1. Der Beschluß des Landgerichts Regensburg -
Auswärtige Strafvollstreckungskammer Straubing - vom 6. Juni
1997 - 2 StVK 67/96 (11) - und der Beschluß des
Oberlandesgerichts Nürnberg vom 19. August 1997 - Ws 957/97 -
verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus
Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Sie
werden aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Landgericht Regensburg -
Auswärtige Strafvollstreckungskammer Straubing -
zurückverwiesen.
3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer
seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die
Voraussetzungen für die Herbeiführung einer gerichtlichen
Entscheidung nach § 109 StVollzG in einem Land, in dem kein
Vorverfahren (§ 109 Abs. 3 StVollzG) eingerichtet ist.
I.
Der Beschwerdeführer beantragte im
Frühjahr 1996, ihm den Erwerb und Besitz eines tragbaren
Kassettenabspielgeräts ("walkman") zu genehmigen, das er von
seinem Eigengeldguthaben zahlen wollte. Nachdem ihm dazu von
Beamten der Justizvollzugsanstalt widersprüchliche
Auskünfte erteilt worden waren, bat der Beschwerdeführer
am 24. Juni 1996 schriftlich um Klärung; sein "Antrag 86/96"
schloß mit dem Satz: "Ich bitte um eine verbindliche, ggf.
klagefähige Eröffnung". Daraufhin teilte ihm der für
ihn zuständige nachgeordnete Vollzugsbeamte am 1. Juli 1996
mit, der Kauf des Geräts werde nur zu Lasten seines
Einkaufsguthabens genehmigt; damit habe es sein Bewenden.
Unter dem 10. Oktober 1996 beantragte der
Beschwerdeführer bei der Strafvollstreckungskammer, die
Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ihm den Kauf des
Gerätes von seinem Eigengeldguthaben zu gestatten.
Demgegenüber vertrat die Justizvollzugsanstalt in ihrer
Stellungnahme vom 31. Oktober 1996 die Ansicht, der Antrag sei
unzulässig. Eine rechtsmittelfähige Entscheidung eines
hierzu befugten Beamten (Anstaltsleiter oder Abteilungsleiter) sei
nicht ergangen.
Mit dem hier angegriffenen Beschluß vom 6.
Juni 1997 verwarf die Strafvollstreckungskammer den Antrag als
unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Entscheidung
zuständiger Personen nicht herbeigeführt; es sei ihm
genau bekannt gewesen, daß der Vollzugsbeamte, der die
angefochtene Maßnahme ausgesprochen habe, nicht zu diesem
Personenkreis gehöre. Damit fehle ihm das
Rechtsschutzbedürfnis für eine Anrufung der Gerichte.
Das Oberlandesgericht bestätigte diese
Entscheidung. Es hielt eine anfechtbare Maßnahme allerdings
dann für gegeben, wenn der Anstaltsleiter oder ein zu seiner
Vertretung befugter Beamter binnen angemessener Frist keine
Entscheidung getroffen habe.
II.
Der Beschwerdeführer rügt u.a. eine
Verletzung des Willkürverbotes (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Sache
nach beanstandet er dabei, die Gerichte hätten ihm eine
Entscheidung in der Sache vorenthalten, obgleich sich die von den
nachgeordneten Vollzugsbediensteten getroffene Entscheidung sehr
wohl als "Maßnahme" im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG
darstelle. Die innerorganisatorische Zuständigkeitsverteilung
in der Vollzugsverwaltung sei hierfür ohne Belang. Im
übrigen habe er durchaus annehmen können, daß auf
seinen Antrag auf rechtsmittelfähige Entscheidung und den
Hinweis des entscheidenden Vollzugsbediensteten, damit habe es sein
Bewenden, nunmehr eine verbindliche Stellungnahme der
Justizvollzugsanstalt vorgelegen habe.
III.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz erhielt
Gelegenheit zur Stellungnahme; es sah von einer solchen ab.
IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur
Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Grundrechten des
Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 lit. b
BVerfGG). Sie ist zur Sachentscheidung berufen, da die
zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet
ist. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das
Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§§ 93b Satz
1, 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf
Erwägungen, die mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG als
Sachgründe nicht nachvollziehbar sind und daher gegen Art. 3
Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot
verstoßen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 74, 358
<377>).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts darf der durch die Verfahrensordnung
bestimmte Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus
Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert
werden (vgl. BVerfGE 69, 381 <385>). Aus § 109 Abs. 1
Satz 2 StVollzG i.V.m. § 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG ergibt
sich, daß bei der Strafvollstreckungskammer beantragt werden
kann, die Justizvollzugsanstalt zum Erlaß einer von ihr
abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme zu verpflichten. Es
kommt den Strafvollstreckungsgerichten als den zuständigen
Fachgerichten zu, in Auslegung und Anwendung des § 109
StVollzG zu prüfen und festzustellen, ob die
Justizvollzugsanstalt die Maßnahme abgelehnt oder unterlassen
hat, über die der Antragsteller nun eine gerichtliche
Entscheidung begehrt. Soweit das Strafvollstreckungsgericht
verlangt, daß der Gefangene sein Anliegen der
Justizvollzugsanstalt in geeigneter Weise vorgetragen hat, bevor er
den Weg zum Gericht beschreitet, kann die darin liegende
Erschwerung des Zugangs zum Gericht auf Sachgründe
gestützt werden. Denn nur wenn der Gefangene zuvor die
Maßnahme vergeblich von der Anstalt erbeten hat, kann er auf
ein Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz verweisen.
Anderes gilt, wenn das Gericht darüber hinaus
dem Antragsteller aufgibt, sein Begehren zunächst dem für
ihn zuständigen nachgeordneten Vollzugsbeamten vorzutragen und
erst, wenn dieser das Anliegen ablehnend verbeschieden hat, eine
förmliche Entschließung der Anstaltsleitung zu erbitten.
Ein solches gestuftes Vorgehen ist weder gesetzlich vorgeschrieben
noch sind Sachgründe dargelegt oder erkennbar, die vor Art. 19
Abs. 4 GG Bestand haben könnten. Demgemäß wird der
Gefangene einem zuständigen Vollzugsbeamten auch einen Antrag
übergeben dürfen, mit dem er die Entscheidung der
Anstaltsleitung erbittet, falls nicht seinem Begehren unmittelbar
entsprochen wird. Beschreitet der Gefangene diesen Weg und wird
seinem Anliegen nicht unmittelbar durch den Vollzugsbeamten
entsprochen, so liegt es nahe, daß dieser den Antrag, wenn er
ihn schon entgegengenommen hat, an die innerhalb der Anstalt
für die Entscheidung zuständige Stelle weiterleiten
muß.
2. Dieser Fall liegt hier vor. Demgemäß
wäre von den Strafvollstreckungsgerichten zu prüfen
gewesen, ob die Justizvollzugsanstalt sich die - vorbehaltlos -
abschlägige Entscheidung des Vollzugsbeamten und/oder die
Nichtweiterleitung des Gesuchs des Beschwerdeführers an die
zuständige Stelle der Anstaltsleitung zurechnen lassen
muß. Auf diese Fragestellung gehen die angegriffenen
Entscheidungen indes nicht ein. Das gilt auch für das
Oberlandesgericht, das - was sachlich nicht zu beanstanden ist -
feststellt, es liege eine der Anstalt zurechenbare Maßnahme
erst dann vor, wenn der Anstaltsleiter (oder ein zu seiner
Vertretung befugter Beamter) angerufen worden sei und er selbst
entschieden oder binnen angemessener Frist nicht entschieden habe.
Von diesem Ansatz wäre zu prüfen gewesen, ob infolge der
Nichtweitergabe des Gesuchs durch den Aufsichtsbeamten eine
Entscheidung der Anstaltsleitung, an die das Gesuch gerichtet war,
binnen angemessener Frist nicht erfolgt ist. Derselbe Mangel haftet
auch der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer an.
3. Da die Gerichte sohin mit nicht
verständlichen Erwägungen das Rechtsschutzbedürfnis
des Antragstellers verneint haben, ist das dem Art. 3 Abs. 1 GG zu
entnehmende Willkürverbot verletzt (vgl. BVerfGE 18, 85
<96>; 74, 102 <127>). Die Beschlüsse sind
aufzuheben, die Sache ist an die Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts zurückzuverweisen (vgl. § 95 Abs. 2
BVerfGG).
4. Der Beschwerdeführer hat gemäß
§ 34a Abs. 2 BVerfGG Anspruch auf Erstattung seiner
notwendigen Auslagen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.