OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.03.2011 - 11 Verg 2/11
Fundstelle
openJur 2013, 23277
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 16.2.2011 gegen die mit Schreiben der 2. Vergabekammer vom 1.2.2011 geäußerte Ablehnung der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin schrieb unter Nr. … einen Rahmenvertrag für polizeilich veranlasste Abschleppleistungen – unterteilt in 39 Lose - aus.

Die Zuschlagsfrist endete am 15.10.2010. Die Antragssteller wurden nicht berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 17.10.2010 begehrte die Antragstellerin zu 1) gegenüber der Antragsgegnerin die schriftliche Bekanntgabe nicht berücksichtigter „Lose“ (Bl. 47 Anlagenordner). Mit weiterem Schreiben vom 25.10.2010 legte sie gegen die freihändige Vergabe „Rechtsmittel/Einspruch“ ein (Bl. 48 Anlagenordner).

Die Antragsgegnerin informierte die Antragstellerin zu 1) am 19.11.2010, dass eine Begründungspflicht für die Zuschlagsentscheidung entfalle, da weniger als acht Angebote eingegangen seien. Instrumente des Primärrechtsschutzes gegen die Vergabeentscheidung bestünden nicht (Bl. 46 Anlagenordner).

Mit Schriftsatz vom 3.12.2010 beantragten die Antragssteller, ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen und in diesem Rahmen festzustellen, dass die Vergabe des Rahmenvertrags rechtswidrig gewesen sei (Bl. 13 Anlagenordner). Zur Begründung führten sie an, dass die berücksichtigten Unternehmen Angebote abgegeben hätten, die nicht den Anforderungen in der Leistungsbeschreibung entsprechen würden. Zudem würden die tatsächlichen Verhältnisse der berücksichtigten Anbieter nicht mit deren Angaben in den Angeboten übereinstimmen.

Die 2. Vergabekammer des Landes Hessen wies mit Schreiben vom 10.12.2010 darauf hin, dass der Antrag derzeit unzulässig sein dürfte (Bl. 15 d.A.). Dem Antrag könne nicht entnommen werden, dass eine europaweite Ausschreibung hätte erfolgen müssen. Infolge bereits erfolgter Zuschlagserteilung, dessen Unwirksamkeit i.S.d. § 101 b GWB nicht dargelegt sei, könne zudem ein Nachprüfungsverfahren nicht mehr durchgeführt werden.

Die Antragsteller führten mit Schreiben vom 14.12.2010 ergänzend aus, dass der Ausschreibung tatsächlich ein Wert von EUR 321.000,00 zugrunde zu legen sei, so dass eine europaweite Ausschreibung hätte erfolgen müssen (Bl. 34 Anlagenordner).

Die 2. Vergabekammer des Landes Hessen teilte am 16.12.2010 mit, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren Angaben zum Schwellenwert kein zulässiger Nachprüfungsantrag vorliegen würde. Es fehle u.a. an der Darstellung eines Sachverhaltes, der Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung und der Benennung von Beweismitteln (Bl. 35 Anlagenordner).

Die Antragsteller wiederholten unter dem 3.1.2011 ihre Ansicht, dass aufgrund der eingereichten Schriftsätze ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen sei (Bl. 44 Anlagenordner). Ergänzend übersandten sie unter dem 27.1.2011 „sämtliche Unterlagen“ zur streitgegenständlichen Ausschreibung (Bl. 49 Anlagenordner).

Die 2. Vergabekammer des Landes Hessen lehnte mit Schreiben vom 1.2.2011 die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens ab. Es fehle noch immer ein den Anforderungen der Regelungen in §§ 107, 108 GWB genügender Antrag. Der Antrag wäre zudem unzulässig, da keine Rüge i.S.d § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB vorliege (Bl. 6 d.A.).

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 16.2.2011. Sie halten die Entscheidung der 2. Vergabekammer, das Nachprüfungsverfahren gar nicht erst zur Entscheidung anzunehmen, für rechtsfehlerhaft. Zur näheren Begründung verweisen sie auf ihren ursprünglichen Nachprüfungsantrag vom 3.12.2010 i.V.m. den weiteren Schreiben vom 14.12.2010, 3.1.2011 und 27.1.2011.

Sie beantragen,

die Zulassung des Nachprüfungsverfahrens entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts festzustellen.

Ergänzend wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat – unabhängig von der derzeit nicht abschließend zu beurteilenden Frage ihrer Zulässigkeit – in der Sache keinen Erfolg.

Die Vergabekammer war auf Basis des Nachprüfungsantrags der Antragsteller nebst den nachgereichten Schriftsätzen nicht verpflichtet, ein Nachprüfungsverfahren i.S.d. §§ 107ff GWB einzuleiten.

17Offenbleiben kann dabei, ob – gemäß den eidesstattlich versicherten Angaben der Antragsteller - dem ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag ein Schwellenwert zugrunde liegt, der eine europaweite Ausschreibung erfordert hätte. In diesem Fall läge zwar hinsichtlich der bereits erteilten Zuschläge lediglich eine sog. de facto-Vergabe vor; das Vergabeverfahren wäre nicht durch wirksame Zuschlagserteilung bereits beendet worden (§ 101 b GWB; Bechtold/Otting, 6. Aufl., § 101 b Rd. 3).

Dies allein würde dem Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens jedoch nicht zum Erfolg verhelfen, da der Antrag vom 3.12.2010 keine den Anforderungen der Regelungen in den §§ 107, 108 GWB genügende Begründung enthält. Gemäß § 108 Abs. 2 GWB muss die Begründung eines Antrags auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens u.a. die Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung verfügbarer Beweismittel enthalten. Gemäß § 107 Abs. 2 S. 2 GWB ist zudem darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behaupteten Verletzungen der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Diese Begründungsvoraussetzungen erfüllt der Antrag vom 3.12.2010 – auch in Verbindung mit den nachfolgenden Schreiben – nicht. Im Einzelnen:

Die Antragsteller behaupten, dass die berücksichtigten Unternehmen Angebote abgegeben hätten, die nicht der Leistungsbeschreibung entsprochen hätten und die tatsächlichen Verhältnisse dieser Anbieter nicht mit den Angaben in deren Angeboten übereinstimmen könnten. Zum Beleg dieser Behauptung verweisen sie zunächst auf die Schreiben der Antragstellerin zu 2) vom 13.10. und 17.10 2010 sowie die Schreiben der Antragstellerin zu 1) vom 17.10. und 25.10.2010. Die in Bezug genommenen Schreiben der Antragstellerin zu 2) können den vorliegenden Unterlagen nicht entnommen werden. Die zitierten Schreiben der Antragstellerin zu 1) enthalten keine weiteren Tatsachendarstellungen, sondern beziehen sich auf die Bitte um Bekanntgabe nicht berücksichtigter „Lose“ (Schreiben vom 17.10.2010) und die Einlegung eines – nicht näher begründeten - „Rechtsmittels“ (Schreiben vom 25.10.2010).

Soweit die Antragsteller zudem darauf verweisen, es würden „ernsthafte Zweifel“ bestehen, dass die Firma A GmbH & Co. KG über eine gültige Erlaubnis nach § 29 StVO zur übermäßigen Straßennutzung verfüge, stellt dies mangels Darlegung näherer, diese Vermutung stützender Tatsachen, eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein dar.

Dem weiteren Einwand der Antragsteller, die von den berücksichtigten Unternehmen angegebenen Preise könnten nicht auf zulässigen Kalkulationen beruhen oder gingen zu Lasten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, fehlt ebenfalls näherer Tatsachenvortrag, der geeignet wäre, die Richtigkeit dieser Vermutungen zu untermauern. Die Antragsteller fügen insoweit allein die von dem Verband für Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V. aufgelisteten Verrechnungssätze auf Basis statistischer Mittelwerte an. Diese sind ohne nähere Erläuterung nicht geeignet, die Behauptung zu stützen. Die Preisangaben haben ohne weitere Hintergrundinformationen keinen Aussagewert für den Senat, da hinsichtlich der berücksichtigten Unternehmen auf Pauschalpreise Bezug genommen wird, die statistischen Mittelwerte dagegen Preise pro Stunde ausweisen, ohne dass ein Umrechnungsmaßstab erkennbar ist.

Ob die weiteren Behauptungen, wonach die Firma B neben dem Inhaber nur einen Mitarbeiter beschäftige und beide berücksichtigten Unternehmen nicht über geschlossene Hallen und die erforderliche Anzahl an Stellplätzen verfügten, durch Verweis auf die Möglichkeit einer Begehung bei den berücksichtigten Unternehmen ausreichend unter Beweis gestellt wurden, kann offenbleiben.

Die Antragsbegründung enthält jedenfalls keine notwendigen Angaben i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB, aus denen sich ergibt, dass den Antragstellern durch die behaupteten Rechtverletzungen ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht einer abstrakten rechtlichen Kontrolle, sondern der Abwendung subjektiver Nachteile der Bieter (vgl. Bechtold/Otting, 6. Aufl., § 107 Rd. 5). Darzulegen ist zumindest, dass der gerügte Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Chancen der Antragsteller auf den Zuschlag zu beeinträchtigten (ebenda Rd. 6).

Soweit die Antragsteller behaupten, der Auftrag hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen, wäre den Antragstellern allein durch das Unterlassen der europaweiten Ausschreibung kein Schaden entstanden, da sie sich als in Deutschland ansässige Unternehmen bewerben konnten und – wohl - auch beworben haben.

26Sollten die berücksichtigten Unternehmen zu Unrecht einen Zuschlag erhalten haben, wäre seitens der Antragsteller darüber hinaus darzulegen gewesen, dass sich ihre Bewerbungsposition im Fall der Nichtberücksichtigung der tatsächlich ausgewählten Unternehmen jedenfalls verbessert hätte. Soweit zwar nicht vorgetragen werden muss, dass die Antragsteller in diesem Fall mit Wahrscheinlichkeit den Zuschlag erhalten hätte, wäre jedenfalls darzulegen gewesen, dass ohne die gerügten Vergabeverstöße eine realistische Chance der Antragsteller auf Zuschlagserteilung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könnte (ebenda Rd. 6). Um dies beurteilen zu können, wären nähere Angaben erforderlich gewesen, aus denen sich ergeben würde, welche Leistungen, bezogen auf welche Lose Gegenstand der Angebote der Antragsteller waren und in welchem Verhältnis deren Angebote zu denen der anderen Mitbewerbern standen. Da die Antragsteller – offensichtlich – Mitbewerber sind, wäre zudem für jeden einzelnen Antragsteller gesondert aufzuführen gewesen, aus welchen Umständen eine Verbesserung der Chancen ohne die gerügten Vergabeverstöße folgen könnte oder ob sich die Antragsteller als Bietergemeinschaft beworben haben.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass den Antragstellern der Weg, einen den Anforderungen der § 107, 108 GWB genügenden Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens zu stellen, grundsätzlich weiterhin offensteht, sollte eine europaweite Ausschreibung erforderlich gewesen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 120 Abs. 2, 78 S. 2 GWB.

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