KG, Beschluss vom 05.01.2012 - 1 ARs 26/11
Fundstelle
openJur 2013, 23554
  • Rkr:

Bei einem beigeordneten Zeugenbeistand kann bei der Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG die einem Wahlanwalt zustehende Höchstgebühr ausnahmsweise überschritten werden, wenn dieser Betrag in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts stehen und zu einem ungerechtfertigen Sonderopfer führen würde (insbes. bei Zeugenvernehmung über mehrere Tage).

Gründe

Dem Zeugenbeistand, Rechtsanwalt Dr. O., wird eine Pauschgebühr in Höhe von 760,00 EUR bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen des § 51 RVG für die Zuerkennung einer Pauschgebühr liegen vor. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors erachtet der Senat die von Rechtsanwalt Dr. O. erbrachte Beistandsleistung als besonders umfangreich, so daß die Beschränkung auf die gesetzliche Vergütung von 168,00 EUR (Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG) hier unzumutbar erscheint.

Ebenfalls zutreffend hat der Bezirksrevisor darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Kammergerichts die Pauschgebühr grundsätzlich auf die einem Wahlanwalt nach dem Vergütungsverzeichnis des RVG zustehende Höchstgebühr (hier: 385,00 EUR) beschränkt ist (vgl. KG, Beschluß vom 28. Dezember 2001 - 4 ARs 18/01 -). Der Senat hält daran fest. Anerkannt ist in dieser Rechtsprechung aber auch, daß die Beschränkung nicht zu einem ungerechtfertigten Sonderopfer führen darf und demzufolge die Höchstgebühr in denjenigen Fällen überschritten werden kann, in denen dieser Betrag in einem grob unbilligen Mißverhältnis zu der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts stehen würde (vgl. KG, Beschlüsse vom 21. Mai 2001 - 4 ARs 66/99 - und 25. Oktober 1999 - 4 ARs 46/95 -). Ein derartiger Ausnahmefall ist hier gegeben.

Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß der Antragsteller während der gerichtlichen Vernehmung des Zeugen Y. an sieben Sitzungstagen insgesamt etwa 24 ½ Stunden in Anspruch genommen wurde und das erforderliche Vorgespräch unter erschwerten Bedingungen abgehalten werden mußte, da sich der Mandant zu dieser Zeit abgeschottet im Zeugenschutzprogramm befand.

Eine Vergütung von „mindestens“ 3.000,00 EUR, wie sie der Antragsteller bei einem von ihm gewünschten Stundensatz von 75,00 EUR geltend macht, kommt allerdings nicht in Betracht. Die pauschalierte Vergütung kann nicht auf der Grundlage eines fiktiven Stundenlohns festgesetzt werden (vgl. KG, Beschluß vom 2. November 2010 - 1 ARs 14/10 - und vom 25. Oktober 1999 - 4 ARs 46/95 -). Zudem verkennt der Antragsteller, daß bei der Vergütung für den Pflichtbeistand nicht ein sonst angemessenes Anwaltshonorar zum Maßstab genommen werden kann, sondern auch das Kosteninteresse der Allgemeinheit zu beachten ist. Hinzu kommt, daß Rechtsanwalt Dr. O. die Beistandsleistung wesentlich dadurch erleichtert wurde, daß er in dieser Sache für den Zeugen zuvor als Verteidiger tätig gewesen und so im Zeitpunkt seiner Beiordnung in den Fall bereits eingearbeitet war. Die vom Antragsteller als erschwerend angeführte Beratung über das Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen, die Auseinandersetzung mit den Verteidigern und deren auf Zwangsmaßnahmen gegen den Zeugen gerichteten Anträgen fällt nicht besonders ins Gewicht. Derartige Tätigkeiten gehören zu den normalen Aufgaben eines Zeugenbeistands und bieten einem erfahrenen und fachkundigen Rechtsanwalt keine übermäßigen Schwierigkeiten. Die weiteren Leistungen, die Rechtsanwalt Dr. O. im Rahmen der Betreuung des Zeugen erbracht haben will, können nicht berücksichtigt werden. Der Antragsteller übersieht, daß er nach § 68b StPO lediglich für die Dauer der Vernehmung des Zeugen beigeordnet worden und dementsprechend nur für diese Tätigkeit einschließlich eines mit der Gebühr abgegoltenen Vorgesprächs (vgl. Senat, Beschluß vom 18. Januar 2007 - 1 Ws 2/07 -) aus der Landeskasse zu bezahlen ist (§ 48 Abs. 1 RVG).

Unter diesen Umständen hält der Senat eine Pauschgebühr von 760,00 EUR (netto) für angemessen.