BVerfG, Beschluss vom 14.01.1998 - 2 BvR 2306/96
Fundstelle
openJur 2013, 24595
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zurEntscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen vom 19. Oktober 1996 (NVwZ 1997, S. 786), mit dem die Beschwerdeführerin zu 1. zur Rückzahlung von zweckwidrig verwendeten Fraktionsmitteln verurteilt und ein Antrag der Beschwerdeführerin zu 1. auf Auszahlung von Gruppenmitteln zurückgewiesen wurde.

Ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Weder hat die Verfassungsbeschwerde grundsätzliche Bedeutung, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung setzt voraus, daß der Beschwerdeführer durch diese unmittelbar rechtlich betroffen ist (vgl. Beschluß des Senats vom 9. Juli 1997 - 2 BvR 389/94 -, Umdruck S. 10). Das ist bei der Beschwerdeführerin zu 2. nicht der Fall. Ihre Rechte und Pflichten waren nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens. Soweit der Staatsgerichtshof dargelegt hat, die Beschwerdeführerin zu 2. sei Liquidatorin der Beschwerdeführerin zu 1., diente dies lediglich der Feststellung, daß die Beschwerdeführerin zu 1. ordnungsgemäß vertreten war.

Eine rechtliche Betroffenheit läßt sich auch nicht daraus ableiten, daß die Entscheidung des Staatsgerichtshofs nach § 8 Abs. 1 StGHG (1956) allgemein verbindlich ist. Selbst unterstellt, daß sich diese Allgemeinverbindlichkeit über den Tenor hinaus auf die tragenden Gründe der Entscheidung erstrecken sollte, so würde sie sich doch nur auf den Streitgegenstand beziehen, über den das Urteil entschieden hat (vgl. BVerfGE 24, 289 <297>), nicht dagegen auf Ausführungen zu prozessualen Fragen (vgl. BVerfGE 2, 181 <191>; 78, 320 <328>).

2. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1. die Verletzung materieller Grundrechte rügt, ist die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt (§§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG; vgl. BVerfGE 89, 155 <171>). Die streitigen Rechte und Pflichten der Beschwerdeführerin fallen nicht unter den Schutz der Grundrechte.

Die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphäre des Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihm insoweit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern. Da die Grundrechte das Verhältnis des Einzelnen zur öffentlichen Gewalt betreffen, kann es innerhalb des hoheitlichen Gesamtaufbaus des Staates grundsätzlich keine Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte geben (vgl. BVerfGE 21, 362 <369 f.>). Etwas anderes gilt dann, wenn ausnahmsweise eine staatliche Einrichtung einem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist (vgl. BVerfGE 15, 256 <262>; 31, 314 <322>; 39, 302 <314>).

Das angegriffene Urteil betrifft die rechtlichen Beziehungen zwischen dem ehemaligen Zusammenschluß der DVU-Abgeordneten und der Bürgerschaft. Diese Beziehungen beurteilen sich, insbesondere was die Ausstattung mit Haushaltsmitteln angeht, nach dem Staatsorganisationsrecht des Landes Bremen. Fraktionen und Gruppen sind als Gliederungen des Landesparlaments, die den technischen Ablauf der Parlamentsarbeit in gewissem Grade zu steuern und zu erleichtern haben, der "organisierten Staatlichkeit" eingefügt und können deshalb mit staatlichen Zuschüssen finanziert werden (vgl. BVerfGE 20, 56 <104 f.>; 62, 194 <202>; 80, 188 <231>). Ihre Rechtsstellung leiten sie nicht aus den Grundrechten, sondern aus dem Abgeordnetenstatus ab (vgl. BVerfGE 70, 324 <362 f.>).

Die Beschwerdeführerin zu 1. war am Ausgangsverfahren auch nicht etwa deshalb als Trägerin von Grundrechten beteiligt, weil sie der Bürgerschaft nicht mehr angehört. Sie hat zwar als parlamentarische Gliederung aufgehört zu bestehen. Dennoch steht sie dem Staat im Streit um die Rückzahlung von Fraktionsmitteln nicht als Verteidigerin von Individualinteressen gegenüber. In diesem Streit geht es vielmehr um die Abwicklung einer internen Rechtsbeziehung, die bereits vor Ablauf der Wahlperiode bestand.

3. Auch eine Verletzung der grundrechtsgleichen Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Beschwerdeführerin zu 1. nicht geltend machen. Insofern ist der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet.

Die grundrechtsähnlichen Rechte der Art. 101 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 GG und weitere aus dem Rechtsstaatsprinzip für das gerichtliche Verfahren abzuleitende Gewährleistungen enthalten objektive Verfahrensgrundsätze, die für jedes gerichtliche Verfahren gelten; sie müssen daher auch jedem zugute kommen, der nach den Verfahrensnormen parteifähig ist oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen wird (vgl. Beschluß des Senats vom 9. Juli 1997 - 2 BvR 389/94 -, Umdruck S. 18). Auch der Staatsgerichtshof hatte im Ausgangsverfahren das Recht der Beschwerdeführerin zu 1. aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten.

Doch findet eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht insoweit nicht statt. Denn das Grundgesetz erkennt mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG an, daß ein Land interne - grundrechtlich geschützte Rechte nicht berührende - Streitigkeiten unter Funktionsträgern der Staatsgewalt im Land aufgrund eigener Verfassungsgerichtsbarkeit in der Sache abschließend entscheiden kann. In Bezug auf derartige Entscheidungen kann die Verletzung von grundrechtsgleichen Gewährleistungen nicht mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden, weil sonst die insoweit anerkannte Unantastbarkeit der Landesverfassungsgerichtsbarkeit für einen Teilbereich wieder beseitigt würde (vgl. Beschluß des Senats vom 9. Juli 1997 - 2 BvR 389/94 -, Umdruck S. 19).

Die Vorschrift des § 37 des Bremischen Abgeordnetengesetzes in der für die 13. Wahlperiode geltenden Fassung sieht vor, daß die Fraktionen und Gruppen zur Durchführung ihrer Aufgaben die erforderlichen Mittel erhalten. Eine nähere materiellrechtliche Ausgestaltung - etwa durch Umschreibung der von den Zusammenschlüssen durchzuführenden Aufgaben - enhält das Gesetz nicht. Jedenfalls in einem solchen Fall fehlender einfachgesetzlicher Konkretisierung ist der Streit um die Ausstattung der Fraktionen und Gruppen mit Haushaltmitteln und deren Rückzahlung verfassungsrechtlicher Art (vgl. BVerfGE 62, 194 <199>; BVerwG NJW 1985, S. 2346). In solchen Streitigkeiten entscheiden die Landesverfassungsgerichte endgültig (vgl. BVerfGE 6, 445 <448 f.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.