BAG, Urteil vom 10.11.2011 - 8 AZR 546/10
Fundstelle
openJur 2013, 26550
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2010 - 5 Sa 104/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob infolge eines Betriebsteilübergangs zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht sowie darüber, ob dieses durch vorsorglich ausgesprochene Kündigungen des Beklagten zu 1) (im Folgenden: Beklagter) beendet worden ist.

Der Beklagte ist ein aufgrund der §§ 6 ff. des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Sachsen-Anhalt gebildeter Zweckverband für die Abwasserbeseitigung, zu dem sich 42 Städte und Gemeinden im Landkreis M zusammengeschlossen haben. 37 Städte und Gemeinden dieser Region hatten ferner für die Trinkwasserversorgung den "T" gebildet (im Folgenden: Streithelfer). Der Beklagte und der Streithelfer gründeten 1996 die W GmbH (im Folgenden: GmbH), deren einzige Gesellschafter sie zu gleichen Teilen wurden. Aufgrund von Geschäftsführungsverträgen übernahm die GmbH gegen Entgelt umfassend alle kaufmännischen und technischen Aufgaben des Beklagten in der Abwasserentsorgung sowie alle kaufmännischen und technischen Aufgaben des Streithelfers bei der Trinkwasserversorgung. Technisch waren insbesondere die Planung und Realisierung technischer Vorhaben, die Instandsetzung und Instandhaltung von Anlagen, die Realisierung von Hausanschlüssen sowie die Durchführung eines Havariedienstes zu bewältigen. Der kaufmännische Bereich umfasste im Wesentlichen die Fakturierung der Forderungen, die Rechnungslegung und das Inkasso der Forderungen im Namen der Gesellschafter. Daneben erbrachte die GmbH einzelne kaufmännische und/oder technische Aufgaben der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung für einzelne Gemeinden und andere Zweckverbände im Raum Nordthüringen. Diese nicht mit dem Beklagten oder dem Streithelfer im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen machten etwa 10 % der Geschäftstätigkeit der GmbH aus. Die GmbH beschäftigte etwa 90 Arbeitnehmer, davon zwei Drittel im technischen Bereich, den Rest im kaufmännischen Sektor. Die Organisation war entsprechend in diese beiden übergeordneten Bereiche aufgeteilt, wobei der technische Bereich in die Abteilung Trinkwasser, Abwasser und Planung untergliedert war. Der kaufmännische Bereich umfasste eine Finanzabteilung, eine Abteilung Abgaben/Recht sowie weitere Unterbereiche.

Die Klägerin war seit 1998 im kaufmännischen Bereich der GmbH beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiterin des Bereichs Abgaben. Ihr letztes monatliches Bruttoentgelt betrug 2.600,00 Euro.

Als Aufsichtsbehörde nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Sachsen-Anhalt verfügte der Landrat des Landkreises S am 3. November 2006, dass der Beklagte und der Streithelfer ab 1. Januar 2007 ihre Aufgaben der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung durch eigene betriebliche Mittel wahrzunehmen haben. Dafür waren Wirtschaftspläne aufzustellen, die entsprechenden Planstellen waren bis zum 31. Dezember 2006 zu besetzen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Der Beklagte und der Streithelfer kündigten daraufhin ohne Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist ihre Geschäftsbesorgungsverträge mit der GmbH zum 31. Dezember 2006. Als Gesellschafter wiesen sie den Geschäftsführer der GmbH an, die Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist nicht durchzusetzen. Ebenso wies die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer der GmbH an, verschiedene Verträge zur Übertragung beweglicher und unbeweglicher Betriebsmittel der GmbH auf den Beklagten und auf den Streithelfer abzuschließen. Der Beklagte übernahm durch notariellen Vertrag vom 27. Dezember 2006 verschiedene Grundstücke und aufgrund eines weiteren Vertrags vom 7. Dezember 2006 eine Fäkalienannahmestelle, einen Garagenkomplex und eine Dekanteranlage. Noch nicht besetzte Planstellen schrieben der Beklagte und der Streithelfer aus und luden zahlreiche, aber nicht alle Arbeitnehmer der GmbH, die sich beworben hatten, zu Personalgesprächen ein. Im Falle einer Einstellung wurde der Arbeitsvertrag mit der GmbH durch Aufhebungsvertrag beendet und ein neuer Arbeitsvertrag mit dem Beklagten oder dem Streithelfer abgeschlossen. Die Klägerin war nach dem 31. Dezember 2006 für die GmbH nicht mehr tätig, da sie über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig gewesen war und danach von der GmbH von der Arbeitsleistung freigestellt wurde. Für die GmbH wurde am 22. Januar 2007 die Liquidation beschlossen, am 2. April 2007 wurde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt.

Mit Eingang beim Arbeitsgericht am 27. März 2007 erhob die Klägerin Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem Beklagten infolge Betriebsübergangs. Daraufhin sprach der Beklagte vorsorgliche Kündigungen unter dem 8. Mai 2007 zum 30. Juni 2007 und unter dem 15. Juni 2007 zum 31. Juli 2007 aus. Diese griff die Klägerin klageerweiternd mit Kündigungsschutzanträgen und allgemeinen Feststellungsanträgen an.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis sei wegen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs auf den Beklagten übergegangen. Denn der Betrieb der Trinkwasserver- und der Abwasserentsorgung sei auf den Streithelfer und/oder den Beklagten übergegangen. Die Betriebsstruktur bei den Zweckverbänden ähnele der bei der GmbH sehr, die zudem bis zum Jahresende 2006 keine eigenen betrieblichen Strukturen unterhalten hätten. Von einer Weiterführung des betrieblichen Geschehens bei der GmbH, die der Annahme eines Betriebsübergangs entgegenstehen könnte, könne nicht ausgegangen werden. Der Beklagte und der Streithelfer hätten es der GmbH geradezu unmöglich gemacht, ihre Verpflichtungen insoweit zu erfüllen. Fast alle bei der GmbH verbliebenen Mitarbeiter seien dort ab Beginn des Jahres 2007 nicht mehr tatsächlich beschäftigt worden, Mitarbeiter des kaufmännischen Bereichs seien nur noch mit Abwicklungstätigkeiten befasst gewesen. Unerheblich sei, dass der Betrieb der GmbH auf zwei Rechtsträger, den Beklagten und den Streithelfer, übergegangen sei. Beide hätten seit Jahresbeginn 2007 einen Gemeinschaftsbetrieb geführt. Büro-, Werkstatt- und Lagerräumlichkeiten seien in gleicher Weise wie vorher genutzt worden. Eine Betriebsteilung habe sich allenfalls zu einem nicht präzise bestimmbaren späteren Zeitpunkt 2007 vollzogen. Da die beiden nachfolgenden Rechtsträger für die Klägerin keine Zuordnung vorgenommen hätten, stünde ihr ein Wahlrecht zu, das sie ausübe und infolge dessen sie sich beim Beklagten als Arbeitnehmerin sehe, der auch die überwiegenden Betriebsmittel übernommen habe. Soweit die Rechtsfragen europäisches Recht beträfen, seien sie dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsersuchens zu unterbreiten. Die vorsorglich ausgesprochenen Kündigungen des Beklagten hält die Klägerin nicht für sozial gerechtfertigt.

Sie hat zuletzt beantragt,

1.

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der W GmbH auf den Beklagten zum 1. Januar 2007 übergegangen ist und mit dem Beklagten fortbesteht;

2.

den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Leiterin der Abteilung Abgaben weiterzubeschäftigen;

3.

den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als vollbeschäftigte Angestellte zu beschäftigen;

4.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt über den 30. September 2007 hinaus fortbesteht;

5.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 8. Mai 2007, zugegangen am 9. Mai 2007, zum 30. Juni 2007 aufgelöst worden ist;

6.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. Juni 2007 hinaus fortbesteht;

7.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 15. Juni 2007, zugegangen am 18. Juni 2007 nicht zum 31. Juli 2007 aufgelöst worden ist.

Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags hat der Beklagte den Betriebsübergang in Abrede gestellt. Ungeachtet der Übernahme von Teilen des Betriebsvermögens der GmbH und der Beschäftigung von 37 Arbeitnehmern, die zuvor Arbeitsverhältnisse mit der GmbH gehabt hätten, seien diese in eine neue Struktur und den auf Anweisung des Landrats geschaffenen Stellenplan eingegliedert worden. Bei der GmbH habe es weder im technischen noch im kaufmännischen Sektor Bereiche gegeben, die nur Aufgaben der Abwasserentsorgung oder nur solche der Trinkwasserversorgung zu erfüllen gehabt hätten. Eine derart vorstrukturierte Einheit des GmbH-Betriebs hätten weder er noch der Streitverkündete vollständig und unter Wahrung ihrer Identität übernommen. Den Arbeitsplatz der Klägerin gebe es beim Beklagten nicht mehr.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch zwei Teilurteile abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin, die das Landesarbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, blieben in der Sache erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der GmbH ist nicht infolge eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 BGB auf den Beklagten übergegangen. Die vorsorglich vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen eines etwa bestehenden Arbeitsverhältnisses von Mai und Juni 2007 gingen ins Leere.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Bei dem zweiten "Teilurteil" des Arbeitsgerichts handele es sich offenbar um ein Schlussurteil, das nur irrtümlich als Teilurteil bezeichnet worden sei. Die fehlende Kostenentscheidung erster Instanz werde durch die umfassende Kostenentscheidung des zweitinstanzlichen Urteils kompensiert.

Von einem Betriebsübergang auf den Beklagten könne schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil dieser den Betrieb der GmbH nicht im Ganzen fortführe. Es komme allenfalls ein Betriebsteilübergang in Betracht. Jedoch habe die Klägerin schon nicht vorgetragen, bei der GmbH in einer organisatorischen Einheit beschäftigt gewesen zu sein, die eine übertragungsfähige Organisation aufgewiesen habe. Obgleich der Beklagte eine nicht geringe Anzahl vormaliger Mitarbeiter der GmbH eingestellt und verschiedene Gegenstände aus dem Betriebsvermögen der GmbH sowie einige Immobilien übernommen habe, ergebe sich nicht das Bild einer bei der GmbH bestehenden wirtschaftlichen Einheit, die auf den Beklagten übergegangen sein könnte und der die Klägerin angehört habe. Sie habe nicht dargelegt, dass die Verwaltung der GmbH, der sie als "Abteilungsleiterin Abgaben" angehört habe, im Sinne einer "wirtschaftlichen Einheit" auf den Beklagten übergegangen sei. Allenfalls könne festgestellt werden, dass Betriebsmittel der GmbH, die zur Erfüllung der Aufgaben "Abteilungsleitung Abgaben" bei ihr vorhanden und erforderlich gewesen seien, auf den Beklagten übergegangen sein könnten, ohne dass diese Betriebsmittel bei der GmbH in eine von den übrigen betrieblichen Aktivitäten organisatorisch abgetrennte Einheit, einen Betriebsteil, eingebunden gewesen und ohne dass diese einen evtl. Betriebsteil strukturierenden Betriebsmittel näher dargestellt worden seien. Der Beklagte wie der Streithelfer betrieben Aufgaben, die denjenigen der Klägerin bei der GmbH ähnelten. Dabei handele es sich um verwaltungsmäßige Stabsaufgaben, also um Aufgaben, die mit einem funktionierenden Abgabenwesen sowohl für die Trinkwasserversorgung als auch für die Abwasserentsorgung bedeutsam seien. Es sei nicht erkennbar, dass auf den Beklagten einerseits, auf den Streithelfer andererseits, auch nur ansatzweise strukturierte Einheiten von persönlichen und sächlichen Betriebsmitteln übergangen seien, die als "wirtschaftliche Einheit" im Sinne des Betriebsübergangsrechts angesehen werden könnten. Der Beklagte habe eine Teil-Funktionsnachfolge der GmbH angetreten, die gerade nicht als Teil-Betriebsübergang iSd. § 613a BGB qualifiziert werden könne. Daher sei auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht auf den Beklagten übergegangen. Damit stellten sich auch die gegen die vorsorglichen Kündigungen des Beklagten gerichteten Kündigungsschutz-, Weiterbeschäftigungs- und Feststellungsanträge als unbegründet dar. Ebenso komme es nicht darauf an, ob der Klägerin ein Wahlrecht zustehe, welcher "Betriebsübernehmer" sie hätte weiterbeschäftigen müssen.

B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der GmbH hat keiner abgrenzbaren organisatorischen Einheit angehört, die auf den Beklagten übergegangen wäre. Der Senat hält an dieser in ständiger Rechtsprechung entwickelten Tatbestandsvoraussetzung des § 613a BGB fest (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 730/09 - AP BGB § 613a Nr. 406), weil entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung auch für das Europäische Recht durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt ist, dass schon beim Betriebs(teil)veräußerer eine abgrenzbare organisatorische wirtschaftliche Einheit vorgelegen haben muss, um einen Betriebsteilübergang annehmen zu können.

1. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese gesetzliche Regelung stellt die Umsetzung der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 dar. Diese Richtlinie kodifiziert ihrerseits die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 geänderten Fassung (vgl. EuGH 29. Juli 2010 - C-151/09 - [UGT-FSP] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 4).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH soll die Richtlinie 2001/23/EG die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang iSd. Richtlinie ist daher, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann gegeben sein kann, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird (vgl. EuGH 29. Juli 2010 - C-151/09 - [UGT-FSP] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 4; 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, I-803 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2).

Daraus folgt, dass eine Übernahme nur dann unter die Richtlinie 2001/23/EG und damit unter § 613a BGB fällt, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übernommen wird, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck, die hinreichend strukturiert und selbständig ist. Eine solche Einheit muss nicht unbedingt bedeutsame materielle oder immaterielle Betriebsmittel umfassen. In bestimmten Wirtschaftszweigen liegen diese Betriebsmittel nämlich oft nur in ihrer einfachsten Form vor und es kommt dort im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Daher kann eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern, denen eigens und auf Dauer eine gemeinsame Aufgabe zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen, ohne dass weitere Betriebsmittel vorhanden sind (EuGH 13. September 2007 - C-458/05 - [Jouini ua.] Slg. 2007, I-7301 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 2 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 1). In diesem Zusammenhang ist für die Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit iSv. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG auch zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit dargestellt haben, die als solche dazu ausgereicht hat, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen (Dienst-)Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können (vgl. EuGH 13. September 2007 - C-458/05 - [Jouini ua.] aaO). Auch in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, besteht nach Europäischem Recht das Erfordernis, dass der Übergang immer "eine wirtschaftliche Einheit betreffen muss, die nach dem Inhaberwechsel ihre Identität bewahrt", wobei die Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden darf, also eine reine Aufgabennachfolge selbst bei betriebsmittelarmen wirtschaftlichen Einheiten keinen Betriebsübergang darstellt (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 6).

2. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es Sache der nationalen Gerichte, anhand dieser Auslegungsgesichtspunkte festzustellen, ob ein Betriebs(teil)übergang iSd. Richtlinie 2001/23/EG (und damit im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) vorgelegen hat, dh. insbesondere auch festzustellen, ob die Identität der übertragenen wirtschaftlichen Einheit bewahrt worden ist (vgl. EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, I-803 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2).

3. Aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH geht der Senat davon aus, dass die von einem Erwerber übernommene organisierte Gesamtheit von Personen und/oder Sachen bereits beim Veräußerer eine wirtschaftliche Einheit dargestellt und damit die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben muss, um die Voraussetzung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllen zu können (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 455/10 -; 7. April 2011 - 8 AZR 730/09 - mwN, AP BGB § 613a Nr. 406; 27. Januar 2011 - 8 AZR 326/09 - AP BGB § 613a Nr. 402 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 123; 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 70).

Deshalb muss bereits beim bisherigen Betriebs(teil)inhaber eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorgelegen haben, mit welcher innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt worden ist. Die Erfüllung eines betrieblichen Teilzwecks ist nur eine der Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens eines Betriebsteils und vermag das Fehlen einer abgrenzbaren organisatorischen Einheit nicht zu ersetzen. Hierbei darf die im Betriebsteil liegende Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Allerdings genügt eine beim Betriebs(teil)veräußerer bestehende funktionelle Verknüpfung nicht, um einen schon beim Veräußerer bestehenden Betriebsteil mit organisatorischer Selbständigkeit anzunehmen, der im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen werden könnte. Die Selbständigkeit der schon beim Betriebs(teil)veräußerer abgrenzbaren organisatorischen wirtschaftlichen Einheit muss nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings beim Betriebserwerber nicht mehr vollständig erhalten bleiben (vgl. EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, I-803 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2; vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 730/09 - AP BGB § 613a Nr. 406). Aufgrund dieser klaren Rechtsprechung des EuGH war der Senat nicht verpflichtet, ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV einzuleiten.

4. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass ein vollständiger Betriebsübergang auf den Beklagten schon deswegen nicht angenommen werden kann, weil dieser unstreitig nicht den gesamten Betrieb der GmbH übernommen hat. Die Weiterführung eines erheblich eingeschränkten Betriebs schließt trotz der Nutzung sächlicher Betriebsmittel des früheren Betriebsinhabers einen vollständigen Betriebsübergang aus (vgl. BAG 16. Februar 2006 - 8 AZR 204/05 - Rn. 20, AP BGB § 613a Nr. 300 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 46). Unstreitig hat der Beklagte nicht alle Betriebsmittel der GmbH übernommen, ebenso ist nicht strittig, dass der Beklagte weder mit den Aufgaben befasst ist, die früher die GmbH für den Streithelfer erfüllte, noch, dass der Beklagte die der GmbH übertragenen Aufgaben für Gemeinden und Zweckverbände außerhalb des Bereichs des Beklagten oder des Streithelfers wahrnimmt. Der Beklagte beschäftigt auch nur 37 Arbeitnehmer, die früher bei der GmbH tätig waren, etwa 30 weitere sind heute beim Streithelfer beschäftigt und 22 Arbeitnehmer verblieben bei der GmbH.

5. Die Überlegung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei bei der GmbH nicht in einem abgrenzbaren Betriebsteil beschäftigt gewesen, der auf den Beklagten übergegangen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine abgrenzbare organisatorische Einheit, die ausschließlich kaufmännische Aufgaben oder die Aufgaben des Bereichs "Abgaben" der Abwasserentsorgung zum Gegenstand hatte und welche die Klägerin leitete, existierte bei der GmbH nicht.

In den anderen als den technischen Abteilungen "Trinkwasser" und "Abwasser", also im gesamten kaufmännischen Bereich gab es bei der GmbH weder eine Trennung zwischen den Aufgaben der Abwasserentsorgung und denen der Trinkwasserversorgung, noch wurde danach unterschieden, ob die Leistung für den Beklagten, den Streithelfer oder für einen sonstigen Auftraggeber erbracht wurde. Weisungen im kaufmännischen Bereich wurden stets von ein und derselben vorgesetzten Person erteilt, gleichgültig, ob sie eine Angelegenheit der Abwasserentsorgung, der Trinkwasserversorgung oder eine Angelegenheit der übrigen nordthüringischen Gemeinden und Verbände betraf. Auch die in der kaufmännischen Abteilung genutzten Betriebsmittel wie die Räumlichkeiten, die Betriebseinrichtung, die Hard- und Software der IT und die Daten der angeschlossenen Haushalte wurden nicht ausschließlich für die Aufgaben der Abwasserentsorgung genutzt, sondern für alle Tätigkeitsfelder der GmbH. Eine abgrenzbare organisatorische Einheit "Kaufmännische Aufgaben der Abwasserentsorgung" lässt sich ebenso wenig erkennen wie eine allumfassende Einheit "Technische und kaufmännische Abteilung Abwasserentsorgung".

II. Ohne Erfolg macht die Revision weiter geltend, das Landesarbeitsgericht habe die Erwägung ausgeblendet, der Beklagte und der Streithelfer hätten ab 1. Januar 2007 zunächst einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten, welcher den (gesamten) Betrieb der GmbH auch über den Jahreswechsel hinaus zunächst als Gesamtbetrieb übernommen habe.

1. Unter einem Betrieb versteht die Rechtsprechung eine organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. zum Betrieb iSd. BetrVG: BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1; 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05 - BAGE 121, 7 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2; 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - NZA 2009, 328; 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - NZA-RR 2009, 255). Ein Betrieb kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Davon geht auch § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BetrVG aus. Nur wenn ein solcher gemeinsamer Betrieb unter Beteiligung des Beklagten gebildet worden wäre, könnte ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf den Beklagten überhaupt in Frage kommen.

Die Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben (BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - AP BGB § 613a Nr. 389 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 120; 11. Dezember 2007 - 1 AZR 824/06 - mwN, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 21).

Die Begriffe "Betrieb" und "gemeinschaftlicher Betrieb" sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. zu § 1 Abs. 1 BetrVG: BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8; 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05 - BAGE 121, 7 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2).

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand. Der Beklagte und der Streithelfer betrieben ab 1. Januar 2007 keinen gemeinsamen Betrieb.

a) Das Landesarbeitsgericht hat als unstreitig festgestellt, dass 22 Beschäftigte und 3 Auszubildende nach dem 31. Dezember 2006 bei der GmbH verblieben seien und teilweise ihre vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen dort erbracht hätten. Auch die Stelle der Klägerin sei bei der GmbH zum 1. Januar 2007 vorhanden gewesen, nur habe die Klägerin infolge Arbeitsunfähigkeit und Freistellung dort nicht mehr gearbeitet. Die GmbH sei nach Silvester 2006 in Liquidation gegangen und habe ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Mai 2007 endgültig eingestellt.

Soweit die Revisionsbegründung auf den insoweit von der Klägerin erstinstanzlich gehaltenen Vortrag verweist und diesen wiederholt, wird keine Verfahrensrüge erhoben. Daher kann der Senat diesem vom Berufungsgericht nicht weiter behandelten Vorbringen erster Instanz nicht nachgehen, er ist an die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).

b) Im Übrigen ist der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht geeignet, einen gemeinschaftlichen Betrieb des Beklagten und des Streithelfers substanziiert darzustellen. Selbst wenn Beklagter und Streithelfer auch nach dem 1. Januar 2007 zunächst die Betriebsstätte der GmbH wie die materiellen und immateriellen Betriebsmittel weiter nutzten, reicht dies nicht für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs aus, auf den auch der kaufmännische Bereich hätte insgesamt übergegangen sein können. Es fehlt sowohl an dem maßgeblichen Merkmal einer einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten wie auch an einem von dem Beklagten und dem Streithelfer mit einem gemeinsamen Betrieb verfolgten einheitlichen arbeitstechnischen Zweck. Solches war beiden im November 2006 durch die Kommunalaufsicht verboten worden, die verfügt hatte, dass die Abwasserentsorgung vom Beklagten, die Trinkwasserversorgung vom Streithelfer ab 1. Januar 2007, und zwar getrennt voneinander wahrzunehmen seien. Entsprechend wurde der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft auch nicht von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert, sondern der Beklagte wies seine, der Streithelfer die ihm zugeordneten, anderen Arbeitskräfte an (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 7 ABR 9/00 - Rn. 17 mwN, EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 11). An dieser Rechtslage hat sich durch die Einfügung des § 1 Abs. 2 BetrVG mit der Reform vom 25. September 2001 nichts geändert (vgl. Fitting BetrVG 25. Aufl. § 1 Rn. 85 mwN).

Konnte die Klägerin Tatsachen für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs nicht substanziiert darlegen, so ist diese Frage nicht entscheidungserheblich. Daher erübrigte sich auch ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zur Frage, ob bei einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Betriebsübernehmer nach Europäischem Recht ein Betriebsübergang angenommen werden kann.

III. Mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten ab dem 1. Januar 2007 gingen die vorsorglich ausgesprochenen Kündigungen des Beklagten von Mai und Juni 2007 ins Leere, ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien konnte durch diese nicht beendet werden. Die Kündigungsschutzanträge der Klägerin sind unbegründet.

C. Nach § 97 ZPO hat die Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Der Senat hatte die Kostenentscheidung für die erste Instanz nachzuholen. Über diese wurde noch nicht entschieden, weil das Arbeitsgericht statt eines Schlussurteils ein weiteres Teilurteil verkündet hat und auch das Landesarbeitsgericht nur über die Kosten des Berufungsverfahrens entschieden hat. Die Kostentragungspflicht der Klägerin für die erste Instanz beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Hauck

Böck

Breinlinger

Eimer

Wroblewski