BVerfG, Beschluss vom 27.02.2001 - 2 BvR 2067/00
Fundstelle
openJur 2013, 24956
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Anwendbarkeit von § 80 AsylVfG (Ausschluss der Beschwerde) in Fällen, in denen bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber gegenüber dem Vollzug der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Aufenthaltsbefugnisse (hier auf Grund einer Altfallregelung) geltend machen. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, der die Zulassung der Beschwerde mit der Begründung abgelehnt hat, diese sei gemäß § 80 AsylVfG ausgeschlossen, wenn das Verwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Antrag auf vorläufiges Unterlassen der Abschiebung eines wegen erfolglosen Asylverfahrens ausreisepflichtigen Ausländers abgelehnt habe.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Insbesondere ist eine Verletzung des durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht ersichtlich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eine Rechtsweggarantie des Inhalts, dass ein möglichst umfassender gerichtlicher Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt zur Verfügung stehen muss (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 25, 352 <365>; 51, 176 <185>; 54, 39 <41>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Gewährleistet ist der Rechtsweg im Rahmen der jeweiligen einfach-gesetzlichen Prozessordnungen, sodass der Weg zu den Gerichten, insbesondere auch zur inhaltlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung, von der Erfüllung und dem Fortbestand bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf (vgl. BVerfGE 27, 297 <310>; 35, 65 <72 f.> m.w.N.; 40, 272 <274>; 77, 275 <284>). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG fordert keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; stRspr). Soweit das Prozessrecht jedoch eine weitere Instanz eröffnet, darf der Zugang zu dieser ebenso wie der zur Eingangsinstanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; 96, 27 <39>). Dieser Grundsatz gilt auch innerhalb des jeweils eröffneten Verfahrens, soweit es darum geht, sich dort effektiv Gehör verschaffen zu können (BVerfGE 81, 123 <129>).

Vorliegend geht es um die Versagung eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Insofern kommt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch die Aufgabe zu, irreparable Folgen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme vor deren abschließender gerichtlicher Überprüfung eintreten können, soweit als möglich auszuschließen (BVerfGE 35, 263 <274>; 35, 382 <401 f.>; 37, 150 <153>; 79, 69 <74>; 93, 1 <13 ff.>). Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob Rechtsmittel gegen Gerichtsentscheidungen statthaft sind (vgl. BVerfGE 8, 174 <181 f.>; 60, 253 <291 ff.>; 74, 228 <234>; 78, 7 <18>). Deshalb hat es das Bundesverfassungsgericht (auch) in Asylverfahren als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet, dass auf Grund des § 80 AsylVfG vorläufiger Rechtsschutz nur in einer Instanz verfolgt werden kann (vgl. BVerfGE 87, 48 <61 f.> zur Vorgängervorschrift § 10 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG a.F.; 94, 166 <189 ff.>). Ob in Fällen, in denen wegen "nachgewachsener" Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründen die Ausreisepflicht des (ehemaligen) Asylbewerbers im gerichtlichen Eilverfahren ausgesetzt werden soll, die Regelung des § 80 AsylVfG über den Ausschluss der Beschwerde greift, ist eine Frage der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die von den Fachgerichten zu beurteilen ist (vgl. BVerfGE 57, 9 <20 f.>) und von ihnen in höchst unterschiedlicher Weise beantwortet wird (vgl. dazu GK-AsylVfG, § 80 Rn. 12 ff.).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist nicht ersichtlich, dass die - verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare (vgl. BVerfGE 57, 9 <20 f.>; 96, 27 <39 f.>) - Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die Unstatthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 80 AsylVfG dem materiellen Gehalt des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht gerecht geworden ist. Insbesondere mit Blick auf die seitens des Verwaltungsgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 123 VwGO vorgenommene Prüfung eines Aufenthaltsrechts der Beschwerdeführer (vgl. BVerfGE 60, 253 <291 ff.>; 87, 48 <61 f.>) sind keine Gesichtspunkte deutlich gemacht worden, die erkennen ließen, welches Grundrecht oder welche sonstigen Rechtspositionen der Beschwerdeführer einen weiter gehenden, über den erstinstanzlichen hinausgehenden vorläufigen Rechtsschutz erforderlich machen sollten (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>). Nach Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zur Verhinderung eventueller irreparabler Folgen ist den Beschwerdeführern die weitere Verfolgung ihres behaupteten Aufenthaltsrechts in der Hauptsache vom Ausland aus zumutbar (vgl. BVerfGE 69, 220 <228 f.>).

Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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