufgestellte - ohnehin gänzlich pauschale und unsubstanziierte - Behauptung, die in der Klageschrift erwähnten Risiken seien "im Gespräch durch den Vermittler I im Rahmen einer Anlage- und objektgerechten Aufklärung aufgezeigt" worden, war daher gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Soweit diese Behauptung in der Berufungsbegründung aufgegriffen wird, ist nicht ersichtlich, weshalb dieses neue Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landgericht von einem entgangenen Zinsgewinn aus dem Anlagekapital auf der Basis eines Zinssatzes von 4 % ausgegangen ist. Erstinstanzlich war unstreitig, dass der Kapitalbetrag aus einer zuvor gehaltenen Kapitallebensversicherung stammte. Im Schriftsatz vom 9. Mai 2012 hat der Kläger auf Seite 7 unter Beweisantritt vorgetragen, "dass der Kläger auf Anraten des Beraters I eine bestehende Kapitallebensversicherung gekündigt [...] und den Auszahlungsbetrag in die Beteiligung ein[ge]zahlt [hat]". Dem ist die Beklagte erstinstanzlich nicht entgegengetreten. Das erstmalige Bestreiten in der Berufungsinstanz kann nicht berücksichtigt werden, weil kein Zulassungsgrund im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dass eine Übergabe des Prospekts erst im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zeichnung nicht genügt, entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH. Die Anforderungen an die Behauptung einer Pflichtverletzung durch den Anleger und an das Bestreiten des Aufklärungspflichtigen im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast sind ebenso höchstrichterlich geklärt.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 13.000 € (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG)