BGH, Beschluss vom 04.04.2000 - VI ZB 3/00
Fundstelle
openJur 2010, 6007
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Januar 2000 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger hat die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Unfallgegners auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen. Gegen das am 5. Oktober 1999 zugestellte, die Klage teilweise abweisende Urteil des Landgerichts hat Rechtsanwalt Graf M. im Auftrag des Klägers am 3. November 1999 Berufung eingelegt. Am 6. Dezember 1999 hat Rechtsanwalt Graf M. angezeigt, daß er den Kläger nicht mehr vertrete. Sodann hat sich Rechtsanwalt Dr. C. am 7. Dezember 1999 mit den übrigen Mitgliedern seiner Sozietät zu Prozeßbevollmächtigten des Klägers bestellt. Nach einem am 6. Dezember 1999 erfolgten telefonischen Hinweis seitens des Berufungsgerichts auf die am 3. Dezember 1999 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist haben die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit einem am 17. Dezember 1999 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und gleichzeitig die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens hat der Kläger vorgetragen, Rechtsanwalt Graf M. habe sich nach Einlegung der Berufung, nachdem er zwischenzeitlich Mitglied der Sozietät der den Kläger erstinstanzlich vertretenden Prozeßbevollmächtigten geworden sei, entschlossen, das Mandat nicht fortzuführen. Rechtsanwalt K. habe daher am 2. Dezember 1999 im Auftrag von Rechtsanwalt Graf M. den jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt Dr. C., angerufen und gefragt, ob er die weitere Vertretung des Klägers in der Berufungsinstanz übernehmen wolle, wozu sich dieser bereiterklärt habe. Im Zuge des Telefonats habe Rechtsanwalt K. zunächst erläutert, daß Rechtsanwalt Graf M. mit Schriftsatz vom 2. November 1999 Berufung eingelegt habe. Rechtsanwalt Dr. C. habe Rechtsanwalt K. dahingehend verstanden, daß Rechtsanwalt Graf M. bereits Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt habe und die Berufungsbegründungsfrist nunmehr am 3. Januar 2000 ablaufe, was von Rechtsanwalt Dr. C. in einem handschriftlichen Gesprächsvermerk zu dem Telefonat notiert worden sei. Rechtsanwalt K. habe demgegenüber lediglich erklären wollen, daß Fristverlängerung beantragt werden müsse und die Berufungsbegründungsfrist sodann am 3. Januar 2000 ablaufe. Rechtsanwalt K. und Rechtsanwalt Dr. C. seien dann so verblieben, daß Rechtsanwalt K. die Zustimmung des Klägers zur Fortführung des Mandates durch Rechtsanwalt Dr. C. einhole und sich sodann wieder melde. Die Genehmigung des Klägers habe Rechtsanwalt K. sofort eingeholt und sodann mit Telefax-Schreiben vom 2. Dezember 1999 Rechtsanwalt Dr. C. das Mandat zur weiteren Prozeßvertretung des Klägers vor dem Berufungsgericht erteilt. Beigefügt habe Rechtsanwalt K. die beiden ersten Seiten des Urteils des Landgerichts sowie die Berufungsschrift vom 2. November 1999. Da in dem Anschreiben von Rechtsanwalt K. keine Rede davon gewesen sei, daß Fristverlängerung beantragt werden müsse, sei Rechtsanwalt Dr. C. entsprechend seinem Verständnis des Telefonates davon ausgegangen, daß Fristverlängerung bereits durch Rechtsanwalt Graf M. beantragt worden sei und die Berufungsbegründungsfrist erst am 3. Januar 2000 ablaufe. Dementsprechend habe er nicht die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Rechtsanwalt K. sei demgegenüber davon ausgegangen, daß eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist von Rechtsanwalt Dr. C. beantragt werde. Rechtsanwalt K. habe jedoch seiner Sekretärin, Frau S., die Anweisung erteilt, die Berufungsbegründungsfrist noch nicht zu streichen, sondern die Bestätigung der Mandatsübernahme und der beantragten Fristverlängerung durch Rechtsanwalt Dr. C. abzuwarten. Als diese Bestätigung am 3. Dezember 1999 nicht eingetroffen sei, habe Rechtsanwalt K. seine Büroangestellte angewiesen, im Büro von Rechtsanwalt Dr. C. anzurufen und dies zu klären. Weisungsgemäß habe Frau S. daraufhin im Büro von Rechtsanwalt Dr. C. angerufen, wobei sie mit der Angestellten von Rechtsanwalt Dr. C., Frau K., gesprochen habe. Frau S. habe nach ihrer Erinnerung Frau K. danach gefragt, ob die Unterlagen angekommen seien, ob das Mandat von Rechtsanwalt Dr. C. übernommen werde und ob Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei. Frau K. habe die Frage von Frau S. allerdings dahingehend verstanden, ob bereits Berufung eingelegt worden sei. Sie habe, da sie bislang mit der Angelegenheit nicht befaßt gewesen sei, die Akte gezogen und dies bestätigt gefunden, worauf sie die Frage -aus ihrer Sicht zutreffend -bejaht habe. Frau S. sei aufgrund der Bejahung dann davon ausgegangen, daß von seiten des Rechtsanwalts Dr. C. Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei und habe nach Beendigung des Gespräches die in ihrem Büro notierte Frist gestrichen. Frau K. habe weder Rechtsanwalt Dr. C. noch einem anderen Mitglied der Sozietät von dem Telefonat berichtet, sondern die Akte ins Fach zurückgelegt. Aufgrund dieses Mißverständnisses zwischen Frau S. und Frau K. sei es versäumt worden, am 3. Dezember 1999 Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen, was weder dem Kläger noch seinem Prozeßbevollmächtigten anzulasten sei.

Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 5. Januar 2000 den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und zugleich seine Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist sachlich nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 233 ZPO für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht auf einem Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten, das sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.

Mit Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß Rechtsanwalt K. bei der Neuerteilung des Rechtsmittelauftrages an Rechtsanwalt Dr. C. einen Tag vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in einer jedwedes Mißverständnis ausschließenden Weise sicherstellen mußte, daß der beauftragte Rechtsanwalt Dr. C. zwecks Wahrung der Berufungsbegründungsfrist unverzüglich einen Verlängerungsantrag stellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der den Rechtsmittelauftrag erteilende Rechtsanwalt wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsmittelfristen eigenverantwortlich in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise dem beauftragten Rechtsanwalt die für die fristgemäße Einlegung und Begründung des Rechtsmittels erforderlichen Daten zu übermitteln (vgl. Senat, Beschl. vom 21. April 1998 -VI ZB 8/98 -NJW 1998, 2221, 2222 und vom 25. Mai 1993 -VI ZB 32/92 -VersR 1994, 199, jeweils m.w.N.). Wegen der Gefahr von Hörfehlern hat die Übermittlung dabei in der Regel schriftlich zu erfolgen (Senatsbeschluß vom 25. Mai 1993 -VI ZB 32/92 -aaO). Erfolgt die Übermittlung ausnahmsweise fernmündlich, so besteht eine besondere Kontrollpflicht, um Mißverständnisse zuverlässig auszuschließen (Senatsbeschluß vom 21. April 1998 -VI ZB 8/98 -aaO).

Diesen Anforderungen an die prozessualen Sorgfaltspflichten ist im vorliegenden Fall nicht genügt worden. Weder hat Rechtsanwalt K. bei dem mit Rechtsanwalt Dr. C. geführten Telefongespräch durch geeignete Rückfrage kontrolliert, ob dieser ihn im Hinblick auf den noch zu stellenden Fristverlängerungsantrag richtig verstanden hat, noch enthält die per Telefax gleichen Datums übersandte schriftliche Mandatserteilung vom 2. Dezember 1999 einen Hinweis darauf, daß die Berufungsbegründungsfrist am darauffolgenden Tag ablief und deshalb von Rechtsanwalt Dr. C. unverzüglich ein Verlängerungsantrag gestellt werden mußte. Dieser insbesondere im Hinblick auf die Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit dringend gebotene, jeden Zweifel ausschließende Hinweis war auch nicht deshalb entbehrlich, weil dem Schreiben vom 2. Dezember 1999 neben den beiden ersten Seiten des landgerichtlichen Urteils die Berufungsschrift vom 2. November 1999 als Anlage beigefügt war. Denn abgesehen davon, daß deren Eingang bei Gericht nirgendwo vermerkt war, ließ sich auch hieraus nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit auf eine noch nicht erfolgte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und deren genauen Ablauf schließen.

Der in dem fehlenden sicheren Hinweis liegende Verstoß gegen die eigenen Sorgfaltspflichten des beauftragenden Rechtsanwalts wurde auch nicht dadurch geheilt, daß er die Anweisung an seine Büroangestellte erteilt hatte, die Berufungsbegründungsfrist vor Eingang einer Bestätigung der Mandatsübernahme und der Fristverlängerung nicht zu streichen und -als diese Bestätigung nicht erfolgte -im Büro des beauftragten Rechtsanwalts entsprechend telefonisch nachzufragen. Denn diese -durchaus erforderliche (vgl. Senatsbeschluß vom 25. Februar 1992 -VI ZB 1/92) -zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, welche -wie der vorliegende Fall zeigt -gegen Mißverständnisse ebenfalls nicht gänzlich gefeit war, machte den ausdrücklichen schriftlichen Hinweis auf das genaue Datum des Fristablaufs und den noch zu stellenden Fristverlängerungsantrag im Telefax-Schreiben vom 2. Dezember 1999 oder die eigene telefonische Rückfrage des den Auftrag erteilenden Rechtsanwalts, insoweit richtig verstanden worden zu sein, keinesfalls entbehrlich.

Auch der mit der Übernahme des Mandats beauftragte Rechtsanwalt Dr. C. hat den im Zusammenhang mit der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist zu beachtenden Anforderungen an die prozessuale Sorgfalt nicht genügt. Der beauftragte Rechtsanwalt muß insoweit nach Mandatsübernahme in eigener Verantwortung die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels und eine etwaige Fristverlängerung selbst überprüfen und darf diese erst eintragen lassen, wenn er sich von ihrer Gewährung überzeugt hat (vgl. Senatsbeschluß vom 25. Mai 1993 -VI ZB 32/92 -aaO; BGH, Beschluß vom 25. Januar 1984 -IVa ZB 11/83 -VersR 1984, 336). Nach seinen eigenen Angaben hat Rechtsanwalt Dr. C., nachdem er Rechtsanwalt Dr. K. bei dem Telefongespräch vom 2. Dezember 1999 dahingehend (miß-)verstanden haben will, daß Rechtsanwalt Graf M. bereits Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt habe und die Berufungsbegründungsfrist nunmehr am 3. Januar 2000 ablaufe, dies in einem handschriftlichen Gesprächsvermerk zu dem Telefonat so notiert. Nachdem in dem nachfolgenden Telefax-Schreiben vom 2. Dezember 1999 keine dementsprechende schriftliche Bestätigung erfolgte, sondern diesem Schreiben lediglich eine Fernablichtung der Berufungsschrift vom 2. November 1999 beigefügt war, durfte er sich auf eine bereits erfolgte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht verlassen, sondern war seinerseits gehalten, im Büro der ihn beauftragenden Rechtsanwälte oder bei Gericht rückzufragen. Eine solche Rückfrage hätte das bestehende Mißverständnis ebenso beseitigt wie ein ausdrücklicher Hinweis auf den noch zu stellenden Fristverlängerungsantrag im Auftragsschreiben vom 2. Dezember 1999 oder eine Kontrollfrage im vorausgegangenen Telefonat.