BVerfG, Beschluss vom 07.01.2003 - 2 BvR 710/02
Fundstelle
openJur 2013, 25313
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Abweisung seiner wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage. Das vom Beschwerdeführer vor dem Landgericht gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens erstrittene Urteil, mit dem diese verpflichtet wurde, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Möglichkeit kostenloser werbefinanzierter Telefongespräche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland mit der Maßgabe anzubieten, dass die Gespräche durch Werbung unterbrochen werden, hob der Bundesgerichtshof unter Abweisung der Klage auf (BGH, NJW 2002, S. 2038 f.).

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (BVerfGE 90, 22 <25 ff.>; 96, 245 <248>).

Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt.

Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs legt - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - keinen von den Feststellungen des Landgerichts abweichenden Sachverhalt zu Grunde, sondern nimmt in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine andere rechtliche Würdigung vor als die Vorinstanz.

Beide Entscheidungen gehen ersichtlich von der unbestrittenen Annahme aus, dass keine durch die Beklagte des Ausgangsverfahrens veranlaßte Vorabinformation des Angerufenen, wie sie beispielsweise durch automatisierte Einblendung einer Ansage über die zu erwartenden Werbeunterbrechungen möglich wäre, erfolgt. Mit der Annahme, dass regelmäßig der jeweils Anrufende den Angerufenen über die zu erwartenden Werbeunterbrechungen in Kenntnis setzen werde, weicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht von einer gegenteiligen Sachverhaltsannahme des Landgerichts ab. Das Landgericht war diesbezüglich nicht von bestimmten Sachverhaltsannahmen ausgegangen, sondern hatte angenommen, dass eine etwaige Vorabinformation seitens des Anrufers an der Unzumutbarkeit der Werbeunterbrechungen für den Angerufenen und der daraus folgenden Wettbewerbswidrigkeit nichts ändern könne. Im Unterschied dazu nimmt der Bundesgerichtshof - in vertretbarer Weise - ein wirksames, die Wettbewerbswidrigkeit des Vorganges ausschließendes Einverständnis des Angerufenen an, wenn dieser in Kenntnis der Werbeunterbrechung das Gespräch fortsetzt. Dass der Bundesgerichtshof die Rechtslage anders als die Vorinstanz einschätzt, verletzt Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfGE 64, 1 <12>).

Die angegriffene Entscheidung hat auch keinen "Überraschungscharakter" für den Beschwerdeführer.

Ein Gericht ist grundsätzlich nicht zu einem Rechtsgespräch mit den Beteiligten verpflichtet (vgl. BVerfGE 66, 116 <147>; 74, 1 <5>; 98, 218 <263>). Im Ergebnis kann es zwar der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter aber grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 <144 f.>).

Nach diesen Grundsätzen ist die vom Bundesgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung vorgenommene Würdigung nicht unvorhersehbar gewesen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs reiht sich in eine längere Kette von Judikaten zur Telefonwerbung ein, die sie für werbefinanzierte Privatgespräche fortschreibt (vgl. zur vorangegangenen Rspr: BGH, WRP 2000, S. 722 ff. und BGH, NJW-RR 1995, S. 613 f.). Der Bundesgerichtshof hält auch in der angegriffenen Entscheidung daran fest, dass ein Telefonanruf zu Werbezwecken im privaten Bereich grundsätzlich gegen die guten Sitten verstößt und nur ausnahmsweise zulässig ist, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat. Dem Fall des Beschwerdeführers liegt aber ein im Vergleich zur reinen Telefonwerbung anderer Sachverhalt zu Grunde, weil der Werbung ein Privatgespräch vorausgeht, das gerade keines vorherigen Einverständnisses bedarf.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.