BVerfG, Beschluss vom 04.09.2008 - 2 BvR 1739/06
Fundstelle
openJur 2013, 25782
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die im Wege der Rechtshilfe beantragte Zustellung von Sammelklagen auf Schadenersatz, mit denen die Beschwerdeführerin vor Gerichten in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) in Anspruch genommen werden soll.

I.

1. Die Beschwerdeführerin ist eine in O... ansässige Tochtergesellschaft eines italienischen Unternehmens. Sie verarbeitet Kupfer und Kupferlegierungen insbesondere zu Kupferrohren. Über ihre Tochtergesellschaft vertreibt sie auch Kupferrohre in den USA. Im Herbst 2004 setzte die Europäische Kommission gegen die Beschwerdeführerin und weitere Unternehmen Geldbußen fest, da diese ein Kartell auf dem europäischen Markt für Wasser-, Heizungs- und Gasrohre gebildet hätten (Entscheidung vom 3. September 2004, K [2004] 2826).

2. Daraufhin reichten verschiedene Kläger gegen die Beschwerdeführerin Sammelklagen (class actions) bei US-amerikanischen Bundesgerichten ein. Zur Begründung nehmen sie auf die Entscheidung der Europäischen Kommission Bezug und behaupten, die Beschwerdeführerin und die anderen von der Entscheidung der Europäischen Kommission betroffenen Unternehmen hätten auch Verkaufspreise für Kupfersanitärrohre in den USA festgelegt. Dadurch hätten sie die Kläger, die angeben, Abnehmer von Kupfersanitärrohren der Beschwerdeführerin zu sein, geschädigt. Die Kläger beantragen jeweils die Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Zahlung von Schadenersatz in unbezifferter Höhe sowie zur Erstattung sämtlicher Verfahrenskosten und angemessener Anwaltsgebühren, wobei der Schadenersatz nach dessen Festsetzung verdreifacht werden soll (treble damages). Darüber hinaus begehren die Kläger, dass die Beschwerdeführerin nach den US-amerikanischen Grundsätzen der Gesamtschuld (joint and several liability) für den gesamten geltend gemachten Schaden haftet, auch denjenigen, der durch die anderen an dem beanstandeten Kartell beteiligten Unternehmen verursacht worden sein soll.

3. Die im Wege der Rechtshilfe gemäß Art. 5 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HZÜ) vom 15. November 1965 (BGBl II 1977 S. 1452) beantragte Zustellung der Klagen bewilligte das Niedersächsische Justizministerium mit Verfügungen vom 2. Mai und 17. Juni 2005.

Gegen diese Verfügungen wendete sich die Beschwerdeführerin mit Anträgen auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG an das Oberlandesgericht Celle. Sie machte geltend, dass die Zustellung der gegen sie gerichteten Klagen Art. 13 Abs. 1 HZÜ und Verfassungsrecht verletze. Die Klagen seien rechtsmissbräuchlich ohne substantielle Grundlage erhoben worden. Sie verfolgten allein den Zweck, wirtschaftlichen Druck auf die Beschwerdeführerin auszuüben, um diese zum Abschluss eines ungerechtfertigten Vergleichs zu zwingen. Die anwendbaren Regelungen des US-amerikanischen Zivilrechts förderten diese Absicht, insbesondere weil das Beweisermittlungsverfahren (pre-trial discovery) exorbitante Verfahrenskosten erzeugen könne und auch der obsiegende Beklagte die eigenen Kosten der Rechtsverteidigung zu tragen habe. Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin, das Verfahren gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen oder zumindest bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über eine entsprechende Vorlage des Oberlandesgerichts Koblenz auszusetzen, nach dessen Auffassung Art. 13 Abs. 1 HZÜ der Zustellung einer US-amerikanischen Sammelklage auf dreifachen Schadenersatz entgegenstehe.

In Bezug auf den Aussetzungsantrag übersandte das Oberlandesgericht der Beschwerdeführerin zunächst ohne weiteren Kommentar Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte, die entsprechende Sammelklagen nach US-amerikanischem Recht für zustellungsfähig halten. Mit im Wesentlichen gleichlautenden Beschlüssen vom 20. Juli 2006 wies das Oberlandesgericht anschließend die Anträge der Beschwerdeführerin zurück. Zur Begründung führte es aus, dass einer Zustellung der Klagen weder Art. 13 Abs. 1 HZÜ noch verfassungsrechtliche Gründe entgegenstünden. Art. 13 Abs. 1 HZÜ könne nur zur Anwendung kommen, wenn schon die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke eine besonders schwere Beeinträchtigung der Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich brächte. Die Vorbehaltsklausel eröffne dagegen nicht die Möglichkeit, den im ersuchenden Staat anhängigen Rechtsstreit zu präjudizieren. Auch in Deutschland würden Klagen vor der Zustellung nicht auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft. Die Beschränkung der Überprüfungsbefugnis rechtfertige sich aus den Zielen des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, die gegenseitige Rechtshilfe zu verbessern und Empfängern im Ausland zuzustellender Schriftstücke von diesen rechtzeitig Kenntnis zu geben. Mit der Zustellung der Klage sei auch keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen der Beschwerdeführerin in Deutschland verbunden. Zudem sei die Beschwerdeführerin selbst bei einer Verweigerung der Zustellung nicht davor geschützt, in den Prozess hineingezogen zu werden, da nach US-amerikanischem Recht die Zustellung an eine US-amerikanische Tochtergesellschaft eines beklagten ausländischen Unternehmens ebenfalls wirksam sei und zudem Art. 15 Abs. 2 HZÜ die Möglichkeit vorsehe, das Verfahren auch ohne Nachweis der Zustellung durchzuführen. Schließlich lägen keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um offensichtlich missbräuchliche und verfahrensfremden Zwecken dienende Klagen handele. Für eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Vorlage des Oberlandesgerichts Koblenz sah das Oberlandesgericht ebenso wenig Raum wie für eine eigene Vorlage. Es teile gerade nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz, das seinerseits von der gefestigten Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweichen wolle.

II.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.

Eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip liege vor, weil das mit den Klagen verfolgte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstoße. Die Klagen seien rechtsmissbräuchlich. Sie hätten keine substantielle Grundlage, sondern stützten sich lediglich auf die Pressemitteilung über die Entscheidung der Europäischen Kommission, die sich ausschließlich auf den europäischen Wirtschaftsraum beziehe. Es gehe den Klägern allein darum, einen Marktteilnehmer mittels des mit einer derartigen Klage einhergehenden Reputationsverlusts, des Risikos einer Verurteilung zu unübersehbarem Schadenersatz und der enormen Aufwendungen des Prozesses gefügig zu machen und zu einem Vergleich zu drängen. Auch die einschlägigen Grundsätze des US-amerikanischen Zivilprozess- und Schadenersatzrechts verstießen gegen rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere die Möglichkeit einer Ausforschung des Beklagten im Rahmen der pre-trial discovery und die Belastung auch der obsiegenden Partei mit einem Teil der Verfahrenskosten.

Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG ergebe sich daraus, dass die Beschwerdeführerin durch die Belastung mit den Kosten für ein Ausforschungsbeweisverfahren ohne Erstattungsmöglichkeit und die eventuelle Haftung auf dreifachen Schadenersatz ohne Regressmöglichkeit in ihrer Existenz bedroht sei.

Weiter werde die Beschwerdeführerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen, weil das Oberlandesgericht Celle in Kenntnis des Vorlagebeschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz die Sache nicht gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt habe. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG schließlich sei unter verschiedenen Gesichtspunkten gegeben. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit gehabt, zu den von dem Oberlandesgericht Celle übersandten Beschlüssen der anderen Oberlandesgerichte Stellung zu nehmen.

III.

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Annahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerden keine Aussicht auf Erfolg haben.

1. Die Verfassungsbeschwerden sind teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

a) aa) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG rügt, sind die Verfassungsbeschwerden unzulässig, da die Beschwerdeführerin entgegen § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den Rechtsweg nicht erschöpft hat. Die Beschwerdeführerin hätte insoweit die Möglichkeit gehabt, eine Überprüfung der Beschlüsse des Oberlandesgerichts im Wege der Anhörungsrüge nach § 29a FGG zu erreichen. Denn gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG sind auf das Verfahren vor dem Zivilsenat die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über das Beschwerdeverfahren sinngemäß anzuwenden; zu diesen Vorschriften zählt auch § 29a FGG (vgl. nur Kissel/Mayer, GVG, Kommentar, 5. Aufl. 2008, § 29 EGGVG Rn. 6). Der darin vorgesehene fachgerichtliche Rechtsbehelf gehört zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.

bb) Das Unterlassen der Einlegung der Anhörungsrüge gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG, § 29a FGG kann zur Folge haben, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Januar 2002 - 2 BvR 2124/01 -, NVwZ 2002, S. 848; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Dezember 2002 - 2 BvR 1786/02 -; JURIS). Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die behauptete Gehörsverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, NJW 2005, S. 3059 <3060>). Denn läge ein Gehörsverstoß vor, so würde das Gericht ihm abhelfen, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist (vgl. § 29a Abs. 5 FGG). Dadurch bestünde eine Abhilfemöglichkeit grundsätzlich auch für die parallel erhobenen Rügen der Beschwerdeführerin.

b) Ob die Verfassungsbeschwerden nach diesen Grundsätzen insgesamt unzulässig sind, kann hier offen bleiben, da sie hinsichtlich der weiteren Rügen jedenfalls unbegründet sind.

aa) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 80, 137 <152> m.w.N.). Diese steht jedoch gemäß Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung (vgl. BVerfGE 6, 32 <37 f.>; 74, 129 <152>; 80, 137 <153>). Sie kann daher auf der Grundlage des HZÜ, dem die für die Bundesgesetzgebung zuständigen Organe zugestimmt haben (Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 1977, BGBl II 1977 S. 1452) und gegen dessen Verfassungsmäßigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfGE 91, 335 <339 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2007 - 2 BvR 1133/04 -, JZ 2007, S. 1046; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 2247/06 u.a. -, NJW 2007, S. 3709), eingeschränkt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang aber noch nicht abschließend entschieden, ob die Zustellung einer Klage auch dann mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar wäre, wenn das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstieße (vgl. BVerfGE 91, 335 <343>; 108, 238 <247>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2007, a.a.O., S. 1046; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., S. 3710). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung, da ein Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats nicht gegeben ist.

Das Ziel der konkret gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Klagen verstößt nicht offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats.

Das könnte dann der Fall sein, wenn der rechtsmissbräuchliche Charakter der Klage, um deren Zustellung ersucht wird, von vornherein offenkundig ist. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen können etwa darin zu sehen sein, dass die erhobene Klageforderung auch in ihrer Höhe offensichtlich keine substantielle Grundlage hat, dass der Beklagte mit dem angegriffenen Verhalten offensichtlich nichts zu tun hat oder dass erheblicher publizistischer Druck aufgebaut wird, um den Beklagten zu einem ungerechtfertigten Vergleich zu drängen (vgl. BVerfGE 108, 238 <248>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2007, a.a.O., S. 1046 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O, S. 3711). Derartige Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch bestehen vorliegend nicht.

Die Höhe der Schadenersatzforderung kann hier bereits deshalb keinen Anhaltspunkt für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liefern, weil die Kläger bislang nur die Verurteilung zu Schadenersatz in unbezifferter Höhe beantragen. Es kann in einem solchen Fall nicht Aufgabe der um Zustellung ersuchten deutschen Hoheitsträger sein, selbständig eine mögliche Schadenssumme zu ermitteln und diese ins Verhältnis zu dem schädigenden Ereignis oder gar der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zustellungsempfängers zu setzen (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., S. 3711).

Es ist auch nicht offensichtlich, dass der geltend gemachte Schadenersatzanspruch keine substantielle Grundlage hat. Zwar wirft die Entscheidung der Europäischen Kommission, die den Anlass für die Klagen gibt, der Beschwerdeführerin nur Kartellrechtsverstöße auf dem europäischen Markt vor. Es erscheint aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass entsprechende Preisabsprachen auch für den US-amerikanischen Markt getroffen wurden, auf dem die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben über eine Tochtergesellschaft tätig ist. Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob dieser Vorwurf einer in die Einzelheiten gehenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung standhält. Eine solche Prüfung kann aber nicht Aufgabe des Zustellungsverfahrens sein (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O, S. 3711).

Schließlich gibt es auch keine die Klageerhebung sowie den weiteren Fortgang des Verfahrens begleitende und von Klägerseite in Gang gebrachte Kampagne in den Medien, die dazu dienen soll, die Beschwerdeführerin gefügig zu machen und in unredlicher Weise zum Abschluss eines Vergleichs zu drängen. Die Beschwerdeführerin befürchtet zwar einen Reputationsverlust, hat aber publizistischen Druck seitens der Kläger nicht vorgetragen.

bb) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin auch nicht in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil einer Klagezustellung keine berufsregelnde Tendenz zukommt. Auch eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG scheidet mangels einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit der Beschwerdeführerin in von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgütern durch den Akt der Klagezustellung aus. Die Zustellung einer Klage bezieht den Empfänger in ein Gerichtsverfahren ein, trifft aber keine Entscheidung über den Ausgang des Verfahrens (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2007, a.a.O., S. 1047; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., S. 3711).

cc) Schließlich entziehen die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts die Beschwerdeführerin nicht entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter.

Für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG reicht nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen aus (vgl. BVerfGE 3, 359 <364 f.>; 29, 166 <172 f.>; 76, 93 <96>). Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts willkürlich ist (grundlegend BVerfGE 3, 359 <364 f.>). Das gilt auch, wenn ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt (BVerfGE 13, 132 <143>; 42, 237 <241>; 87, 282 <284 f.>; stRspr).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vor. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts lassen Willkür nicht erkennen. Eine Vorlagepflicht zum Bundesgerichtshof gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG besteht nur dann, wenn ein Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts im Ergebnis abweichen will. Entscheidung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG, § 28 Abs. 2 FGG ist nur eine Endentscheidung oder eine ihr gleichkommende Zwischenentscheidung, nicht jedoch ein Vorlagebeschluss eines anderen Oberlandesgerichts (vgl. nur Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, Kommentar, 15. Aufl. 2003, § 28 Rn. 21). Der Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Koblenz, das seinerseits von der bisherigen Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweichen will, begründete daher hier keine Vorlagepflicht des Oberlandesgerichts.

2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zukommt.

a) Grundsätzliche Bedeutung ist nur gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist. Anhaltspunkt für eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne kann sein, dass die Frage in der Fachliteratur kontrovers diskutiert oder in der Rechtsprechung der Fachgerichte unterschiedlich beantwortet wird. An ihrer Klärung muss zudem ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse bestehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sie für eine nicht unerhebliche Anzahl von Streitigkeiten bedeutsam ist oder ein Problem von einigem Gewicht betrifft, das in künftigen Fällen erneut Bedeutung erlangen kann (BVerfGE 90, 22 <24 f.>).

b) Danach fehlt es den vorliegenden Verfassungsbeschwerden an grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung.

Die vom Bundesverfassungsgericht bislang nicht abschließend entschiedene Frage ist allein, ob die Zustellung einer ausländischen Klage auch dann mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar wäre, wenn das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstieße (vgl. BVerfGE 91, 335 <343>; 108, 238 <248 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2007, a.a.O., S. 1046; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., S. 3710). Damit ist verfassungsgerichtlich geklärt, dass eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip durch die Zustellung einer ausländischen Klage jedenfalls dann ausscheidet, wenn ? wie hier ? die Grenze eines Verstoßes gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats nicht überschritten ist. Einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Zustellung einer ausländischen Klage nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen richtet, kann deshalb erst dann wieder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommen, wenn die genannte Grenze im konkreten Einzelfall erreicht ist.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGGabgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.