BVerfG, Beschluss vom 04.10.2000 - 2 BvR 36/00
Fundstelle
openJur 2013, 24779
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslegung des Globalentschädigungsabkommens zwischen der ehemaligen DDR und dem Königreich Dänemark vom 3. Dezember 1987, (abgedruckt in: Fieberg/ Reichenbach, Bd. III, Nr. 5.5).

I.

1. Die DDR hat zwischen 1984 und 1987 mit westeuropäischen Staaten eine Reihe so genannter Globalentschädigungsabkommen geschlossen. Dazu zählt das Abkommen zwischen der Regierung des Königreichs Dänemark und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung vermögensrechtlicher und finanzieller Fragen vom 3. Dezember 1987. Art. 6 Abs. 1 dieses Abkommens sah vor, dass mit seinem Inkrafttreten alle zwischen den Abkommenspartnern offenen vermögensrechtlichen und finanziellen Ansprüche abschließend und endgültig geregelt waren.

2. Der Vater des Beschwerdeführers, zunächst dänischer Staatsangehöriger, war Eigentümer eines in Ch./Niederlausitz gelegenen, aus mehreren Grundstücken bestehenden Gutes. 1947 wurde das Gut an die Deutsche Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone, die es als ausländisches Vermögen ansah, verpachtet. Diese wurde in der Folgezeit zur Treuhänderin bestellt. 1956 wurde ein so genannter Rechtsträgernachweis gefertigt, der Gut Ch. als Eigentum des Volkes auswies. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1973 gab der Beschwerdeführer vor dem dänischen Generalkonsulat in Los Angeles eine Erbverzichtserklärung zu Gunsten seiner Schwester, einer dänischen Staatsangehörigen, ab, die er 1995 einvernehmlich zurücknahm.

Nachdem die ehemalige DDR mit dem Königreich Dänemark bilaterale Verhandlungen über die Regelung vermögensrechtlicher und finanzieller Fragen aufgenommen hatte, meldete im Jahre 1976 die dänische Seite Gut Ch. gegenüber der Regierung der DDR als zu entschädigenden Grundbesitz an. Die Einbeziehung der Liegenschaft in das zu schließende Abkommen war zwischen Dänemark und der DDR umstritten, da die Regierung der DDR von einer wirksamen Überführung der Grundstücke in Eigentum des Volkes, sei es durch Rechtsnachfolge in das Vermögen des Reichsfiskus oder durch Einbeziehung in die so genannte Bodenreform, ausging. 1987 einigten sich Dänemark und die DDR auf eine Globalentschädigungssumme von insgesamt 19 Millionen Kronen, wobei in Bezug auf die nach wie vor streitige Einbeziehung der Bodenreformgrundstücke ein in der Globalentschädigungssumme enthaltener Erhöhungsbetrag vereinbart wurde. Die Schwester des Beschwerdeführers erhielt auf ihren Antrag von der dänischen Regierung wegen Gut Ch. einen Betrag von ca. 100.000 DM aus der von der DDR geleisteten Gesamtsumme.

3. Das Landgericht Frankfurt/Oder gab der Klage des Beschwerdeführers gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Grundbuchberichtigung und Herausgabe statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Urteil vom 8. Mai 1998 das Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage ab. Zwar seien die streitgegenständlichen Grundstücke nicht förmlich enteignet worden. Den Ansprüchen des Beschwerdeführers stehe jedoch das Globalentschädigungsabkommen zwischen der ehemaligen DDR und dem Königreich Dänemark entgegen. Allerdings hätten zwischen der DDR und Dänemark Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden, ob das Gut dem Abkommen unterfallen solle. Doch habe dieses Abkommen auch die vermögensrechtlichen Ansprüche in Ansehung des Grundbesitzes in Ch. geregelt. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des Abkommens, insbesondere der Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 unter Berücksichtigung von Art. 31 f. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge - WVRK - (BGBl II 1985 S. 927). Aus dem Wortlaut von Art. 2 gehe nicht unmittelbar hervor, ob das Gut Gegenstand des Abkommens geworden sei. Indessen zeigten die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 sowie der Präambel, dass das Globalentschädigungsabkommen als ein Vertrag mit vergleichsähnlichem Charakter alle zwischen den Abkommenspartnern offenen, nicht nur die von der DDR als berechtigt anerkannten vermögensrechtlichen Ansprüche endgültig habe regeln sollen. Dies folge auch aus der Verhandlungsgeschichte und werde dadurch bestätigt, dass bei der Verteilung des Entschädigungsbetrags der Vermögenswert Gut Ch. berücksichtigt worden sei. Alle dem Abkommen unterliegenden staatlichen und privaten Ansprüche - auch solche in Bezug auf Gut Ch. - seien mit Inkrafttreten des Abkommens erloschen. Auf eine Transformation entsprechend den innerstaatlichen Bestimmungen der DDR komme es nicht an. Die hiergegen eingelegte Revision nahm der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. April 1999, zugestellt am 4. Mai 1999, nicht an. Am 3. Juni 1999 erhob der Beschwerdeführer unter Vorlage neuer Urkunden, die er bereits in das Revisionsverfahren eingeführt hatte, Restitutionsklage beim Brandenburgischen Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht wies diese Klage mit Urteil vom 26. November 1999 als jedenfalls unbegründet ab.

4. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Urteile des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Mai 1998 und vom 26. November 1999 ihn in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, da es ihm nicht zumutbar gewesen sei, Revision auch gegen das Urteil des Oberlandesgerichts vom 26. November 1999 einzulegen. Die Verfassungsbeschwerde sei begründet. Er sei im Wege der Erbfolge Eigentümer des Gutes geworden und habe das Eigentum weder durch Erbverzicht noch durch die 1956 erfolgte Umschreibung des Bestandsblattes in Eigentum des Volkes verloren. Das Oberlandesgericht habe verkannt, dass seine Ansprüche dem Globalentschädigungsabkommen nach dem Wortlaut nicht unterfielen. Zivilrechtliche Ansprüche regele das Abkommen auch bei einer Auslegung nach Sinn und Zweck nicht. Ferner habe das streitgegenständliche Gut zu keinem Zeitpunkt, wie es das Globalentschädigungsabkommen verlange, unter staatlicher Verwaltung durch die DDR gestanden. Das bei Abschluss der Verhandlungen von der DDR-Delegation überreichte Verzeichnis, das als "Liste 161" dem Abkommen beigefügt worden sei, habe das Gut nicht enthalten. Des Weiteren sei er als US-amerikanischer Staatsbürger nicht vom Geltungsbereich des Abkommens erfasst. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens habe das Grundstück ihm, nicht seiner Schwester, zugestanden. Dass er sich mit Hilfe der Erbverzichtserklärung um eine Entschädigung bemüht habe, dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, da dieser Weg zum Zeitpunkt der Erklärung die einzige denkbare Möglichkeit dargestellt habe, angesichts der politischen Lage auch nur irgendwie entschädigt zu werden. Der Beschwerdeführer macht ferner unter Vorlage eines Rechtsgutachtens geltend, dass das Oberlandesgericht gemäß Art. 31 Abs. 1 WVRK mit seiner Auslegung am Wortlaut von Art. 2 des Abkommens hätte ansetzen müssen, nach dem weder der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit noch das streitige Gut sachlich dem Geltungsbereich unterfielen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift werde durch Art. 6 Abs. 1 nicht erweitert, er erfasse vielmehr allein Ansprüche, die einem der Vertragsstaaten unmittelbar zustünden. Zudem habe die dänische Seite keine Personalhoheit über den Beschwerdeführer gehabt und habe daher für diesen weder handeln wollen noch dürfen. Auch die Verhandlungsgeschichte ergebe nichts anderes.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Sie wirft keine Fragen auf, die nicht bereits verfassungsrechtlich geklärt wären (zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge vgl. BVerfGE 4, 157 <168>; 40, 141 <167>; 46, 342 <361 f.>; zu diplomatischem Schutz vgl. BVerfGE 94, 315 <329>; zu Eigentumsentziehungen in der DDR vgl. BVerfGE 84, 90 <117 ff.>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt, da die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde deshalb zulässig ist, weil es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar war, die gemäß § 545 Abs. 1 i.V.m. §§ 591, 578 Abs. 1, 580 Ziff. 7 Buchstabe b ZPO eröffnete Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts vom 26. November 1999 einzulegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie jedenfalls unbegründet ist; Auslegung und Anwendung des die Bundesrepublik Deutschland bindenden Globalentschädigungsabkommens durch die angegriffenen Urteile lassen keinen Verfassungsverstoß erkennen.

a) Das zwischen der DDR und Dänemark geschlossene Globalentschädigungsabkommen berechtigt und verpflichtet die Bundesrepublik nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Die Bundesrepublik ist auf Grund von Konsultationen mit Dänemark in das zwischen diesem Staat und der DDR geschlossene Globalentschädigungsabkommen sukzediert, Art. 12 Abs. 1 EVtr i.V.m. Bekanntmachung über das Erlöschen völkerrechtlicher Übereinkünfte der DDR mit Dänenmark vom 15. Oktober 1992 (BGBl II S. 1115; vgl. BVerfGE 96, 68 <91 ff.>; A. Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 257 ff., 270 ff.).

b) Auslegung und Anwendung des die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkervertragsrechts ist Sache der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Auslegung und Anwendung des Völkervertragsrechts grundsätzlich nach den für die Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen allgemein geltenden Maßstäben (vgl. BVerfGE 18, 441 <450>; 99, 145 <160>).

aa) Prüfungsmaßstab ist nicht Art. 14 Abs. 1 GG. Denn diese Vorschrift galt im Gebiet der ehemaligen DDR nicht (vgl. BVerfGE 84, 90 <122 f.>).

bb) Prüfungsmaßstab für die angegriffenen Urteile des Oberlandesgerichts ist Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Dezember 1997 - 1 BvR 2339/95 und 5/97 -, WM 1998, S. 396 <397>). Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot ist verletzt, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die getroffene Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 83, 82 <84>). Völkerrechtliche Verträge sind ausgehend von ihrem Wortlaut im Zusammenhang nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des allgemeinen Völkerrechts auszulegen (BVerfGE 4, 157 <168>; 46, 342 <361 f.>). Von Willkür kann auch bei der Auslegung und Anwendung von Völkerrecht jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Fachgericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>).

c) Die angegriffenen Urteile werden den aufgezeigten Anforderungen gerecht. Die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Wirkung (aa) und Anwendungsbereich (bb) des Abkommens verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts zur Wirkung des Globalentschädigungsabkommens begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Oberlandesgericht nimmt an, das Globalentschädigungsabkommen selbst habe mit seinem Inkrafttreten auf der völkerrechtlichen Ebene das Eigentum des Beschwerdeführers zum Erlöschen gebracht.

Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts zur Wirkung des Globalentschädigungsabkommens findet in dem völkerrechtlichen Institut des diplomatischen Schutzes einen Anknüpfungspunkt. Die in der Staatenpraxis nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossenen Globalenentschädigungsabkommen (lump sum agreements) dienten der Ausübung diplomatischen Schutzes durch die Heimatstaaten der von Eigentumsentziehungen betroffenen natürlichen und juristischen Personen auf der Grundlage des völkergewohnheitsrechtlich geltenden sog. fremdenrechtlichen Mindeststandards; dieser sah eine bestimmte Entschädigung bei Enteignungen vor (vgl. R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 43 ff.; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., § 1222; I. Brownlie, Principles of Public International Law, 4. Aufl., S. 532 ff.). Im Rahmen der diplomatischen Schutzausübung machte der Heimatstaat insofern ein eigenes Recht darauf geltend, dass Wiedergutmachung von Rechtsverletzungen in der Person seines Staatsangehörigen erreicht werde (vgl. BVerfGE 94, 315 <329>). Es blieb ihm daher grundsätzlich unbenommen, mit Wirkung für seine Staatsangehörigen auf deren im Gaststaat belegenes Eigentum zu verzichten (vgl. I. Seidl-Hohenveldern, Das Globalentschädigungsabkommen zwischen Österreich und der CSSR, in: FS Bindschedler, 1980, S. 299 <303>; Gramlich, a.a.O., S. 517 ff.; auch G. Ress, Diplomatischer Schutz und völkerrechtliche Verträge, in: ders./ T. Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht, 1996, S. 83; BGHZ 19, 258 <262>). Der Verzicht entfaltete bereits mit Inkrafttreten des Abkommens auf der völkerrechtlichen Ebene Wirkung. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Heimatstaat - hier Dänemark - nach innerstaatlichem Recht zu dem Verzicht berechtigt war, bleibt außer Betracht. Eine Grenze der Regelungsbefugnis für den dänischen Staat ergab sich nur insoweit, als der Kernbereich der Menschenrechte zu den zwingenden Rechtsnormen gehört (vgl. BVerfGE 75, 1 <19>). Unabhängig von der Frage, inwieweit das Eigentumsrecht hierzu gehört, stellt die Disposition über faktisch wertloses Eigentum im Gegenzug zum Erhalt einer pauschalen Entschädigung jedenfalls keinen Eingriff in diesen Kernbereich dar.

bb) Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs des Globalentschädigungsabkommens begegnen die angegriffenen Urteile ebenfalls keinen Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das Oberlandesgericht gelangt zu seiner Auffassung, dass das Abkommen nach seinem sachlichen Anwendungsbereich Gut Ch. erfasst, durch Anwendung von Art. 31 f. WVRK. Diese Normen entsprechen grundsätzlich den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge (vgl. BVerfGE 40, 141 <169>). Ihre Handhabung durch das Oberlandesgericht lässt keinen Verfassungsverstoß erkennen.

Das Oberlandesgericht hat entsprechend Art. 31 Abs. 1 WVRK Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck von Art. 2 und 6 des Abkommens ermittelt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, Art. 6 regele alle offenen Vermögensfragen, findet einen Anhaltspunkt im Wortlaut der in Art. 6 des Globalentschädigungsabkommens enthaltenen Erledigungsklausel, die sich auf alle zwischen den Vertragsstaaten offenen Ansprüche bezieht (vgl. R. Meixner, Die Anwendung der DDR-Globalentschädigungsabkommen in der Judikatur nach Herstellung der Einheit Deutschlands, OV Spezial 7/99, S. 98 <101>).

Daraus, dass Gut Ch. nicht unter staatlicher Verwaltung gestanden hat, folgt nicht, dass die Erstreckung des Abkommens auf es willkürlich wäre. Insoweit ist der Wortlaut des Abkommens wohl bereits nicht technisch zu verstehen, sondern erfasst auch das Volkseigentum (vgl. R. Meixner, a.a.O., S. 115). Jedenfalls ist die vom Oberlandesgericht angenommene Interpretation des Globalentschädigungsabkommens aus dem von ihm angenommenen Sinn und Zweck des Abkommens, eine abschließende Regelung der aus Eingriffen der DDR Behörden in dänisches Eigentum herbeizuführen, begründbar und daher nicht willkürlich. Es würde im Übrigen auch keinen Bedenken begegnen, wenn bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages dessen Sinn und Zweck Vorrang gegenüber der Wortlautinterpretation eingeräumt wird (vgl. Internationaler Gerichtshof, South West Africa, Preliminary Objections, ICJ Reports 1962, S. 319 <336>).

Soweit der Beschwerdeführer einen willkürlichen Verstoß gegen Art. 31 Abs. 2 Buchstabe a WVRK darin sieht, dass das Oberlandesgericht der fehlenden Nennung des Gutes in der "Liste 161" zu dem Abkommen keine entscheidende Bedeutung zumisst, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach dieser Vorschrift ist bei der Auslegung eines Vertrages im Zusammenhang auch jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen den Parteien anlässlich des Vertragsschlusses getroffen wurde, heranzuziehen. Insoweit legt der Beschwerdeführer bereits nicht dar und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Anlage Vertragsbestandteil des Abkommens mit Dänemark geworden ist (vgl. zu einer solchen Regelung Schlußprotokoll zu dem von der DDR mit Österreich geschlossenen Abkommen vom 21. August 1987, abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Bd. 2, Anh. II 6; R. Meixner, a.a.O., S. 100). Das Oberlandesgericht hat sich auch mit dem Verzeichnis im Rahmen seiner Würdigung der Verhandlungsgeschichte und des Zweckes des Abkommens auseinander gesetzt.

Die zudem vom Oberlandesgericht vorgenommene historische Interpretation, entsprechend Art. 32 WVRK ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die auf die Verhandlungsgeschichte bezogenen Erwägungen des Oberlandesgerichts, ob das streitige Gut Ch. in das Globalentschädigungsabkommen einbezogen worden ist, sind fachgerichtliche Tatsachenwürdigung.

cc) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zum persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens, wonach der dänische Staat Ansprüche mit Wirkung für den Beschwerdeführer erheben konnte, lassen keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennen. Weder die DDR noch die Vereinigten Staaten von Amerika haben nach dem Vortrag des Beschwerdeführers oder in sonst ersichtlicher Weise in Frage gestellt, dass Dänemark auf Grund des damaligen Erbverzichts des Beschwerdeführers zu Gunsten seiner Schwester über den erforderlichen tatsächlichen Anknüpfungspunkt ("genuine link", vgl. Internationaler Gerichtshof, Nottebohm case, ICJ Reports, 1955, S. 4 <23>) für den diplomatischen Schutz in Bezug auf Gut Ch. verfügte. Vielmehr entnimmt das Oberlandesgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise aus der Verhandlungsgeschichte, dass das Gut bis zum Abschluss des Abkommens zu den von deutscher Seite nicht anerkannten, jedoch von dänischer Seite nicht ohne die Gefahr der Schadensersatzpflichtigkeit nach dänischem Recht aufzugebenden Ansprüchen gehörte. Insoweit kommt es für die verfassungsrechtliche Prüfung nicht auf die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an den zu Gut Ch. gehörenden Grundstücken an.

d) Auch in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG ist Art. 3 Abs. 1 GG hier nicht verletzt. Das Bundesverfassungsgericht kann gestützt auf Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG im Einzelfall die Einhaltung der völkervertragsrechtlichen Bindungen der Bundesrepublik durch die einfachen Gerichte zu kontrollieren haben, wenn dies erforderlich ist, um eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik zu vermeiden (vgl. BVerfGE 58, 1 <34 f.>; 59, 63 <89>; zustimmend zitiert in BVerfGE 99, 145 <160>). Insbesondere ein Eingriff in die Personalhoheit der USA, deren Staatsangehöriger der Beschwerdeführer ist, kommt nicht in Betracht, weil die Eingriffshandlung nicht auf die bundesdeutsche Staatsgewalt zurückgeht. Das Völkergewohnheitsrecht kennt sowohl formelle als auch faktische Enteignungen (vgl. R. Dolzer, a.a.O., S. 141 ff.; Internationaler Gerichtshof, Elettronica Sicula S.p.A. <ELSI>, ICJ Reports 1989, 15, para. 119). Eine faktische Enteignung liegt vor, wenn der Eigentümer tatsächlich aus seinen wesentlichen Herrschaftsbefugnissen über den Eigentumsgegenstand verdrängt wird. Dies trifft auf die streitigen Grundstücke zu, da sie von 1955 bis zum Untergang der DDR von dieser als Volkseigentum behandelt und damit faktisch enteignet wurden. Eine solche faktische Enteignung auch ausländischen Vermögens (vgl. BGHZ 134, 67 <77 f.>; BVerwG, Beschluss vom 12. September 1996 - BVerwG 7 B 265.96 -, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 87) durch die DDR ist der Bundesrepublik aber nicht zuzurechnen (vgl. BVerfGE 84, 90 <117 ff.>). Einen Anspruch auf diplomatischen Schutz zu Gunsten des Beschwerdeführers zur Durchsetzung von Wiedergutmachung haben die Vereinigten Staaten weder zum Zeitpunkt der Sukzessionskonsultationen der Bundesrepublik mit Dänemark noch bei Abschluss des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche vom 13. Mai 1992 (BGBl II S. 1222) geltend gemacht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.